Protocol of the Session on July 11, 2007

Warum ist das so? Die ostdeutschen Länder haben in der Regel die gleichen Probleme zu lösen. Da sind Stichworte wie demografi sche Entwicklung, insbesondere Verlust von Bevölkerung durch Abwanderung, der Solidarpakt II läuft 2019 aus, die EU- und Strukturfondsförderung wahrscheinlich 2013. Darüber hinaus gibt es andere Probleme, die natürlich auch damit zusammenhängen. Das Entscheidende ist, dass die ostdeutschen Länder nur etwa 40 Prozent des Steueraufkommens aus eigener Kraft erzielen. Das wird sicherlich auch in den nächsten Jahren noch so bleiben. Das heißt, die ostdeut

schen Länder sind, das mag man bewerten, wie man will, ganz nüchtern betrachtet, relativ fi nanzschwach, sicherlich mit Unterschieden, aber es ist so. Und wenn die ostdeutschen Länder gemeinsame Interessen haben und diese zukünftig vertreten, dann muss man sich die Frage stellen: Worin bestehen diese konkreten Interessen? Auf welche Eckpunkte oder gemeinsame Interessen könnte man sich mit den anderen ostdeutschen Ländern verständigen?

Ich freue mich sehr, dass Herr Jäger heute für die CDUFraktion an einigen Punkten deutlich gemacht hat, dass die CDU Mecklenburg-Vorpommern jetzt anscheinend in allen wichtigen Fragen mit im Boot sitzt. So habe ich das zumindest heute hier zur Kenntnis genommen.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ich fi nde das sehr gut. Wenn es auch für die CDU der anderen ostdeutschen Länder in der Zukunft gelten könnte, dann wäre es umso besser.

Worum geht es bei den gemeinsamen Interessen? Ich glaube, das Erste, das ist nahe liegend, ist, alle ostdeutschen Länder müssen darauf bestehen, dass der Solidarpakt II nicht infrage gestellt wird. Ich glaube, das ist ein Punkt, auf den können sich alle ostdeutschen Länder sehr schnell verständigen.

(Harry Glawe, CDU: Jawohl.)

Und es ist richtig, dass inzwischen auch in der SPD West, sage ich jetzt mal, diese Debatte eingestellt wurde. Ich formuliere es mal so, Herr Jäger.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Auch bei uns gab es da kräftige Auseinandersetzungen. Ich gehe davon aus, dass das Thema insofern zumindest erst mal vom Tisch ist, das heißt in dem Sinne vom Tisch ist, dass der Solidarpakt II für uns gesichert ist.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Punkt zwei: Ich glaube, die ostdeutschen Länder müssen ein hochgradiges Interesse daran haben, dass der Länderfi nanzausgleich nicht aufgemacht wird, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Er ist gerade verhandelt von 2005 bis 2019. Er hat für uns, für die ostdeutschen Länder, wie ich fi nde, einen relativ guten Ausgleichsgrad geschaffen. Mit dem können wir in den nächsten Jahren relativ gut leben. Wir haben Planungssicherheit. Darüber hinaus wäre es natürlich auch fatal, wenn man schon nach zwei oder drei Jahren solch ein kompliziertes System zur Disposition stellt. Mir ist völlig klar, dass auch das Bundesfi nanzministerium, also der Bund, momentan überhaupt kein Interesse daran haben kann, dass der Länderfi nanzausgleich zum jetzigen Zeitpunkt bereits wieder zur Disposition gestellt wird. Das ist auch ein Punkt, worauf man sich gut verständigen kann.

Ich glaube, dass die ostdeutschen Länder – heute klang es bei Ihnen an, Herr Jäger – sich verständigen müssen darauf, dass für uns, für die Ostdeutschen, nur der kooperative solidarische Föderalismus als Grundprinzip oder als Ziel die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse als zentrales Element hat, so, wie das Grundgesetz es vorsieht, dass das für uns das verbindende Element in der gemeinsamen Interessenvertretung der ostdeutschen Länder sein muss. Denn nur diese Form des Föderalismus sichert uns, den schwächeren Ländern, auch die Gewähr, dass dieses Grundgesetzprinzip hier für uns weiterhin gilt und die Grundlage von Politik ist.

Und ich glaube auch, Herr Roolf, um Ihnen noch mal eine Brücke zu bauen, dass es genügend Ansatzpunkte gibt in der Föderalismusreform II, dass eben nicht alles beim Alten bleibt oder so, wie es ist, sondern dass es hier Annäherungspunkte gibt, zum Beispiel bei der Frage Effi zienzverbesserung, Bürokratieabbau. Da gibt es eine Reihe von Beispielen und gemeinsame Vorschläge, auch aus der Anhörung. Ich glaube schon, dass man da gemeinsam etwas bewegen kann im Interesse aller Länder und auch des Bundes.

An dieser Stelle möchte ich sagen, ich persönlich be dauere es sehr, dass sich ganz offensichtlich keine Mehrheiten abzeichnen für eine Bundessteuerverwaltung, die ich selbst sehr begrüßen würde. Ich sehe da eine Reihe von Vorteilen. Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass es durchaus auch andere Argumente gibt und ganz offensichtlich auch ganz andere Länderinteressen, die sich parteiübergreifend abzeichnen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

dass es, ich betone das, aus meiner Sicht wohl leider nicht zu einer Bundessteuerverwaltung kommen wird.

Ich möchte des Weiteren Herrn Roolf noch eine Brücke bauen. Ich glaube, dass es inzwischen Konsens ist, dass der Artikel 15, so, wie er jetzt formiert ist,

(Ministerin Sigrid Keler: 115.)

der Artikel 115 im Grundgesetz überprüft werden muss. Und wenn ich sage „überprüfen“, gehe ich persönlich davon aus, dass es hier zu Veränderungen kommen kann. Allerdings möchte ich gleich vorbeugen: Das darf und kann nicht verbunden werden mit der Bedingung, wir kommen nur zu besseren Regeln bei der Schuldenbegrenzung, denn darum geht es ja in Artikel 115, wenn einerseits die Steuerautonomie erweitert wird und gleichzeitig der Länderfi nanzausgleich aufgemacht wird. Ich bin davon überzeugt, wir kommen zu besseren Regeln in der Schuldenbegrenzung, ohne die Steuerautonomie zu erweitern und ohne den Länderfi nanzausgleich zur Disposition zu stellen. Da gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die insbesondere darauf hinauslaufen, dass man Regelungen fi nden muss, dass man in sogenannten besseren Zeiten, nach dem Motto: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, Vorsorge trifft in Form von Grundlagen, Reserven, um – in der Schweiz heißt das Ausgleichsfonds – vorzusorgen für Zeiten von Rezession, um dann entsprechend gegensteuern zu können, und das verbunden mit Schuldenbegrenzung, so, wie wir es ja auch im europäischen Stabilitätspakt haben, übertragen auf einen Stabilitätspakt in Deutschland. Dies halte ich durchaus für diskussionswürdig und ich gehe davon aus, dass man die Palette dessen, was Sachverständige vorgeschlagen haben – man sichtet es noch – praktikabel verwenden kann.

Beim Thema Steuerautonomie, muss ich allerdings feststellen, haben wir noch den größten Diskussionsbedarf, auch unter den ostdeutschen Ländern zu einer einheitlichen Position zu kommen. Insofern freue ich mich natürlich, dass wir heute die Gelegenheit haben im Rahmen der Debatte, die Frage „Pro und Kontra einer Erweiterung der Steuerautonomie“ hier miteinander zu diskutieren. Ich glaube schon, dass die Positionen klar abgesteckt sind. Da war klar erkennbar und ich habe zur Kenntnis genommen, dass auch die CDU-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern einer Erweiterung der Steuerautonomie zumindest skeptisch und kritisch gegenübersteht.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Argumente, die hier zum Teil gebracht wurden, zu komplettieren. Es sei mir gestattet, an der Stelle das eine oder andere zu wiederholen, um noch einmal zu begründen, warum Erweiterung der Steuerautonomie nie und nimmer im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern sein kann und auch nie und nimmer im Interesse aller ostdeutschen und aller anderen fi nanzschwachen Länder sein kann.

Als erstes Argument, und das stelle ich in den Mittelpunkt, nenne ich das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Ich bin davon überzeugt, eine größere Steuerautonomie, die im Kern bedeutet, dass man sich in der Regel mit dem Gedanken trägt, in den stärker fi nanzschwächeren Ländern Steuern zu senken, wird zu einer Verschärfung oder zu einer Verbreiterung der Unterschiede der Finanzausstattung der Länder führen. Das wiederum führt zu Verschlechterungen der öffentlichen Leistungen in den fi nanzschwächeren Ländern. Das werden die Bürger so nie akzeptieren und, wie gesagt, das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse wäre massiv infrage gestellt.

Zweitens. Wir können in Deutschland, und das ist mit der Schweiz nicht zu vergleichen, keinen funktionsfähigen Steuerwettbewerb organisieren. Das ist einfach nicht möglich. Das ist in unserem System so nicht möglich, weil die fi nanzschwachen Länder und die neuen Länder dabei in jedem Falle, das liegt auch am System, benachteiligt sein werden. Die Finanzministerin hat im Finanzausschuss das Beispiel gebracht, was es bedeuten würde, wenn fi nanzstärkere Länder lediglich um drei Prozent Einkommenssteuer, Lohnsteuer, Körperschaftssteuer absenken würden. Es würde für uns praktisch bedeuten, wir müssten, um diesen Einnahmeverlust auszugleichen, die gleichen Steuern um sechs Prozent erhöhen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist genau der Punkt.)

Das heißt, die Spanne wären neun Prozent.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Neun Prozent Steuerpunkteunterschied führt natürlich zu einer massiven Verstärkung der Schiefl age zwischen fi nanzstärkeren und -schwächeren Ländern. Und das kann logischerweise nicht in unserem Interesse sein.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, denn das ist so nicht klar geworden: Wer einer Erweiterung der Steuerautonomie das Wort redet, muss ehrlicherweise auch sagen, das geht nur, indem das Finanzausgleichssystem aufgemacht wird, denn Steuermindereinnahmen in den Ländern, die absenken, bedeutet, das muss kompensiert werden auf andere Art und Weise im Finanzausgleichsystem, ansonsten fehlt dieses Geld. Aber auch bei Steuermehreinnahmen muss natürlich im Länderfi nanzausgleich dafür gesorgt werden, dass das nicht oben einfach abgeschöpft wird, weg ist, nicht ins Ausgleichssystem geht und insgesamt dann in der Verteilungsmasse fehlt.

Viertens. Bei aller Wertschätzung von Föderalismus und eigenständigen Ländern, auch der Finanzautonomie an sich, die uns grundgesetzlich gesichert ist im Artikel 109, glaube ich, muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass es im Interesse aller sein muss, dass der Bund zukünftig die zentralen Grundlinien, die zentralen Fragen der Steuerpolitik auch weiterhin bestimmt. Das heißt, die wirtschafts- und verteilungspolitischen Grundfragen der

Bundesrepublik dürfen nicht geschmälert werden durch eine Erweiterung der Steuerautonomie. Davon bin ich überzeugt.

Fünftens....

Herr Abgeordneter Borchert, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich habe Ihnen die rote Lampe schon gezeigt. Die Fraktion hat noch Redezeit, Sie können sich noch mal zu Wort melden.

Entschuldigung.

Dann einen letzten Satz dazu: Die Steuerharmonisierung in Europa würde praktisch konterkariert werden.

Und das Letzte, was bisher überhaupt noch nicht gesagt wurde: Ich glaube, dass eine Erweiterung der Steuerautonomie in einem erheblichen Maße zu einem stärkeren Bürokratieaufwand führt und demzufolge letztendlich ein Ziel, nämlich Effi zienzverbesserungen in der Föderalismusreform II, massiv konterkariert wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nun war es komplett.)

Vielen Dank, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Löttge von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch bei solch wichtigen Themen wie Föderalismusreform II ist es natürlich nicht so ganz einfach, als siebenter Redner in einer Debatte noch etwas Neues anzuführen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach, das schaffen Sie!)

Herr Kollege Methling, ich werde mich da sehr bemühen.

Tatsächlich habe ich eins bei meinen Vorrednern übereinstimmend zur Kenntnis genommen: Es geht uns allen nur um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sprich, um das Wohl des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Damit haben wir das Ziel klar defi niert, manchmal gibt es vielleicht Unterschiede im Weg. Aber schön ist erst einmal, dass wir doch ein gemeinsames Ziel haben, und daran sollten wir fraktionsübergreifend arbeiten.

Eins zeigt sich übrigens sehr deutlich in der Diskussion zur Föderalismusreform II, dass es durchaus eine parteiübergreifende Diskussion ist, die im Übrigen interessanterweise keine Diskussion zwischen ostdeutschen Bundesländern oder neuen Bundesländern und alten Bundesländern ist, also kein Ost-West-Problem, sondern zunehmend ein Problem zwischen Geber- und Nehmerländern und damit zwischen vermeintlich armen und reichen Ländern. Das scheint mir noch mal ganz wichtig.

Insofern, Herr Borchert, darf ich Ihnen eins versichern, insbesondere im Ergebnis einer Beratung der fi nanzpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion in den Landtagen: Tatsächlich ist es also nicht nur die Haltung der Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, sich hier für das Land und für bestimmte Fragen einzusetzen, son

dern das zieht sich durch viele CDU-Fraktionen in den Landtagen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

insbesondere bei den Nehmerländern. Also es ist ganz klar.

(Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das zieht sich bestimmt durch Deutschland.)

Deswegen wird diese Diskussion zukünftig recht interessant bleiben und erfreulicherweise wird es keine Föderalismusreform gegen die armen Länder geben, sondern es wird nur eine gemeinsame Föderalismusreform in Deutschland geben, eine Föderalismus-II-Reform, die allen Interessen irgendwo gerecht werden sollte.