Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Mit dem Landtagsbeschluss vom 29. März 2007 wurde die Landesregierung beauftragt, eine wissenschaftlich fundierte Studie zu den Folgen des Klimawandels bezogen auf das Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern erstellen zu lassen. Dabei sollte darauf geachtet werden, welche Auswirkungen unter anderem für die Entwicklung der Temperatur, den Küstenverlauf, den Grundwasserspiegel, die Land- und Forstwirtschaft und die Gesundheitsvorsorge anhand aktueller Daten und Modelle prognostiziert werden.
So weit, so gut oder, besser gesagt, nicht gut, denn wir finden lediglich ein Sammelsurium von Hypothesen und Rechenmodellen, welche die aktuellen Meinungen von Wissenschaftlern darstellen, die im Rahmen der Klimaforschung heute wohl so üblich sind: keine Diskussion über mögliche und unterschiedliche Entwicklungstrends, keine Diskussion über die Ungenauigkeit von Modellrechnungen und vor allen Dingen keine Diskussion über die wirklichen Ursachen des erhöhten Einflusses der Zivilisation auf das Klima. Aber, und der Minister sagte schon, es handelt sich um einen ersten Entwurf. Ich denke, wenn wir dazu jetzt noch einige Anmerkungen machen und Sie diese aufnehmen, dann kann vielleicht im zweiten Entwurf etwas Besseres stehen.
Wissenschaftlich fundierte Arbeit beginnt nämlich eigentlich mit der Istanalyse und dem Blick auf vergangene Untersuchungen. Ehrlich gesagt, dieses kommt mir einfach ein wenig zu kurz. Gerade die analytischen Arbeiten …
Gerade die analytischen Arbeiten von Klieve und Bauer in den 60er und 70er Jahren wären doch wohl erwähnenswert, was sich auch Minister Backhaus zu eigen machte, denn sonst hätte er sie wohl nicht in seiner Dissertation erwähnt.
Die hier dargestellten Klimaregionen ermöglichen es, die neuen modernen Rechenmodelle auf die Region herunterzubrechen. Dies geht auch aus der Anwendung von „Remo“ hervor. Ein Abgleich von früheren, aktuellen und berechneten Daten wäre hier wohl der richtige Lösungsansatz gewesen. Ausgehend von einem vorgegebenen
Temperaturtrend werden in einzelnen Arbeitsgruppen Parameter und Szenarien, Chancen, Risiken und Handlungsempfehlungen diskutiert. Dieses geschieht in einer recht lockeren und kritischen Art und Weise. Kann sein, dass sich die entsprechenden Wissenschaftler erst am Anfang der Diskussion befinden, kann sein, dass die Heterogenität der Arbeitsgruppen noch keine richtige gemeinsame Herangehensweise zugelassen hat,
„1. Für ein statistisches Szenarienmodell dürfen sich die zukünftigen Änderungen nicht zu weit von den Ausgangsbedingungen (Beobachtungen) entfernen, damit die Beziehungen zwischen den einzelnen meteorologischen Größen im statistischen Sinn noch als konstant betrachtet werden können.
2. Nach ca. 2050 laufen die globalen Klimaszenarien … sehr weit auseinander in Abhängigkeit von der angenommenen Entwicklung der Treibhausgasemissionen. Außerdem werden auch die Fehler der globalen Klimamodelle größer. Das bedeutet insgesamt, dass die Aussagen zur Klimaentwicklung in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts sehr unsicher sind.“ Zitatende.
Nun haben wir hier in Mecklenburg-Vorpommern kein Institut für Klimafolgenforschung, welches entsprechende Kapazitäten und Erfahrungen hat.
Doch gerade im Bereich der Handlungsrichtlinie muss der Bericht noch konkreter werden. Die neusten Untersuchungen der „Polarstern“ zur Temperatursituation in der Arktis zeigen deutlich, da ist eine zunehmende Abkühlung konstatiert worden. Solche Aussagen, wie die Folgen des Klimawandels aus dem Wasserhaushalt und die Nutzung in Mecklenburg-Vorpommern, sind vielfältig und vor allem regional höchst unterschiedlich. Zugleich sind die genauen Zusammenhänge in großen Teilen noch unbekannt und daher nicht gerade ein Beispiel für Expertenmeinungen. Doch ähnliche Sätze finden wir in allen anderen diskutierten Bereichen. Lediglich die Land- und Forstwirtschaft wird etwas konkreter.
Der Bedarf an weiterführenden Untersuchungen ist also überall noch sehr groß. Erste positive Ansätze sind zu erkennen, wenn auch die Defizite in unserem Wissen noch weitgehend sind. Man sollte überdenken, wie die weitere Aktualisierung mit zunehmender Konkretisierung geschehen soll, denn sie ist unbedingt notwendig, weil die Landesregierung Handlungsrichtlinien für mögliche Entscheidungen erarbeiten will. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vor wenigen Tagen schrieb der „Nordkurier“: „Offensichtlich hat es das Land bisher nicht verstanden, den Eindruck zu erwecken, dass hier etwas passiert. Wir sind weltoffen, wir versuchen etwas Neues, wir verlassen alte eingetretene Bürokratiepfade. Wo wir sind, ist kein Provinzialismus. Diese klare Aussage vermissen zahlreiche Beobachter und Kritiker der gegenwärtigen Landespolitik und verweisen darauf, dass Visionen und Konzepte für die Entwicklung des Landes dringend notwendig sind. Jetzt droht ein Quantensprung. Wir stehen vor der Nagelprobe für die Überlebensfähigkeit der Provinz. Weder die Gefahren werden von der Politik offen auf den Tisch gelegt noch die Möglichkeiten, ihnen zu begegnen.“ Zitatende.
