Protocol of the Session on January 31, 2007

Aber die Menschen spüren bereits jetzt, dass es nicht egal ist, wer regiert. Der Wind ist bereits rauer geworden.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Oi, oi, oi!)

Mit der CDU im Boot wird das nicht besser werden. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Harry Glawe, CDU: Das schmerzt aber noch mächtig, ne?!)

Vielen Dank, Herr Professor Methling.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Dankert für die Fraktion der SPD.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Moment, Herr Dankert, es gibt einen Geschäftsordnungsantrag der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS (zur Geschäfts- ordnung): Frau Präsidentin, während der Rede des Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei.PDS habe ich Sie gebeten, dafür zu sorgen, dass während einer so wichtigen Debatte, die zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten stattfi ndet, alle Kabinettsmitglieder anwesend sind. Das ist nicht realisiert.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Unterbrechung!)

Ich bitte darum, dass dann die Minister auch den Platz einnehmen, der ihnen hier zukommt.

(Minister Henry Tesch: Aber zur Toilette darf man noch gehen?!)

Ich denke, das ist eine Frage, wie gehen wir mit der Regierungserklärung und dem Thema, was die Opposition und alle Fraktionen, alle Parlamentarier dazu sagen, um. Ich möchte darauf verweisen, dass ich bitte, dass das ganze Kabinett vorne Platz nimmt, sonst beantragen wir eine Unterbrechung der Sitzung.

(Beifall Stefan Köster, NPD – Minister Henry Tesch: Dann kann ich also erst in der Unterbrechung zur Toilette gehen. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Frau Měšťan, ich mache darauf aufmerksam, dass ich, unmittelbar nachdem Sie hier vorne bei uns waren, darum gebeten habe, dass die nicht anwesenden Minister gebeten werden, in den Sitzungssaal zu kommen. Es waren eigentlich alle Minister anwesend. Herr Innenminister sitzt momentan auf einem Abgeordnetenplatz

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Der sitzt in der falschen Reihe hier.)

und die Justizministerin hat danach den Saal verlassen, ist erst wenige Minuten abwesend.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie ist auch nur ein Mensch.)

Das hängt vielleicht auch mit menschlichen Bedürfnissen zusammen. Ich denke, das muss möglich sein. Laut Geschäftsordnung besteht die Möglichkeit, die Anwesenheit der Minister zu fordern. Ein Drittel der Abgeordneten müssten das beantragen. Ich sehe gegenwärtig eigentlich keine Veranlassung, jetzt diesen Antrag zur

Abstimmung zu stellen, weil, wie gesagt, ich gehe davon aus, dass die Justizministerin jeden Moment hier wieder erscheint. Ob ein Minister auf seinem Ministerplatz oder auf seinem Abgeordnetenplatz sitzt, liegt in der Entscheidung der jeweiligen Person, weil diese Möglichkeit nun einmal besteht, beide Sitze einzunehmen, unabhängig davon, wie Sie dann diese Entscheidung bewerten. Das steht Ihnen natürlich frei.

Ich würde vorschlagen, dass wir jetzt die Sitzung fortsetzen, und erteile Herrn Dankert das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Sie werden sich wundern, dass ich hier stehe. Mein Fraktionsvorsitzender ist der Globalisierung von gewissen Grippeviren zum Opfer gefallen und ist kurzfristig ausgefallen. Er hatte eine Dienstreise nach NRW und seit gestern Abend ist er etwas bettlägerig. Ich hoffe, Sie haben Verständnis, dass ich mich an sein Redemanuskript halte und davon nur ganz wenig abweiche.

Wie gesagt, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung – übrigens, Herr Professor Methling, war die geplant und nicht auf Aufforderung – eindrucksvoll den Handlungsrahmen für die neue Regierung geschildert. Er hat ein gutes und zugleich realistisches Bild unseres Landes gezeichnet und er hat klargestellt, dass wir bei allen auch nach wie vor vorhandenen Schwierigkeiten optimistisch und zuversichtlich sein können.

