Protocol of the Session on July 4, 2008

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Koplin.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Minister, Bildungsminister sage ich kurz, Herr Tesch. Herr Tesch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Älter, bunter, weniger“ – mit dieser Formel werden die Auswirkungen des demografischen Wandels deutschlandweit – deutschlandweit! – umschrieben. So einfach dieses „älter, bunter, weniger“ klingen mag, die Entwicklungen, die sich hinter dieser Aussage verbergen, also die Alterung der Gesellschaft,

(Udo Pastörs, NPD: Überalterung.)

die externe und interne Migration sowie die schrumpfende Bevölkerungszahl haben vor allem wirtschaftliche und soziale Konsequenzen für unsere Gesellschaft.

Auch Mecklenburg-Vorpommern steht vor gewaltigen Herausforderungen. Im letzten Jahr legte die Landesregierung den Bericht zur demografischen Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 vor. Nach den Ergebnissen dieser dritten Landesprognose wird die Einwohnerzahl in Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 weiter abnehmen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Bezogen auf den 31. Dezember 2002 ist von einem Rückgang bis zum Jahr 2020 um circa 238.000 Einwohner auf dann rund 1,51 Millionen Einwohner auszugehen. Wenige Geburten, eine deutlich steigende Lebenserwartung und die selektive Abwanderung vor allem junger Menschen führen dazu, dass sich die Altersstruktur deutlich weiter zuungunsten der jungen Bevölkerung entwickelt. Wir werden also weniger und älter. Was bedeutet das für unsere Kulturinstitutionen?

Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung im Bereich der Kulturpolitik und Kulturförderung bewusst. Aber nicht nur die Politik ist hier gefordert. Notwendig ist eine differenzierte Analyse der jeweiligen Ausgangssituation, auf deren Grundlage die Akteure, in diesem Fall also Kulturschaffende, Kulturpolitiker und Kulturförderer ihr Handeln langfristig ausrichten. Deshalb ist die Landesregierung mit allen ständig im Gespräch, denn wir wissen, zur Entwicklung der kulturellen Landschaft vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen ist keine allgemeingültige Aussage möglich. Es gibt keinen Königsweg, weder in der Gestaltung des demografischen Wandels noch in der Kulturplanung. Kultur ist nicht planbar, das ist verfassungsrechtlich festgelegt und politisch erwünscht. Schließlich nimmt die Kultur Strömungen der Gesellschaft auf und setzt sie in anderer Form wieder um. Von dieser Funktion als Seismograf lebt unsere freiheitliche Gesellschaft. Deswegen werden wir weiter auf den Dialog mit allen Beteiligten setzen.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Dazu dienen die jährlichen Kulturkonferenzen, die Sponsorentreffen, vor allem aber die unzähligen Gespräche und Verhandlungen mit den Kultureinrichtungen im Lande sowie die Gespräche im Kulturbeirat. Gemeinsam mit den Kultureinrichtungen, den Kommunen, dem Bund und den Sponsoren wird es gelingen, dass wir das breite Kulturprogramm, das wir heute erleben, auch in Zukunft finanzieren können.

Folgende sechs Punkte sind aus meiner Sicht dringend in der mittel- und langfristigen Planung zu berücksichtigen.

Erstens: die Kulturfinanzierung

Die demografische Entwicklung erhöht den bestehenden finanziellen Druck auf den kulturellen Sektor indirekt durch einen Rückgang beim relativen Steueraufkommen der öffentlichen Hand, direkt durch geringe Einnahmen infolge sinkender Besucherzahlen, obwohl vieles durch attraktive Angebote und wachsende Touristenzahlen ausgeglichen werden kann. Für Mecklenburg-Vorpommern gilt, ich will es noch einmal ganz deutlich sagen, trotz einer sinkenden Bevölkerungszahl haben wir die Kulturausgaben nicht gesenkt und das soll auch so bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich füge hinzu, wenn wir an der einen oder anderen Stelle davon sprechen, dass die Rendite dableiben soll oder drinbleiben soll, dann noch einmal, wir haben eine rückgehende Bevölkerungszahl und senken trotzdem die Kulturausgaben an dieser Stelle nicht. Das heißt im Grunde genommen, die Rendite bleibt erhalten.

Punkt 2: strategisches Handeln

Die Planung und Umsetzung von Maßnahmen setzt ein strategisches Handeln voraus. Wichtig ist, dass die Prioritätensetzung frühzeitig geklärt wird. Beispiele hierfür sind in Mecklenburg-Vorpommern das Theater- und Orchesterkonzept und das Konzept für die Musikschulen und die Jugendkunstschulen. Besondere Berücksichtigung müssen die kulturellen Leuchttürme im Land finden,

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund, die ErnstBarlach-Museen in Güstrow, das Staatliche Museum Schwerin, Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten, das Heinrich-Schliemann-Museum in Ankershagen, das Otto-Lilienthal-Museum in Anklam, das Pommersche Landesmuseum in Greifswald und das Hans-FalladaHaus in Carwitz.

