Protocol of the Session on July 3, 2008

In bin davon überzeugt, dass diese Investition mit Augenmaß richtig ist.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten nehmen die Argumente der Bürger, die sich in dem Volksbegehren artikulieren, ernst.

(Gino Leonhard, FDP: Das kann nicht wahr sein! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Wir beziehen darüber hinaus weitere Argumente in die politische Arbeit mit ein.

(Raimund Borrmann, NPD: Das ist das Entscheidende.)

Unsere Antwort mag nicht zu den einfachen Antworten gehören und nicht jeder mag sie verstehen. Dafür habe ich Verständnis.

(Michael Andrejewski, NPD: Keiner versteht Sie. – Raimund Borrmann, NPD: Sie sind völlig unverständlich.)

Wir sind aber der Überzeugung, dass wir mit unserer politischen Position

(Stefan Köster, NPD: Welche denn?)

eine Balance gefunden haben, die wir in MecklenburgVorpommern auch in Zukunft,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

wenn wir einmal nach unserer politischen Verantwortung gefragt werden sollten, dann noch guten Gewissens vertreten können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zurufe von Irene Müller, DIE LINKE, Raimund Borrmann, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Timm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Professor Dr. Methling.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß Artikel 59 der Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern haben Einzelpersonen, Parteien, Vereine und Verbände sowie Bürgerinitiativen im Februar dieses Jahres die Volksinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk in Lubmin“ gestartet. Ich gehörte auch dazu. Binnen kürzester Zeit haben 32.000 Menschen unseres Landes die Listen unterschrieben und sich dem Anliegen der Initiative angeschlossen.

Wir hatten inner- und außerhalb dieses Hauses mehrere Diskussionen darüber, was eine Volksinitiative darf und was nicht. Dabei kam auch die eine oder andere merkwürdige Auffassung von Demokratie zum Vorschein. Ich denke, inzwischen ist völlig klar – und das haben die Vorredner auch zum Ausdruck gebracht –, dass Bürgerinnen und Bürger dieses Landes selbstverständlich ihre Volksvertretung auffordern dürfen, eine politische Stellungnahme abzugeben, auch wenn der Bau des Kraftwerkes weder zugelassen noch abgelehnt ist, weil darüber in einem Genehmigungsverfahren entschieden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Aber sei es, wie es sei, die Volksinitiative liegt auf dem Tisch und jeder von uns muss sich dazu verhalten, die

Fraktionen, aber auch die einzelnen Mitglieder der Fraktionen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute kann wohl niemand mehr in Zweifel ziehen, dass Menschen aus unterschiedlichen politischen Lagern zu den Gegnern der Kraftwerkspläne gehören.

(Egbert Liskow, CDU: Aber die Befürworter nicht.)

Meine Fraktion hat sich ebenso wie die Partei von Anfang an in den Widerstand eingereiht. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte unsere Fraktion den Antrag „Bürgerwillen beachten – Nein zum Neubau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin“ eingebracht. Diesen Antrag haben wir in den Landtag eingebracht. Vor einem Jahr ging es um den Willen der Lubminer Bürgerinnen und Bürger, heute reden wir über 32.000 aus dem ganzen Land. Sie fordern den Landtag auf, sich im Interesse von Tourismus, Entwicklung, Umwelt und Klimaschutz gegen das Kraftwerk auszusprechen. Wir hatten in unserem Hause dazu mehrere Debatten. Der Minister hat dazu auch gesprochen.

Wir wissen alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass der Klimaschutz zu einer Überlebensfrage für die Menschheit geworden ist. Der Klimawandel vollzieht sich bereits. Er ist nur noch zu begrenzen, wenn wir schnellstens wirksame Maßnahmen einleiten. Ich hätte mir gewünscht, dass der Klimaschutzminister unseres Landes darüber mehr spricht, anstatt abzuwiegeln, was Fragen des Klimaschutzes betrifft.

