Protocol of the Session on August 24, 2007

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Es steht dem Ministerpräsidenten nicht zu, das Parlament zu kritisieren.)

und deshalb stellt sich die Regierung selbstverständlich der Debatte heute.

Meine Damen und Herren, wer das Mutige nicht wagt, wird das Machbare nicht erreichen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Mit der Funktional- und Kreisgebietsreform 2002 hat die damalige SPD-PDS-Landesregierung Mut bewiesen.

(Heiterkeit bei Raimund Borrmann, NPD, und Udo Pastörs, NPD – Reinhard Dankert, SPD: Herr Pastörs braucht da göttliche Eingebung.)

Angesichts der demografi schen und fi nanzpolitischen Herausforderungen haben wir bei unserem ursprünglichen Modell ganz bewusst einen mutigen Schritt gewählt und nach dreieinhalb Jahren einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Unser Gesetzentwurf wurde bundesweit als innovatives Reformvorhaben gelobt, nicht nur im Hinblick auf die Größe der Kreise, sondern auch auf die Übertragung von Aufgaben von der Landesebene auf die Kreise. Andere Bundesländer, die wie Mecklenburg-Vorpommern vor genau denselben Herausforderungen stehen, haben die Entwicklung bei uns mit großem Interesse verfolgt.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Meine Damen und Herren, mit unserem Reformansatz waren wir in neue Dimensionen vorgestoßen,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

über die so oder ähnlich aber bislang noch nicht gerichtlich zu befi nden war. Damit sind Unwägbarkeiten verbunden. Für den Fall, dass das Landesverfassungsgericht dem Gesetzentwurf aus rechtlichen Gründen nicht oder nur teilweise folgen würde, hatten die Regierungspartner von SPD und CDU das weitere Vorgehen koordiniert und einen Ablaufplan erstellt, dessen Umsetzung unmittelbar nach der Urteilsverkündigung begann.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Ich möchte Sie in der gebotenen Kürze darüber informieren, wie die Landesregierung den Reformprozess nach der Urteilsverkündigung unverzüglich fortgesetzt hat. Frau Měšťan, es ist natürlich, ich will nicht sagen, Unsinn, weil das unparlamentarisch ist, aber es ist natürlich nicht so, dass die Landesregierung daran denkt, erst 2009 an diesem Reformprozess weiterzuarbeiten.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das ist gut. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Gut zu hören.)

Am Tag nach dem Urteil kam die Lenkungsgruppe „Verwaltungsreform“ der Staatssekretäre zusammen, um den nächsten Schritt, die Erarbeitung einer neuen allgemeinen Grundlage mit allgemeinen Zielen und einem Leitbild, einzuleiten. Einen weiteren Tag später haben wir uns in der Regierungskoalition über einen Zeitplan verständigt. Am 2. August wurden die Landräte und Oberbürgermeister aufgefordert, bis zum 2. Oktober ihre Beiträge zur Erstellung eines Leitbildes abzugeben, und noch in diesem Jahr ist die Kabinettsentscheidung über die allgemeinen Ziele, das Leitbild und die Leitlinien vorgesehen. Und ich sage hier, das ist ein kurzer Prozess angesichts der Abwägungsprozesse, die das Landesverfassungsgericht immer angemahnt hat. Im ersten Quartal 2008 könnte der Landtag über die allgemeinen Ziele sowie das Leitbild und die Leitlinien befi nden. Ziel der Regierungspartner ist es, dass die Reform noch in dieser Legislaturperiode endgültig auf den Weg gebracht wird, die notwendigen Abwägungsprozesse aber trotzdem hinreichend erfolgen.

Meine Damen und Herren, der Reformbedarf ist von allen Seiten, auch vom Landesverfassungsgericht, anerkannt, das Reformziel ebenfalls. Es geht darum, MecklenburgVorpommern zukunftsfähig zu machen. Auch da sind wir uns alle einig. Alle müssen wissen, das sage ich hier mit aller Deutlichkeit: Mehr Geld wird nicht zur Verfügung stehen, sondern im Gegenteil, weniger.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Kritisiert wurde vom Landesverfassungsgericht, meine Damen und Herren, der Reformweg. Dabei geht es insbesondere um die Frage der Prüfung von schonenderen Alternativen bei der Kreisstruktur, die der bürgerschaftlich-demokratischen Komponente mehr Raum geben sollen. Das Landesverfassungsgericht verweist in seinem Urteil auf das Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftlichkeit der Verwaltung einerseits und bürgerlich-demokratischer kommunaler Selbstverwaltung andererseits, wobei es dem kommunalen Ehrenamt im Zweifelsfall den Vorrang vor ökonomischen Erwägungen einräumt. Die Rolle, die Funktion des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements in der kommunalen Selbstverwaltung, das ist meines Erachtens ein wirklich wichtiger Gesichtspunkt, der einer vertieften Diskussion bedarf. Diese Diskussion darf aber bei der Frage, wie weit Wohn- und Kreissitz auseinanderliegen dürfen, nicht stehen bleiben. Das würde den aktuellen und komplexen Anforderungen an das kommunale Ehrenamt nicht gerecht werden. Es geht um wesentlich weiter reichende Fragestellungen, zum Beispiel: Wie sieht es mit der Teilhabe oder Teilnahme der örtlichen Bürgerschaft an der Erledigung öffentlicher Aufgaben aus? Welchen tatsächlichen Gestaltungsspielraum hat sie heute und in Zukunft, auch angesichts des demografi schen Wandels? In welchem Verhältnis stehen die Aspekte „räumliche Überschaubarkeit“ und „faktische Entscheidungskompetenzen“ zueinander? Gibt es unter dem Gesichtspunkt der Überschaubarkeit möglicherweise Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, die in Zukunft besser und effi zienter vom Land erledigt werden können? Ich würde mich freuen, wenn diese und andere Fragen eine breite gesellschaftliche Diskussion anregen würden,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Hm!)

denn in der Tat, meine Damen und Herren, ist das ehrenamtliche Engagement ein Grundpfeiler kommunaler Selbstverwaltung. Diese komplexen Fragen sind nicht auf einer Sondersitzung des Landtages zu beantworten, sondern nur nach einem gründlichen Diskussionsprozess. Ich hatte Sie, Kollege Methling, in der SVZ so verstanden, als wenn Sie die Beantwortung all dieser Fragen schon auf der Sondersitzung erwarten würden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir erwarten einen Fahrplan, aber den haben Sie ja dargelegt.)

