Protocol of the Session on May 10, 2007

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Der Europäischen Union begegnet, das habe ich vorhin gerade gesagt, immer wieder Misstrauen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Bestimmt, weil wir einen so großen Einfl uss haben, oder?!)

Die Akzeptanz muss weiter verbessert werden. Die Bündelung nationaler Fähigkeiten und Kräfte in der Europäischen Union gibt aber auch den Staaten Europas die Chance, die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Globalisierung, der wir letztendlich ausgesetzt sind, mit unserem Wirtschaftsraum, mit unserem Kulturraum Europa zu begegnen, mit tragfähigen Konzepten dagegenhalten zu können und das Tagesgeschäft letztendlich zu meistern.

Die Sorgen und Ängste der Bevölkerung müssen ernst genommen werden. Hierbei muss natürlich auch das Profi l der Europäischen Union geschärft werden. Ich glaube, jeder, der diesen Verfassungsvertrag richtig gelesen hat, wird sehen, dass dort gerade die Legislative, die gewählten Vertreter eine ganz andere Stellung innerhalb der Europäischen Union bekommen. Nicht, dass es immer in diese eine Richtung geht und man sagt, die EU-Kommission hat letztendlich als Exekutive die allentscheidende Macht, dann haben wir noch den Europäischen Rat, der gibt die großen Leitlinien vor und all das, was hier beschlossen wird, wird letztendlich im Europäischen Parlament in Gesetzesform gegossen. Und dieses Missverhältnis, in der Form, dass es nicht ausgewogen ist,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

wie der legitimierte gewählte Vertreter in diesem EU-Prozess Einfl uss nehmen kann, muss, denke ich, durch die neue EU-Verfassung geändert werden.

Dazu gehört natürlich auch, dass wir unsere Verantwortung in der gegenwärtigen Situation mit der EU-Ratspräsidentschaft wahrnehmen. Frau Dr. Merkel als Bundeskanzlerin des größten Nationalstaates der Europäischen Union hat natürlich hier ganz besonderen Einfl uss. Eine Vorentscheidung für den Verfassungsvertrag könnte im Juni beim EU-Gipfel fallen. Das vorliegende Vertragswerk enthält wichtige Elemente dafür, wie mittlerweile die 27 Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union handlungsfähig bleiben. Und das ist natürlich auch in der Form wichtig, dass wir uns hier auf unsere Kernaufgaben konzentrieren, die Funktionsweise und das Selbstverständnis der Europäischen Union nicht nur innerhalb der Nationalparlamente weiter sichtbar machen, sondern von da aus in die einzelnen Parlamente der föderalen Strukturen, so, wie das bei uns in Deutschland ist, bis hin, dass die Bürger davon überzeugt sein müssen.

Die Ratifi zierung, ich habe es vorhin gesagt, des EUVerfassungsvertrages ist bereits in 15 Nationalstaaten, in 15 Mitgliedsländern geschehen, dort natürlich auch immer in interessanten Debatten. Wir wissen selber, dass das Kerneuropa diesbezüglich, von dem als Kristallisations punkt die große Europäische Union ausgegangen ist, eine wichtige Verantwortung hat, wenn es um die zukünftigen Strukturen der Europäischen Union geht, das heißt auch die Anzahl der Mitgliedsstaaten.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir damals darüber debattiert haben, ist es denn nun wirklich notwendig, dass auch Rumänien und Bulgarien schon zu einem so frühen Zeitpunkt in die Europäische Union aufgenommen werden. Aber wenn Sie sich anschauen, welche Prozesse in der Demokratisierung in diesen Staaten in Südosteuropa abgelaufen sind, dann kann man, meine sehr verehrten Damen und Herren, wirklich nur den Hut ziehen. Und als am 01.01. diesen Jahres Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union aufgenommen worden sind – und Sie können sich sicher aus dem Europaausschuss noch gut daran entsinnen, als wir unsere Ständige Vertretung in Brüssel besucht haben –, war ein großes Transparent auf dem Airport in Brüssel zu sehen: Welcome Bulgarian! Welcome Rumanian!

