Protocol of the Session on May 10, 2007

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Keine Kürzungen beim Landes

blindengeld und beim Landespfl egewohngeld zulassen, Drucksache 5/478.

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: Keine Kürzungen beim Landesblindengeld und beim Landespfl egewohngeld zulassen – Drucksache 5/478 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Müller von der Linkspartei.PDS.

Werter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Warum dieser Antrag heute mit diesem Thema? Ist er zeitlich richtig? Ich denke, er ist zeitlich richtig, denn, es wird Sie nicht verwundern, wir als Oppositionspartei haben natürlich den Koalitionsvertrag gelesen. Und da haben wir unter anderem gelesen, dass die Leistungsgesetze geprüft werden. Da wir davon ausgehen, dass Prüfung nicht unbedingt bedeuten muss, was wird denn mehr gebraucht, sondern meistens bedeutet, was wird denn weniger gebraucht, haben wir dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt. Außerdem haben bestimmte Zeitungsartikel uns darauf aufmerksam gemacht, dass sich schon Überlegungen in Richtung Senkung zeigen, auch in Richtung Landesblindengeld. Landesblindengeld gehört zu den freiwilligen Leistungen, gehört zu den Leistungsgesetzen die geprüft werden sollen.

Ich will heute hier die Gelegenheiten nehmen, um noch einmal zu erklären, damit es sich auch einfacher und besser prüfen lässt, was das Landesblindengeld ist. Es ist nach wie vor, wie immer schon, ein Mehraufwandsausgleich oder auch ein Nachteilsausgleich. Und ich bitte, diese beiden Worte wirklich im Hinterkopf zu haben, wenn es um diese Leistung geht. Landesblindengeld ist weder eine Erhöhung meines Einkommens aus gewerblicher oder berufl icher Tätigkeit, es ist kein Zusatz zur Rente, weil es den armen blinden Menschen so furchtbar schlecht geht, es ist kein Mitleidsbonus, weil Blindheit ja so furchtbar tragisch ist, sondern es ist schlicht und ergreifend das, was es besagt: ein Mehraufwandsausgleich, und zwar ein behindertenspezifi scher Mehraufwandsausgleich, und deswegen von allen Bundesländern als Mehraufwand oder Nachteilsausgleich anerkannt, weil die betroffenen Menschen keine, und ich wiederhole noch mal, keine Chance haben, einen Nachteil anders auszugleichen, als ihn fi nanziell zu löhnen.

Was meine ich damit? Es soll überhaupt nichts bezahlt werden, was jeder Mensch zum täglichen Leben braucht. Aber Menschen mit Behinderungen können oftmals in bestimmten Situationen ausschließlich nur Dinge benutzen, die entweder spezifi sch für sie hergestellt werden oder die in unserer Wirtschaft heute so hergestellt werden, dass sie barrierefrei sind. Barrierefreiheit bedeutet nämlich nicht nur, dass die Rampe da ist und dass die Tür breit genug ist. Barrierefrei bedeutet auch, dass es handhabbar ist.

Im spezifi schen Fall „blind“ bedeutet das, dass ich schon am frühen Morgen einen Wecker haben muss, der eine Sprachausgabe hat. Nun werden Sie mir sagen, die Uhren im Laden mit Sprachausgabe kosten 25 Euro. Nein, aber nicht die für blinde Menschen. Diese Uhren, die es da gibt mit Sprachausgabe für 25 Euro, sind mitnichten barrierefrei:

(Zuruf aus dem Plenum: 19,90 Euro.)

Erstens haben sie Tasten, die so hoch sind, dass man mit jedem An/Aus das umstellt.

Zweitens haben sie keinen Piepton, dass man zurückstellen könnte und hört, was man gestellt hat.

Und Drittens ist die Sprachausgabe so schlecht, dass jede Bahnhofsansage glatt hochdeutsch ist.

