Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie von der Koalition wollen heute die Debatte über das Ladenöffnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern beenden und den wesentlich veränderten Gesetzentwurf heute hier verabschieden. Wir wollen das nicht,
weil wir deutlich mehr Beratungsbedarf nach den Änderungen, die Sie in den Gesetzentwurf eingebracht haben, sehen. Die Mehrheit der Bundesländer hat bereits Neuregelungen zu Ladenöffnungszeiten getroffen, andere – wie ein spezielles Bundesland, da steht jetzt gerade ein Ministerpräsidentenwechsel an – sehen überhaupt keinen Handlungsbedarf, sondern lassen alles beim Alten. Es geht überall um Erweiterung oder auch Freigabe der Ladenöffnungszeiten. Darauf gibt es unterschiedliche Reaktionen, die – das haben ja Herr Schulte und Herr Waldmüller ebenfalls berichtet – in der Anhörung und in der Diskussion im Wirtschaftsausschuss eine Rolle gespielt haben. Es gibt also sehr unterschiedliche Reaktionen sowohl bei den Kunden als auch bei den Einzelhändlern.
Wenn ich jetzt einige Zitate vortrage, dann können Sie diese nachlesen im „NordHandwerk“ Ausgabe April 2007:
Ein Fleischermeister aus Ludwigslust sagte: „Für kleine Fleischergeschäfte kann das tödlich werden. Einige wenige in touristischen 1-a-Lagen können vielleicht profi tieren, die anderen werden sich den notwendigen Mehreinsatz von Personal und Energie gar nicht leisten können.“
Eine andere Händlerin aus unserer Landeshauptstadt Schwerin sagte: „Als Familienbetrieb sind längere Öffnungszeiten in diesem Umfang nicht umsetzbar.... Die Deutschen sind nicht die typischen 22-UhrEinkäufer“-innen und -Einkäufer. „Wir werden bei unseren jetzigen Öffnungszeiten bleiben“. – Hier gilt eben, Herr Waldmüller, das „oder nicht“. – Weiter im Zitat: „Wir gehen damit natürlich das Risiko ein, dass Umsatz in die Center abwandert, denn jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden.“
Ein Bäcker aus Neuhaus berichtet: „Wir Bäcker sehen das deutlich negativ.... Durch längere Öffnungszeiten werden die Umsätze nur verteilt, nicht vermehrt.... Profi tieren können nur die großen Supermärkte, die den Tankstellen nachts das Geschäft wegnehmen können.“
Und eine Inhaberin aus Wismar, die einen Beautysalon betreibt, erklärte: „Wir Selbständige und unsere Mitarbeiter brauchen auch mal Ruhe und Zeit für die Familie, für Privates. In der Politik wird doch gerade ständig gepredigt, dass Familie und Kinder wieder einen höheren Stellenwert bekommen sollen. Ich sehe mein Kind jetzt schon viel zu wenig.“
So weit einige Zitate von betroffenen Handwerkerinnen und Handwerkern beziehungsweise Händlerinnen und Händlern, die auch unsere Sorgen sind. Wir haben das in verschiedenen Debatten sowohl hier im Landtag als auch im Wirtschaftsausschuss beziehungsweise in den anderen Ausschüssen eingebracht. Diese Befürchtungen sind in den anderen Bundesländern bereits vielfach im Alltag bestätigt worden.
Und letztendlich ist es auch eine Kostenfrage für die inhabergeführten Geschäfte, denn es wird ihre Entscheidung sein – so, wie Herr Waldmüller das richtig sagte –, ob sie öffnen, aber es ist eben nicht ihre freie Entscheidung, sondern es ist in erster Linie eine Kostenfrage. Sie werden nach den betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten
entscheiden müssen und die höheren Kosten werden sich so oder so auf den Preis niederschlagen müssen, denn sie haben höhere Kosten, die mit diesem Ladenöffnungszeitengesetz Mecklenburg-Vorpommern für sie eintreten werden. Und wie der Preiskampf im Einzelhandel aussieht, kann man sicherlich nachvollziehen. Die Kundinnen und Kunden geben nicht mehr Geld aus, weil sie nicht mehr Geld in der Tasche haben, sondern sie werden es nur zu anderen Zeiten ausgeben, sofern sie denn überhaupt diese kulturelle Veränderung mitmachen.