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Da geht es einem wirklich eiskalt den Rücken runter und man sagt, das hätten wir uns vor 15 oder 20 Jahren nicht träumen lassen, dass wir eine solche große europäische Gemeinschaft in Freiheit sind, wo wir doch in dieser Situation immer noch der kommunistischen Weltrevolution gegenübergestellt waren, die sich ja diese Aufgabe vorgenommen hatte. Und deshalb sehe ich das schon mit sehr großem Zweifel, wenn Sie Ihre Anträge einbringen, was den europäischen Verfassungsprozess betrifft. Das muss ich mal an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sie haben doch gar keine Ahnung!)

Das denken Sie mal nicht! Ich meine schon, ich kenne alle die, die, bevor die Mauer gefallen war, sich um Demokratie auch in der DDR bemüht haben.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Wirklich alle?)

Ja, ja, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich habe vorhin schon ganz kurz angeführt, dass wir natürlich auch in den Nationalstaaten eine immer wieder neue Situation haben, wenn es dort um Wahlen geht.

(Zurufe von Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS, und Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS)

Wir hatten jetzt in unserem Nachbarland Frankreich Wahlen. Der neue Präsident Nicolas Sarkozy wird, denke ich, das, was den europäischen Verfassungsprozess betrifft, mit der Bundeskanzlerin in Vorbereitung des EUGipfels sofort Kontakt aufnehmen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Der macht erst mal Urlaub auf Malta.)

Und er hat auch schon angekündigt, dass er diesen Verfassungsvertrag, so, wie er jetzt existiert, natürlich in der Form – er ist gescheitert in Frankreich – nicht weiterführen und übernehmen kann. Das heißt, hier wird gemeinsam nachgearbeitet, hier wird eine neue Strategie

entwickelt, wie wir innerhalb Europas ganz klar für eine Verfasstheit unserer Europäischen Union kämpfen werden, die wahnsinnig wichtig ist. Meine Vorredner haben das natürlich schon gesagt, der Ministerpräsident hat es in seiner Rede klar angeführt, Sie verhindern, meine sehr verehrten Damen und Herren der PDS, eigentlich damit, dass wir in Europa gleiche Sozialbedingungen bekommen können,

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

gleiche Arbeitsbedingungen bekommen können.

(Zurufe von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Wir sind zurzeit nur auf ein Regelwerk von Ausnahmegenehmigungen mit Entsendegesetzen und vielen komplizierten Dingen mehr angewiesen und das muss endlich klar auf eigene Füße gestellt werden. In der europäischen Außenpolitik ist es eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir eine Verfasstheit haben, eine europäische Verfassung, um gemeinsam agieren zu können, um zu den auf der Welt entstandenen oder noch immer bestehenden Konfl ikten klar Stellung beziehen zu können und mit einer Sprache sprechen, damit wir nicht in der Zukunft wieder solche Situationen haben und sagen, da hat sich eine Achse Paris–Moskau herausgebildet und dann wieder noch eine andere Achse. Ich will das gar nicht in irgendeiner Weise jetzt noch interpretieren.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Besser nicht.)

Davon, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir weg. Und wir müssen natürlich auch sehen, dass die europäischen Einsätze in Konfl iktgebieten militärischer Art genauer koordiniert werden. Und wenn ich Ihren Antrag richtig gelesen habe, dann haben Sie diese Punkte genau mit eingebaut,

(Zuruf von Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS)

die immer größere Militarisierung der Europäischen Union.

(Zurufe von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS, und Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Und Sie, die großen Pazifi sten, die in keinster Weise schon mal was mit Militär und Waffen zu tun gehabt haben,

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Deswegen heißen sie ja Pazifi sten. – Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

wollen uns da in großer Vorbildwirkung als aufrichtige Demokraten die Belehrung immer wieder geben.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Wäre gut, wenn Sie das konkret belegen könnten.)

