Meine Damen und Herren, in einer älter werdenden Gesellschaft ist der Mangel an Arbeitskräften bereits jetzt in vielen Branchen allgegenwärtig. Hoch qualifizierte Fachkräfte sind bundesweit begehrt.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das sind alles dermaßen große Allgemeinplätze, Herr Kreher, unglaublich!)
Sie im Land zu halten oder ihnen eine Perspektive in Mecklenburg-Vorpommern zu eröffnen, wird immer schwieriger. Und deshalb ist diese Teamarbeit mit anderen zusammen eine große Chance auch für hoch ausgebildete Kräfte. Und dazu die Arbeitsabläufe auch so zu organisieren, dass das möglich ist...
Das habe ich doch nicht gesagt, das haben wir auch nicht gesagt. Ich sage es jetzt etwas leiser, damit Sie auch zuhören.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich höre immer zu. Immer, wenn Sie reden, höre ich aufmerksam zu. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Also, meine Damen und Herren, in einer Teamarbeit aus Menschen mit Behinderung und Fachkräften können neue Potenziale erwachsen. Fachkräfte können von Überlastungen befreit werden. Sie können sich so auf ihre Kernarbeiten konzentrieren und ihre Fähigkeiten in einem attraktiven Berufsumfeld ausleben. Ich sehe in
einem inklusiven Arbeitsmarkt eine Chance für Mecklenburg-Vorpommern, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzutreten, und zwar, um das noch einmal zu betonen, am ersten Arbeitsmarkt.
Es gilt, ein vielfältiges Angebot an integrativen Arbeitsumgebungen zu schaffen. Nur so können wir den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen gerecht werden.
Und ich will hier noch mal zum Abschluss sagen, meine Damen und Herren, wir als Liberale definieren Gerechtigkeit nicht, indem wir alle gleichbehandeln,
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie unterstellen mir doch jetzt nicht was?! Das machen Sie die ganze Zeit. Ein Sammelsurium von Allgemeinplätzen.)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen ist nur eine von vielen Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen, am Arbeitsleben teilzunehmen. Die Werkstatt kommt in Betracht für diejenigen, die nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf einem Arbeitsplatz im allgemeinen, sprich ersten Arbeitsmarkt arbeiten können. Die Werkstätten bieten ein sehr breites Spektrum an Ausbildungen und beruflichen Tätigkeiten. In den Werkstätten arbeiten deutschlandweit rund 270.000 Menschen mit überwiegend geistiger, aber auch körperlicher oder psychischer Behinderung.
Nach dem letzten Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe absolvieren noch weit über 90 Prozent aller Schulabgänger mit einer geistigen Behinderung eine Berufsausbildung im Berufsbildungsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen und finden hier
nach eine Beschäftigung im Arbeitsbereich der Werkstätten. Zudem hat die Zahl der Menschen mit einer psychischen Behinderung in den Werkstätten in den letzten Jahren stark zugenommen.
Und wer bezahlt die gesonderte Förderung und Betreuung? Zuständiger Kostenträger für die Leistungen im Berufsbildungsbereich ist in den meisten Fällen die Bundesagentur für Arbeit. Die Kosten für den Arbeitsbereich übernimmt in der Regel der Sozialhilfeträger. Aber auch die Kinder- und Jugendhilfeträger, die Renten- und Unfallversicherungsträger sowie die Träger der Kriegsopferfürsorge können in einigen Fällen zuständig sein.
Die Werkstätten müssen im Übrigen nach Paragraf 137 SGB IX diejenigen behinderten Menschen aus ihrem Einzugsgebiet aufnehmen, die die Voraussetzungen für eine Aufnahme in eine Werkstatt erfüllen. Die Träger haben aber auch das in Paragraf 9 SGB IX verankerte Wunsch- und Wahlrecht zu beachten. Das heißt, bei der Auswahl einer Werkstatt kann auch eine andere Werkstatt als die im Einzugsbereich infrage kommen.
Die in den Werkstätten arbeitenden behinderten Menschen erhalten für ihre Arbeit jedoch einen vergleichsweise geringen Grundlohn und einen von der persönlichen Arbeitsleistung abhängigen Steigerungsbetrag.
Ergänzend bekommen sie vom Kostenträger ein Arbeitsförderungsgeld in Höhe von maximal 26 Euro monatlich.
Wie bereits gesagt ist die Werkstatt für behinderte Menschen aber nur eine vieler Möglichkeiten, am Arbeitsleben teilzunehmen. Und sie kommt nur dann infrage, wenn eine Ausbildung oder Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt ausscheidet.
In Mecklenburg-Vorpommern haben wir übrigens im Vergleich zu anderen Bundesländern – vielleicht auch aufgrund der in den letzten Jahren immer noch schwierigen Arbeitsmarktsituation – überdurchschnittlich viele Menschen im geschützten Bereich einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt.
Ob wirklich jeder der dort beruflich Tätigen in einem anderen wirtschaftlichen Umfeld unbedingt arbeiten würde beziehungsweise müsste, möchte ich bezweifeln.
Mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel in den kommenden Jahren lässt sich daher feststellen, dass wir die Angebote der Behindertenwerkstätten nicht weiter ausweiten und ausbauen müssen, sondern vielmehr die Menschen qualifizieren und in den allgemeinen Arbeitsmarkt integrieren sollten. Das ist unter Inklusion beziehungsweise Einbeziehung zu verstehen.
Inklusion bedeutet Einschluss, Enthaltensein. Es muss bei der Inklusion also niemand mehr eingegliedert werden, weil niemand zuvor ausgegliedert wurde. Ein Mensch mit Behinderung, der beispielsweise von Anfang an natürliche Lern- und Lebensfelder wie den wohnortnahen Kindergarten, die allgemeine Grund- und Sekundarschule kennenlernte, nicht von vornherein durch den Besuch von Sonderkindergärten und Förderschule separat betreut und beschult wurde, hat es im Erwachsenenalter oft viel leichter, sich in der „nicht behinderten Gesellschaft“ zurechtzufinden. Mitunter hat er so auch erheblich größere Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt oder in Integrationsbetrieben beschäftigt zu werden, und
Der ehemalige Bundespräsident von Weizsäcker hat in diesem Zusammenhang den Satz: „Was gar nicht erst getrennt wird, muss später nicht mühsam integriert werden“, geprägt. Man könnte auch sagen: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“.
Der Begriff Inklusion umfasst, dass jeder Mensch ein Recht auf Partizipation in der Gesellschaft hat, indem er in Zusammenarbeit und Dialog mit seinen Mitmenschen tritt. Jeder Mensch hat im Sinne der Inklusion ein Recht darauf, selbstständig, selbstbestimmt und in Freiheit zu leben. Bei der Inklusion wird jeder Mensch von Anfang an in seiner Unterschiedlichkeit, Einzigartigkeit und in seiner Vielfalt als ein vollwertiges, ganzheitliches Individuum von seinen Mitmenschen akzeptiert, unerheblich, ob der jeweilige Mensch eine Einschränkung hat oder nicht. Der Trend geht somit genau in die entgegengesetzte Richtung, als es der Antrag der FDP vorsieht: raus aus dem geschützten Sonderbereich einer Werkstatt nur für behinderte Menschen in den allgemeinen ersten Arbeitsmarkt für alle.
(Irene Müller, DIE LINKE: Das steht nicht drin. – Zurufe von Ralf Grabow, FDP, und Hans Kreher, FDP)