Protocol of the Session on April 24, 2008

Es ist klar, dass jede Landesregierung – das Thema hatten wir heute schon mal – die vom EuGH nochmals bekräftigten rechtlichen Grenzen einhalten muss.

Soweit der Antrag auf mögliche ökonomische Konsequenzen von Tariftreueregelungen hinweist, enthält er nichts, was nicht schon anderweitig Gegenstand der Diskussionen und Inhalt fachlicher Stellungnahmen war. Ich verweise hier auf das Gutachten zum Thema Tariftreue des Wirtschaftsforschungsinstitutes in Halle aus dem Jahr 2003, was in meinem Hause vorliegt.

Der Antrag ist unzweckmäßig, auch das will ich sagen, weil die Landesregierung ohne Not dazu bewegt werden soll, sich selbst die Hände zu binden. Das nun wiederum bezeichne ich als politisch nicht sonderlich klug. Überhaupt ist es politisch gesehen immer unklug, würde ich mal sagen, auf Prinzipien herumzureiten, von denen niemand weiß, ob sie aus guten sachlichen Gründen auch einmal in die Irre führen können.

Die reine Lehre der freien Marktwirtschaft mag Theoretiker befriedigen, in der politischen Praxis allerdings sind an den Staat durchaus auch legitime Forderungen gestellt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jawohl.)

Er kann sie nicht einfach ignorieren und er kann sie schon gar nicht dann ignorieren, wenn er demokratisch verfasst ist. Das übrigens gehört zum Konzept der sozialen Marktwirtschaft, das bekanntlich in der Geschichte der Bundesrepublik sehr erfolgreich war und zu dem sich zu bekennen, für meine Begriffe nach wie vor sehr ehrenhaft ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schult von der SPD.

(Zuruf aus dem Plenum: Hallo, Herr Schult! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, die Verkürzung meines Namens ist hier kein schlechtes Omen, aber damit kann ich leben.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Man kann Sie nicht kleinmachen, nein, nein!)

Eben. Das denke ich auch, Herr Kollege Methling.

Meine Damen und Herren, Herr Minister Seidel hat mit dem Antrag der Linkspartei angefangen. Da wir in einer Koalition sind, erlauben Sie mir, das umgekehrt zu machen. Ich fange zunächst mit dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der FDP an.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir müssen uns auch ein bisschen erholen. Danke. – Michael Roolf, FDP: Dann haben wir’s hinter uns.)

Ob Sie sich dann hinterher erholen können, das weiß ich noch nicht.

Ich will das einfach mal ziffernmäßig durchgehen und mich auch nicht allzu lange daran aufhalten, weil letztendlich – das hat ja der Minister Seidel auch deutlich gemacht – ist es das nicht wert.

(Michael Roolf, FDP: Eben.)

Fangen wir mit der Ziffer 1 an. Danach soll „§ 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen …,

die die Anforderungen an Unternehmen im öffentlichen Auftragswesen ausschließlich an Sachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit misst, hat sich grundsätzlich bewährt“ erklärt werden.

Herr Kollege Rolf, ich weiß ja nicht, wer in Ihrer Fraktion für diesen Antrag zuständig war, aber Sie sollten mal ernsthaft ein Wort mit ihm reden,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

denn Paragraf 97 Absatz 4 besteht natürlich nicht nur aus diesen drei Punkten – Sachkunde, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit.

(Michael Roolf, FDP: Das stimmt.)

Ich erlaube mir, an dieser Stelle den Gesetzestext zu zitieren.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist sinnvoll, richtig.)

Da heißt es: „Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben;“ – an wen auch sonst – „andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Was lernen wir daraus? Es gibt nicht nur die drei Kriterien, sondern es gibt weitere.

(Michael Roolf, FDP: Es gibt mehr, aber das waren die wichtigsten.)

Und, Herr Kollege Roolf, dann auch gleich zu Ihrer Rede. Die sind nun gerade nicht vergabefremd. Dazu kann ich Ihnen nur die Lektüre des Bundesverfassungsgerichts zur Entscheidung zum Berliner Landesvergabegesetz empfehlen. Darin steht ausdrücklich: „Der Vorschrift des § 97 Abs. 4 2. Halbsatz GWB,“ – das ist das, was ich eben zitiert habe – „nach der andere oder weiter gehende Anforderungen an Auftragnehmer nur gestellt werden dürfen, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist, ist vielmehr zu entnehmen, dass auch aus Sicht des Bundesgesetzgebers die Regelung solcher Kriterien durch den Landesgesetzgeber grundsätzlich möglich sein soll.“ Ich erspare mir den Rest. Lesen Sie es selber in Ruhe, dann sehen Sie, dass es durchaus möglich ist, zusätzliche Kriterien aufzustellen.

In Ihrer Ziffer 2 heißt es: „eine mögliche Verankerung des Tarifzwangs im öffentlichen Vergaberecht nach den Vorstellungen der Landesregierung wird zu einem möglichen Rückgang des... Auftragsvolumens und zu einer Benachteiligung kleiner bis mittlerer Unternehmen aus der Region Mecklenburg-Vorpommern führen“. Woher Sie dies nehmen, entzieht sich mir natürlich, und es entzieht sich mir auch in Ihren Ausführungen, weil das zu begründen, ist Ihnen offensichtlich nicht möglich.

