Protocol of the Session on April 24, 2008

(Reinhard Dankert, SPD: Die können mehr verdienen im Westen.)

Meine Damen und Herren, Niedriglohn ist auch in unserem Land kein Standortvorteil. Junge, gut ausgebildete Menschen verlassen unser schönes Land, weil sie anderswo bedeutend besser verdienen. Das Statistische Landesamt hat kürzlich veröffentlicht, dass die Lohnschere in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Bundesdurchschnitt nicht zu-, sondern weiter aufgeht.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig, vor allen Dingen bei Frauen.)

DIE LINKE sagt, wir brauchen eigene Landesregelungen so lange, wie wir auf Bundesebene noch keinen gesetzlichen Mindestlohn beschlossen haben, und Tarifverträge, die für ein Vergabegesetz der öffentlichen Hand relevant sind, für allgemein verbindlich erklärt werden. Dafür setzt sich das Land Berlin, setzen sich insbesondere aber auch die Senatorinnen und Senatoren unserer Partei zum wiederholten Male im Bundesrat ein. Schließen Sie sich dieser Initiative an, meine Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Also fordern wir Sie auf, gemeinsam mit dem Bund bei der EU dafür einzutreten, dass der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zumindest gleichrangig mit der Wettbewerbsfreiheit von Unternehmen behandelt wird. Allerdings ist damit unter der Großen Koalition im Bund sicher nicht zu rechnen. Deshalb brauchen wir ein Landesvergabegesetz einschließlich gerechter Tariftreueklauseln.

Das unterschiedliche Stimmengewirr der Koalitionsfraktionen hat uns veranlasst, den vorliegenden Antrag zu stellen. Wenn die SPD ihren Partner dazu bringt, an dem Vorhaben festzuhalten und etwas Ordentliches vorzulegen, umso besser, sagen wir. Wenn Sie glaubwürdig sein wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Lück.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Stein von der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun bin ich nicht der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das macht nichts.)

und weiß nicht, ob die Erwartung, die Herr Roolf jetzt an Herrn Waldmüller gehabt hätte, von mir so beantwortet werden kann, dass er damit dann auch zufrieden ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Der ist nie zufrieden. – Michael Roolf, FDP: Versuchen Sie es einfach!)

Ich werde sicherlich, da ich, wie gesagt, nicht der wirtschaftspolitische Sprecher bin, inhaltlich ein wenig anders argumentieren, mehr aus der Sicht eines Menschen heraus, der seit vielen Jahren Kommunalpolitik in einer kleinen Gemeinde macht und dort einfach miterleben muss, wie die übliche Vergabepraxis tatsächlich in den kleinen Gemeinden in der Vergangenheit gehandhabt worden ist, wie es bearbeitet worden ist, wie die Qualität ist und wie es auch zu Problemen geführt hat.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Aber es geschieht. Aber es geschieht. – Regine Lück, DIE LINKE: Wir haben aber Niedriglöhne.)

Und zu Ihnen, Frau Lück und der LINKEN, vorweg: Niemand in diesem Hohen Hause hat ein Interesse daran, dass Arbeitnehmer schlecht bezahlt werden, dass Dumpinglöhne existieren oder aus einer Not heraus Arbeitsleistungen weit unter dem Wert verkauft werden.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist Ausbeutung.)

Missbräuche, wie Ausbeutung von Arbeitskraft, sind, wenn sie auftreten, wider den Menschenrechten und somit zu verurteilen. Darüber hinaus möchte ich die Behauptung wagen, dass niemand hier ernsthaft bestreitet, dass die von mir soeben beschriebenen Sachverhalte in der täglichen Praxis von Mecklenburg-Vorpommern in Einzelfällen, vielleicht auch regional gesehen, leider Realität sind.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Richtig.)

Keine Übereinstimmung besteht aber sicherlich zwischen uns bei der Frage, wie man mit dieser Problematik auf dem Arbeitsmarkt wirksam und nachhaltig gerecht umgehen kann.

Worum geht es hier also im Kern? Es geht im Kern um die Frage, wie öffentliche Auftragsvergaben so gestaltet werden, dass menschenunwürdige Entlohnungen der Arbeitnehmer – und nur um diesen Teil kann es gehen – möglichst ausgeschlossen werden können. In der Vergabeordnung befi ndet sich die vielfach zitierte Vorschrift, die oftmals auch Gegenstand einer Diskussion ist, dass

öffentliche Aufträge schlicht und ergreifend an das wirtschaftlichste Angebot zu vergeben sind. Das wirtschaftlichste Angebot, und das ist mittlerweile eine Binsenweisheit, ist nicht zuerst das billigste Angebot. Dennoch wird oftmals zu Recht in der Praxis kritisiert, dass eben gerade nicht das wirtschaftlichste, sondern das billigste Angebot zum Zuge kommt. Die Ursachen dessen sind hinlänglich bekannt und dort zu beheben, wo sie entstehen, und nicht auf Basis eines neuen Gesetzes,

(Michael Roolf, FDP: Oha!)

und liegen im oftmals bestehenden Druck auf die Vergabestellen, unter allen Umständen bei der Vergabe das billigste Angebot zu nehmen.

