Protocol of the Session on April 24, 2008

Ich stimme deshalb dem Kollegen Schlotmann ausdrücklich zu, …

(Michael Andrejewski, NPD: Die hat auch gefordert: Weg mit dem Staat!)

Herr Andrejewski, hören Sie zu, wenn Sie überhaupt in der Lage sind, zuzuhören.

Ich stimme deshalb dem Kollegen Schlotmann ausdrücklich zu, wenn er in dem vor wenigen Tagen vorgestellten Buch „Provokation als Prinzip“ feststellt, ich zitierte: „Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war unter anderem möglich, weil die damaligen demokratischen Parteien nicht gemeinsam gegen die Nationalsozialisten gekämpft haben, sondern untereinander zerstritten waren.“

(Michael Andrejewski, NPD: Zählen Sie die KPD mit?)

„Es soll einen solchen Streit nicht wieder geben und vor allem auch keinen Wetteifer darum, wer denn wohl der beste Demokrat oder Antifaschist sei.“ Zitatende.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit der Beschlussfassung ist das Landesprogramm Grundlage für die Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und FDP im Ringen um mehr Demokratie und Toleranz, in der Auseinandersetzung mit der NPD und deren demokratiefeindlichen verfassungsgefährdenden Parolen. Das Programm formuliert Eckpunkte zur Stärkung der demokratischen Kultur, es trägt langfristigen Charakter und seine Umsetzung ist eine tagtägliche Herausforderung.

In dem im Programm vorangestellten Leitbild wird festgestellt, ich zitiere: „Der Zuspruch der extremen Rechten in Mecklenburg-Vorpommern beruht nicht auf der Substanz ihrer Inhalte, sondern resultiert aus vorhandenen Defi ziten in der demokratischen Kultur und politischen Handelns. Demokratiefeindliche Ideologien können umso erfolgreicher für ihre Positionen werben, je brüchiger die Bindung an das demokratische Gemeinwesen ist und je schwieriger sich Lebensbedingungen darstellen.“ Zitatende.

In der Bestandsaufnahme stellt das Programm fest, ich zitiere: „Die Zustimmung zu rechtsextremen Positionen beruht dabei aber nur bei wenigen Menschen auf einer gefestigten ideologischen Haltung. Der Mehrheit dienen die entsprechenden Parolen dazu, Vorbehalte gegen aktuelle politische Entwicklungen und Akteurinnen und Akteure der Politik zum Ausdruck zu bringen.“

Als Leitbild und Bestandsaufnahme werden Aufgabenfelder für alle gesellschaftlichen Bereiche abgeleitet und formuliert. Festgestellt wird, dass, ich zitiere: „Der Erfolg aller Programme gegen den Rechtsextremismus durch entsprechende Evaluation nachzuweisen und dem Landtag hierüber Bericht zu erstatten (ist).“ Diesem Anliegen entspricht unser Antrag, weil wir meinen, dass zwei Jahre nach Verabschiedung des Landesprogramms erste Erfahrungen gesammelt wurden und einer Wertung unterzogen werden sollten und könnten. Diese Bewertung des Ableitens von Schlussfolgerungen für die künftige Arbeit sollte mit der entsprechenden Zeit und Sorgfältigkeit erfolgen. Daher möchte ich auch heute nur stichpunktartig auf einige wenige Aspekte aus Sicht meiner Fraktion verweisen.

Mit Einrichtung der fünf Regionalzentren für demokratische Kultur wurde ein sehr wesentlicher Programmpunkt Realität. Ich bin der Landesregierung an dieser Stelle sehr dankbar, dass die Errichtung dieser Zentren so zügig umgesetzt wurde. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentren gebührt für ihr Engagement große Anerkennung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Wie auch viele von Ihnen, meine Damen und Herren, habe ich einige der Regionalzentren besucht. Dabei konnte ich feststellen, dass die Inanspruchnahme der Zentren schon nach kurzer Zeit enorm ist. Deshalb und um die Arbeit der Zentren weiter zu qualifi zieren sollten die derzeitigen Arbeitszeitregelungen für die Beschäftigten in den Regionalzentren nicht der Weisheit letzter Schluss bleiben.

Besonders die Kommunen unseres Landes suchen die Regionalzentren als kompetente Gesprächs- und Kooperationspartner auf. Vielleicht erwächst aus diesen Kontakten die Umsetzung eines weiteren Punktes des Landesprogramms, heißt es doch dort, ich zitiere: „Die

Kommunen … werden … ermuntert, ,Demokratische Leitbilder zur Gestaltung weltoffener Gemeinden‘ zu entwickeln.“ Zitatende. Dieser Prozess steckt wohl noch voller Reserven. Doch gerade im Hinblick auf die im nächsten Jahr bevorstehenden Kommunalwahlen sollten hier mehr Aktivitäten entwickelt werden. Auch wäre hier eine stärkere Einbindung und Initiativfunktion des Städte- und Gemeindetages sinnvoll.