Deswegen brauchen wir ein solches Gesetz, wie Sie hier vorgeschlagen haben, in dieser Form überhaupt nicht. Deswegen kann ich mich gerne an der Möglichkeit, auch nachts öffnen zu können, freuen, aber die Wirklichkeit, die dieses Gesetz ermöglicht, wird eine ganz andere sein. Und über diese Öffnungsmöglichkeiten wird der Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf die Verkäuferinnen und Verkäufer im Einzelhandel noch größer werden, als er jetzt bereits ist.
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist so. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
Deswegen schlagen wir mit unseren Änderungsanträgen unter anderem vor, die Öffnungszeiten eben nicht rund um die Uhr zu ermöglichen, sondern werktags von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr zu öffnen und am Samstag tatsächlich bis 20.00 Uhr – vollkommen ausreichend –,
Ich habe, das sei mir gestattet, ein Stück Enttäuschung aus der Anhörung und der Debatte im Wirtschaftsausschuss mitgenommen. Natürlich kann man seitens der Koalitionsfraktionen den Kompromiss betonen, aber eine engagierte Diskussion – von Leidenschaft wage ich schon gar nicht zu reden – habe ich überhaupt nicht erlebt.
Also ich hätte mir gewünscht, dass wir viel leidenschaftlicher und engagierter die einzelnen Fragen diskutiert hätten, um gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen, jetzt mal fernab von dem Rollenspiel Opposition und Koalitionsfraktionen. Das hat leider gefehlt. Und in dieser leidenschaftslosen Debatte sind dann auch nicht hinreichend Gründe genannt worden, warum eine Freigabe der Öffnungszeiten in Mecklenburg-Vorpommern nun sinnvoll sei.
Über Kaufkraft habe ich schon gesprochen. Gerade diese Woche ging es durch die Medien, wie das Lohngefälle sich gestaltet zwischen den neuen Ländern und den alten Ländern. Wenn nach wie vor in den ostdeutschen Ländern die Löhne 20 bis 40 Prozent unter denen des Westens liegen, dann frage ich mich: Wie soll denn das, was jetzt mit den von Ihnen gewollten neuen Öffnungszeiten angestrebt wird, in der Praxis umgesetzt werden und wie sollen die höheren Kosten, die den Geschäften damit entstehen, durch einen höheren Umsatz abgedeckt werden? Das wird auf alle Fälle nicht eintreten, muss ich leider feststellen, sodass das alles gut gemeint scheint aus Ihrer Sicht, aber letztendlich ohne Wirkung bleibt.
Ich bin froh, dass über die Sonntage der Kompromiss erzielt wurde. Das ist eigentlich die Forderung, die von Anfang an sowohl von den Kirchen als auch von uns hier eingebracht wurde. Es ist gut, dass der Sonntag so bleibt, wie es in der Vergangenheit war. Es ist richtig, dass der Arbeitnehmerschutz hier einen höheren Stellenwert erhalten hat, aber ich bedaure, dass die Regelungen zum Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz der Tatsache geschuldet sind, dass rund um die Uhr von montags bis freitags geöffnet werden kann.
Mit dem Gesetz, welches Sie wesentlich verändert haben, sind Sie von Ihrem eigenen Anspruch, einen Beitrag zur Deregulierung und Flexibilisierung vorzulegen, weit, weit weg
und von einem schlanken Gesetz, meine Damen und Herren von der Koalition, kann man nun wahrlich nicht mehr reden. Davon sind Sie meilenweit entfernt.
