Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor der Landtagswahl in NordrheinWestfalen im Jahre 2005 hat der damalige Vorsitzende der SPD Franz Müntefering eine sogenannte Heuschreckenliste aufgestellt. Unter Heuschrecken verstand er dabei Spekulantenfi rmen, die Unternehmen, auch kommunale Wohnungsgesellschaften aufkaufen und sie dann ausschlachten. Da auf der Liste auch amerikanische
Investoren waren, wurden Herrn Müntefering Ausländerfeindlichkeit und auch Antiamerikanismus vorgeworfen, ja sogar Antisemitismus, da unter den Inhabern der besagten Private Equity Firmen auch Personen jüdischen Glaubens waren. Daran kann man sehen, wie leichtfertig und skrupellos heutzutage mit solchen Vorwürfen gearbeitet wird.
Damit uns das nicht auch passiert, stellen wir hiermit klar, dass es uns egal ist, welcher Religion ein Spekulant angehört oder aus welchem Land er kommt. Es ist auch kein Vergnügen, einem deutschen, protestantischen oder katholischen Spekulanten zum Opfer zu fallen. Man muss sich vielmehr fragen, was für ein Interesse Unternehmen, die auf maximalen Profi t aus sind, eigentlich an kommunalen Wohnungen haben könnten. Viel Geld zu machen ist da nicht, …
… wenn man die notwendigen Investitionen vornimmt, die die Wohnsubstanz erhalten. Wenn man die notwendigen Investitionen vornimmt, die die Wohnsubstanz erhalten, und die Mieten nicht in unerschwingliche Höhen hinaufschraubt, kann man ganz ordentliche Überschüsse erwirtschaften, die für die betreffende Kommune eine verlässliche, stabile Einnahmequelle darstellen, aber das große Geld machen kann man so nicht. Jene Sorte von Aufkäufern aber, für die die Bezeichnung „Heuschrecke“ noch viel zu harmlos ist, wenn man nicht gerade an Gottesanbeterinnen denkt, verfolgt ganz andere Ziele. Häufi g sitzen ihnen US-amerikanische Pensionsfonds im Nacken, für die nur gigantische kurzfristige Quartalsgewinne zählen, und wenn es chinesische oder deutsche Pensionsfonds wären, dann wäre es auch nicht besser. Dieser maßlosen Geldgier kann selbst das gesündeste Unternehmen nicht standhalten.
„Der Spiegel“ berichtete vom Schicksal der Firma Cognis, einer ausgegliederten Henkel-Tochter, viel profi tabler, als es ein kommunales Wohnungsunternehmen je sein könnte. Im Jahr 2000 erwirtschaftete der Betrieb 109 Millionen Euro Nettogewinn. Ein Jahr später wurde er verkauft an eine Private Equity Firma und eine Bank. Diese verdoppelten zunächst einmal die Schulden des aufgekauften Unternehmens. Den Kaufpreis zahlten sie größtenteils mit dem Geld der Aufgekauften. Das eben noch erfolgreiche Unternehmen machte plötzlich Verluste wegen der Zinslast trotz voller Auftragsbücher, trotz tadellos funktionierender Produktion. Dann berechneten die Käufer ihrem Opfer auch noch Beratungshonorare in Millionenhöhe. Immer neue Anleihen wurden aufgelegt. Im Jahre 2005 fuhr Cognis einen Rekordverlust von 136 Millionen Euro ein, nur wegen der Zinskosten. Die Gesamtkredite haben die 2 Milliarden Euro überschritten. Erwartet wird jetzt die Ausschlachtung, die Veräußerung der wertvollsten Unternehmensbestandteile. Die Arbeitsplätze sind aufs Höchste gefährdet. All dies ist unter diesem Parteiensystem völlig legal. Bei uns wäre das reines Wirtschaftsverbrechertum
und vielleicht stehen wir deshalb auf Betreiben entsprechender Interessengruppen im Verfassungsschutzbericht und die Banken verweigern uns Konten, weil wir als einzige Partei glaubhaft solchen Praktiken den Kampf angesagt haben.
