Protocol of the Session on January 31, 2008

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das ist die Regel, meine Damen und Herren Koalitionäre.

Und Sie, Herr Minister, wollten sich doch erkundigen, wie die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern mit der Zeitarbeit umgehen. Haben Sie das getan und dabei nicht nur mit den Geschäftsleitungen, sondern auch mit den Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern und den Gewerkschaften gesprochen? Ich bezweifele das stark.

Und nun zum Punkt 2 Ihres Antrages: Sie wollen, dass die Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche für allgemeinverbindlich erklärt beziehungsweise ins Entsendegesetz aufgenommen werden. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es drei entsprechende Tarifverträge. Die dort vereinbarten Bruttoentgelte liegen zwischen 5,70 Euro und 6,27 Euro pro Stunde.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Klasse! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Damit sind die Stundenlöhne von Zeitarbeiterinnen erheblich niedriger als die der Stammbelegschaften. In neuesten Angaben des DGB gibt es Lohndifferenzen bis zu 40 Prozent. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Viele Zeitbeschäftigte sind auf ergänzende Leistungen angewiesen. Einem solchen Lohndumping, das dann auch noch Gesetz werden soll, werden wir selbstverständlich unsere Zustimmung verweigern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Jede und jeder weiß, für die Unternehmen ist das eine komfortable Situation. Sie haben gar kein Interesse daran, irgendetwas an den Bedingungen zu ändern, es sei denn, weiter zu ihren Gunsten. Deshalb ist die Heiligsprechung der Tarifautonomie im Punkt 3 Ihres Antrages auch nicht tauglich dafür, die Bedingungen für die Beschäftigten der Zeitarbeitsbranche zu verbessern. Doch die Gewerkschaften und die Betriebsräte wollen das schon, aber alle Appelle an die soziale Verantwortung der Unternehmer nützen nichts. Und das ist doch auch keine neue Erkenntnis, meine Damen und Herren. Tarifverhandlungen konnten die Fehlentwicklungen nicht stoppen und werden das auch in Zukunft nicht können. Deshalb vermuten wir LINKEN, dass Ihr Pochen auf die Tarifautonomie nichts anderes ist als die im Ansatz bereits eingebaute Entschuldigung, wenn Ihre Appelle nichts nützen.

Eine sehr interessante Frage ist übrigens auch: Was ist für Sie eine angemessene Einarbeitungszeit, nach der im Entleihbetrieb gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden soll?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Drei Jahre.)

Sie vermeiden eine Vorgabe. Dabei ist doch völlig klar, dass ein Unternehmer einen Leiharbeiter, der geforderte Leistungen nicht bringt, nicht erst nach Monaten, sondern nach wenigen Tagen feuert. Nach sechs Wochen soll der gleiche Lohn wie im Stammbetrieb gezahlt werden, sagt die EU-Kommission. Zumindest so weit hätten Sie ja in Ihrem Antrag gehen können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber nicht zu weit. Das ist zu weit.)

Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ steht bereits im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: So ist es.)

Wenn das aber kein stumpfes Schwert sein soll, müssen die Ausnahmeregelungen gestrichen werden.

Erste Ausnahmeregelung war die Möglichkeit, durch Tarifverträge von diesem Grundsatz abweichen zu können und zweitens bei der Einstellung von zuvor Arbeitslosen für sechs Wochen einen Lohn in Höhe des Arbeitslosengeldes zahlen zu dürfen. Von Streichungen dieser Ausnahmen lese ich in Ihrem Antrag nichts. Damit Leih