Bürger dieses Landes, genau diese Auffassung sehen wir mit der uns vorliegenden Unterrichtung „Klimaschutz und Folgen des Klimawandels in Mecklenburg-Vorpommern“ bestätigt und ich möchte dies an folgenden Punkten aufzeigen:
A) Ausgangspunkt der Studie sind Emissionsszenarien des IPCC, zu Deutsch: Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe über den Klimawandel, die sich auch Weltklimarat nennen lässt. Diese Sachverständigengruppe hat im letzten Jahr aktualisierte Berichte vorgestellt, in die neuere Beobachtungen und Messungen im Rahmen der internationalen Klimaforschung einfließen. Was aber der Auswertung dieser Messreihen vorangeht, sind die besagten Szenarien, die eigentlich keine Emissionsszenarien sind, sondern Spekulationsvarianten künftiger wirtschaftlicher Entwicklung. Dabei werden zwei Gruppen unterschieden, Buchstaben und Ziffern. Bei den Buchstaben steht „A“ für eine zukünftige Welt mit sehr raschem Wirtschaftswachstum und „B“ für eher gleichbleibende Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung. Bei den Ziffern steht „1“ für eine zunehmend kulturelle und soziale Integration für globale Lösungen in einer sich näherkommenden Welt, also einer Welt, in der die horizontalen Grenzen zwischen Völkern, Staaten und Kulturen weitgehend, und zwar zugunsten der westlichen Zivilisation und Wertegemeinschaft aufgehoben sind. Ziffer „2“ repräsentiert eine Entwicklungsvariante einer sehr heterogenen Welt, in der das Grundthema Autarkie und Bewahrung lokaler Identitäten ist. Aus diesen Grundtypen werden Kombinationen gebildet, die dann den jeweiligen Bezugspunkt der verschiedenen Klimamodellierung bilden.
Erstens. Kein Wissenschaftler spricht von der Möglichkeit einer Variante C, in der die transnationalen Konzerne den Mittelstand so ruinieren, dass dieser nicht mehr ökonomisch die Kraft hat, den technologischen Quantensprung von der fossilen zur erneuerbaren Energiequelle auch zu finanzieren. Wenn Josef Ackermann und Co. Wasserstoffautos fahren, wird damit keine Wasserstoffindustrie profitabel. Und dass wegen der LINKEN ALG-II-Empfänger, Aufstocker und Ein-Euro-Jobber sich Derartiges leisten werden, glaubt nicht einmal Harald Ringstorff, denke ich.
Zweitens. Kein Wissenschaftler denkt an eine Ziffer 3, nämlich an ein Szenario, in dem weder Globalisierung noch Autarkie, sondern Kampf um Energie-, Wasser- und Nahrungsressourcen – wie zum Beispiel auch der Irakkrieg einen darstellt –
zu einer Vernichtung oder zumindest zu einer Niederringung von Konkurrenten führt und dieser Kampf selbst zu klimaverändernden Wirkungen, ich denke an asymmetrische Kriege mit verheerenden Umweltschäden, führen kann.
B) In der Studie werden keine Mindermeinungen angedeutet. Globale Erwärmung kann auch zu regionaler Abkühlung führen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das zieht keiner in Zweifel, aber wir sind in Mecklenburg-Vorpommern.)
Ein Beispiel: Der Golfstrom erwärmt das europäische Klima zusätzlich um etwa 10 Grad Celsius. Der Golfstrom selbst wird durch eine gigantische Salzwasserpumpe in Bewegung gehalten. Dabei sinkt vor Neufundland kaltes schweres Salzwasser durch seine höhere Dichte in die Tiefe und treibt so eine Tiefenströmung an,
die durch das sich in der Karibik erwärmende Wasser über den Atlantik erneut nach Europa bis zum Nordkap führt, wo es erkaltet und dann wiederum nach Neufundland zieht.
Potsdamer Meeresforscher ziehen in Erwägung, dass die abschmelzende Nordpolkappe und besonders das schmelzende Grönlandsüßwassereis zu einer Minderung der Salzwasserdichte führen wird. Dann sinken die Wassermassen nicht mehr in einem für den Strömungsantrieb erforderlichen Maße, sodass der Golfstrom, wenn schon nicht gänzlich ausbleiben, sich so doch sehr verlangsamen würde. Dies könnte die Erwärmung in Europa mehr als kompensieren und zu einer Abkühlung führen.
C) Die soziale Verwerfung eines von Überalterung, wirtschaftlicher Auszehrung, Verarmung und Überschuldung geprägten Landes mit besonderer Krisenanfälligkeit wird in seiner Dramatik völlig ausgeblendet.
Fazit: Die Landesregierung legt eine Studie vor, die sich in vielen Einzeldetails Gedanken über Klimaveränderungen macht, aber deren Konsequenz mit einer rosaroten Perspektive erstrahlen lässt. Leider gilt auch hier: Scheint die Sonne noch so schön, einmal muss sie untergehn.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun liegt er endlich vor, der lang erwartete Klimabericht der Landesregierung. Es wurde heute auch schon viel darüber gesagt. Auch ich bin froh,
dass er endlich da ist, aber zufrieden bin ich mit dem Vorgelegten nicht. Ich denke, und darauf hat Professor Methling schon verwiesen, lange genug sind in der Landesregierung die hier aufgezählten Fakten bekannt. Und eigentlich müssten schon längst Taten folgen, denn bei genauerem Hinsehen ist jetzt schon zu erkennen, dass unser Land bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in der Defensive ist. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen deutlich machen: