Protocol of the Session on February 1, 2007

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Es gibt viele Arbeitgeber – und das hatten Sie hier auch ausgeführt –, die sehr wohl nicht nur das soziale Gewissen beschwören, sondern auch so handeln, dass tatsächlich auskömmliche Löhne in ihren Unternehmen gezahlt werden.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Und da bitte ich Sie einfach, darüber nachzudenken, ob hier nicht nur politische Botschaften, sondern auch Entscheidungen notwendig sind. Ich bin jemand, der für Deregulierung steht, aber ich bin tatsächlich auch jemand, der dafür ist, Regeln zu schaffen, damit Menschen von ihrer Arbeit tatsächlich leben können. Und das ist die Grundbotschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Gespräche mit Krankenkassen, mit Versicherungen führen dazu, dass Vertreter dieser Branche mir sagen, wir brauchen den gesetzlichen Mindestlohn, damit die Kassenbeiträge auch zur Stärkung der Sozialversicherungssysteme in Deutschland führen.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Handwerker – einige von uns waren Dienstagabend beim Neujahrsempfang des Wirtschaftsverbandes des Handwerks – haben sehr wohl eine vergleichbare Auffassung, weil sie der Überzeugung sind, dass natürlich über einen gesetzlichen Mindestlohn auch die Binnenkaufkraft steigt.

(Michael Roolf, FDP: Wir reden über tarifl iche Mindestlöhne, nicht über gesetzliche.)

Nein, ich rede über einen nationalen gesetzlichen Mindestlohn.

(Michael Roolf, FDP: Sie reden über was anderes.)

Da können wir uns dann im Ausschuss – ich bin ja dankbar, dass die Koalitionsfraktionen sich entschieden haben,

(Zuruf von Werner Kuhn, CDU)

der Überweisung zuzustimmen – noch darüber streiten und müssen auch begriffl iche Klarheit herstellen. Da teile ich Ihre Auffassung.

(Michael Roolf, FDP: Vielen Dank.)

Ich rede über einen nationalen gesetzlichen Mindestlohn, und zwar so, wie er in Europa üblich ist. Das ist ja gerade von der Hans-Böckler-Stiftung wieder beschrieben worden, dass in Westeuropa der Mindestlohn bei 8 Euro pro Stunde liegt. Das ist keine ausgedachte Forderung. Und Mindestlohn heißt unterer Level, das heißt nicht, dass Branchen, egal welcher Art, andere Mindesteinstiegsgrößen für die Entlohnung vereinbaren können. Wir reden über den unteren Level und nicht über das, was sich darüber noch alles aufbauen kann. Deswegen ist meines Erachtens diese Diskussion auch hier konkret anzusetzen.

(Werner Kuhn, CDU: Warum haben Sie das nicht im Antrag getan?)

Deswegen hat unser Antrag – Herr Schulte hat das hier auch dargelegt – mehrere Inhalte,

(Werner Kuhn, CDU: Das wäre doch fair, wenn wir darüber diskutieren würden.)

aber es geht letztendlich darum, durch eine politische, durch eine gesetzgeberische Entscheidung das herzustellen, was sich viele wünschen und auch proklamieren. Lassen Sie uns in der Tat gemeinsam handeln!

Der Ministerpräsident hat in seiner Neujahrsansprache das Thema „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ thematisiert. Nicht nur, dass das Jahr 2007 zum Jahr des Landes

Mecklenburg-Vorpommern werden soll, hier, meine ich, meine Damen und Herren von der Koalition, ist es Zeit, Größe zu zeigen und diesen Aufruf des Ministerpräsidenten aufzugreifen und zu sagen, Arbeit und soziale Gerechtigkeit bedeuten doch nichts anderes, als dass man von Arbeit in der Tat leben kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und wenn Sie gestern – Frau Polzin ist noch nicht da, aber Herr Vierkant ist hier – im Zusammenhang mit der Debatte über das kostenlose Mittagessen die Verantwortung der Eltern eingefordert haben, dann bitte schön sorgen Sie dafür, dass die Eltern diese Verantwortung wahrnehmen können! Streiten Sie mit uns für einen gesetzlichen Mindestlohn!

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Die Situation sieht so aus – ich könnte jetzt noch einmal viel über Gebäudereinigung und Wachgewerbe reden, diese Zahlen sind hier genannt worden –, es ist nicht nur die Höhe des Lohnes, der pro Stunde gezahlt wird, es ist auch, dass Mehrarbeit geleistet wird, die unbezahlt ist, ob im Reinigungsgewerbe, auf Baustellen oder sonst wo. Schauen wir uns die Großbaustelle zwischen Stralsund und Rügen an, die Strelasundquerung. Auch hier werden die Vereinbarungen, die im Entsendegesetz geregelt sind – und im Bau haben wir gesetzliche Mindestlöhne –, unterlaufen. Deswegen, glaube ich, geht es nicht nur darum zu proklamieren, sondern tatsächlich gesetzliche Bedingungen zu schaffen und Schwarzarbeit zu bekämpfen.