Wie geht es weiter? Selbst zum Frühstück werden manchmal Küchengeräte zur Vorbereitung gebraucht, wo ich auch nicht wahllos in den Laden laufen kann und holen kann, was gerade im Angebot ist. Digitalanzeigen gehen grundsätzlich nicht. Holen Sie mal Geräte, die ordentliche Knöpfe haben! Sollte ich zwischendurch noch in die Dusche gehen wollen, muss ich natürlich eine Dusche haben, die ordentlich schließt. Sehen Sie sich die Preise an! Wenn ich ordentlich schließende Duschen haben will, kann ich die für 40 Euro nicht nehmen. Sollte ich dann vielleicht auch noch irgendetwas in die Waschmaschine stecken wollen, geht die Katastrophe weiter. Versuchen Sie mal, im Laden – im Angebot oder sehr preiswert – eine Waschmaschine zu bekommen, die keine Digitalanzeige hat, die nicht nur durch einen Knopf programmmäßig eingestellt wird! Das werden Sie nicht schaffen. Sie müssen zurückgreifen entweder auf den Mercedes der Waschmaschinen, nämlich Miele, einzige Firma in Deutschland, die Waschmaschinen herstellt, wo Punktschrift mit dran ist, oder Sie können eine einzige von Siemens kaufen, wo das auch gemacht wird.

Und so zieht sich der Mehraufwand durch den ganzen Tag. Er geht auch über die Arbeit hinaus. Bei der Arbeit allerdings geht es schon wieder los mit bestimmtem Papier – auf Ihrem Papier kann ich nicht schreiben, da hält sich kein Punkt –, mit bestimmten Dingen, die ich bezeichnen muss – also brauche ich Klebeetiketten, die Sie nicht brauchen –, mit bestimmten Dingen, die ich mit Wort belegen muss – also brauche ich Sprachausgaben. Und dann geht es hin bis zu der Problematik, wie komme ich hin und her.

Also noch mal: Ein behindertenbedingter Nachteilsausgleich ist kein Einkommen, sondern es ist ein Ausgleich für das, was ich mehr bezahlen muss, wo Sie entscheiden können, ob Sie das oder das kaufen. Ich kann nicht entscheiden.

Der Mehraufwand für hochgradig Sehbehinderte ist auch gewaltig. Hochgradig Sehbehinderte müssen grundsätzlich einen perfekt ausgeleuchteten Arbeitsplatz haben. Sie machen also garantiert schon zu Zeiten das Licht an, wo Sie immer noch mal an das Licht rücken können und es klappt. Sie brauchen auch andere Lampen als Sie, die keine Schatten werfen, beziehungsweise müssen mehr Lampen anmachen als Sie, um es von allen Seiten gut ausgeleuchtet zu haben. Das sind nur einige Beispiele.

Der Nachteil wird auch deshalb immer größer – und deswegen dürfte man eigentlich überhaupt nicht darüber nachdenken zu kürzen –, weil sich das Lebensumfeld verändert. Wenn wir eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung haben, haben wir die auf den Dingen des täglichen Bedarfs. Und wenn ich sowieso schon ein teures Bügeleisen kaufen muss, weil ich nämlich keins kaufen kann, was vorn ganz spitz zugeht, da wird jede Spitze, jedes feine Gewebe danke dafür sagen, wenn ich damit reinhake, wird das mit drei Prozent Mehrwert noch teurer. Also habe ich auch einen erhöhten Mehraufwand.

Was passiert an anderen Stellen? Der Öffentliche Personennahverkehr wird immer mehr ausgedünnt. Oftmals haben Menschen mit Behinderungen aber nicht die Möglichkeit, eine andere Haltestation aufzusuchen, die gerade noch angefahren wird, aus Mobilitätseinschrän

kungsgründen, von der Konzentrationsfähigkeit her, der Weite zu der nächsten Angelegenheit hin. Also was bleibt übrig? Taxi! Taxifahrten sind unendlich teuer. Mehraufwand, der von uns gezahlt wird, aber nicht gezahlt werden kann, wenn das Geld dazu nicht reicht.