Ich kann Ihnen dazu nur empfehlen, schauen Sie sich die Evaluation des Senats von Hamburg an zum hamburgischen Landesvergabegesetz. Dort wird nämlich ausdrücklich deutlich, dass dies gerade nicht dazu führt. Und wenn Ihnen das nicht reicht, dann gucken Sie vielleicht auch mal in die Bewertungen, die zum Beispiel in verschiedenen USA-Bundesstaaten zu den dortigen Tariftreuegesetzen gemacht worden sind. Dort wird genau deutlich, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, nicht der Fall ist. Ich weiß, dass es einige Gutachten – das Wort „Gutachten“ in den Mund zu nehmen, fällt

mir in diesem Zusammenhang schwer – hier in Deutschland gibt, die das immer wieder infrage stellen, ob das nicht tatsächlich doch so sein könnte. Allerdings, wenn Sie diese lesen, wird auch deutlich, dass immer wieder ausgeführt wird, es könnte so sein. Wir können es aber nicht belegen. Gut, das ist scheinbar Ihr Standpunkt, aber den kann ich Ihnen offensichtlich auch nicht nehmen.

Dann sagen Sie unter Ziffer 3: „ein Tariftreuegesetz“ – ich verkürze das jetzt mal – soll nicht „gegen... EU-Recht“ verstoßen. Ich glaube, dem ist natürlich nach den Ausführungen von Herrn Minister Seidel nichts mehr hinzuzufügen.

(Michael Roolf, FDP: Dem können wir aber zustimmen.)

Dass wir hier nicht mutwillig ein Gesetz machen, das gegen Europarecht verstößt oder gegen Bundesgesetze, ist normal. Wir müssten dann doch wirklich mit dem Kantholz geprügelt werden, wenn wir das machen wollten.

(Michael Roolf, FDP: Wollen wir dann einzeln abstimmen?)

Das machen wir von mir aus auch in Einzelabstimmung.

Weiter: „ein Tariftreuegesetz fördert infl ationäre Tendenzen, da es Wettbewerb ausschließt, öffentliche Bauaufträge unverhältnismäßig verteuert und Preissenkungs- sowie Innovationsspielräume verschenkt“. Auch hierzu kann ich Ihnen nur empfehlen, das Bundesverfassungsgericht und sein Urteil zu lesen.

Aber einen Punkt möchte ich mir doch gesondert herausgreifen, und zwar „Preissenkungs- sowie Innovationsspielräume verschenkt“. Gerade was den Punkt „Preissenkung“ angeht, ist natürlich immer wieder die Frage, wenn ich Tariftreueregelungen mache – und ich komme jetzt mal gar nicht auf die rechtliche Zulässigkeit, dazu sage ich noch was –, macht es das teuer.

Herr Kollege Roolf, meine sehr geehrten Kollegen von der FDP – zumindest die, die zuhören und sich nicht nach hinten umdrehen –, schauen Sie doch einfach mal in die Kommunen, wie es denn tatsächlich ist, wenn öffentliche Aufträge vergeben werden, und wie häufi g sich im Nachgang zu der Vergabe öffentlicher Aufträge über Nachträge oder Nachforderungen die öffentlichen Aufträge verteuern.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist korrekt.)

Und wenn Sie das geklärt haben, bin ich gerne bereit, mit Ihnen darüber zu sprechen, wie es sich in den Realitäten verhält.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen SPD, CDU und DIE LINKE)

Und der letzte Punkt, den Sie ausgeführt haben: „ein Tariftreuegesetz wird einen enormen Verwaltungs- oder Kontrollaufwand auslösen“. Ich verkürze das mal. Ich will jetzt nicht auf Denunziationen von Wettbewerbern eingehen, das ist wirklich knapp über dem Teppichboden. Aber nur noch Folgendes: Man muss zwei Dinge dazu sehen. Einen Punkt hat Herr Minister Seidel angesprochen. Es gibt bereits heute bestimmten Verwaltungs- und Kontrollaufwand. Der ist schon da.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Und alleine der Umstand – gehen wir mal vor die Entscheidung des EuGH vom 03.04. zurück –, dass ein Gesetzgeber sagt, du musst auch noch eine Tariftreue

erklärung abgeben, erhöht den Veraltungsaufwand nicht, auch nicht für die Unternehmen, denn das ist ein Formular, das noch zusätzlich ausgefüllt wird, und das ist es dann. Das haben wir in bestimmten Bereichen auch schon.

Das Vergabehandbuch ist angesprochen worden. Es stellt sich nur die Frage, Herr Minister Seidel: Wie weit ist das Vergabehandbuch noch rechtskonform mit dem Europarecht? Darüber sollte man vielleicht auch mal nachdenken. Aber das dazu.

Herr Kollege Roolf, letztendlich wird es unter Ihrem zweiten Punkt auf der Rückseite Ihres Antrags deutlich, was Sie eigentlich wollen. Sie wollen alles abbaggern, was tatsächlich aus Ihrer Sicht vergabefremde Kriterien sind, und letztendlich auch den Unternehmen hier in diesem Land keinen Gefallen tun.