Meine Damen und Herren, diese Regelung wurde von allen Kommunalvertretern in der Anhörung gefordert und von der Wirtschaft nicht ausdrücklich abgelehnt. Hier wird eine neue Koalition in der nächsten Legislatur sicherlich eine andere Regelung finden, die der Lebenswirklichkeit und den kommunalen Interessen wesentlich näher kommt.
Dies betrifft auch die sogenannten Annextätigkeiten, also die mit der Haupttätigkeit des Unternehmens verbundenen Nebentätigkeiten von untergeordneter Bedeutung. Unser Änderungsantrag hätte den Beteiligten
schwierige Abgrenzungsfragen erspart, aber auch hier hat ganz offensichtlich Lobbyarbeit über kommunalpolitischen Sachverstand gesiegt.
Meine Damen und Herren, der zweite kritische Aspekt betrifft die Ausweitung rechtsaufsichtlicher Maßnahmen, auch wenn es gelungen ist, Schlimmstes fraktionsübergreifend zu verhindern. Ich sage nur das Stichwort „Vorlagepflicht des Haushaltssicherungskonzeptes“ in Paragraf 43 Absatz 8.
Einige Neuregelungen haben aber mit einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt nichts zu tun. Das betrifft etwa den neuen Paragrafen 55a, also die Anzeigepflicht für langfristige Zahlungsverpflichtungen. Diese Regelung ist von tiefstem Misstrauen gegenüber den Kommunen geprägt und sie wird die Haushaltslage der Kommunen überhaupt nicht ändern, daneben aber für erheblich mehr und zusätzlichen Verwaltungsaufwand sorgen. Auch die Verlängerung der Widerspruchsfrist der Rechtsaufsicht gegen rechtswidrige Wahlen von vier auf sechs Wochen ist wenig kommunalfreundlich. Die Kommunalpraxis hatte im Gegenteil eine Verkürzung dieser Frist auf zwei Wochen gefordert.
Meine Damen und Herren, das ist noch nicht alles. Dass künftig das Innenministerium bei der Bestellung und Abbestellung der Leiterin oder des Leiters der kreislichen Rechtsaufsichtsbehörde seine Zustimmung erteilen muss,
mit kreiskommunaler Selbstverwaltung hat dieser Eingriff in die Befugnisse der Landräte beziehungsweise des Landrates aber wenig zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Heinz Müller, SPD: Landrat als untere staatliche Behörde. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
Und eine dritte kritische Anmerkung betrifft die drastische Reduzierung der Mitglieder in den Amtsausschüssen. Obwohl dies erhebliche kommunale Auswirkungen hat,
hielt es die Landesregierung nicht für geboten, auf diese wesentliche Änderung bereits unter den Regelungsschwerpunkten ihres Gesetzentwurfs hinzuweisen.
Warum aber regeln wir mit dem jetzigen Gesetzgebungsverfahren einzelne Bestandteile einer künftigen Gemeinde strukturreform, die einer sinnvollen Gesamtkonzeption möglicherweise zuwiderlaufen? Wofür haben wir eine Enquetekommission eingesetzt?
Im Rahmen der Ersten Lesung hatte meine Fraktion die Zeitschiene des vorliegenden Gesetzentwurfs kritisiert. Diese Kritik war berechtigt, denn das enge Zeitfenster hat letztlich konkrete Auswirkungen, negative Auswirkungen, wie ich meine, auf die Gesetzgebung. So hatte die Enquetekommission dem Innenausschuss bereits im Januar dieses Jahres konkrete Vorschläge unterbreitet, die Eingang in die neue Kommunalverfassung finden sollten.
Ich denke hier besonders an die Ausweitung der Instrumente kommunaler Zusammenarbeit oder an eine Experimentierklausel für Modellprojekte
zu neuen Formen der Gemeindestruktur. Auf unsere Nachfrage war aus den Reihen der Koalitionsfraktionen zu erfahren, dafür habe letztlich die Zeit nicht mehr ausgereicht. Das verstehe ich also nicht.
Meine Damen und Herren, aber nun zum Schluss: Die Kommunalverfassung gehört in diesem Land zu den qualitativ besseren Gesetzen.
Das bleibt auch künftig so. Dennoch wurden mit dieser Änderung Chancen vergeben und unnötige Eingriffe vorgenommen, die die kommunale Selbstverwaltung nicht stärken.
Ich möchte auch zu den 22 Anträgen der FDP noch etwas sagen: Es kann ja sein, dass man am Ende einer Legislatur unter einem enormen Druck noch nach allen Rettungsankern sucht, der Welt begreiflich zu machen, wie sehr man sich doch noch mehr Veränderungen wünscht. Aber, liebe Kollegen von der FDP-Fraktion, lieber Herr Schnur, es ist einfach unredlich, in der abschließenden Beratung in Größenordnungen Punkte aufzumachen, die vorher weder in der Anhörung noch in der kommunalen Praxis eine Rolle gespielt haben, geschweige, dass sie mit ihnen noch mal diskutiert würden. Das würde wirklich ein Tor aufmachen, für das wir bei der Kommunalverfassung in diesem Land bisher nicht zu haben waren.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Schnur. Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich doch sehr, das will ich ganz offen sagen, wenn man das Verfahren kritisiert, dass wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hier in Zweiter Lesung noch Änderungsanträge stellen.
(Heinz Müller, SPD: Ich habe doch ausdrücklich gesagt, ich will das rechtlich nicht infrage stellen. Aber wenn Sie hier die Unwahrheit sagen.)
Lassen Sie mich doch mal ausreden. Ich habe noch gar nichts gesagt und schon geht es los. Das ist ja hier wie so ein Luftballon, der kurz vorm Platzen ist. Ich will das nur mal ganz kurz sagen. Das ist unfassbar.