Die Auswirkungen werden um Mecklenburg-Vorpommern keinen Bogen machen. Das hat die Landesregierung ebenfalls selbst festgestellt. Wir wissen alle, dass wir längst nicht darauf vorbereitet sind, schädliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft, den Wasserhaushalt, die biologische Vielfalt, aber auch auf die Gesundheit der Menschen zu vermeiden beziehungsweise zu mildern. Entspräche es da nicht einem Minimum an Vernunft, wenigstens das zu vermeiden, was die Klimaprobleme weiter verschärfen würde? Ich denke, ja.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

CO2 ist der Klimakiller Nummer eins. Und hat es deshalb mit Verantwortungsbewusstsein oder nachhaltiger Politik zu tun, wenn ein Steinkohlekraftwerk den CO2-Ausstoß in Mecklenburg-Vorpommern nahezu verdoppeln wird? Ich denke, nein. CO2-Abscheidung ist, wie wir wissen, in absehbarer Zeit nicht möglich. In dieser Woche gab es einen Film, in dem Wissenschaftler darüber sprachen, dass die Erwartungen wohl gedämpft werden müssen.

DONG Energy hat CO2-Abscheidung auch nicht vorgesehen. Außerdem hieße die unterirdische Speicherung des Kohlendioxids, ein weiteres unkalkulierbares Risiko unseren Kindern als Hypothek mitzugeben. Die CO2Abscheidung würde sehr hohen Energieaufwand erfordern und die Energieeffizienz der Gesamtanlage reduzieren. Das Kraftwerk würde nicht mal vom Investor bezweifelte Belastungen für Mensch und Natur zur Folge haben, durch die unter anderem die Erwärmung des Boddens und die Emission von Schadstoffen zu nennen sind. Kraft-Wärme-Kopplung kann nicht stattfinden, wenngleich Herr Kollege Timm über solche Überlegungen und Versuche gesprochen hat. Kraft-Wärme-Kopplung wird es nur geben, wenn es genügend Wärmeabnehmer gibt. Das heißt nichts anderes, als dass die Energieeffizienz

gering sein wird. Die Kohletransporte über Tausende von Kilometern sind an sich schon ein ökologischer Anachronismus. Und wenn man das schon so einschätzt, ist die Frage, warum man dann nicht anders handeln will.

Meine Damen und Herren, haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt, warum die Menschen vor Ort so unruhig werden, warum sie befürchten, dass ihre jahrelange Arbeit zur Schaffung einer neuen Existenzgrundlage nach der Wende, im Tourismus zum Beispiel, zunichte gemacht wird? Es ist die Summe der Belastungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die auf sie zukommt. Da ist einerseits und schon lange das Zwischenlager für radioaktive Abfälle. Die bereits genehmigten GuD-Kraftwerke sind zwar wesentlich effektiver und weniger umwelt- und klimabelastend als ein Steinkohlekraftwerk, sie emittieren aber auch Kohlendioxid und andere Schadstoffe und leiten erwärmtes Kühlwasser in den Bodden ein. Die Entnahme von gewaltigen Mengen Grundwasser gefährdet die Grundwasserqualität in der Region. Die Gasleitung, die russisches Gas in Lubmin anlanden soll, wird erhebliche Eingriffe in den Naturhaushalt erforderlich machen. Für die Trassen zum Weitertransport ins Land müssen große Waldareale abgeholzt werden. Weitere Ansiedlungen – und ich gehe davon aus, dass sich der Standort weiter gut entwickeln wird – brauchen neue Flächen, die ebenfalls dem Wald abgerungen werden müssen, und jetzt dazu noch ein Steinkohlekraftwerk.

Die Menschen in der Region haben inzwischen ein sehr feines Gespür dafür entwickelt, welche Eingriffe noch zu verantworten sind und welche nicht. Mit ihrer außerordentlich großen Beteiligung an der Volksinitiative haben sie deutlich gemacht, ein Steinkohlekraftwerk in Lubmin schadet Natur und Umwelt über alle Maßen und die touristische Entwicklung ist damit gefährdet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Der Greifswalder Bodden und seine Küstenregion sind ein hochsensibles schutzwürdiges Gebiet, und zwar im Interesse der Menschen sowie von Flora und Fauna. Auch deshalb leben die Menschen gern dort und viele Touristen kommen zur Erholung. Energie müssen wir auch in Lubmin auf anderem Wege erzeugen.