Wir haben das im Ausschuss diskutiert. Ich bin wirklich mal gespannt, wie Sie die ganzen Ordnungswidrigkeiten verfolgen wollen und wie sich das in der Praxis ausgestalten wird. Ich bin übrigens der Überzeugung, hier entstehen Kosten, über die Sie in keiner Weise gesprochen haben. Ich bin deswegen der Meinung, dass wir diese Frage in den Ausschüssen erneut diskutieren sollten
Zurück zum Arbeitnehmerschutz. Hier sind Verbesserungen von uns nach der Anhörung angemahnt worden. Entsprechende Änderungsanträge wurden von uns gestellt. Und, meine Damen und Herren von SPD und CDU, hier hat es Ihnen an Größe gefehlt.
Sie hätten ja bloß zu sagen brauchen: In Ordnung, Linkspartei.PDS, wir übernehmen eure Anträge und stimmen dem zu. Aber was machen Sie?
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Nee, nee, nee, das geht nicht so. – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)
Sie lehnen erst mal die Anträge der Linkspartei ab und stellen Sie dann gleichlautend als Koalition noch mal. Welch ein Erfolg! Herzlichen Glückwunsch!
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Der Demokratie.)
Doch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bin ich sehr zufrieden, dass auch unsere Gedanken hier aufgenommen wurden.
Aber es sind eben nicht alle aufgenommen worden, und deswegen stellen wir die Änderungsanträge, die hier auf dem Tisch liegen. Die Frau Präsidentin hat die Nummern dazu gesagt. Wir kommen nachher zur Abstimmung.
Es ist wichtig, dass Familien mit Kindern die Chance haben, ihre Kinder am Abend zu betreuen. Und deswegen wollen wir die Freistellung von solchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Kinder haben, dass sie nach 18.00 Uhr tatsächlich freigestellt werden, um sich der Kinderbetreuung zu widmen. 70 bis 80 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen, ein großer Teil davon alleinerziehend, und hier müssen Familie und Beruf tatsächlich in Übereinstimmung gebracht werden. Hier haben wir als Gesetzgeber eine Verantwortung. Deswegen unser Änderungsantrag, denn es stellt sich die Frage, wie das, was im Gesetz geregelt wird, tatsächlich in der Praxis umgesetzt wird. Wie ich schon sagte, eins ist klar, der Druck wird steigen. Nicht jeder hat eine solche Familie, weil teilweise die Eltern beziehungsweise die Großeltern gar nicht mehr da sind, und zwar im Sinne von anwesend in der Stadt, in dem Ort, wo man lebt, sodass tatsächlich eine familiäre Betreuung möglich ist.
Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch darüber unterhalten, welches Einkommen eine Verkäuferin erzielt. Eine private Tagesmutter kann sie sich auf keinen Fall leisten. Das wird nicht funktionieren.
Deswegen müssen wir auch über Kinderbetreuung sprechen. Und wenn Sie jetzt das Argument bringen, na ja, in anderen Bereichen wird auch so gearbeitet, ist das richtig. Über Polizei wurde heute schon viel gesprochen und auch Krankenhäuser, Nahverkehr, Deutsche Bahn et cetera, all die Beispiele kennen wir, vollkommen in Ordnung.
Aber diese Beschäftigten in diesen Bereichen haben ein geregeltes Schichtsystem. Im Einzelhandel gibt es dieses Schichtsystem nicht. Man kann eigentlich von einem Chaos der Arbeitszeiten reden. Darauf muss man auch eingehen. Und deswegen müssen tatsächlich die Randbedingungen für Kinderbetreuung und Familienleben besprochen werden. Und das, glaube ich, eröffnet dieses Gesetz nicht. Deswegen auch unsere Forderung, hier solche Regeln einzubauen, dass die Beschäftigen im Einzelhandel die Chance haben, ihre Kinder selbst zu betreuen.
Zweitens will ich als Argument anführen den Nahverkehr. Ich hatte gestern in meinem Briefkasten den Fahrplan von OLA, also der Bahn Ostseeland Verkehr, die auf der Strecke zwischen Rehna, Schwerin und Parchim fährt. Ich frage mich, ob die Bahn Ostseeland Verkehr bereit ist, den Fahrplan zu ändern.