Protocol of the Session on April 13, 2011

Die Landesregierung und federführend das Sozialministerium haben am 10. November des vergangenen Jahres auf einer groß angelegten Veranstaltung den Ersten Entwurf eines Aktionsprogramms oder Maßnahmenplans für die Umsetzung der UN-Konvention vorgelegt. Sie haben aufgerufen, alle, die sich befleißigen wollen, die sich verbunden fühlen, die Partnerinnen und Partner sind, diesen Maßnahmenplan abzuarbeiten, an diesem Entwurf dementsprechende Änderungsvorschläge zu machen. Ich denke ganz einfach, und deswegen stehe ich auch hier, dass man so einen Maßnahmenplan nicht unbedingt der Verwaltung allein überlassen muss, sondern dass wir als Parlament sehr wohl in der Lage sind und das auch unser Arbeiten bestimmen sollte, dementsprechende Änderungen in dem jetzigen Entwurf mit anzumahnen.

Die Verbände und Vereine, vor allem Dingen Selbsthilfe, Paritäter und LIGA, haben sehr intensiv an diesem Entwurf mitgearbeitet. Und das Sozialministerium hat auch schon wieder sehr intensiv versucht, die ganzen Angelegenheiten, die in die Kritik geraten sind, umzuarbeiten, einzuarbeiten beziehungsweise die entsprechenden

Ministerien aufzufordern, selber Hand anzulegen und ihre Sachen, die sie bisher eingebracht haben, noch einmal zu überdenken.

Die Kritik aus den Verbänden und Vereinen betraf vor allen Dingen den Artikel 8, wo es um die öffent liche Bewusstseinsbildung geht. Leider war in dem Entwurf überhaupt nichts Fassbares zu dieser öffentlichen Bewusstseinsbildung angepasst worden. Aber wir wissen ganz genau, und gerade in der Umsetzung dieser UN-Konvention merken wir es auch ganz genau, wenn in der öffentlichen Bewusstseinsbildung kein Fortschritt ist, wenn daran nicht gearbeitet wird, können wir eine Umsetzung auf die lange Bank schieben. Bewiesen haben uns das die Ministerien, die der Meinung waren, sie brauchen überhaupt nichts zuzuarbeiten, denn sie haben mit Umsetzungen der UN-Konvention nichts zu tun, zum Beispiel das Agrarministerium, was in dem Moment gar nicht gemerkt hat, dass es auch Verbraucherschutzministerium ist und demzufolge recht viel damit zu tun hat, wenn ich alleine bedenke: Verbraucherschutz, Informationen für Verbraucher auf Waren, Preisgrößen und so weiter und so fort. Es ist also viel zu tun.

In dem jetzigen Aktionsplan, der diskutiert worden ist und woran gearbeitet worden ist, ist Bildung eigentlich das einzige Feld, das einzige Politikfeld, was für die Inklusion angeblich Verantwortung zeigt. Das ist es natürlich überhaupt nicht, in keiner Art und Weise. Alle müssen wir uns verantwortlich zeigen. Demzufolge fordern wir, mehr Wert auf diesen Artikel 8 der öffentlichen Bewusstseinsbildung zu legen. Wir fordern die Landesregierung auf, in ihr Aktionsprogramm alle Aktionen, die gemacht werden müssen, einzubinden, um zuerst einmal die Sensibilisierung der Menschen zu erbringen, die ganz eng mit Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten, Partnerinnen und Partner sind und so weiter und so fort, wie zum Beispiel in Ausbildung, in Bildung an sich, in Weiterbildung. Wenn Ämter und Institutionen mit Menschen mit Behinderungen umgehen müssen, dann müssen sie auch wissen, was sie zu tun haben.

Wir haben in der letzten Landtagssitzung ganz intensiv zum Beispiel miteinander beraten, wie Familien zu unterstützen sind, wo Eltern mit Behinderungen sind. Wir haben herausgestellt, dass es sehr, sehr viele Dinge gibt für die Eltern, aber dass alles nicht vernünftig gebündelt ist und im Endeffekt die Eltern zwischen Verwaltungen hin und her geschickt werden. Das ist keine Inklusion, das ist keine Bewusstseinsbildung in Richtung Inanspruchnahme meiner Rechte. Es ist auch keine Inanspruchnahme der Rechte, wenn die Anträge für das persönliche Budget in Ablehnung geraten, bloß weil angeblich der Betroffene nicht ordentlich zugearbeitet hat. Mit Menschen mit Behinderungen muss man auch distanziert und differenziert agieren, wenn es darum geht, wie zugearbeitet werden muss.

Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern 291 Menschen mit einer anerkannten Behinderung. Das sind 20 Prozent – 20 Prozent! – der Bevölkerung.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: 291.000!)

291.000, habe ich gesagt.

(Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Nein, das hattest du nicht.)

Wenn ich überlege, dass es da natürlich noch eine Dunkelziffer gibt und man durchaus nicht davon ausgehen kann, dass die Menschen mit anerkannten Behinderun

gen die Einzigen sind, die nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, weil es sich natürlich auch auf ihre Angehörigen überträgt, wenn bestimmte Dinge für ihre behinderten Angehörigen nicht möglich sind, sind es eine ganze Reihe mehr.

Wir sind also aufgefordert, den Aktionsplan oder Maßnahmenplan so zu gestalten, dass wirklich an allererster Stelle die Bewusstseinsbildung steht und alles das, was die Landesregierung in der Rubrik tun kann in Ämtern, in Institutionen, in ihren eigenen Reihen, um von vorn herein positiv zu agieren. Positiv agieren ist für mich nicht nach dem Motto: Wir machen alles so weiter wie gehabt. Wir fanden als Angebot des Wirtschaftsministeriums vier Projekte, die mehr oder weniger überhaupt mit Behindertenpolitik zu tun haben, weiter nichts.

Also Angebote, die zu akzeptieren sind, die – und das ist angesprochen worden vom Bund – einen wirklichen Schub voranbringen für Menschen mit Behinderungen, das ist alles im Moment in dem Aktionsprogramm nicht zu finden. Ich bitte Sie darum, unserem Antrag zuzustimmen. Der Artikel 8 „Bewusstseinsbildung“ ist eine wichtige Angelegenheit, die in den Maßnahmenplan reingehört. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Müller.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist für mich ein ganz wesentlicher Bestandteil einer gestaltenden Sozialpolitik. Und es kann keine demokratische, freiheitliche und soziale Gesellschaft geben ohne eine inklusive Gesellschaft. Deswegen bin ich froh, dass sich der Landtag bereits mehrfach mit diesem Thema beschäftigt hat in den Landtagsdebatten, auch mehrfach im Sozialausschuss. Beispielhaft zu nennen sind die 59. Sitzung vom 19. Dezember 2008, Tagesordnungspunkt 34, Antrag der Fraktion der FDP, die 54. Sitzung des Sozialausschusses am 8. Juli 2009, die 75. Sitzung des Sozialausschusses am 23. Juli 2010. Immer wieder habe ich vor dem Landtag oder im Sozialausschuss über den Sachstand durch das Ministerium für Soziales und Gesundheit berichtet.

Insofern ist der vorliegende Antrag aus meiner Sicht inhaltlich nichts Neues, die im Antrag geforderten Maßnahmen und Aktivitäten hat die Landesregierung bereits ergriffen. Ein weiteres Mal kann ich hier im Parlament berichten, dass auch dieser Antrag allein schon deswegen ins Leere geht, weil er den Aktivitäten der Landesregierung hinterherhinkt.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das stimmt doch nicht.)

Nur der Vollständigkeit halber sei mir der Hinweis gestattet, dass dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE von einer Kleinen Anfrage eben dieser Fraktion zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention begleitet wird.

Das UN-Übereinkommen ist ein wichtiges Referenzdokument, auf dessen Grundlage wir neue Entwicklungen in der Politik für und vor allem mit Menschen mit Behinderungen anstoßen, umsetzen und beurteilen müssen. Daher ist die Umsetzung der UN-Konvention ein wesentlicher Schwerpunkt in der Arbeit der Ressorts der Landesregierung.

Unter Federführung meines Ministeriums wurde der Entwurf eines Maßnahmenplans erarbeitet, der die Grundlage für die Diskussion und Umsetzung der Aufträge aus der UN-Konvention bildet. Bereits im Juni 2010 fanden unter Leitung des Sozialministeriums Gespräche mit den Ressorts statt, die in einem Ersten Entwurf eines Maßnahmenplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mündeten. Dieser Entwurf wurde den Vereinen und Verbänden der Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sowie den gesellschaftlichen und nicht staatlichen Organisationen auf einer Fachtagung im November 2010 in Schwerin vorgestellt und mit ihnen bereits diskutiert. Hier gilt für mich ganz entscheidend, Politik für, aber vor allem mit Menschen mit Behinderungen. Die Beteiligung der Vereine und Verbände wird auch im weiteren Prozess der Umsetzung, Weiterentwicklung und kritischen Beobachtung des Maßnahmenplans unverzichtbarer Bestandteil sein.