Ältere Menschen mit Behinderungen zum Beispiel haben auch einen Mehraufwand. Blinde ältere Menschen müssen sich zum Beispiel mehr Hauswirtschaftspfl ege zukaufen als andere. Es nutzt einem blinden älteren Menschen nichts, wenn die Hauswirtschaftpfl ege durch alle Räume wuselt und dann alles im Abwasch stehen lässt, was da steht, nach dem Motto: „Vasen abgewaschen, Töpfe abgewaschen, nun ist es gut.“ Es muss weggeräumt werden. Es muss immer dahin geräumt werden, wo es stand. Mehraufwand!

Andere Dinge kommen auch auf uns zu. So werden zum Beispiel die Behindertenfahrdienste fi nanziell gekürzt. Dadurch müssen mehr Gelder gezahlt werden als Eigenanteil. Blinde Menschen haben noch das Problem, dass sie oftmals beim Behindertenfahrdienst gar nicht berücksichtigt werden – obwohl sie das B, also mit Begleitung und hilfl os, in Ihrem Schwerbehindertenausweis haben –, weil die Gelder sowieso schon so knapp sind, dass man sagt, die Rollstuhlfahrer haben es am nötigsten, blinde Menschen nicht.

Weiteres Beispiel: Die Krankenkassen kürzen ganz schnell mal um 20 Prozent die Futtergeldpauschale für Blindenführhunde. Die ostdeutschen Blindenführhunde haben es dabei ganz besonders schlimm, denn sie wurden von der Krankenkasse 1990 sowieso als 80-ProzentHund eingestuft. Sie bekamen eh nur 80 Prozent des Futtergeldes und nun auch noch die Kürzung. Das sind alles Gelder, die wir mehr bezahlen müssen als Sie.

Mit dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz aus dem Mai des Jahres 2002 wurden bestimmte Dinge festgeklopft, um die Selbstbestimmtheit, das selbstbestimmte Leben für Menschen mit Behinderung festzuzurren. In dem Moment, wo Herr Schröder das Bundesgleichstellungsgesetz verkündete, als Erfolg verkündete, sprach er sofort auf der Stelle davon, dass man nun beginnen müsse, ein bundesweites Nachteilsausgleichsgesetz zu formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Wo dieses Gesetz ist, weiß ich nicht, keins gefunden. Also das Bundesnachteilsausgleichsgesetz ist nicht da. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben zum Beispiel zum Bundesbehindertengleichstellungsgesetz nicht zugestimmt, weil es Ihnen zu kurz griff, Ihnen fehlte das Leistungsgesetz. Wir haben hier im Land ein Landesbehindertengleichstellungsgesetz, womit sich die Regierung und die Fraktionen bekannt haben für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes selbstständiges Leben. Dazu müssen aber auch die Voraussetzungen geschaffen werden.

Frau Müller, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.

Adäquat sieht die Sache aus für das Pfl egewohngeld. Pfl egewohngeld wird gebraucht, um Menschen das Stückchen Selbstständigkeit zu erhalten, was sie sich noch erhalten konnten.

Wir haben keine Gründe zu kürzen, wir müssen eigentlich erweitern, müssen aber ganz genau sagen, das, was da

ist, wird auch gebraucht und nicht irgendwo verschleudert. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Müller.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat sich gemeldet der Sozialminister Herr Sellering. Herr Sellering, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag bezieht sich auf das Landesblindengeld und auf das Pfl egewohngeld. Zunächst zum Landesblindengeld, das wir zahlen, um Blinden und hochgradig Sehbehinderten einen Ausgleich zu gewähren für die Schwierigkeiten, die sie haben wegen dieser Blindheit und hochgradigen Sehbehinderung. Und da sollen die Mehraufwendungen, die das verursacht, mit dieser Zahlung abgegolten werden.