Das Programm ruft Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker auf, ich zitiere: „Kinder- und Jugendparlamente … stärker als... Formen der Mitbestimmung zu initiieren und zu unterstützen.“ Zitatende. Auch bei diesem Programmpunkt stecken wir wohl eher noch in den Kinderschuhen. Ein Erfahrungsaustausch und Konsultationsprozess mit den kommunalen Spitzenverbänden und beispielsweise dem Landesjugendring und der Beteiligungskampagne wären hier auch sinnvoll.

Im Landesprogramm wird gefordert, den Jugendfeuerwehren größere Aufmerksamkeit zu schenken. Mit der Kampagne des Landesjugendfeuerwehrverbandes zur Demokratie und Toleranz wurde dabei schon ein beachtliches Zeichen gesetzt. Das Programm regt an, dass durch den Landtag ein Preis für Zivilcourage vergeben werden soll. Einzelne Fraktionen haben diese Intention schon aufgegriffen. Bei der erstmaligen Verleihung des Courage-Preises durch meine Fraktion haben wir gemerkt, wie viele Projekte oder Einzelpersonen eine solche Würdigung erfahren müssten, weil sie sich täglich für Demokratie und Toleranz engagieren und sich rechtsextremen Umtrieben mutig entgegenstellen.

Eine große Verantwortung im Ringen um mehr Demokratie und Toleranz kommt der Ausgestaltung einer fl ächendeckenden politischen Bildung zu. Auch hier fordert das Landesprogramm, ich zitiere: „Die Neuordnung der politischen Bildung … zeitnah auf ihre Wirksamkeit hin zu bewerten.“ Erste positive Ansätze der Neuordnung der politischen Bildung in unserem Land sind zu bemerken. Jetzt gilt es, die vielfältigen Angebote zu vernetzen und zu verstetigen.

Einer der größten Programmpunkte trägt die Überschrift „Schule“. Dort heißt es unter anderem, ich zitiere: „Politische Bildung ist nicht auf den Stundenumfang des Faches Geschichte/Sozialkunde beschränkt. Im weitesten Sinne fi ndet politische Bildung in jedem Fach … statt“. Zitatende.

Soll diese Zielstellung erfüllt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss ersten hinterfragt werden, ob Geschichts- und Sozialkundeunterricht zeitlich überhaupt eine umfassende Geschichtsvermittlung und Auseinandersetzung im Sinne von weitreichender politischer Bildung möglich machen, und zweitens, ob die Vorschriften zur Stoffvermittlung in den Rahmenplänen politische Bildung in jedem Fach im Moment überhaupt möglich machen oder eher behindern. Auch wäre hier zu bemerken, dass wichtige Vorhaben wie die vom Landtag beschlossene Unterstützung von Klassenfahrten in Gedenkstätten künftig zügiger zur Umsetzung gebracht werden müssen und die bürokratischen Hürden dabei ziemlich gering gehalten werden sollten. Der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte vor und nach 1945 muss in den Schulen ein breiterer Raum eingeräumt werden. Ein Entweder-oder in dieser Frage darf es allerdings nicht geben. Die Frage nach dem Stundenvolumen steht also auch hier.

Nicht minder gering sind die Anforderungen, die wir im Programm unter dem Stichwort „Familie“ formuliert haben. Die soziale Lage vieler Familien im Land bestimmt häufi g die Einstellung zur Politik allgemein und zum Rechtsextremismus im Besonderen. Die Politik- und Wahlverdrossenheit zeigt, dass sich Bürgerinnen und Bürger kaum noch für politische Fragen interessieren,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

vor allem wohl auch deshalb, weil sie von der Politik keine Lösung ihrer Probleme mehr erwarten. War die Wahlbeteiligung bei den jüngsten Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen unter den erwachsenen Wählerinnen und Wählern schon beklagenswert gering, wird sie bei den jugendlichen Wählerinnen und Wählern ab 16 Jahren wohl noch geringer sein. Warum aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollen Jugendliche zur Wahl gehen, wenn ihre Eltern am Wahltag nicht den Hintern hoch bekommen? Hier sind auch die demokratischen Parteien gefordert, denen im Landesprogramm, ich zitiere: „eine hohe Verantwortung für die … Demokratie und Toleranz“ zugewiesen wird.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, unter dem Stichwort „Arbeit und Wirtschaft“ steht, ich zitiere: „Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, als Ursache sozialer Desintegration bleibt“ als „vordringliche Aufgabe“ – Zitatende – an erster Stelle. Wie bewerten wir nun unter dieser Aufgabenstellung Umstrukturierungen in der Arbeitsmarktpolitik des Landes? Helfen die gegenwärtigen arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Programme und Strategien wirklich? Von Arbeit muss man leben können. Wie hat das Landesprogramm geholfen, diese Erwartungshaltung zu erfüllen?

Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es eine Reihe von Fragestellungen und eine Reihe von positiven Ergebnissen bei der Umsetzung unseres Landesprogramms gibt.

(Udo Pastörs, NPD: Bravo!)

Folgen wir also der Festlegung des Programms zu einer Evaluation! Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Jawohl!)

Danke, Herr Ritter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Sozialminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering. Herr Sellering, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ein sehr wichtiges Thema, das hier mit dem Antrag angesprochen wird.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Das ist ein Thema, bei dem eine sehr große Gemeinsamkeit der vier demokratischen Parteien besteht. Und es ist ein Thema, von dem ich sagen möchte, dass wir bisher schon sehr erfolgreich sind

(Michael Andrejewski, NPD: Besonders im Verbotsverfahren.)

und wirklich bemerkenswerte gemeinsame Dinge vorgelegt haben.

(Stefan Köster, NPD: Zuletzt in Güstrow mit 23 Prozent Wahlbeteiligung. Sehr erfolgreich!)

Die Landesregierung hat 2001 erstmalig den Handlungsrahmen für Demokratie und Toleranz aufgelegt. Damals war das Innenministerium noch zuständig. Darüber haben wir im Oktober 2005 einen ersten Bericht zu den Maßnahmen und Erfahrungen der Landesregierung aus der Anwendung vorgelegt. Daraus ist das Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ entwickelt worden. Herr Ritter hat eben angesprochen, wann wir das gemacht haben. Da ist schon bemerkenswert, dass das damals die drei Parteien, die hier im Landtag vertreten waren, gemeinsam geschafft haben, Opposition gemeinsam mit den Regierungsparteien. Und wir haben in der Folgezeit, Ende 2006, um dieses Landesprogramm tatsächlich umzusetzen, in der Koalitionsvereinbarung schon wichtige Punkte festgeschrieben, zum Beispiel die Verbindung von Bundes- und Landesaktivitäten, die Regionalzentren und auch die Evaluation.

Es ist in der Folgezeit, möchte ich sagen, doch zu einer sehr bemerkenswerten Zusammenarbeit nicht nur der Regierungskoalition, sondern auch der beiden anderen demokratischen Fraktionen der Opposition gekommen. Und es ist ja nicht so, dass die Regionalzentren, Herr Ritter, die Sie hier erwähnt haben, eine Sache wären, die die Regierung entwickelt hat aufgrund dieses Programms, sondern es sind wirklich sehr viele gemeinsame Gespräche gewesen. Ich fi nde, dass das ein wirklich guter Weg gewesen ist, den wir da eingeschlagen haben. Inzwischen arbeiten die Regionalzentren, sie leisten gute Arbeit.

Das zuständige Haus – das ist, glaube ich, auch ein wichtiger Schritt, den die Regierung gegangen ist, dass sie gesagt hat, alle Aktivitäten in der Regierung müssen an irgendeiner Stelle zusammengeführt werden; das ist dann nicht immer der, der das alleine macht, das ist klar, aber eine gewisse Federführung halte ich auch für einen Vorteil – ist das Sozialministerium und ich freue mich sehr, dass wir in der politischen Arbeit auf diese breite Allianz zurückgreifen können und dass wir da gemeinsam etwas bewegen. Das ist bis in die Haushaltsverhandlungen gegangen. Es kann nur hilfreich sein, wenn auch das gemeinsam gemacht wird, sodass wir da wirklich etwas hinbekommen haben.

(Udo Pastörs, NPD: Politunterricht für Kinder.)

Es ist jetzt so, dass es weitergehen muss bei uns im Haus in der Erarbeitung einer weiteren Umsetzungsstrategie und eines Maßnahmenkataloges. Das muss jetzt wirklich klein runtergebrochen werden und sich immer genau angeschaut werden.

(Udo Pastörs, NPD: Bis in die Familien hinein, bis in die Kindergärten muss das kommen.)

Ich fi nde es richtig, dass wir hier verabredet haben auf diesem wichtigen politischen Feld, dass wir uns immer wieder anschauen, wie weit wir sind, und eine Neubestimmung vorlegen. Ich verstehe diese Evaluation, die Sie hier jetzt angesprochen haben, nicht so, wie wir das vielleicht in anderen Bereichen haben. Die Regierung handelt da nicht für sich und irgendwann sagt sie, so, das haben wir getan, sondern das ist etwas, was wir vorlegen und uns dann gemeinsam vergewissern, sind wir auf dem richtigen Weg, wo müssen wir vielleicht umsteuern.

Ich freue mich sehr, dass wir diese Gemeinsamkeit hinbekommen, und selbstverständlich werden wir auch zum 1. November – was relativ knapp ist – etwas vorlegen. Wie umfassend das dann sein kann und ob das nur ein Zwischenschritt ist in dem gemeinsamen weiteren Prozess, werden wir dann sehen.

(Udo Pastörs, NPD: Alles positiv.)

Aber es ist sicherlich völlig richtig zu sagen, was wir bisher geschafft haben, was wir bisher getan haben, das schauen wir uns gemeinsam an und schauen dann, wie es weitergeht. Ich freue mich darauf, dass es weiter gelingt, mit diesen vier Parteien hier gemeinsam diese schwierige Aufgabe zu bewältigen, und bedanke mich sehr für die Unterstützung. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Danke, Herr Minister.