Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf der Drucksache 5/484. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/484 bei Zustimmung der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP sowie Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP – Entschließung zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und seinen aktuellen Bezügen zur politischen Lage, auf der Drucksache 5/536.
Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP: Entschließung zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und seinen aktuellen Bezügen zur politischen Lage – Drucksache 5/536 –
Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der Linkspartei.PDS Professor Methling. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gedenken heute eines Tages, den der damalige Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns Berndt Seite, CDU, in seiner Regierungserklärung am 25. Januar 1995 wie folgt bewertete: „Am 8. Mai 1945 wurde in Deutschland die nationalsozialistische Terrorherrschaft beendet. Sie war gekennzeichnet durch schlimme Rassengesetze, die Ausschaltung Andersdenkender, durch Konzentrationslager, die Entfesselung des 2. Weltkrieges, durch organisierten Völkermord. Der 8. Mai ist deshalb ein Tag der Befreiung.“ Zitatende.
Am 8. Mai 1945 unterschrieben Vertreter des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht in Berlin Karlshorst die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation. Damit war nicht nur die militärische Niederlage Deutschlands besiegelt. Nein, der 8. Mai wurde zum Tag der Befreiung von dem menschenverachtendsten und barbarischsten System in der Geschichte der Menschheit, dem deutschen Faschismus.
Befreit wurden Menschen aus den Konzentrationslagern, befreit wurden Menschen von den Schrecken des Krieges, befreit wurden Menschen von politischer, religiöser, ethnischer Verfolgung. Befreit wurde nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt.
Die vor allem in der alten Bundesrepublik lange diskutierte Frage, ob der 8. Mai ein Tag der Befreiung oder ein Tag der Niederlage Deutschlands sei, ist mittlerweile beantwortet. Befreiung und Niederlage schließen einander nicht aus. Hitler-Deutschland musste erst von den Alliierten militärisch besiegt werden.
Das deutsche Volk war nicht stark genug, sich selbst von der Tyrannei zu befreien. So führte auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner denkwürdigen Rede anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges aus: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schwere Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.“ So weit das Zitat von Richard von Weizsäcker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die rot-rote Koalition führte 2001 den 8. Mai als Gedenk- und Trauertag für Mecklenburg-Vorpommern ein. In der Beschlussemp
fehlung des Innenausschusses heißt es: „Zur Begründung wurde auf das Anliegen verwiesen, den 8. Mai als Tag der Befreiung von der nationalsozialistischen Terrordiktatur und der Beendigung des 2. Weltkrieges sowie dem damit einhergehenden Ende des Genozides an den Juden Europas durch einen Gedenktag gerecht zu werden und diesen Tag im öffentlichen Bewusstsein wach zu halten.“
Meine Damen und Herren, der 8. Mai ist deshalb auch ein Tag der Erinnerung. Wir blicken zurück auf Schrecken des Krieges. Wir gedenken der sechs Millionen Juden, die in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Wir gedenken der Völker, die der Kriegswut Nazideutschlands zum Opfer fi elen, insbesondere Polens und der ehemaligen Sowjetunion. Wir gedenken der verfolgten und ermordeten Sinti und Roma, der Menschen mit Behinderungen, der Homosexuellen. Wir gedenken der Opfer des Widerstandes. Tapfere und aufrechte Frauen und Männer aus dem Bürgertum, dem Militär, der Kirche, der Arbeiterschaft, der Gewerkschaften und der politischen Parteien, insbesondere Sozialdemokraten und Kommunisten, fi elen Hitler-Deutschland zum Opfer. Natürlich wurden letztendlich auch unsere Landsleute, die als Soldaten, bei Bombardierungen, in Gefangenschaft oder Vertreibung ihr Leben lassen mussten, zu Opfern eines Wahns von Weltherrschaft und menschenverachtender Rassenlehre. Hervorheben möchte ich zuletzt die Frauen. Sie waren es, die eine große Last im Krieg zu schultern hatten. Die Frauen trauerten nicht nur um ihre gefallenen Söhne, ihre Ehemänner, Väter oder Brüder. Die Frauen waren zum großen Teil auf sich allein gestellt. Die Mütter hungerten, damit wenigstens ihre Kinder etwas zu essen hatten. Und als der Krieg aus war, waren sie es, die als Trümmerfrauen Stein auf Stein wieder aufbauten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Botschaft der Überlebenden „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ ist eine Lehre des Zweiten Weltkrieges. Dieses Versprechen ist aber leider nicht eingelöst. Der Krieg kehrte nach Europa zurück. Neonazis und Rechtsextremisten bedrohen die Demokratie. Ich fi nde es unerträglich, dass heute die geistigen Kinder der Nazis in deutschen Parlamenten sitzen
wie wir in den letzten Monaten leider des Öfteren hören mussten und, ich befürchte, auch heute noch einmal hören müssen.