Die SPD-geführten Koalitionen der vergangenen beiden Wahlperioden haben wichtige, oft aber auch schmerzhafte Reformen beschlossen und bereits teilweise umgesetzt. Ich will nur vier Bereiche nennen: Das ist die Verwaltungsreform, das sind die grundlegenden Veränderungen bei den Kitas, das ist eine weitreichende Schulreform und last, but not least die Hochschulreform. Diese Reformen waren wichtig, um die Qualität in den genannten Bereichen deutlich zu steigern, aber sie waren auch wichtig, um die fi nanzielle Handlungsfähigkeit unseres Landes zu erhalten. Diese Reformen, ich sagte es bereits, waren schmerzhaft und nicht wenige Menschen im Land haben das auch gespürt. Wir haben keine schwierigen Diskussionen gescheut, die wichtigen auch nicht, unangenehme Entscheidungen getroffen und sie gegenüber den Bürgern auch vertreten. Reformen sind niemals Selbstzweck, sondern im Sinne des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu verstehen. Reformen sollen verbessern, wo Defi zite sind, Reformen sollen die Zukunft sichern, wo Entwicklungen absehbar sind.

Unser Mut zur Erneuerung Mecklenburg-Vorpommerns zahlt sich bereits heute aus. Die von den SPD-geführten Landesregierungen begonnenen und von der großen Koalition fortzuführenden Reformen beginnen zu wirken. Erstens, die Wirtschaft wächst. Die Studien belegen dies. Auch die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern schauen inzwischen wieder deutlich zuversichtlicher in die Zukunft. Die Zahl der sozialversicherungspfl ichtig Beschäftigten ist gestiegen. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Im Dezember hatten wir die niedrigste Arbeitslosigkeit seit zehn Jahren und wir haben im Jahr 2006 erstmals keine Neuverschuldung mehr aufnehmen müssen. Damit liegen wir mit Bayern und Sachsen bundesweit vorn. Alle Reformen dienen letztendlich dazu, dass MecklenburgVorpommern seine Zukunft aus eigener Kraft meistern kann. Die regelmäßigen Diskussionen um den Nordstaat wollen wir uns ersparen, sie sind müßig und überfl üssig. Mecklenburg-Vorpommern fährt besser allein.

Und, meine Damen und Herren, zu einer solchen Debatte um die Regierungserklärung gehört auch eine nüchterne und ehrliche Bestandsaufnahme. Klar ist, dass sozialdemokratische Wirtschaftspolitik, sozialdemokratische Finanzpolitik und vor allem ein sozialdemokratischer Ministerpräsident dem Land gutgetan haben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die neue, wiederum SPD-geführte Koalitionsregierung aus SPD und CDU übernimmt eine Aufgabe, die nicht leicht ist. Wir haben ein solides Fundament, auf das wir allerdings aufbauen können. Wir setzen in dieser Wahlperiode weiterhin auf Augenmaß und soziale Verantwortung. Unsere Sozial- und Wirtschaftspolitik verfolgt drei Ziele – soziale Sicherheit, Wachstum und Arbeit.

Zur sozialen Sicherheit: Wir sorgen dafür, dass die Menschen bei allem Wandel sicher sind. Darauf können sie vertrauen.

Wachstum: Wir werden den positiven wirtschaftlichen Trend verstetigen. Wir stellen die Weichen für ein qualitatives Wachstum in wichtigen Zukunftsbereichen.

Und drittens Arbeit: Wir werden die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt fortsetzen und wir werden dafür sorgen, dass mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden, auch mit Arbeit, die dem Gemeinwohl dient und nicht gewinnorientiert ist.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier mit unseren sozialpolitischen Zielen beginnen. Mecklenburg-Vorpommern wird seine Zukunft nur dann aus eigener Kraft gestalten können, wenn Menschen hier gern leben und gern hierher kommen. Wer hier seine Heimat hat und fi ndet, der braucht Arbeit. Genug Arbeit für alle, die arbeiten wollen und können, das ist nach wie vor unser wichtigstes Ziel. Mehr Wirtschaftskraft und mehr Arbeitsplätze bedeuten soziale Sicherheit. Das Leitbild unserer Politik ist daher der vorsorgende Sozialstaat. Wir wollen diese Menschen durch eine vorausschauende Sozialpolitik dabei unterstützen, ihr Leben selbstbestimmt zu meistern. Dazu stellen wir stärker aktivierende und präventive Ziele in den Mittelpunkt.

Der vorsorgende Sozialstaat soll existenzsichernde Arbeit sowie gute Erziehung und Bildung fördern. Armut und Ausgrenzung jeglicher Art müssen verhindert werden. Daher muss Sozialpolitik so früh ansetzen. Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt sozialdemokratischer Kinder- und Familienpolitik. Wir wollen, dass alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft gleiche Chancen haben und gesund aufwachsen können. Dafür tragen in erster Linie Eltern und Familien die Verantwortung. Es gibt aber auch eine Verantwortung von Staat und Gesellschaft, die wir stärker wahrnehmen müssen als bisher.

Alle internationalen Vergleichsstudien der vergangenen Jahre belegen, dass die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in keinem europäischen Land so sehr vom sozialen Status der Eltern abhängen wie in Deutschland. Damit dürfen wir uns nicht abfi nden. Wir wollen, dass Mecklenburg-Vorpommern auf dem Weg zum kinder- und familienfreundlichsten Bundesland bleibt. Wir sind bereit, deutlich mehr Anstrengungen und mehr Geld zu investieren als andere, denn Kinderfreundlichkeit ist auch ein wichtiger und attraktiver Standortfaktor für das Land. Ganz Deutschland benötigt einen kinder- und familienpolitischen Aufbruch.

(Udo Pastörs, NPD: Das haben wir alles schon gehört.)

Wir müssen das Bewusstsein und die Werte zu mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit wandeln durch eine aktive Politik, die alle Akteure im Land mit einbezieht. Ich kann mir zum Beispiel auch gut vorstellen, dass das Sozialministerium einen Wettbewerb für die familienfreundlichste Kommune startet. Die wirtschaftsfreundlichste Kommune führen wir ja schon längst.

Wir treten für ein leistungsfähiges und sozial gerechtes Bildungssystem ein, das Kinder früh fördert, ihre Begabung unterstützt und ihre Schwächen ausgleicht. Denn der Begriff „Familie“ hat sich verändert. Die meisten Eltern nehmen ihre Verantwortung für ihre Kinder sehr ernst und wollen das Beste für ihre Zukunft.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Aber viele, die mit Kindern und Jugendlichen berufl ich zu tun haben, berichten auch zunehmend über Eltern, die verunsichert sind und sich von ihrem Erziehungsauftrag überfordert fühlen. Im schlimmsten Falle führt das zu den Erscheinungen, über die in den letzten Wochen und Monaten sehr stark auch in der Presse berichtet wurde, nämlich zu Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung. Hier stehen Staat und Gesellschaft in der Verantwortung. Das Kindeswohl gebietet es schon, genauer hinzuschauen. Und das gilt für uns alle.

Um das Ziel familien- und kinderfreundlichstes Bundesland zu erreichen, treten wir für ein neues Verhältnis von öffentlicher und privater Verantwortung für Kinder ein. Dabei stehen drei Handlungsfelder im Mittelpunkt: erstens die individuelle Förderung von Anfang an, zweitens die Hilfe und Unterstützung von Eltern und drittens der stärkere Schutz für gefährdete Kinder.

Individuelle Förderung von Anfang an bedeutet frühkindliche Bildung für eine echte Chancengleichheit. Wir wollen weiter in Bildung und Betreuung investieren. Das hat Vorrang vor weiteren direkten Leistungen an Familien selbst. Kinder müssen früher in ihren Begabungen gefördert werden. Die Kindertagesstätten haben einen wichtigen Bildungsauftrag, den wir weiter stärken wollen. Gerade in den ersten Jahren gilt es, die Lernlust bei den Kleinen zu entfachen und sie spielerisch an das Lernen heranzuführen. Die Zeit in den Kindertagesstätten muss für eine intensive Sprachförderung der Kinder genutzt werden, mögliche Defi zite müssen aufgedeckt und bei Bedarf auch durch Förderung beseitigt werden.

