Protocol of the Session on June 4, 2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich begrüße Sie zur 42. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 42., 43. und 44. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 42., 43. und 44. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Die Fraktion DIE LINKE hat drei Dringlichkeitsanträge zu den Themen „Telekom-Abhörskandal verurteilen, unverzüglich Konsequenzen ziehen, Datenschutz stärken“, „Bedarfsgerechte und wohnortnahe Ausbildungsangebote an den beruflichen Schulen in MecklenburgVorpommern zum Schuljahr 2008/2009 sichern“ und „Unterstützung der Forderungen der Milchbauern in Mecklenburg-Vorpommern“ vorgelegt, die nach Prüfung auf den Drucksachen 5/1528, 5/1529 und 5/1530 verteilt werden.

Die Fraktionen der CDU und SPD haben einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Milcherzeugung in Mecklenburg-Vorpommern sichern“ vorgelegt, der nach Prüfung auf Drucksache 5/1531 verteilt wird.

Die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Tiefflieger über Mecklenburg und Vorpommern – Urlaubsland oder Tiefflugzone?“ vorgelegt, der nach Prüfung auf Drucksache 5/1532 verteilt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Prüfung der Zulässigkeit und Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieser Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widersprochen, dann ist es so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Politische Bildung stärken“ beantragt.

Aktuelle Stunde Politische Bildung stärken

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Dr. Jäger.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! „Politische Bildung“, ein sicher aktuelles Thema, aber im Augenblick besonders aktuell, wenn wir sehen, dass in einem Jahr, in dem sich Oberbürgermeister-, Landrats- und Bürgermeisterwahlen geradezu häufen, die Wahlbeteilung ganz erheblich nach unten gegangen ist,

(Udo Pastörs, NPD: Allerdings. Das ist Ihre Politik.)

was wir als Demokraten alle betrauern. Vier von zehn Wahlberechtigten haben im Schnitt ihr Wahlrecht nur wahrgenommen, im Landkreisbereich bei den Stichwahlen nur drei. Das muss uns umtreiben. Andererseits,

Auseinandersetzung mit dem, was gewesen ist. Es ist wichtig – und wir haben mit Erschrecken Ergebnisse der Studie der Freien Universität Berlin über das DDR-Bild von Schülern in Berlin zur Kenntnis genommen, aber ich fürchte, Berlin ist repräsentativ für uns alle, für die neuen Bundesländer, aber auch für die Schüler in den alten Ländern –, welche Vorstellungen Schüler von einem gewesenen System haben, das einer Aufarbeitung bedarf. Ich kann das hier nicht ausführen wegen der begrenzten Zeit. Wir wissen, dass politische Bildung genau an diesem Punkt ansetzen kann. Andererseits dürfen wir es uns als Politiker auch nicht leicht machen, indem wir sagen, es gibt eine allgemeine Politikverdrossenheit.

Meine Damen und Herren, die hohe Beteiligung von Bürgern an direkten Entscheidungen, an Bürgerentscheiden und an Volksentscheiden ist bemerkenswert und sie muss uns Mut machen. Ich denke hier an die Volksinitiative, die letztendlich zur Änderung des Artikels 18a unserer Verfassung geführt hat. Wir alle hatten eine schwierige Aufgabe, den guten Willen in einen guten Text zu bringen, aber wir sind heute stolz darauf, dass unsere Verfassung diese Aussage hat. Ich denke, und das ist für jemanden aus meiner Partei gerade nicht besonders erfreulich, an die Mobilisierung in der Landeshauptstadt zur Abwahl eines Oberbürgermeisters. Es macht deutlich, dass die Bürger nur dann zur Abstimmung gehen, wenn sie den Eindruck haben, dass sie selber etwas bewirken. Was politische Bildung aber leisten muss, ist, dass auch die Zusammensetzung von Parlamenten und von kommunalen Vertretungen der Bürger genauso entscheidend ist wie die Direktabstimmung über einzelne Punkte. Hierfür müssen wir werben!

Meine Damen und Herren, man kann sicher nicht die Welt verändern, wenn man den Bürgern die Wahrnehmung ihres Wahlrechtes erleichtert, dennoch stehe ich dazu. Es gab einen Kollegen, der glaubte, das sei nicht so gut. Mit dem werde ich mich noch einmal auseinandersetzen und erkläre ihm auch gerne das Wahlrecht. Das Bundesrecht ist schon geändert. Das haben Sie, lieber Herr Kollege, gar nicht gemerkt. Aber das macht ja nichts, wir lernen ja alle voneinander. Unser Problem ist, dass die Bürger ganz einfach offenbar ihr Verhalten geändert haben. Nicht wie früher steht der Wahlsonntag als ein vornehmlicher Termin in ihrem Kalender, das müssen wir mit Bedauern feststellen. Ich halte es für richtig, dass wir versuchen, ihnen entgegenzukommen. Und wenn Briefwahl im Bundesrecht ohne Voraussetzungen möglich ist, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt und verfassungsrechtlich völlig unbedenklich, wenn wir zugleich mit der Zusendung der Wahlbenachrichtigung auch die Briefwahlunterlagen zusenden. Damit hat der Bürger dann die Möglichkeit, sich zu entscheiden, wie er wählt. Ich werde diesen Vorschlag noch im Einzelnen in dieses Haus einbringen.

(Udo Pastörs, NPD: Der nächste Schritt ist dann die Wahlpflicht, Herr Dr. Jäger, wie in der DDR.)

Meine Damen und Herren, aber machen Sie sich darauf gefasst, dieser Diskussion werden wir uns gemeinsam stellen müssen.

Politische Bildung, darüber ist in diesem Land in den letzten Monaten nicht nur gesprochen worden, sondern es wurde gehandelt. Wir haben in dieser Koalition die Aufgaben der politischen Bildung gebündelt. Das war notwendig, nachdem zumindest von außen der Eindruck deutlich war, dass hier einiges durcheinanderging. Ich

denke, die Zuordnung des Beauftragten für die Stasiunterlagen zum Bildungsministerium war richtig. Ich habe, glaube ich, Herrn Mothes gesehen, aber ich hätte es auch gesagt, wenn er nicht hier wäre: Ich teile seine Auffassung, dass wir hier weiterhin über eine bessere Zusammenfassung, eine Erweiterung und eine Koordinierung von Zuständigkeiten nachdenken müssen. Ich bin Herrn Markus Meckel, dem Bundestagsabgeordneten, sehr dankbar, dass er das gerade gestern noch einmal deutlich gemacht hat.

Freiheit und Verantwortung ist Ziel der politischen Bildung. Heute in der Schlosskapelle hat Matthias Crone das Spannungsverhältnis in der Andacht dargelegt.

Meine Damen und Herren, nur so viel: Verantwortung tragen kann nur der Bürger, dem wir die Möglichkeit geben, sich über das, was er entscheiden soll, auch hinreichend und umfassend zu informieren. Die Grundlagen dafür muss die politische Bildung schaffen. Was sie auch schaffen muss, ist das, was wir im Bereich der Medizin mit „Impfung“ umschreiben, mit „Immunisierung“. Sie muss den Bürger nämlich immun machen gegen Extremismus, von welcher Seite er auch kommt.

(Stefan Köster, NPD: Dann werden Sie ja nicht mehr gewählt. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Wir haben mit den Regionalzentren für Demokratie und Toleranz eine Plattform geschaffen, aber wir als Politiker und als Mitglieder dieses Landtages müssen im Umgang miteinander um Transparenz unseres Handelns beim Bürger für dieses System der freiheitlich-demokratischen Grundordnung werben. Nur wer diese bejaht, wird uns folgen können auf dem etwas schwierigen Weg, den eine Demokratie hat, denn der Mensch, der da alles anordnet, das ist nicht das Ziel unseres Bemühens, unser Ziel ist der Souverän. Das Volk bestimmt durch Mehrheitsentscheidung,

(Udo Pastörs, NPD: Und die Parteien regieren.)

so, wie es in unserem Grundgesetz angelegt ist. Unsere Hoffnung ist, dass die mündigen Bürger uns dahin folgen.

(Udo Pastörs, NPD: Sie erzählen da Märchen, Herr Dr. Jäger.)

Lassen Sie uns das gemeinsam tragen in diesem Hause, mit einer Ausnahme: Herr Pastörs, mit Ihnen werde ich da nie einig werden. Das ist auch gut so. Man muss immer klar sagen, mit wem etwas nicht geht.

(Udo Pastörs, NPD: Also mit Ihnen geht’s nicht.)

Sie haben mit Ihren Zwischenrufen dazu beigetragen, Transparenz zu schaffen. Das erste Mal, dass ich mich bei Ihnen bedanke, wenn Sie Ihre Maske fallen lassen,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

denn es ist besser, als wenn Sie das im Geheimen tun.

(Stefan Köster, NPD: Das ist ja schon anmaßend.)

Wir aber, die anderen, haben eine gemeinsame politische Verantwortung dafür, unsere Bürger fit zu machen,

(Udo Pastörs, NPD: Zur Ausplünderung.)

die jungen vor allem, für den Rechtsstaat.

(Udo Pastörs, NPD: Und sich ausplündern zu lassen von Partei und Staat.)

Lassen Sie uns das gemeinsam tun! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Professor Dr. Methling.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde „Politische Bildung stärken“ wirft unseren Blick, wie man so schön sagt, auf ein weites Feld, auf ein wichtiges Feld, ein stets aktuelles Feld, ein Feld, das übrigens in der Antike schon aktuell war, als man dort über Demokratie sprach und diskutierte.

Was will politische Bildung? Wer ist eigentlich ihr Träger? Per Definition ist es das Ziel der politischen Bildung, Toleranz- und Kritikfähigkeit zu vermitteln und zu stärken, demokratische Spielregeln zu verankern und damit zur Herausbildung und Weiterentwicklung von aktiver Bürgerschaft und Partizipation beizutragen. An dieser Zielstellung wird deutlich, dass wir eine Fülle von Trägern der politischen Bildung haben, wenngleich manche im besonderen Fokus der Debatte sind. Wir haben zunächst das Elternhaus beziehungsweise die Familie als Träger von politischer Bildung. Es geht weiter über die Schule, die Berufsschule, die Universitäten, die Volkshochschulen, die Landeszentrale für politische Bildung und selbstverständlich Stiftungen, Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Kirchen. Auch die Wirtschaftskammern widmen sich der politischen Bildung. Eigentlich ist jede und jeder an seinem Arbeitsplatz gefordert, ja, geradezu verpflichtet, Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen Demokratie näherzubringen, zu erläutern, dafür Sorge zu tragen, dass das Wesen der Demokratie begriffen und gelebt wird, dass Toleranz, bürgerschaftliches Engagement und Teilhabe gestärkt werden.

(Udo Pastörs, NPD: Das sagen Sie als SED-Major!)

Gerade auch vor dem Hintergrund des sehr starken Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern waren und sind sich alle demokratischen Fraktionen in diesem Landtag einig, dass politische Bildung gestärkt werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Alle demokratischen Parteien sind sich einig, dass das Ringen um Demokratie und Toleranz eine ressort- und parteiübergreifende gemeinsame Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten sein muss.

(Michael Andrejewski, NPD: Das sind Volksdemokraten.)

Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie die Lehren aus der Geschichte gezogen haben, die auch für die politische Bildung gelten müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Deshalb haben wir gemeinsam das Landesprogramm „Demokratie und Toleranz“ hier im Landtag verabschiedet,

(Udo Pastörs, NPD: Und Sie schämen sich nicht, so einen Vortrag hier abzuliefern, Herr Dr. Methling?)