An Spekulanten dieser Sorte sind glaubhaft bislang 850.000 kommunale Wohnungen verkauft worden. Kommunen, die so handeln, geben Gestaltungsspielräume auf und gefährden eine aktive Stadtentwicklung. Ein Durchgriff auf sozialverträgliche Mieten ist dann nicht mehr möglich, Standards langfristig zu garantieren ebenso nicht. Wer kommunales Wohnungseigentum aufgibt, verschafft sich kurzfristige fi nanzielle Vorteile, büßt aber langfristige Zufl üsse ein. Die Daseinsfürsorge, ein Kernziel staatlichen Handelns, ist gefährdet. Wer kommunales Wohneigentum verkauft, riskiert auch soziale Verwerfungen. Denn was wird passieren, wenn sich sozial Benachteiligte mehr und mehr an bestimmten Wohnblöcken konzentrieren und eine Stadt nicht mehr korrigierend eingreifen kann, wenn die Spekulanten zur Ausplünderung des Unternehmens schreiten? Die Reserven des kommunalen Wohnungsunternehmens schnappen sich die Aufkäufer zuerst. Wie bei Cognis werden Kredite zulasten der Aufgekauften aufgenommen. Um die Rendite zu erhöhen, steigen die Mieten, Reparaturen unterbleiben, Personal wird entlassen, nach dem Hausmeister ruft man vergebens. Filetgrundstücke werden verkauft und am Ende bleibt eine ausgehöhlte Unternehmensruine. Was aus den Mietern werden soll, spielt keine Rolle. Die verantwortlichen Politiker sind über alle Berge, sitzen in neuen Ämtern oder kamen bei der Wirtschaft unter, sitzen manchmal auch im Gefängnis, aber das kommt selten vor. Leider können sie sich gar nicht mehr daran erinnern oder sie behaupten, all dies hätte man wirklich nicht vorhersehen können. Nicht nur diese Geschäfte sind zweifelhaft, sondern auch die Art und Weise, wie sie politisch organisiert werden. Die Bürger werden gern übergangen.
In Ostvorpommern hat man schlauerweise den angestrebten Verkauf des Kreiskrankenhauses zum Teil des Haushaltssicherungskonzeptes gemacht, weil die Kommunalverfassung Bürgerbegehren über Bestandteile eines solchen Konzeptes nicht zulässt. Man wollte nicht, dass die Bürger entscheiden oder das Personal des Krankenhauses.
In Greifswald wurden die Bürger besonders dreist ausgetrickst. Die gestellte Frage war dermaßen irreführend und suggestiv gestellt, da muss ich sogar mal dem „Neuen Deutschland“ recht geben, dass man an der Legitimität des Abstimmungsergebnisses ernsthaft zweifeln muss.
Man könnte nun fragen, was diese Thematik im Landtag soll, da doch die Kommunen entscheiden. Aber von wem werden die Kommunen denn unter Druck gesetzt?
Die Landesregierung verkündet stolz, sie hätte 2006 keine neuen Schulden gemacht. Aber das geht auf Kosten der Kommunen, auch wenn die Finanzministerin etwas anderes sagt. Haushalte werden nur genehmigt, wenn die Landkreise sich bereit erklären, öffentliches Eigentum zu verkaufen. Erhöhte Kreisumlagen erdrosseln die Gemeinden. Die Landesregierung stellt sie praktisch vor die Wahl des Ausverkaufs oder letztendlich der Zwangsverwaltung. Das Land darf sich nicht sanieren, indem es die Kommunen zwingt, ihre Mieter an Wirtschaftspiraten auszuliefern. Deshalb stellt die NPD diesen Antrag.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Privatisierung kommunaler Wohnungen – sei es, indem ein ganzes Wohnungsunternehmen verkauft werden soll, sei es, dass Anteile an einem Wohnungsunternehmen verkauft werden sollen, sei es, dass ein Teil des Wohnungsbestandes, ein größerer oder kleinerer Teil, zur Privatisierung diskutiert wird – ist eine Frage, die an vielen Orten dieses Landes in der Tat in der Kommunalpolitik eine Rolle spielt. Und diese Frage wird unter den demokratischen Kommunalpolitikern durchaus kontrovers diskutiert. Hier gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Diese unterschiedlichen Meinungen sind auch von Ort zu Ort verschieden, weil sich die lokale Situation jeweils durchaus anders darstellt. Und wenn es ein so viel diskutiertes Thema gibt, dann würde es mich sehr wundern, wenn die NPD nicht versuchen würde, aus einer solchen Diskussion unter Demokraten ihren Honig zu saugen und uns hier mit einem Antrag zu beglücken. Aber in dem Punkt haben Sie mich nicht enttäuscht,
Zum Bild der potenziellen Käufer, das hier gezeichnet worden ist, meine Damen und Herren: Ich bin ja nun weiß Gott nicht in der Gefahr, als Verteidiger von Wohnungshaien aufzutreten, und ich glaube, das Bild potenzieller Käufer, das hier gezeichnet worden ist, mag in Einzelfällen zutreffen, aber dieses einfach auf die Masse aller privaten Wohnungseigentümer und all derer, die Wohnungen von Kommunen erwerben wollen, rüberzuziehen, ich glaube, meine Damen und Herren, das ist absolut unangemessen.