Hier verweise ich auf die sicherlich in Einzelfällen prekäre Haushaltssituation einzelner Gemeinden. Es fehlen die Rückhalte der Verwaltungsspitzen, ihren Mitarbeitern in den entsprechenden Abteilungen den Rücken zu stärken, oder die fehlende Kompetenz, bestimmte Sachverhalte bei der Vergabe zu beachten und richtig zu beurteilen. Ich erinnere gerne an einige Fälle aus dem Bauhauptgewerbe. Ich habe, wie gesagt, auch in der eigenen Gemeindevertretung das eine oder andere schon erlebt, dass beispielsweise bei der Bewertung von Kiessorten im Tiefbau nicht das geschulte Wissen vorhanden ist, um die Unterschiede zu erkennen, welche Kiessorte brauche ich nun, welche ist die richtige und welche die falsche Kiessorte. Dies kann zu Mängeln und zu fehlerhaften Ausführungen führen. Zu einem führt es aber garantiert, dass möglicherweise auch der falsche Preis im Ansatz vorhanden gewesen ist. Das ist jedoch eine Frage von Qualität und, wie gesagt, wie oft das passiert, denn es besteht auch im Preis oftmals ein enormer Unterschied. Dieses Know-how, das notwendig ist in der Vergabestelle, ist nicht immer vorhanden. So kann es schnell passieren, dass ein Auftrag vergeben wird, der eben diese Mängel sowohl in technischer als auch in fi nanzieller Hinsicht beinhaltet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was möchte ich damit sagen? Was ich damit sagen möchte, ist, dass der bestehende rechtliche Rahmen im Bereich der Vergabe schon heute eine der umfänglichsten und komplexesten Rechtsmaterien überhaupt in diesem Staate darstellt. Wir haben es also nicht mit einem unterregulierten, sondern eher mit einem überregulierten Rechtsbereich zu tun,

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

der im Übrigen von Unternehmern, aber auch von vielen Gemeindevertretern in regelmäßigen Abständen unter dem Thema „lästige Bürokratie“ an vorderste Stelle angeführt wird. Das ist natürlich ein Empfi nden des Einzelnen, der damit zu tun hat, wenn er damit zu tun hat. Das ist nun einmal eine Rechtsnorm, mit der sehr lokal, sehr intensiv und auch sehr persönlich umgegangen wird.

Nun hat sich in einigen Bundesländern die Erkenntnis durchgesetzt, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit doch noch ein gewisser Handlungsbedarf besteht. Somit kam es zur Verabschiedung von völlig unterschiedlich gearteten Landesvergabegesetzen. Kern der meisten Gesetze war es, die Vergabe öffentlicher Aufträge mit einer weiteren Rechtsnorm – jetzt komme ich dahin –, nämlich der Bindung an verbindliche Tarifzahlungen zu verknüpfen.

Nun stelle ich mir einmal, wenn das zum Tragen käme, ein öffentliches Bauprojekt vor, von einer Größenordnung zum Beispiel eines Krankenhauses. Nun habe ich

die Pfl icht als öffentliche Hand, zu kontrollieren, ob alle beteiligten Unternehmen und Subunternehmen aller Branchen und Bereiche mit allen ihren jeweils eigenen Tarifverträgen in jeder Entgeltgruppe auch wirklich die im Tarifvertrag ausgehandelten Löhne zahlen.

(Michael Roolf, FDP: Wie soll das funktionieren?)

Da, denke ich, leuchtet einem das schnell ein. Und jetzt komme ich wieder auf den kleinen Gemeindevertreter, dass es in der Praxis schwierig ist.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Und genau weil es in der Praxis schwierig ist, haben die Länder Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen das Gesetz auch gleich wieder abgeschafft,

(Michael Roolf, FDP: Richtig.)

wie viele andere inzwischen auch, teilweise aus unterschiedlichen Gründen. Gleichgetan hat es ihnen auch Bremen, denn die haben ihr Gesetz ebenfalls wieder einkassiert. Allerdings war hier der Grund das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches festgestellt hat, dass das zugrunde gelegte niedersächsische Tariftreuegesetz nicht mit dem europäischen Recht vereinbar sei. Auf den Punkt gebracht hat das Urteil diejenigen Regelungen verworfen, die eine öffentliche Auftragsvergabe an das komplexe Regelwerk eines Tarifvertrages gekoppelt haben. Minister Seidel hat dazu bereits Ausführungen gemacht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ja ein ambitionierter Vortrag für ein Vergabegesetz.)

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass etwaige Nationalgesetzstandards bei der Entlohnung beispielsweise über das Entsendegesetz nicht automatisch von dem Urteil betroffen sind. Die Frage, vor der wir nun im Land stehen, ist, wie wir die anfangs beschriebene Problematik in den Griff bekommen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja.)

Da sage ich ganz deutlich, sicherlich nicht, indem wir ein Gesetz verabschieden, das in anderen Ländern reihenweise gekippt und vom Europäischen Gerichtshof zerrissen worden ist. Das kann sicherlich …

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht, reihenweise!)

Reihenweise.

Das kann sicherlich nicht die Lösung für MecklenburgVorpommern sein. Kollege Schulte hat das genauso ausgeführt und dem kann man sich nur anschließen.

Ziel muss es vielmehr sein, dass das bestehende Recht unter anderem in Paragraf 25 der VOB und VOL in der Praxis real angewendet wird.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sind Sie nun für ein Vergabegesetz oder nicht?)

Demnach hat, ich wiederhole es, die Vergabe an das Angebot zu erfolgen, das im Ergebnis unter Berücksichtigung aller Umstände und Gesichtspunkte das wirtschaftlichste ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na, das werden ja spannende Debatten werden.)

Hierauf hat nicht nur der Präsident des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern immer wieder hingewiesen: Nicht das billigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot ist zu nehmen. Denn, und das kann man offensichtlich gerade Ihnen von der LINKEN nicht oft genug wiederholen, die Zuschlagsverteilung auf das billigste Angebot entspricht bereits heute nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Was kann man also tun? Da gibt es mehrere Möglichkeiten, von denen ich ein paar ausführe: