Das alles muss man im Hinterkopf haben, um Ramsauers Entscheidung nachvollziehen zu können. Und insofern kommt der Einsatz der Koalitionsfraktionen für das VDE 1 heute viel zu spät.
Die Messen für die Entscheidung sind längst gesungen. Das Tempo der Realisierung der verschiedenen VDE hing von Anfang an mit den politischen Interessen auf der Bundesebene und insbesondere mit den Interessen der Deutschen Bahn zusammen. Und ganz offensichtlich hat die DB AG kein besonderes Interesse am VDE Nr. 1.
Meine Damen und Herren, dass wir da nicht die Einzigen sind, die das Problem so sehen, zeigen die Pressemitteilungen vom 11. November. Herr Liskow zum Beispiel teilte der Presse mit: „,Die vergangenen 20 Jahre haben gezeigt, dass die Deutsche Bahn AG das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 1 noch nie richtig wollte. Wäre es anders, hätte die Strecke von Lübeck nach Stralsund längst ausgebaut sein können.‘“
„,Wer nun nach 20 Jahren eine vermeintlich negative Wirtschaftlichkeitsanalyse hervorzieht verhält sich wenig
verlässlich. Im Übrigen zeigt gerade die äußerst positive Entwicklung bei der Usedomer Bäderbahn, dass sich im Betrieb die Wirtschaftlichkeit ergeben kann.‘“
Und auch Verkehrsminister Schlotmann hat am gleichen Tag bemerkt, dass das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 1 nicht auf das Abstellgleis geschoben werden darf. Und ich zitiere jetzt: „Der Ausbau der Strecke zwischen Lübeck und Stralsund für 160 km/h war Anfang der 90er Jahre in die Liste der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aufgenommen worden. ,Die Liste ist kein Wunschzettel, sondern ein wichtiger Beitrag zur deutschen Einheit‘“, Zitatende.
Aber, meine Damen und Herren, die aktuelle Bedarfsüberprüfung anhand des Kosten-Nutzen-Faktors ist für mich beim VDE Nr. 1 sowieso fragwürdig. Von welchem Kosten-Nutzen-Faktor ist denn hier die Rede, vom betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder gar vom politischen Faktor? Wie wird der Nutzen gewichtet, soll heißen, wer profitiert von einer guten Regionalverbindung und wer nicht? Der Nutzen guter Regionalverbindungen ist für mich und für meine Fraktion ein Wert, der die Wohn- und Lebensqualität in unserem Land verbessert, die Region für Wirtschaft und Tourismus attraktiv macht und außerdem noch klima- und umweltfreundlich ist. Aber die Bundesregierung setzt die Prioritäten woanders.
Wir haben es alle in den letzten Monaten verfolgt: Das Projekt „Stuttgart 21“, die feste Fehmarnbeltquerung, die irrsinnig teure ICE-Neubaustrecke Erfurt–Nürnberg versprechen dem Bund und vor allem der Bahn mehr Prestigegewinn. Stralsund–Lübeck ist eben kein Prestigeobjekt. Nicht nur ich habe den Eindruck, dass der Bund und die Deutsche Bahn Mecklenburg-Vorpommern langsam auf der Schiene abhängen wollen.
Meine Damen und Herren, wenn wir sonst nicht jedem Antrag der Koalition zustimmen, in diesem Fall werden ich und meine Fraktion dies tun, auch wenn sich der Nutzen nicht wirklich erschließt,
denn, meine Damen und Herren, es ist doch so: Als meine Fraktion während der letzten Landtagssitzung mehrfach das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Sparpaket kritisiert hat, darauf verwiesen hat, dass dieses weder sozial noch ökologisch ausgewogen ist, haben insbesondere die Kollegen aus der CDU- und FDP-Fraktion abgewiegelt und ihre Abgeordnetenkollegen auf der Bundesebene nicht davon abgehalten, diesem zuzustimmen, obwohl auch die DB AG 500 Millionen Euro für die Sanierung des Bundeshaushaltes abdrücken muss
Geringe Hoffnung habe ich noch, meine Damen und Herren, dass vor allem die CDU- und die FDP-Fraktion
den notwendigen Einfluss auf ihre Bundestagsabgeordneten und die Bundesregierung ausüben können und wollen, um unser gemeinsames Ziel, die Vollendung des VDE Nr. 1, schnell zu realisieren. Sonst war dieser Antrag heute leider ein Muster ohne Wert. – Danke schön.
Werte Frau Schwebs, was die CDU kann und will, das zeigt ja eigentlich schon die Tatsache, dass wir diesen Antrag hier gemeinsam mit der SPD einbringen. Und Sie können sicher sein, dass die CDU-Abgeordneten …
Egbert Liskow hat sich auch schon entsprechend geäußert, er wurde sogar von Ihnen zitiert. Ich möchte noch mal unterstreichen, dass ich das natürlich genauso sehe wie mein Kollege Egbert Liskow und dass die Kontakte zu unseren Bundestagsabgeordneten – ich gehe davon aus, dass die FDP ähnlich gute Kontakte zu ihren pflegt – auch dazu führen, dass das hier nicht vergessen wird.
Die Frage ist natürlich: Wie und wo stehen wir an diesem Punkt? Dazu hat der Minister einiges gesagt. Und es ist ja auch nicht das erste Mal, dass wir hier in diesem Hause über das VDE 1 reden. Es ist noch gar nicht so lange her, ein gutes Jahr, da gab es einen vergleichbaren Antrag unter ähnlichen Rahmenbedingungen. Und auch damals habe ich gesagt, bestenfalls ist es so, gut Ding braucht Weile. Und wenn das Ding so gut ist, dass es eine ganze Weile braucht, dann wird es eine richtig gute Sache. Das war nach dem Sachstandsbericht der Bundesregierung im Mai 2009. Und auch da ging es um die Strecken in den Abschnitten Rostock–Ribnitz sowie Velgast–Stralsund sowie die einzelnen Stellen, die sonst noch offengeblieben sind. Und die sind auch weiterhin dort als Ziel genannt. Und es findet sich beispielsweise bei uns – und auch da zeigt sich, wie ernst wir das nehmen – im regionalen Raumordnungsprogramm ja noch wieder.
Und das gilt genauso auch – das betone ich hier noch mal – für die Zweigleisigkeit der Warnowbrücke in Rostock, die ja ein ganz wesentlicher Bestandteil des Projektes sein soll.
Für mich ist es wichtig festzuhalten, dass in Mecklenburg-Vorpommern unsere Landesregierung wie auch unsere Landesplanung das Ziel einer vollständigen Herstellung unserer Fernverkehrstrassen – dazu gehört auch die Schiene – konsequent unterstützen und einfordern werden. Und auch dazu ist es offensichtlich notwendig, das heute noch mal hier ganz deutlich klarzustellen.
Bisher, es wurde gesagt, müssen etwas über 500 Millionen Euro dafür ausgegeben werden und die Gesamtkosten werden weiterhin von der DB Netz bis etwa 1,1 Milliarden Euro angegeben. Und wenn man eine Summe angibt, dann hat man sich offensichtlich damit befasst und natürlich noch nicht, so, wie Sie es eben dargestellt haben, zur letzten Akte gelegt. Es ist allerdings natürlich an der Zeit, dass wir das hier noch mal ganz klar formulieren – und auch diesbezüglich diesen Antrag bitte ich, nachher die volle Unterstützung zu bekommen – und diesen Antrag hier heute noch mal eingebracht haben.
Für den weiteren Ausbau der Schienenverbindung – und das ist jetzt der Stand, ich sage mal März 2010 bis zu den jetzt im November getroffenen Aussagen – zwischen Lübeck–Hagenow-Land beziehungsweise Rostock– Stralsund kann, das ist der Stand, kein genauer Termin genannt werden. Das mag ein vollständiges Erledigterklären des Projektes bedeuten. Ich hoffe das jedenfalls nicht.
Ich möchte auch noch einmal an die Verkehrspolitik der vergangenen Jahre und der vergangenen Regierungen zurückdenken und erinnern. Es ist vielleicht aus Sicht der jetzigen Bundesregierung eine logische Konsequenz der Versäumnisse der letzten Jahre. Und wenn es zur Überprüfung gekommen ist in diesem Punkt, kann ich nur sagen, es ist dann vielleicht auch eine logische Entscheidung, die getroffen worden ist in Berlin, wenn es denn schon eine Entscheidung sein sollte. Ich glaube, die ursprünglich geplante Fertigstellung bis 2002 – der Minister hatte es gesagt und auch der Kollege Schulte hat es angeführt – ist 2002 nicht erreicht worden. Das ist offenbar zu sehen, man muss sich die Strecke draußen nur angucken.
Das hat auch seine verkehrspolitischen Entscheidungen und seine Gründe in der Vergangenheit und nicht im Heute. Wir können froh sein, denn das, was Herr Mücke gesagt haben soll, bis 2017 ist alles fertig, wenn das tatsächlich dazu käme. Wir werden alles dafür tun in den Gesprächen mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, natürlich daran festzuhalten.
Ich möchte dabei einen Aspekt herausholen, das ist der Umgang mit dem VDE 1 insgesamt. Der ist seit vier Jahren schlecht.
Da muss man sich nur mal die Projektdokumentation angucken, wie sie sich im Internet zum Beispiel anbietet. Ich nehme mal das andere Projekt, VDE Nr. 8. Das ist der Bereich Nürnberg, Erfurt, Leipzig, Halle bis nach Berlin. Das ist eine ganz wesentliche Magistrale. Da gibt es einen eigenen Internetauftritt mit laufender Dokumentation, mit laufender Berichterstattung, mit allem Drum und Dran. Zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 1 findet sich da gar nichts dazu. Man kann es machen, www.vde8.de, vde1.de gibt es nicht. Auch das ist aus meiner Sicht Dokumentation dafür, wie mit diesem Projekt VDE Nr. 1 bisher umgegangen worden ist
Die geplante Hochleistungstrasse VDE Nr. 8 möchte ich jetzt als Anlass nehmen, um diesen Netzgedanken hier darzustellen. Diese geplante Hochleistungstrasse der Bahn zur umweltfreundlichen Aufnahme gegenwärtiger und künftiger Ströme des Personen- und Güterverkehrs ist Teil der östlichen Nord-Süd-Achse in Deutschland. Ich möchte nur daran erinnern, dass die Rheinschiene in Westdeutschland komplett ausgelastet ist und es auch sehr schwierig ist, technisch da überhaupt noch ergänzende Volumina zu schaffen mit einem vertretbaren Aufwand. Das ist für mich zu erkennen.
Da ist diese sogenannte blaue Banane, wo das im Kern diese Verkehrsachse ist. Und wir sind hier in dieser Nord-Süd-Achse in Ostdeutschland und die findet ihre Fortsetzung – und das findet man in der Internetdokumentation zum VDE Nr. 8 – aus Süden in Richtung Verona und nach Norden – hört, hört – Richtung Rostock beziehungsweise Richtung Stralsund, Mukran. Es ist nämlich genau die Achse Rostock–Verona, die der Hafen Rostock, die HERO, ausgebaut hat zum kombinierten Ladungsverkehr, die sehr erfolgreich läuft. Sie ist also Bestandteil des TEN Nr. 1, was ja nun die Fortsetzung finden soll über Berlin – bis 2013 soll das wohl passiert sein –, über Rostock in die skandinavischen Länder. Und es ist unser ureigenstes Interesse, dass wir an diesem Stück dann, ich sage mal, zwischen Berlin und Rostock und der Fortführung nach Skandinavien nicht nur diese Durchflucht haben, sondern dass wir irgendwo auch eine Verteilfunktion hier im Land haben. Und da ist wiederum das VDE 1 ganz maßgeblich, denn Richtung Hamburg ist ab Berlin der Anschluss hergestellt, Richtung Osten – in dem Falle Stralsund/Mukran – aber nicht, zumindest nicht entsprechend leistungsfähig.
Und wenn die Bahn-AG fabuliert – und ich komme nachher noch in einem kleinen Nebensatz zu der Wirtschaftlichkeitsberechnung –, dass derzeit angeblich ausreichend Takte vorhanden sind, dann ist das eine aktuelle Zustandsbeschreibung, es ist aber nicht das Ziel. Es muss ja Ziel sein, zunehmend Verkehr von der Straße auf die Schiene zu kriegen. Auch das ist, denke ich, Konsens hier im Haus.