Protocol of the Session on January 27, 2011

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist ja wirklich sehr erfreulich, dass wir das Problem der ärztlichen Versorgung aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachten. Ärztemangel ist ja immer wieder in den Medien, in der Öffentlichkeit so ein Schreckbegriff, obgleich eben die Zahl – und das muss man sich einfach auch noch mal vergegenwärtigen – der berufstätigen Ärzte in der Bundesrepublik 1960 genau 92.028 betrug und bis zum Jahr 2008 auf 319.697 angestiegen ist. Diese Entwicklung widerspiegelt sich auch in der Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, die von den Ärzten in Deutschland behandelt werden. Waren es also 1960 noch 793, sind es im Jahr 2008 nur noch 257 Einwohnerinnen und Einwohner gewesen, die von einem Arzt betreut wurden.

Das ist im internationalen Maßstab eine hervorragende Entwicklung und dennoch gibt es einen Bedarf an Änderungen, nach Weiterungen, es gibt einen gefühlten oder stellenweise tatsächlichen Mangel im Bereich der ärztlichen Versorgung, und zwar länderübergreifend in Deutschland.

Woran das liegt trotz der genannten Zahlen, mag vielleicht mit einigen Gründen umschrieben sein. Wir haben eine bestimmte Altersstruktur der Bevölkerung und natürlich auch der Ärztinnen und Ärzte. Die vertretenen Fachrichtungen auch im Arztberuf steigen mit dem sich entwickelnden medizinischen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Damit erhöhen sich eben, verändern sich vor allem die Anforderungen an die Spezialisierung von Ärzten. Die Verteilung von Hausärzten und Fachärzten im ländlichen Raum ist eine andere als in Städten. Das wachsende Bedürfnis von Ärztinnen und Ärzten – das muss man einfach in Rechnung stellen –, in Teilzeit, nicht im Schichtdienst oder im ärztlichen Notdienst zu arbeiten, hat natürlich auch Folgen.

Gerade die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte ist in den ostdeutschen Ländern ein Problem, aber auch im bundesweiten Maßstab. Bei uns sind mittlerweile 18 Prozent der Ärztinnen und Ärzte älter als 60 Jahre. Und so kommt es also, dass wir gar nicht so sehr über die Frage des Ärztemangels als vielmehr über die Frage des Gewinnens von ärztlichem Nachwuchs nachdenken müssen. Wir haben hier diese Problematik des Öfteren erörtert. Es wurde immer wieder die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung angesprochen, weil dort eben der Sicherstellungsauftrag liegt, und im Jahr 2005, das ist ja dem Antrag zugrunde gelegt, wurde der Master plan hier im Landtag beraten, der damals vom Sozialministerium in enger Zusammenarbeit mit den für die medizinische Versorgung zuständigen Partnerinnen und Partnern der Selbstverwaltung einschließlich der kommunalen Selbstverwaltung erarbeitet wurde.

Schauen wir noch mal rein in diesen Masterplan, das ist ja eine Landtagsdrucksache, dann ist da sehr ausführlich eine Analyse gefertigt worden und auf der Grundlage dieser Analyse wurden Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Es ging um die Imageförderung für den Arztberuf – etwas, was ja sehr wichtig ist, wenn man sich für ein derartiges Studium entscheiden will –, es ging um Fragen der Aus- und Weiterbildung, um die Sicherung

der ambulanten Versorgung, aber auch um die Vernetzung von ambulanter und stationärer Versorgung.

Also es ist unklar, warum wir uns jetzt noch mal mit steuer finanzierten Modellprojekten in diesen Bereich begeben wollen. Mit der Gründung der medizinischen Versorgungszentren – ich erinnere an Pasewalk oder zum Beispiel Bergen auf Rügen, an das Programm der Gesundheitsinsel Rügen e. V., an das Müritz Gesundheitsversorgungsnetzwerk – liegen super Ergebnisse vor, die man einfach nur auswerten müsste, wenn es denn darum geht, Schlussfolgerungen für eine bessere flächendeckende ärztliche Versorgung zu ziehen.

In dem Masterplan ist auch die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung angesprochen, auch die Anwerbung ausländischer Ärztinnen und Ärzte. Ich denke, das sind alles Faktoren, die auch heute noch sehr aktuell sind und die es natürlich einfach weiterzuentwickeln gilt. Gestern wurde über ein Stipendium gesprochen, wobei ich etwas erstaunt war, dass auf der einen Seite der Ministerpräsident erklärte, er will ein Stipendium einführen, und Frau Ministerin eigentlich deutlich machte, das hat sie jetzt wieder ein Stück weit zurückgenommen, dass geprüft, aber für zu leicht befunden wurde.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Konstruieren Sie da keinen Dissens, das hat keinen Sinn.)

Nein, es ist immer eine Frage... Sie kennen doch den Empfängerhorizont, Herr Dr. Nieszery.