Mecklenburg-Vorpommern hatte den nötigen Richtungswechsel in der Energiepolitik bereits begonnen zu vollziehen. Alle Dokumente der rot-roten Regierung belegen dieses. Nicht umsonst sind wir Vorreiter in der Bundesrepublik bei der Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien. Ihnen, den erneuerbaren Energien, gehört die Zukunft, meine Damen und Herren, nicht weil es ein paar grüne oder rote Spinner gibt, denen dann mal so eingefallen ist, dass das gut wäre, sondern weil es dringend erforderlich ist aus Klimaschutzgründen und aus Ressourcenschutzgründen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ein Steinkohlekraftwerk würde alle diesbezüglichen Bemühungen und Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern zunichte machen.

Befürworter des Kraftwerkes behaupten, dass zur Sicherung der Energieversorgung auf zusätzliche konventionelle – ich betone, auf zusätzliche – Kraftwerke nicht verzichtet werden kann. Es gibt aber zahlreiche Studien

und Untersuchungen, zum Beispiel vom Umweltbundesamt, die zu gegenteiligen Schlüssen kommen, die nachvollziehbar darlegen, dass ein Energiemix mit steigendem Anteil, natürlich nicht der volle Ersatz, erneuerbarer Energien nicht dazu führen wird, dass bei uns die Lichter ausgehen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Allerdings muss dafür die Einheit von drastischem Energiesparen, deutlicher Steigerung der Energieeffizienz und der Erzeugung aus erneuerbaren Quellen mit ganzer Kraft erreicht werden.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunftsfähigkeit einer Investition solchen Ausmaßes, also die Frage, ob die Investition auch den Interessen der heutigen und künftigen Generation entspricht, müssen die Gesellschaft und die Politik bewerten. Die Bewertung durch die Gesellschaft ist durch die Volksinitiative erfolgt. Sie fällt negativ aus. Jetzt sind wir dran, der Landtag. Und auch die SPD wird sich entscheiden müssen, denn DONG Energy ist auf Ihren Deal nicht eingegangen und auch mit der Kraft-Wärme-Kopplung wird es wohl nichts werden.

Das Problem des Klimaschutzes, meine Damen und Herren, spielt im Genehmigungsverfahren für das Steinkohlekraftwerk keine Rolle. Das ist dringend und schnellstens zu ändern. Insofern ist der Punkt 3 der Volksinitiative, der uns auffordert, Klimaschutz im Landesrecht in der Landes- und Regionalplanung verbindlich zu verankern, außerordentlich wichtig und weit reichend.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Insofern sind Gesetze nur eine Grundlage. Hier gibt es einen erheblichen Mangel an Gesetzgebung, der in anderen Bundesländern übrigens erkannt worden ist. Man ist dort über das Diskussionsstadium hinaus und geht ans Handeln. An diesem sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Was haben Sie eigentlich gemacht die ganze Zeit?)

Jawohl, es soll ein rechtsstaatliches Verfahren geben. Aber das Genehmigungsverfahren ist keine Mathematikaufgabe, bei der eins und eins zusammengezählt nun einmal zwei ergeben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Da gibt es Rechtsregeln dazu.)

Hierbei geht es auch um Interessen, hierbei gibt es Wertungen, hierbei gibt es Abwägungen. Das ist sehr wohl bekannt. Das Land hat das öffentliche Interesse zu bewerten. Und hierbei sollte die Volksinitiative ein deutliches Gewicht erhalten. Degradieren Sie, degradieren wir die Beteiligung der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren nicht zu einer Farce.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die Volksinitiative ist ein deutliches Votum der Bevölkerung unseres Landes. Nehmen wir es ernst.

Und, lieber Kollege Timm, vorausgesetzt, wir hätten im Kabinett über dieses Vorhaben gesprochen, Sie haben es ja im Konjunktiv formuliert, können Sie sicher sein, auch damals hätte ich mich so positioniert, wie ich dieses heute getan habe.