Gleichzeitig ist der bedarfsgerechte Ausbau von ganztätigen Betreuungsangeboten ein zentrales Ziel, um die Familien in unserem Land zu unterstützen. Junge Männer und Frauen wollen und sollen sich mehr entscheiden müssen für Beruf und Familie. Sie brauchen eine gute Betreuungsinfrastruktur vor Ort und die Gewissheit, dass ihre Kinder eine anregende und liebevolle Betreuung erfahren, während sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern beim Aufbau der Infrastruktur für Kindertagesstätten bereits gute Fortschritte erzielt. Doch insbesondere beim Angebot für Kinder unter drei Jahren gibt es noch großen Nachholbedarf.

Für uns Sozialdemokraten ist klar: Kinder brauchen frühe Förderung, Eltern brauchen verlässliche Betreuungsangebote. Wir unterstützen daher die Initiative der BundesSPD, beginnend mit dem letzten Kita-Jahr schrittweise die gesamte Kita-Zeit beitragsfrei zu stellen. Übrigens ist diese Forderung für die SPD in Mecklenburg-Vorpom

mern nun nicht neu. Wir haben bereits im Jahre 2005 auf unserem Landesparteitag die kostenfreie Kita gefordert. Allerdings haben wir immer zugleich darauf hingewiesen, dass dies nicht allein durch das Land zu fi nanzieren sei. Andere, insbesondere auch der Bund, sind genauso in der Verantwortung. Deshalb ist es gut, dass der Bund sich in dieser Weise hier bewegt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Die SPD hat mit ihrem Beschluss von Bremen das Ziel formuliert, dass es ab 2010 einen Rechtsanspruch auf ganztägige Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr an und bis zum Schuleintritt gibt. Dabei wird in dem Beschluss ausgeführt, dass es dazu fi nanzieller Aktivitäten des Bundes bedarf. Ich denke, wir können gut mit so einer Entschließung umgehen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch in unseren Schulen gilt es, den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer und ethnischer Herkunft aufzubrechen. Ein wichtiger Schritt ist der fl ächendeckende Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen. Sie bilden die Grundlage für notwendige Reformen im Bildungswesen, denn sie schaffen Zeit und Raum für die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen. Das 4-MilliardenInvestitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ des Bundes hat in ganz Deutschland einen wichtigen bundespolitischen Reformschub in Gang gesetzt. Diesen Schwung wollen wir weiter nutzen. Und wir dürfen eines nicht aus den Augen verlieren: Wir müssen in der Bildungspolitik eine ideologiefreie, seriöse und ernsthafte Bestandsanalyse des ersten Schritts zum längeren gemeinsamen Lernen vornehmen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in dieser Wahlperiode den wichtigen und schwierigen Schritt zur Umstrukturierung an den Berufsschulen gehen müssen. Ein wirklich schwieriges Thema, was von den Berufsschulen zu hören ist, ist nicht im Interesse der Berufsschüler, ist schon gar nicht im Interesse der Unternehmen. Wir müssen uns jeder Diskussion um zukunftsfähige und qualitativ bessere Berufsschulen stellen. Qualitativ hochwertige berufliche Bildung ist der Grundpfeiler für unsere Wirtschaft. Die kleinen und mittleren Unternehmen im Land brauchen gut ausgebildete und gut qualifi zierte Arbeitskräfte. Und – der Ministerpräsident hat es gesagt, ich wiederhole es gerne – gute Arbeitskräfte müssen auch gutes Geld bekommen.

Auch die Hochschulen müssen sich dieser Herausforderung stellen. Dennoch, wie wird es mit der Studienfi nanzierung weitergehen? Die SPD-Fraktion hier im Landtag steht nach wie vor zum gebührenfreien Erststudium.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)