Also es bleibt die Frage, wenn wir über ärztliche Versorgung sprechen: Warum entscheiden sich nicht ausreichend Ärztinnen und Ärzte für eine Tätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern? Und allen, die in diesem Zusammenhang über den Numerus clausus sprechen, würde ich dringend empfehlen, die Verfassungsgerichtsentscheidung zum Numerus clausus zu lesen, weil da nämlich ausgeführt wird, dass es um das Vorhandensein bestimmter Kapazitäten geht, und gerade beim Medizinstudium braucht man ja viele Laborplätze, Ausbildungsplätze. Also das ist der begrenzende Faktor.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Darüber spricht kein Mensch.)

Wenn das Land etwas ändern will, dann sollte es seine Kapazitäten, um Medizinstudenten in größerer Zahl aufzunehmen, ändern und nicht also hier so tun, als wäre die Abschlussnote das entscheidende Kriterium. Also NC ist ein Thema, das man gern beim Bundesverfassungsgericht nachlesen kann.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wir sollten tatsächlich etwas machen, was ich gestern schon empfohlen habe, wir sollten die Studentinnen und Studenten direkt befragen, weshalb sie nicht kommen, was sich aus ihrer Sicht an den Rahmenbedingungen ändern muss für ihre Studien, für ihre beruflichen Tätigkeiten, was aus diesen, ich sage mal, vorgetragenen Bedenken oder Einwänden sich dann für uns ergibt und den gesellschaftlichen Rahmen, den man dann entsprechend verändern müsste.

Also ich denke, wir sollten vor allem fragen: Warum kommt ihr nicht zu uns? Was hindert euch, bei uns eine Tätigkeit aufzunehmen? Und wir sollten dann die Selbstverwaltungen – die kommunalen wie die ärztlichen – in ihrer verantwortungsvollen Aufgabe, ihrem Sicherstellungsauftrag gerecht zu werden, unterstützen.

(Udo Pastörs, NPD: Sehr richtig.)

Das bedeutet, wir müssen die Kassenärztliche Vereinigung bezüglich des Sicherstellungsauftrages im ambulanten Bereich sowie die Landkreise und kreisfreien Städte bezüglich des Sicherstellungsauftrages im stationären Bereich stärken. Das Zusammenführen über medizinische Versorgungszentren ist gegenwärtig erschwert. Das wissen wir, das hat sich auch die Koalition, die Bundeskoalition, ja praktisch in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Also ich denke, wenn man bundespolitisch aktiv werden will, dann sollte man sich für die Stärkung der medizinischen Versorgungszentren aussprechen. Und, Herr Glawe, darüber haben wir uns ja schon mal einvernehmlich verständigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, es hat Tatsache einige Jahre gebraucht, bis die Landkreise, also die Landrätinnen und Landräte, und auch die Bürgermeister diese Selbstverwaltungsaufgabe für sich so auszugestalten begannen, wie wir es jetzt in Nordvorpommern erlebt haben, und bis sie auch in ihrer Selbstwahrnehmung verstanden haben, dass mit dem trockenen Begriff „Sicherstellung“ tatsächlich nachhaltige Nachwuchsentwicklung gemeint ist. Darauf kommt es doch an und das ist der eigentliche Kernpunkt. Es geht nicht so viel um technische Details, es geht darum, dass in Nordvorpommern ein sehr gutes Beispiel geschaffen wurde.

Wir sind mit Herrn Eggert seit 2004 über die Dörfer gefahren und haben Bürgermeister etwas damit erschreckt, dass wir ihnen gesagt haben, sie mögen sich doch für ihren Arzt, der demnächst in Rente geht, einen Nachwuchs suchen.

(Harry Glawe, CDU: Und jetzt hat es Klick gemacht.)

Und jetzt hat es Klick gemacht. Und ich freue mich natürlich, dass das in meinem Landkreis Nord vorpommern geschehen ist, dem ich ja eng verbunden bin.

Also das, wie gesagt, war ein wichtiger Schritt. Das ist ein Novum, daran sollte man anknüpfen. Und ich denke, wir tun gut daran, die Fragen der ärztlichen Versorgung erneut und tiefer gehend zu beraten, so, wie es der Vorschlag, Entschuldigung, der Antrag der FDP vorsieht.

Jetzt die richtige Formulierung: Meine Fraktion beantragt die Überweisung des vorliegenden Antrages in den Sozial ausschuss, um hier gemeinsam mit den Vertretern der Selbstverwaltungen zu beraten, wie diese Aufgabe von uns allen gemeinsam besser in unserem eigenen Inte resse wahrgenommen werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Mantei für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wieder ein Antrag der FDP, seitdem die FDP ebenfalls ausschließlich die Landesregierung zum Handeln auffordert.