arbeiterinnen und Leiharbeiter nicht ohne Begrenzung jahrelang an ein und dasselbe Unternehmen zu schlechten Bedingungen ausgeliehen werden können, fordern wir eine Begrenzung der Verweildauer. Sechs Monate sollte sie nicht überschreiten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und wir fordern die Festanstellung nach Ablauf dieser Frist. Auch dazu gibt es kein Wort in Ihrem Antrag. Die Festlegung einer Obergrenze für die Anzahl von Leiharbeitskräften in den Betrieben ist für uns ebenfalls sehr wichtig. Die gängige Praxis, vor allem in Großbetrieben, Stammpersonal durch Leiharbeiter zu ersetzen, muss unterbunden werden. Fakt ist, Mitarbeiter werden entlassen, um sie dann über hauseigene Verleihfi rmen zu schlechteren Tarifbedingungen in den alten Betrieb zurückzuentleihen. Das ist ein Skandal, sagen wir, und das ist menschenunwürdig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Gängig ist auch, ganze Teile der Produktion auf Fremdfi rmen zu verlagern, die entsprechenden Mitarbeiter jedoch zuvor an diese Fremdfi rma zu verleihen, um dort die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Das Ausgliedern von Stammpersonal bei gleichzeitigem Wiedereingliedern als billige Leiharbeiter ist nichts anderes als ein mieses Geschäft auf den Rücken der Betroffenen. Kein Trick scheint zu billig, wenn es um maximale Gewinne geht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Genau.)

Meine Damen und Herren, der Punkt 4 Ihres Antrages zeigt zumindest, auch Sie haben begriffen, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter Mitbestimmungsrechte brauchen. Der Überlassungsvertrag wird allein zwischen dem Verleiher und dem Entleiher geschlossen. Auf diesen Vertrag haben die Beschäftigten keinen Einfl uss. Aber nicht nur das. Viele haben weder im Entleihbetrieb noch beim Verleiher Mitbestimmungsrechte. Nur bei den großen bundesweit agierenden Zeitarbeitsunternehmen gibt es Betriebsräte. Die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind also zweifach völlig ausgeliefert: erstens ihrer Geschäftsführung und zum Zweiten der Geschäftsführung der Entleihfi rma.

Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bieten außer den bereits genannten für die Unternehmen viele Vorteile. Sie sind fl exibel, arbeiten sich sehr schnell ein, sind zum großen Teil gut qualifi ziert und auch sehr belastbar. Außerdem sind sie besonders motiviert, weil sie hoffen, einen Platz in der Stammbelegschaft zu erhalten. Als Dank dafür sollen sie Lohndumping und Rechtlosigkeit ertragen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Unternehmer benutzen sie als kostendämpfende Manö vriermasse gegen die Stammbelegschaft und für die Umgehung des Kündigungsschutzes. Sie sind Objekte in den betriebswirtschaftlichen Rechnungen der Unternehmen.

(Michael Roolf, FDP: Oh, oh, oh!)

Um das zu ändern, braucht es mehr als einen Prüfauftrag an die Bundesregierung. Wir, die LINKE, sagen, Ihr Antrag ist nicht mehr als ein halbherziger Versuch, der

an der Lösung der Probleme meilenweit vorbeigeht und deshalb auch ohne Wirkung bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Lück.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zeitarbeitsbranche ist seit Jahren, und darauf hat der Wirtschaftsminister zu Recht hingewiesen, ein Wachstumsmarkt.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das stimmt überhaupt nicht.)

Die Zahl der Leiharbeitnehmer ist in den letzten Jahren bundesweit sprunghaft gestiegen. Ende 2007 dürften rund 900.000 Menschen bei Zeitarbeitsfi rmen beschäftigt gewesen sein. In einzelnen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie liegt der Anteil der Leiharbeitnehmer bei rund 30 Prozent. Auch der Arbeitsmarkt in MecklenburgVorpommern, darauf ist bereits hingewiesen worden, hat sich diesem Trend nicht entziehen können. Während im Jahre 2000 zum Stichtag 30.06. circa 3.800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Zeit- beziehungsweise Leiharbeitsunternehmen beschäftigt wurden, waren es im Jahr 2006 zum gleichen Stichtag bereits fast 7.400 Beschäftigte in rund 100 Zeitarbeitsfi rmen hier im Land. Nicht bei uns im Land – doch, doch, es ist richtig.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na, was denn nun?!)

In 2007 beläuft sich die Beschäftigtenzahl auf annähernd 8.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Zeit- und Leiharbeitsverhältnis beschäftigt sind.