(Werner Kuhn, CDU: Da müssen Sie Strafanzeige stellen.)

Selbstverständlich.

(Werner Kuhn, CDU: Geht ja gar nicht anders. Wenn er das im Parlament so vorträgt, dann muss er Strafanzeige stellen.)

Und, Herr Müller, gesetzlicher Mindestlohn, über den wir reden, bezieht sich nicht nur auf die Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland,

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Michael Roolf, FDP)

sondern bezieht sich auf alle, die einer Tätigkeit in Deutschland nachgehen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das sind auch Ausländerinnen und Ausländer. Die Beispiele, die Sie gebracht haben, sind mir natürlich bekannt. Ich erachte es für wichtig, dass wir uns hier als Parlament, als Landtag Mecklenburg-Vorpommern für alle in Mecklenburg-Vorpommern lebenden Menschen stark machen, damit sie alle auskömmlich von ihrer Arbeit leben können.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Michael Roolf, FDP – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Da wird auch der Widerspruch zwischen Ausländerinnen und Ausländern sowie Einheimischen ganz anders thematisiert werden.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist schlecht für die NPD.)

Natürlich – das haben einige versucht – kann man das Bundesverfassungsgerichtsurteil unterschiedlich inter

pretieren. Ich will jetzt das berühmte Zitat nicht herbeiführen, sonst weiß jeder, was ich jetzt denke über die Juristen und ihre Meinungen. Ich bin aber der Überzeugung, dass unsere Interpretation eine – ich sage das jetzt mal diplomatisch – mögliche Interpretation ist. Und darüber sollten wir dann auch sprechen, ob nicht mit diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine Möglichkeit eröffnet wurde, über gesetzliche Regelungen, auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, genau dies zu realisieren und einzufordern.

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Und noch einmal, Herr Backhaus, zurück zur SPD. Ich sehe da bei allen positiven Ansätzen, was die branchenbezogenen Mindestlöhne und die Erweiterung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen betrifft, ein Problem, welches Franz Müntefering vor Kurzem in der Öffentlichkeit erklärt hat, ein Stundenlohn von 3,18 Euro sei sittenwidrig. Da gibt es hier, habe ich festgestellt, sogar Übereinstimmung bei allen Parlamentariern, die hier im Raum sitzen. Aber warum bleiben wir denn bei dieser Feststellung stehen? Warum haben wir denn nicht den Mut zu sagen, ja, das ist sittenwidrig und hier ist die Politik gefragt, um zu sagen: Schluss mit der Sittenwidrigkeit, wir schaffen Voraussetzungen, damit Menschen, die arbeiten, tatsächlich von ihrer Arbeit leben können?!

(Hans Kreher, FDP: Nur welche Voraussetzungen? – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Die Voraussetzungen, Herr Kreher, die Sie in Ihrer Rede heute zu den Vorhaben der Bildungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern – danke für den Hinweis – nicht genannt haben, weil ich der Überzeugung bin, es geht hier nicht darum, den freien Kräften des Marktes das Spiel zu überlassen, sondern wir sind aufgefordert, nicht zu proklamieren, sondern wir sind aufgefordert, als Gesetzgeber deutlich zu machen, was wir wollen, und zwar nicht nur durch Debatten, sondern durch klare Entscheidungen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, egal wo sie herkommen, wo sie ihren Wohnsitz haben.

Ich bin der Überzeugung, im Sinne des sozialen Friedens, im Sinne der Demokratie, im Sinne des Rechtsstaates ist es notwendig, dass man von Arbeit leben können muss. Dann werden wir uns zukünftig über bestimmte Entwicklungen in diesem Parlament auch nicht mehr unterhalten müssen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Holter.

Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS auf Drucksache 5/155 zur Beratung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der SPD, der CDU bei einer Stimmenthaltung, Zustimmung der Linkspartei.PDS, Gegenstimmen der FDP und Gegenstimmen der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Modellprojekt für sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigungsver

hältnisse von Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfängern sowie von Nichtleistungsbezieherinnen und -beziehern, Drucksache 5/156.

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: Modellprojekt für sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigungsverhältnisse von ArbeitslosengeldII-Empfängerinnen und -Empfängern sowie von Nichtleistungsbezieherinnen und -beziehern – Drucksache 5/156 –