Meine Damen und Herren, ein wesentlicher Grund, warum sich bei der Fortsetzung der Verwaltungs- und Funktionalreform alle Beteiligten, wie zum Beispiel die Landkreise und kreisfreien Städte, keine Pause gönnen dürfen, sind die in den kommenden Jahren deutlich sinkenden Transferzahlungen. Die Gelder aus dem Solidarpakt gehen schon bald spürbar zurück. Ab 2014 wird Mecklenburg-Vorpommern voraussichtlich auch nicht mehr höchste Priorität bei der EU-Förderung genießen. 2019 schließlich endet der Solidarpakt. Das bedeutet,

(Udo Pastörs, NPD: Die Stunde der Wahrheit naht.)

2020 sind wir fi nanzpolitisch ein ganz normales deutsches Bundesland wie Schleswig-Holstein oder RheinlandPfalz.

(Michael Andrejewski, NPD: Ohne die Wirtschaft.)

Umso dringender ist es, dass wir unsere Verwaltungsausgaben an die fi nanzschwachen westdeutschen Länder anpassen, insbesondere die Zahl unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den nächsten Jahren treten viele Beschäftigte in ihren verdienten Ruhestand und dieses enge Zeitfenster gilt es unbedingt zu nutzen.

(Beifall Angelika Peters, SPD)

Und dabei denke ich nicht nur an das Land. Das Personalkonzept, das wir, das heißt das Land, unabhängig von der Verwaltungsreform entwickelt haben, greift. Dadurch und infolge der guten konjunkturellen Entwicklung werden wir voraussichtlich in diesem Jahr eines der ersten Länder sein, was Schulden tilgen kann.

Grund zur Sorge gibt vielmehr die Haushaltssituation vieler Landkreise und der meisten kreisfreien Städte, und das, obwohl Mecklenburg-Vorpommern die höchsten Pro-Kopf-Zahlungen im kommunalen Finanzausgleich und bei den kommunalen Zuweisungen aller ostdeutschen Länder aufweist. Mehr Geld, meine Damen und Herren, steht dafür nicht zur Verfügung. Eine ganze Reihe von Problemen in den Kommunen scheint hausgemacht. Die ursprüngliche Reform mit fünf Landkreisen hätte für die Kommunen Einsparungen von 100 bis 150 Millionen Euro bedeutet. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes gilt deshalb umso dringender, die kommunalen Haushalte müssen noch stärker als bisher konsolidiert werden. Die Verwaltungsmodernisierung muss weitergehen. Da sind sich alle – ich glaube, vielleicht von der einen oder anderen Ausnahme abgesehen –, auch die Landräte, einig.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, aus den dargelegten Gründen wollen wir bei der Fortsetzung der Funktional- und Kreisgebietsreform zügig zum Ziel kommen –

mit einem klaren Konzept und möglichst breiter Zustimmung. Große Bedeutung messen wir deshalb der Organisation eines möglichst breiten politischen Konsenses zu. Das gilt auch für eine der zentralen und offenen Grundsatzfragen, die Zahl der Kreise und die Zahl der möglicherweise kreisfreien Städte. Das Verfassungsgericht hat uns dabei wenig konkrete Vorgaben gemacht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.)

Tatsache ist, die Funktionalreform I, also die Verlagerung von Aufgaben von der Landes- auf die Kreisebene, macht nur Sinn, wenn keine zusätzlichen Verwaltungsstrukturen zwischen Land und Kreis entstehen und Doppelzuständigkeiten konsequent abgebaut werden.

(Heike Polzin, SPD: Das ist der Punkt.)

Und dazu müssen die Kreise und gegebenenfalls kreisfreien Städte unter Berücksichtigung der Aspekte einer angemessenen bürgerschaftlich demokratischen Mitwirkung entsprechend leistungsfähig sein.

Meine Damen und Herren, die Regierungspartner sind sich einig, eine Verwaltungsmodernisierung in MecklenburgVorpommern ist dringend notwendig. Die Arbeiten daran werden zügig fortgesetzt und ich lade die demokratische Opposition ein, sich in diesen Prozess konstruktiv einzubringen. Das Land braucht die Reformen, um spätestens 2020 auf eigenen Beinen zu stehen. Wir wollen eine Zukunft aus eigener Kraft. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Sellering.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD Mecklenburg-Vorpommerns – Herr Methling, Sie werden sich daran erinnern –

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

war in dem langen Prozess der Erarbeitung eines Konzeptes für eine zukunftsfähige Verwaltungsstruktur in unserem Land immer die politisch treibende, die politisch gestaltende, die politisch konstruktive und bestimmende Kraft.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na ja.)

Darauf waren wir immer stolz. Wir hatten einen Partner, zu dem die Klassiker sagen würden, halb zog es ihn, halb sank er hin.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD – Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD, Heike Polzin, SPD, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Wer hat denn wen gezogen? – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Auf diese Rolle, meine Damen und Herren, waren wir immer stolz.

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)