Aber wenn wir schon von Spekulanten reden, vielleicht reden wir dann mal über ein paar NPD-Tricks, wie man mit der Drohung, dass man dort ein NPD-Schulungsheim errichten würde, dahin kommt,
(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, genau, richtig. Solche Fälle kennen wir. – Heike Polzin, SPD: Einschließlich Provisionen. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Michael Andrejewski, NPD)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und FDP – Udo Pastörs, NPD: Das liegt aber an Ihnen. Und sie sind so verrückt und zahlen noch.)
Und noch etwas, was mich an diesem Antrag etwas verwundert hat: Es ist noch nicht lange her, da hat der Vorsitzende der NPD uns hier belehrt, wir sollten doch mal aufhören, uns um die Schwachen zu kümmern. Wir sollen uns endlich um die Starken kümmern. Und jetzt kommen
Sie mit einem Antrag daher und haben Krokodilstränen in den Augen, dass wir die Instrumente aufgeben, um den sozial Schwachen zu helfen. Also, meine Damen und Herren, wer heute so redet und morgen so, der kann nicht erwarten, dass er hier als glaubwürdig gilt.
Und Sie sind das nun weiß Gott nicht. Das formuliere ich mit Absicht so diplomatisch, um die verehrte Frau Vizepräsidentin nicht in die Lage zu bringen, mir einen Ordnungsruf zu erteilen, wenn ich hier sagen würde, wie ich das wirklich fi nde.
Meine Damen und Herren, verantwortliche Kommunalpolitik nutzt ihr Wohneigentum, um Ghettobildung zu verhindern.
Und auch den Gedanken führe ich jetzt nicht weiter, sondern komme zu einem weiteren Aspekt meiner Argumentation.
So, wie ich die Situation in den Kommunen unseres Landes beobachte, wird die Diskussion über die Zukunft unserer kommunalen Wohnungsunternehmen zwar durchaus kontrovers, aber mit großem Ernst, mit großem Bedacht und sehr sorgfältig geführt.
Natürlich gibt es davon Ausnahmen, aber die Masse unserer Kommunalpolitiker tut das. Dies, meine Damen und Herren, ist Teil eines demokratischen Prozesses und dieser demokratische Prozess ist Teil eines Grundprinzips, das hier gelebt wird, und dieses Grundprinzip heißt kommunale Selbstverwaltung.
Diese kommunale Selbstverwaltung ist eine tragende Säule des demokratischen Systems, das Sie genau abschaffen wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, genau richtig. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)
Und deswegen kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass die Kommunalpolitiker, ob sie nun Sozialisten, Sozialdemokraten, Christdemokraten oder Liberale sind, die das mit großem Ernst diskutieren, Ratschläge der NPD brauchen. Diese brauchen sie weiß Gott nicht.
Und ein Letztes: Natürlich reden wir hier über Geld. Wenn wir uns den NPD-Antrag angucken, dann ist da von Geld die Rede. Allerdings ist das, was da steht, so dürftig, dass sie bei einer gut geführten Gemeindevertretung damit gar nicht auf die Tagesordnung kämen, weil wir in den Kommunen – und das ist sehr gut so – Spielregeln haben, dass derjenige, der mehr Geld fordert, auch sagen muss, wo es herkommt.
Aber wenn man ausschließlich auf Demagogie aus ist, dann braucht man dieses natürlich nicht. Dann sagt man einfach, wir brauchen mehr Geld und die Regierung soll mal gucken, wo sie es herkriegt.
Meine Damen und Herren, dieses ist eine Diskussion über die kommunale Finanzausstattung, die wir seit einer Reihe von Jahren führen, natürlich auch mit unterschiedlichen politischen Meinungen. Aber so fl ach, wie Sie es uns bringen, das hat von den Demokraten hier, glaube ich, noch niemand gebracht, das wäre nämlich unter seiner Würde.