Über 60 Jahre nach Ende der Nazidiktatur darf es nicht sein, dass Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Intoleranz und Antisemitismus wieder Eingang in die Köpfe von Menschen gefunden haben oder fi nden.
Das Perfi de daran ist, dass gerade diese Einstellungen Ursachen von Faschismus und Krieg gewesen sind. Genau deshalb, meine Damen und Herren, sagen die Demokraten: Nazis raus aus den Köpfen! Dieses Ziel ist und bleibt Hauptaufgabe aller Demokraten. Wir müssen
den Menschen auch vermitteln, wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, wir brauchen eine wehrhafte Demokratie. Deutschland braucht keine starken Führer, sondern eine starke Demokratie.
„Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ muss uns Mahnung und Auftrag zugleich sein. Dieses Thema ist wie kein anderes für parteipolitische Auseinandersetzungen gänzlich ungeeignet. Auch wenn die Bedeutung des 8. Mai durch die Parteien unterschiedlich bewertet wird, so teilen wir Demokraten doch alle die Losung der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald. In diesem Sinne betonen wir gerade das, was uns heute eint, betonen wir heute nicht das, was uns möglicherweise trennt! – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Dr. Ringstorff. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Am Dienstag vor 62 Jahren ist der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen. Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er befreite Europa vom Krieg und vom menschenverachtenden System des Nationalsozialismus.
Viele Menschen hatten das Ende des Krieges herbeigesehnt und als es so weit war, spürten die meisten wohl nur Erleichterung.
Fast 60 Millionen Menschen fanden durch den Zweiten Weltkrieg den Tod. Männer, Frauen und Kinder starben – als Soldaten oder als Zivilisten verhungert, erfroren, erschossen, vergast, verbrannt oder zu Tode gequält. Menschen wurden von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet. Dafür reichte es aus, anders zu sein, anders auszusehen, anders zu sprechen, anders zu denken. Es reichte, sich zu bekennen – zu seinem Glauben, zu seinen politischen Überzeugungen. Verfolgt wurden Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, Widerständler und bekennende Christen.
Selbst im Angesicht des Endes des verbrecherischen Regimes nahm das Morden der Nazischergen noch kein Ende. Nur wenige Stunden vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 2. Mai wurde Marianne Grunthal auf dem Schweriner Bahnhofsplatz von SS-Leuten gehängt. Der Grund: Sie hatte nach der Nachricht von Hitlers Tod erleichtert ausgerufen: „Gott sei Dank, dann gibt es Frieden!“.
Allein sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens wurden systematisch von den Nazis ermordet – in Konzentrations- und Vernichtungslagern wie AuschwitzBirkenau, Bergen-Belsen oder Buchenwald. Die tiefe Menschenverachtung der Nationalsozialisten zeigt sich auch in ihrem perfi den Zynismus. So trug das schmiedeeiserne Lagertor in Buchenwald an der Innenseite die Inschrift „Jedem das Seine“.
„Jedem das Seine“ – genau diese Worte fi elen in diesem Jahr schon in diesem Haus in der Rede des Vorsitzenden der NPD-Fraktion zur Regierungserklärung.
Die alten Nationalsozialisten hatten Sprache zwischen 1933 und 1945 missbraucht, um Menschen zu manipulieren.
(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Genau so ist es. – Zuruf von der NPD: Das machen Sie doch auch so.)
Und auch die neuen Nazis missbrauchen wie Pastörs im Landtag bewusst Sprache, um Bürgerinnen und Bürger von ihren menschenverachtenden Zielen zu überzeugen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP – Stefan Köster, NPD: Schaffen wir doch die deutsche Sprache ab, denn die Nazis haben auch deutsch gesprochen. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Nach dem Ende des nationalsozialistischen Schreckensregimes haben sich viele gefragt: Wie konnte es so weit kommen? Hitler hatte doch von Anfang an deutlich gemacht, was seine wirklichen Ziele sind. Das tun Pastörs und seine Mitläufer heute auch. Umso mehr haben wir die Verpfl ichtung, zu handeln und den Menschen immer wieder klarzumachen, in welche Richtung die NPD-Truppen tatsächlich wollen. Genau wie damals bei der NSDAP besteht das Ziel der NPD in der Errichtung eines rassistischen Führerstaates, in dem die universell geltenden Menschenrechte keine Geltung mehr haben sollen.
Nach außen hin versuchen die neuen Nazis, eine schöne Fassade aufzubauen. Sie greifen lokale Probleme auf und tarnen sich in Initiativen wie „Schöneres und sicheres Wohnen“ und „Kulturkreis Pommern“.