Ich denke, nach dem Beitrag der Kollegin Müller ist hier sehr deutlich geworden, dass ein solcher Ausgleich, solche Zahlungen für Mehraufwendungen auf jeden Fall dringend nötig sind. In der Antragsbegründung ist aber auch angesprochen worden, dass solche Ausgleichszahlungen in allen Bundesländern geleistet werden, aber eben in Mecklenburg-Vorpommern in einer relativ, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, hohen Summe. Wir stehen an der zweiten Stelle aller Bundesländer.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Weil wir das politisch so gewollt haben.)

Weil wir das so gewollt haben, selbstverständlich.

Im Koalitionsvertrag ist angesprochen und festgeschrieben, dass diese Koalition alle Leistungsgesetze auf den Prüfstand stellen will. Und die Idee dabei ist, einfach festzustellen, wo leisten wir uns als Land MecklenburgVorpommern im Vergleich zu anderen Bundesländern mehr. Wenn dann die Feststellung getroffen worden ist, ja, hier leisten wir uns mehr – das könnte man hier vielleicht bezogen auf den Durchschnitt der Bundesländer sagen –, dann muss die zweite Frage beantwortet werden: Ist das notwendig, dass wir uns da mehr leisten? Ist das etwas, was wir politisch wollen?

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Eben. Das ist eine wichtige Frage.)

Dass es jedenfalls sinnvoll ist, das steht natürlich schon deshalb außer Frage,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist ja bekannt.)

weil es beschlossen worden ist von diesem Landtag und den Kolleginnen und Kollegen hier, die sich dabei natürlich was gedacht haben. Das ist ganz klar. Aber wie gesagt, diese Prüfung wird die Koalition für alle Leistungsgesetze durchführen. Und mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass sich das wirklich auf alle Leistungsgesetze bezieht. Häufi g denken Menschen dann nur an die sozialen Leistungsgesetze. Das ist nicht so, sondern wir werden alles auf den Prüfstand stellen und alles prüfen.

Mir ist als Sozialminister natürlich wichtig zu sagen, ich möchte gerne, dass wir das Blindengeld weiter auf einem möglichst hohen Niveau zahlen,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist sehr gut, Herr Minister. – Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

aber der Begriff „möglichst“ erfordert eben eine politische Diskussion, die wir führen müssen. Und klar ist, am Ende entscheidet dieser Landtag.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Es geht nicht um den Durchschnitt, es geht um den Bedarf.)

Zum Pfl egewohngeld ist so weit klar, das gibt es seit 2004. Das haben wir eingeführt für die Pfl egebedürftigen, weil in vollstationären Einrichtungen die Investitionskosten in manchen Bereichen zu hoch sind. Im Jahr 2006 erhielten bei einer Gesamtzahl der Pfl egeheimplätze von 16.500 etwa 5.700 Pfl egebedürftige ein Pfl egewohngeld – Größenordnung: 8 Millionen Euro standen im Haushalt zur Verfügung. Laut Gesetz läuft nach der derzeitigen Regelung die Gewährung Ende 2007 aus. Das war das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens im Jahre 2003. Damals wurde darauf verzichtet, bewusst verzichtet, die Fördertatbestände über das Jahr 2007 hinaus festzuschreiben und entsprechende Mittel auch in die Mittelfristige Finanzplanung aufzunehmen. Ob wir jetzt doch eine Fortschreibung vornehmen, muss im Rahmen der Haushaltsberatungen 2008/2009 entschieden werden.

Wenn man sich das vor Augen führt, ist, glaube ich, klar, dass, wenn diese Entscheidung positiv ausfällt, wir uns jedenfalls sehr beeilen müssen. Frau Müller hat zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagt, ob der Antrag zeitgerecht wäre. In Bezug auf das Pfl egewohngeld ist er das sicherlich. Also diese Frage ist möglichst bald zu entscheiden und wenn man sich positiv entscheidet, muss man sich in der Tat sehr beeilen.