Ich habe heute Morgen die Zeitung aufgeschlagen und da steht: „Die FDP will in Mecklenburg-Vorpommern in Regierungsfunktion“ und „Die FDP macht den Unterschied“. Das ist tatsächlich so. Sie fordern andere auf

zu handeln und haben selber keine eigenen Ideen, keine Konzepte. Andere sollen arbeiten, Sie selber sind nicht so weit, aber Sie wollen in die Regierung.

(Ralf Grabow, FDP: Wen haben Sie in Berlin noch an der Regierung? – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Zum Thema: Die FDP hat sogar einen scheinbar einfachen Lösungsansatz hier im Land gefunden. Der Masterplan aufseiten von Rot-Rot soll überarbeitet werden. Scheinbar einfache Lösung. Sind damit die Probleme gelöst? Nochmals: Die FDP will die Überarbeitung des rot-roten Masterplans.

Zur deutlichen Klarstellung: Wir reden hier nicht über den Masterplan Gesundheitswirtschaft MecklenburgVorpommern, der im Auftrag des Kuratoriums Gesundheitswirtschaft Mecklenburg-Vorpommern im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus im Jahr 2006 erarbeitet wurde und stetig aktualisiert wird, nein, darüber reden wir nicht.

Und da stellen sich die Fragen: Ist die so marktliberale FDP jetzt die Partei der großen Pläne geworden? Vielleicht sogar Fünfjahrespläne? Hat sich die Partei inzwischen weg von ihren ursprünglich so rein marktliberalen Ideen der Planwirtschaft alter Prägung zugewandt?

(Stefan Köster, NPD: Sie sind halt planlos.)

Oder ist die FDP, und jetzt wird es interessant, heute so liberal, dass sie alles unter einen Hut bekommt und diese beiden gegensätzlichen, grundverschiedenen Stimmungen gleichzeitig repräsentieren kann? Ist sie mittlerweile für alles offen? Das Sprichwort heißt: Wer für alles offen ist, ist manchmal nicht ganz dicht, ne?!

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Beantwortung der Fragen überlasse ich der FDP. Oder beantworten Sie sich die Fragen selber!

Aber mir stellen sich da noch andere Fragen: Was ist in der Vergangenheit alles im Bereich der Sicherung der ärztlichen Versorgung im zuständigen Ministerium für Soziales und Gesundheit unternommen worden?

Zweite Frage: Was ist konkret im Kampf gegen den Ärzte mangel im zuständigen Ministerium für Soziales und Gesundheit unternommen worden?

Frau Ministerin Schwesig hat hier ihre Aktivitäten präsentiert. Das eine oder andere konnte man dann heute auch in der Zeitung lesen beziehungsweise im Radio hören. Da zitiere ich: Frau Schwesig sieht weniger den Staat in der Pflicht – eine Aussage. Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung sei allein Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung im Land. Sie hat das ein bisschen korrigiert, aber so kam es heute Morgen und ich fand das bedenklich.

Aber daraus ergeben sich ja auch Fragen: Was hat nun die Ministerin konkret getan? Sie hat es versucht darzustellen. Für mich hat sich das nicht erschlossen, nicht in Gänze. Die Ministerin fordert medial die Kassenärztliche Vereinigung auf, nachdem die CDU, hier federführend der Fraktionsvorsitzende Harry Glawe, gehandelt hat. Das möchte ich festhalten.

Die Forderung, die die Ministerin auftut, ist eine Selbstverständlichkeit, das ist nämlich die Aufgabe der Ministerin. Sie ist die politisch Verantwortliche. Ihr Ministerium hat die Aufsicht über die Selbstverwaltung im Gesund

heitswesen. Die Ministerin hat die Aufgabe, einen intensiven Dialog und Meinungsaustausch mit allen Beteiligten, also auch mit den Vertretern, das ist hier mehrfach genannt worden, der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern zu pflegen.

Frage: Gab es solche Gespräche? Mit Sicherheit. Wie sind sie ausgegangen? Ergebnisoffen. Das nehme ich heute aus der Debatte mit. Das kann nicht das Ziel sein. Und das kann auch nicht das Konkrete sein, was hier heute besprochen wurde.

Wir, die CDU, wollten und konnten aus politischer Verantwortung heraus nicht mehr auf die Ministerin warten. Wir haben erkannt, dass die Ministerin mit ihren zahlreichen bundespolitischen Funktionen mehr als ausgelastet ist. Scheinbar fehlt ihr die Zeit für die Probleme und Aufgaben im Land.

(Irene Müller, DIE LINKE: Soll das jetzt etwa Kritik sein? – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Wir sind kritisch, ja.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Wir, die CDU, und darum geht es, haben unser eigenes Konzept entwickelt. Wir, die CDU, haben begonnen, dieses Konzept umzusetzen für die Menschen in unserem Land. Frau Ministerin macht Wahlkampf in Berlin, wir, die CDU, haben konsequent gehandelt und wir handeln konsequent für die Menschen.

Aus meiner Sicht, und das ist jetzt wieder wichtig, jetzt kommen wir vom Politischen zum Sachlichen,

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Keine Furcht! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)