Protocol of the Session on June 5, 2008

Nun werden Sie sicherlich sagen, diese Transparenz könnte man auch herstellen zum Beispiel über eine Kleine Anfrage an die Regierung. Ja, meine Damen und Herren, das dachte ich auch. Aber etwas verwundert musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die Landeregierung an sie gerichtete Vorschläge, Bitten und Beschwerden offenbar nicht statistisch erfasst.

(Zurufe von Angelika Peters, SPD, und Toralf Schnur, FDP)

So zumindest, und das finde ich bedenklich, lautet die Antwort auf meine Kleine jüngst gestellte Anfrage. Bekannt ist aber, das geht aus öffentlichen Studien hervor, dass die Bürgerinnen und Bürger sich sehr häufig an die Regierung wenden, offensichtlich häufiger als an den Petitionsausschuss beziehungsweise den Bürgerbeauftragten.

Die Ursachen dafür sind sicherlich sehr vielfältig. Vielleicht ist es das durchaus vorhandene Obrigkeitsdenken, der Gedanke, dass man sich direkt mit der Stelle auseinandersetzen sollte, mit der man eine Streitigkeit hat, oder auch die Frage, dass die Regierung über mehr Personal verfügt und man dadurch schneller zum Ziel kommt. Das alles ist aus meiner Sicht auch überhaupt kein Problem. Nein, im Gegenteil, ich finde es gut, dass Bürgerinnen und Bürger diesbezüglich eine Wahlfreiheit haben. Schließlich ist die Verwaltung einschließlich Regierung die ausführende und vollziehende Gewalt, kurz Exekutive genannt.

Eingaben beinhalten nicht nur persönliche Sorgen und Nöte, oftmals werden Missstände im System aufgezeigt. Damit sind Eingaben ein wertvolles Instrument, das Verwaltungshandeln selbst sowie die Grundlagen des Handelns, damit meine ich Gesetze, Verordnungen und Erlasse, zu überprüfen und notfalls zu korrigieren. Eingaben müssen also nicht als Last, sondern als Chance angesehen werden. Sie werden mir sicher recht geben, dass dieser Prozess des Umdenkens in den Köpfen gerade erst begonnen hat, denn bequem sind Eingaben nie. Das werden mir alle, die, egal auf welcher Ebene, damit zu tun hatten, bestätigen.

Unverständlich ist aber, warum das Parlament von der Regierung überhaupt keine Informationen erhält und die in der Verfassung festgeschriebene Kontrollpflicht gar nicht ausüben kann, ja schlichtweg entzogen wird. Durch eine jährliche Unterrichtung an den Landtag zu wissen, welche inhaltlichen Schwerpunkte bei den Eingaben dominierten und wie gehäuft sie eingingen, würde uns Abgeordneten sicherlich helfen, die eine oder andere parlamentarische Initiative einzuleiten und mit Fakten zu untersetzen. Und genau das ist der Punkt. Wir könnten Rückschlüsse auf das eigene Handeln ziehen.

Meine Damen und Herren, ich nenne Ihnen nur die Schlagworte Bürgernähe, Bürgerfreundlichkeit. Der Umgang mit Eingaben zeigt den Bürgern auf sehr direktem Wege, ob und wie diese Grundsätze gelten und eingehalten werden. Daher dürfte es meiner Ansicht nach ein Selbstverständnis sein, dass alle Daten erfasst werden, die vom Werdegang einer Eingabe vom Eingang bis zur Erledigung Zeugnis ablegen können. Ich sehe dies nicht als zusätzliche Aufgabe, sondern als internes und effektives

Kontrollinstrument der Verwaltungs- und Regierungsarbeit an.

Im Innersten bin ich davon überzeugt, dass dies auch so von den Ministerinnen und Ministern unseres Landes gesehen und entsprechend gehandelt wird, dass nur die Zusammenstellung von Daten oder die Koordination noch nicht so klappt. Für mich ist das aber lebendige Demokratie, wenn bürgerschaftliche Mitwirkung bei Entscheidungsprozessen gewollt und unterstützt wird. Und dass Eingaben etwas bewirken können, kann ich aus meiner Arbeit im Petitionsausschuss bestätigen.

Bitte kommen Sie mir auch nicht mit dem Argument, mehr Bürokratie, mehr Aufwand, keine gesetzliche Vorgabe oder in anderen Ländern wäre das auch nicht üblich. Abgesehen davon, dass es nicht stimmt, würde das aus meiner Sicht auch kein Argument sein und, meine Damen und Herren, andere Landesregierungen haben die Zeichen der Zeit längst erkannt. So besteht, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der SPD, seit über fünf Jahren in Rheinland-Pfalz ein Bürgerbüro, welches sich der Eingaben an den Ministerpräsidenten und die Landesregierung Rheinland-Pfalz annimmt. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 25. Februar dieses Jahres: „Das Bürgerbüro der Landesregierung hat im vergangenen Jahr 5.148 Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern abschließend bearbeitet. Gegenüber dem Vorjahr 2006 sind die Eingaben damit wieder um 30 Prozent gestiegen und über 20 Prozent der Petitionen betrafen im vergangenen Jahr Fragen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit“ und so weiter und so fort. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Kurt Beck äußerte dazu, dass sich immer mehr Menschen an das Bürgerbüro wendeten, mache deutlich, dass es eine notwendige Einrichtung und eine richtige Entscheidung sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Bürgerbüro existiert neben dem Petitionsausschuss und neben dem Bürgerbeauftragten. Ich zitiere aus der Antwort zu einer Kleinen Anfrage von der Abgeordneten der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag von Mitte April dieses Jahres: „Die sehr rege Inanspruchnahme sowohl des Bürgerbeauftragten als auch des Bürgerbüros der Landesregierung zeigt, dass beide Anlaufstellen ihre volle Berechtigung haben. Es spiegelt sich darin auch das in den letzten Jahren in der staatswissenschaftlichen Diskussion entwickelte Leitbild der Bürgergesellschaft, bei dem es darum geht, die Menschen in die Verarbeitung ihrer eigenen Angelegenheiten einzubeziehen, wider.“