Nun ist, darauf ist hingewiesen worden, Zeitarbeit nicht per se etwas Negatives. Zeitarbeit war und ist als Instrument gedacht, welches die Betriebe in die Lage versetzt, Auftragsspitzen und saisonale Schwankungen aufzufangen. Das hat der Wirtschaftsminister ausgeführt, das ist auch durchaus zutreffend. Gleichzeitig sollte Zeitarbeit aber auch neue Chancen eröffnen, um Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu reintegrieren. Unter diesen Gesichtspunkten hat die Zeitarbeitsbranche gerade in Mecklenburg-Vorpommern ihre Berechtigung gehabt und wird sie sicherlich auch noch geraume Zeit haben.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was als Ausnahme geplant war, entwickelt sich für immer mehr Menschen in unserem Land

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Zu einem Regelarbeitsverhältnis. – Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: So ist es.)

zu einem Regelarbeitsverhältnis, und zwar unter Bedingungen, welche wir so auf Dauer weder im Interesse der hier im Land Beschäftigten noch im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes insgesamt gutheißen können.

Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht nach Bochum auf das dortige Werk von Nokia zu schauen, wir brauchen nicht nach Leipzig zu BMW oder zu Daimler Benz nach Ludwigsfelde zu schauen, wo, legt man

Zahlen aus 2007 zugrunde, jeweils rund 30 Prozent der Beschäftigten in den Betrieben Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer waren.

Meine Damen und Herren, es reicht, wenn Sie zum Beispiel Ihren Blick auf die hiesigen Werften richten. Nehmen Sie das Beispiel der Aker-Werften in unserem Land, wo bereits rund 700 Beschäftigte Leiharbeitnehmer sind, und, meine Damen und Herren, der Ersatz, man könnte auch – und das sehe ich durchaus anders als Herr Minister Seidel – von Verdrängung von Stammarbeitnehmern durch Zeitarbeitnehmer sprechen, und zwar in Größenordnungen, die nicht allein symptomatisch für die Metallbranche gelten. Es zeigt sich auch in anderen Branchen, etwa dem Einzelhandel, wo ganze Tätigkeitsgebiete, wie die Nachverräumung, das heißt das Einsortieren der Ware nach Ladenschluss, schon fest in der Hand von Zeitarbeitsfi rmen sind. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant, mit welchen Argumenten diese Zeitarbeitsfi rmen für den Einsatz ihrer Beschäftigten bei ihren Entleihbetrieben werben. Da heißt es bei einer Zeitarbeitsfi rma, das können Sie im Internet fi nden, ich will den Namen jetzt nicht sagen, das spielt in dem Zusammenhang, glaube ich, auch gar keine Rolle,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist nachher Werbung.)

da heißt es auf deren Homepage: „Die Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung für Sie liegen auf der Hand:“ Und dann kommen verschiedene Punkte. Einer der Punkte lautet dann: „Sie sparen Kosten! Denn die Zahlen belegen eindeutig: Mitarbeiter im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung sind gegenüber Festangestellten die günstigere Lösung.“ Dagegen spricht erst einmal nichts. Aber wenn Sie dann auf die zweite Seite schauen, heißt es unter anderem zur Begründung dieser Aussage: „keine Zuschläge in den zuschlagspfl ichtigen Zeiten wie sonst bei eigenem Personal“.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach ja?! Hört, hört!)

Hier wird deutlich, dass man darüber wirklich ernsthaft überlegen oder nachdenken sollte.

Meine Damen und Herren, Zeitarbeit hat, wie ich bereits ausgeführt hatte, seine arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Berechtigung. Aber, meine Damen und Herren, Zeitarbeit kann nur dann auf Dauer ihre Berechtigung behalten, wenn die Spielregeln, unter denen in dieser Branche gearbeitet wird, für alle Beteiligten fair sind und weder zulasten der Beschäftigten in den Zeitarbeitsfi rmen noch zulasten der Beschäftigten in den Entleihunternehmen gehen.

Meine Damen und Herren, mit dem Wachstum der Branche haben bedauerlicherweise gerade die negativen Auswüchse der Leiharbeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugenommen. Was für das Auffangen von betrieblichen Auftragsspitzen und saisonalen Schwankungen gedacht war, wird von Teilen der Arbeitgeber – und man muss wirklich sagen, man soll das auch nicht pauschalisieren – missbraucht, um für gleiche Arbeit deutlich weniger Lohn zu zahlen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie den Tarifvertrag nehmen, den der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund geschlossen hat, der in den neuen Bundesländern in der Entgeltgruppe 1 einen Bruttostundenlohn von