Ich kann Ihnen nur sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der PDS, wir werden gemeinsam mit den Parteien der großen Koalition, die jetzt die politischen Linien gemeinsam nicht nur erarbeitet haben, sondern auch verfolgen werden, diesen europäischen Verfassungsprozess auf eine neue Stufe bringen, auf eine neue Ebene. Dort wird innerhalb der Europäischen Union unter Führung der Bundeskanzlerin, der EU-Ratspräsidentin, eine neue Epoche eingeleitet. Sie wird erfolgreich sein und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Unruhe bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Kuhn.

Das Wort hat jetzt Frau Borchardt von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Kuhn, ich weiß nicht, ob Sie alle Demokaten der Bundesrepublik Deutschland kennen und insbesondere die Leute, die im Zeitraum der Wende sich für Demokratie in den neuen Bundesländern eingesetzt haben. Ich kenne zum Beispiel eine Kollegin der CDU, Kreisvorsitzende im Kreis Straßburg, die eine fl ammende Rede zum Ende der DDR gehalten hat – für den Erhalt der DDR und vieles andere mehr.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Also wir können uns tatkräftig darüber unterhalten, wer denn wann für was gestritten hat. Was ich aber nicht machen werde und auch nicht zulassen werde, ist, dass Sie uns das Recht absprechen, für diesen demokratischen Prozess der Europäischen Union mit zu streiten im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Udo Pastörs, NPD – Harry Glawe, CDU: Das war plump.)

Und noch eins: Wenn man, und das ist unser Anliegen – wir haben den EU-Ratspräsidentschaftsweg sehr genau verfolgt und wir haben immer betont, dass es gut ist, dass Frau Merkel sich für einen Neubeginn und die Fortsetzung des EU-Verfassungsprozesses einsetzt –, wenn man diesen gesamten Diskussionsverlauf in den letzten Wochen verfolgt hat, dann wird einem deutlich, dass die Verfassung, so, wie sie zurzeit vorliegt, nicht beschlossen und weitergegeben werden kann. Nicht so! Und dafür gibt es sehr, sehr viele Anhaltspunkte, die aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Spektren kommen – ob es nun von kommunalen Spitzenverbänden kommt oder von Parteifreunden aus Ihrer Partei und von vielen anderen mehr.

Ich will Ihnen nur mal eines sagen: Wer aufmerksam diese Zeitung verfolgt hat, der wird sehen: „Bundesregierung für kommunales Selbstverwaltungsrecht in der EU-Verfassung“. Ich war ja stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen. Was wir dort immer bezweifelt haben und immer angemerkt haben, war, Europa kennt kommunale Selbstverwaltung nicht. Und die europäische Verfassung wird dem auch nicht gerecht. Dafür streiten natürlich die kommunalen Spitzenverbände. Das wird von der Bundesregierung ausdrücklich eingefordert – und das haben wir versucht, in unserem Antrag darzustellen –, die kommunale Selbstverwaltung in diesen Prozess noch stärker mit einzubeziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und wer gestern „Die Welt“ gelesen hat: „Die EU-Verfassung wird dünner“, der wird auf das Problem ganz genau aufmerksam gemacht. Hier wird eindeutig klargestellt, dass in unterschiedlichen Ländern, wo heute schon zu sehen ist, dass es Probleme gibt bei der Ratifi zierung der EU-Verfassung, unterschiedliche Angebote gemacht werden sollen. Und wenn man diese Angebote macht,

dann heißt das nichts anderes als: Der EU-Verfassungsprozess muss wieder aufgemacht werden. Denn wie wollen Sie ansonsten eine EU-Verfassung, die vom Parlament, von der Europäischen Union verabschiedet wurde, in irgendeiner Weise ratifi zieren, wenn man nicht den Ländern, denen man jetzt Zugeständnisse macht, dann in irgendeiner Weise Genüge tut und hier etwas niederschreibt?

(Beifall Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)