So weit geht mein Antrag nicht. Allerdings könnte ich mir schon vorstellen, dass über ein solches Bürgerbüro, angesiedelt in der Staatskanzlei und im Einklang mit der Reformierung der Verwaltung, nachzudenken wäre. Ich bitte in meinem Antrag lediglich um eine jährliche Unterrichtung des Landtages zu Eingaben. Diese Unterrichtung sollte, so rege ich an, ähnlich der Berichterstattung des Petitionsausschusses und des Bürgerbeauftragten erfolgen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und möchte mit einem Ausspruch enden: Tue Gutes und rede drüber.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten verein

bart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Peters von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Borchardt hat als einen Grund für Ihren Antrag angegeben, sie wirbt um Vertrauen zwischen allen Beteiligten, zwischen Regierung und Parlament. Das heißt im Umkehrschluss, es gibt eigentlich gar nicht so das richtige Vertrauen. Wenn man darum werben muss, muss es ein Misstrauen geben.

Und wissen Sie, eigentlich wäre es mir nie im Traum eingefallen seinerzeit, als die Häuser mit Herrn Professor Methling oder mit Herrn Holter oder mit Frau Dr. Linke besetzt waren, so einen Antrag zu stellen, weil ich Vertrauen hatte zu den Häusern. Also ich frage mich: Warum jetzt dieser Antrag?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie waren schon lange nicht mehr in der Opposition, Kollegin.)

Ja, ja, das ist nämlich der wahre Grund. Die Opposition hat kein Vertrauen. Sagen Sie es doch auch so! Sagen Sie es dann so

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja.)

und reden Sie doch nicht drum herum!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir haben keinen Zugang.)

Es geht gar nicht darum, dann sagen Sie das doch.

Es gibt einen guten Ausspruch von Johann Nepomuk Nestroy, der sagte: „Zu viel Vertrauen ist häufig eine Dummheit,“

(Irene Müller, DIE LINKE: Eben, deswegen wollen wir mehr wissen.)

„zu viel Misstrauen immer ein Unglück.“

Wie misstrauisch und wie unglücklich müssen wohl die Urheber dieses Antrages sein, frage ich mich dann in dem Zusammenhang.

(Irene Müller, DIE LINKE: Gar nicht. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Da wird die Landesregierung aufgefordert, uns jährlich bis zum 31. März über Vorschläge, Bitten und Beschwerden, Eingaben des vorangegangenen Jahres zu unterrichten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ja.)

Und dabei geht es nicht nur um Zahlen aus den einzelnen Geschäftsbereichen der Landesregierung,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

nein, es geht auch um Angaben zum Sachverhalt, zum Verfahren und der Dauer des Verfahrens und natürlich – und das ist der Zugang der Informationen – zum Ergebnis der Erledigung. Das ist wohl das Wichtigste, was Sie wissen wollen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, das wollte die Wirtschaft von uns auch wissen.)

Und aus der Begründung können wir dann auch entnehmen, dass es dabei um die wahrzunehmende – Frau Borchardt hat es angesprochen – Kontrollfunktion des Landtages gegenüber der Landesregierung und der

Landtagsverwaltung geht, und das alles, weil wir bisher keine Kenntnis von diesen Vorgängen haben und es dazu auch keine statistische Erfassung gibt.

Meine Damen und Herren der Partei DIE LINKE, ich sage Ihnen, wir lehnen diesen Antrag aus folgenden Gründen selbstverständlich und ganz entschieden ab.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh ja! – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Wir gehen nämlich von mündigen Bürgern aus,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ah ja! – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja. – Sigrun Reese, FDP: Das ist ja was ganz Neues.)

mündige Bürger, die selbst entscheiden, ganz selbst entscheiden – Sie sind doch auch mündig, denke ich mal –, von wem sie eine Antwort auf ihre Fragen beziehungsweise Lösung für ihr Problem erwarten.

(Irene Müller, DIE LINKE: Darum geht’s doch gar nicht. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Wenn der Bürger sich entscheidet, seine Frage dorthin zu stellen, dann erwartet er auch von dort eine Antwort.

(Irene Müller, DIE LINKE: Es kommt auf den Inhalt an.)

Ansonsten kann sich der Bürger bei Unzufriedenheit auch an die parlamentarischen Ansprechpartner, wie Frau Borchardt sie aufzählte, wenden,

(Dr. Armin Jäger, CDU: An jeden von uns.)

also an den Petitionsausschuss, an den Bürgerbeauftragten,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Darauf müssen wir bestehen.)

an die Fraktionen insgesamt,