Punkt 3: die Kooperationen stärken

Wir wollen kooperative Ansätze stärken. Gute Beispiele für den Erfolg sind die Vernetzung der Klosterstätten im Rahmen der Initiative „Wege zur Backsteingotik“ und die Vernetzung der Literaturhäuser.

Punkt 4: die Grundversorgung sichern

Auch in Zukunft muss die kulturelle Grundversorgung gesichert bleiben. Hierzu dient zum Beispiel die bereits erwähnte Theater- und Orchesterkonzeption. Für wichtig halte ich hier auch Initiativen der Soziokultur, die wir alle kennen und die in der Fläche wirken.

Punkt 5: kulturelle Bildungsangebote für alle

Auch die Veränderung der Altersstruktur der Gesellschaft erfordert eine Anpassung der Bildungsangebote. Kulturelle Bildungsangebote für Jüngere und Ältere sind weiterzuentwickeln. Dabei sollen eigene und gemeinsame Bildungsbedürfnisse von Älteren und Jüngeren Berücksichtigung finden.

Punkt 6: ehrenamtliches Engagement ausbauen

Die Ressourcen des zivilgesellschaftlichen Engagements müssen besser genutzt und ausgebaut werden. Gerade im kulturellen Bereich ist vieles nur dank des ehrenamtlichen Engagements möglich. Denken Sie nur einmal an die circa 150 Fördervereine für Kirchen im Lande. Gerade unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger können hier ihre vielfältigen Erfahrungen einbringen.

Ich fasse zusammen: Die Landesregierung befasst sich seit geraumer Zeit mit dem demografischen Wandel und wird dies auch weiterhin tun. Die Fragen im Zusammenhang mit den demografischen Entwicklungen sind seit einiger Zeit integraler Bestandteil der Kulturpolitik des Landes. Insoweit ist es nicht notwendig, einen gesonderten Bericht abzufassen, sondern das Thema wird im Rahmen der Kulturpolitik der Landesregierung behandelt. Das geschieht beispielsweise nach der Sommerpause im Oktober, wo auf der Landeskulturkonferenz die Herausforderungen und Chancen des demografischen Wandels zur Sprache kommen werden. Das ist doch auch die Einladung, daran mitzuwirken. Wir wissen

aber auch, bei allem Wandel und Neuem in der Kultur ist Kontinuität ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Darauf können sich unsere Partner aus der Kultur auch weiterhin verlassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Kreher von der Fraktion der FDP. Bitte, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Koplin, ich hatte meiner Fraktion zunächst den Rat gegeben, Ihrem Antrag zuzustimmen. Als ich jetzt aber Ihre Einbringungsrede gehört habe, ist mir sehr deutlich geworden, dass es Ihnen doch um etwas geht, was wir nicht unterstützen können.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das kann ich nicht glauben.)

Zunächst mal, wenn es geht um Entwicklung der kulturellen Infrastruktur – jawohl, das ist zu überlegen, wie aufgrund sich ständig verändernder Bedingungen die kulturelle Infrastruktur angepasst wird. Diesem Gedanken – und das war der Grund, weshalb ich zunächst meiner Fraktion den Vorschlag gemacht hatte, dem zuzustimmen – können wir zustimmen. Jawohl, die Infrastruktur für die Kultur ist etwas, wofür wir uns alle in den Kommunen, aber auch vom Land aus verantwortlich fühlen sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Aber schon im zweiten Teil, kulturelle Angebote – wenn wir das, und da stimme ich dem Minister zu, zu planwirtschaftlich angehen und das, was Sie da vorhin alles aufgezählt haben …

(Zurufe von Angelika Gramkow, DIE LINKE, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Ja, ja, ja, ja, das war klasse. Aber jetzt überlegen Sie einmal, was Sie nur alles aufgezählt haben. Wie lang soll der Bericht werden?

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Der Herr Minister hat dazu sechs Punkte gesagt. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Wie binden wir da das Ministerium, die Mitarbeiter, die wir im Bereich Kultur haben?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die sind klug, die kriegen das schon hin.)

Ja, ja, die sind klug. Ich streite darüber nicht. Aber wir wollen doch, dass wir wirklich in den einzelnen Bereichen vorankommen. Wenn Sie das aufgezählt haben, dann haben Sie ja sogar eine ganze Menge noch vergessen, was zu diesem ganzen Bereich gehört,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das glauben Sie auch nur, dass wir das vergessen haben. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

zum Beispiel das, was wir auch gesagt haben: Zur kulturellen Infrastruktur gehört natürlich auch dieser ganze Bereich, der wichtig ist für die Kulturentwicklung unserer Hochschulen, also zum Beispiel Caspar-David-Friedrich

Institut. Wie soll es da weitergehen? Das ist ganz wichtig. Wie ist das in all den anderen Bereichen miteinander verflochten und verwoben? Das kriegen Sie in einem solchen Bericht nicht hin, deshalb mein Vorschlag: Wir wenden uns weiterhin einzelnen Dingen zu, wie wir es jetzt mit der Theaterlandschaft hoffentlich machen. Bisher habe ich nur Gerüchte und Zeitungsberichte gehört.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das lohnt sich auch nicht, Herr Kreher!)