Die rechtzeitige Einbindung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier nehme ich sehr ernst, deshalb wurden die Abgeordneten der demokratischen Fraktionen zu der Fachtagung eingeladen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Im Nachgang zur Fachtagung sind die Teilnehmer aufgefordert worden, zu dem Entwurf des Maßnahmenplans schriftlich Stellung zu nehmen. Erfreulicherweise sind 35 Stellungnahmen mit guten Anregungen und Vorschlägen eingegangen. Derzeit prüfen wir, welche vorgeschlagenen Maßnahmen in den Entwurf des Maßnahmenplans aufgenommen werden. Dabei werden neben den bereits im Entwurf des Maßnahmenplans etablierten Schritten zur Bewusstseinsbildung Maßnahmen eine Rolle spielen, die dazu führen, dass in der Gesellschaft das gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Akzeptanz weiter wachsen werden.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das war doch aber die Kritik, dass da zu wenig ist.)

Selbstverständlich gehört dazu eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit, die von der Exekutive, der Legislative und der Zivilgesellschaft gemeinsam zu tragen sein wird.

(Irene Müller, DIE LINKE: Artikel 8 ist völlig unterbelichtet.)

Dazu zählen selbstverständlich auch Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für Behörden, Institutionen und Verbände.

Wie Ihnen außerdem bekannt ist, wird das Ministerium für Soziales und Gesundheit selbst seine Sozialberichterstattung 2011 mit dem Schwerpunkt der Situation der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern konkret in der Region vor Ort vorlegen. Die Sozialberichterstattung hat zum Ziel, eine Datengrundlage für die Politik und weitere Maßnahmen zu schaffen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, ja.)

Bei der Untersuchung wird es um Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in den Bereichen Arbeiten, Wohnen, Mobilität und Freizeit gehen.

(Irene Müller, DIE LINKE: In Artikel 8 geht es um die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft, nicht um die Lage der Menschen mit Behinderungen.)

Nach der jetzigen Planung wird sich das Kabinett noch in diesem Jahr mit dem Maßnahmenplan beschäftigen. Und da ist es für mich natürlich nur logisch, dass dieses wichtige Referenzdokument auch dem Landtag zur Unterrichtung vorgelegt wird. Ich gehe davon aus, dass es auch hier diskutiert wird. Dabei gilt es, die Kräfte zu bündeln und dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden.

Vor dem Hintergrund der auch dem Parlament bekannten Personalsituation halte ich eine Ausweitung von den schon jetzt bestehenden Berichtspflichten nicht für zielführend.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ich habe gar nichts von Bericht gesagt, kein Wort.)

Es hat weder einen politischen noch einen fachlichen Mehrwert, neuere und speziellere Auskunftsbegehren der Ministerialbürokratie aufzulegen, bevor die vorhandenen Berichte und Erkenntnisse und die in Auftrag gegebenen Berichte ausgewertet wurden. Ich finde, wir sollten das, was wir auch angegangen sind, erst einmal zu Ende bringen, auswerten, berichten, ehe es wieder neue Berichtspflichten gibt, und hoffe, dass Sie deshalb den Antrag nicht unterstützen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Es geht um den Artikel 8, und der ist völlig unterbelichtet. Und Sie haben zu dem überhaupt nicht gesprochen.)

Ich gehe davon aus, dass ich Ihnen wieder ausführlich berichtet habe, wie gut die Landesregierung aufgestellt ist in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es liegt nicht nur an der Landesregierung, sondern vor allem an den vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern in den Vereinen und Verbänden,

(Irene Müller, DIE LINKE: An denen wird es nicht liegen. – Vincent Kokert, CDU: Es liegt an Frau Müller.)

die ja an einem Strang ziehen. Und ich freue mich, Ihnen noch in diesem Jahr die Ergebnisse vorlegen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

(Irene Müller, DIE LINKE: Der macht wieder alles nass und madig.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann Ihnen sagen, ich habe den Antrag kurz überflogen,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

eigentlich liest er sich ja ganz schlüssig. Der liest sich ja ganz schlüssig, Herr Koplin. Das wollte ich Ihnen noch sagen. Eigentlich bin ich mit der LINKEN ganz zufrieden,

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Danke.)