Protocol of the Session on November 18, 2010

Mecklenburg-Vorpommern ist das Land mit der höchsten Kinderarmut und das trifft ganz besonders auch die Situation in den östlichen Teilen des Landes.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Es ist das Land mit dem höchsten Anteil von Kindern, die eine Förderschule besuchen, mit dem höchsten Anteil von Jugendlichen, die ohne einen qualifizierten Abschluss die Schule verlassen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist alles nur deswegen, weil wir eine Theaterstruktur gefordert haben. – Regine Lück, DIE LINKE: Ich kann Frau Linke nicht mehr verstehen.)

Es ist das Land – und wir sprechen über Kultur – mit der geringsten Abiturquote, es ist das Land mit der höchsten Abbrecherzahl in der Berufsausbildung.

(Heinz Müller, SPD: Es ist sowieso alles ganz schrecklich. Oder wie soll ich Ihre Rede verstehen?)

Ich habe Ihnen Daten genannt aus einem Bericht. In diesem Bericht ist erwähnt, dass Familien mit Kindern und Jugendlichen unter 25 Jahren zu 55 bis 65 Prozent regelmäßig Kino, Theater und Konzerte besuchen.

(Michael Andrejewski, NPD: Freiwillig oder zwangsweise?)

Die Landesregierung jedoch hat in ihrer Stellungnahme zu diesem sozialen Bericht in ihren Handlungsempfehlungen das Thema Kultur, also auch die Theater und Konzerte, weitestgehend ausgespart. Es wäre interessant zu erfahren, auch vom Bildungsminister, wie viele Kinder unseres Landes heute eigentlich noch ein Theater- oder Konzertanrecht haben, wie das durch die Schulen gefördert wird.

Lassen Sie mich eine Episode erwähnen, die erklärt, warum ich das eben Gesagte trotz der Proteste meiner Kollegen von der CDU-Fraktion an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung gerufen habe.

(Matthias Mantei, CDU: Geht am Thema vorbei. Geht am Thema vorbei.)

Ein Abgeordneter meiner Fraktion war mit Schülerinnen und Schülern in einer Theateraufführung.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Tino Müller, NPD)

In der nachfolgenden Debatte sagte ein Schüler: Das war aber ein schöner Film. Ja, verehrte Abgeordnete, soll das die Regel werden?

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Wollen wir ernsthaft als Landtag akzeptieren, dass die Landesregierung ein Konzept vertritt und umsetzt, das perspektivisch auf zwei Kulturkooperationsräume abstellt,

(Egbert Liskow, CDU: Acht Jahre hatten Sie Zeit.)

Theater, die Theaterdichte verengt und damit auch perspektivisch Menschen vom kulturellen Leben ausgrenzt?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Matthias Mantei, CDU: Was haben Sie gemacht in Ihrer Zeit?)

Wer wird, wer kann bei Umsetzung dieses Konzeptes angesichts der oben geschilderten sozialen Situation noch ins Theater gehen?

(Matthias Mantei, CDU: Es ist ein Eckpunktepapier.)

Wer kann es sich leisten, diese Entfernungen zurückzulegen? Wer kann die Fahrkosten tragen?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was wollen Sie stattdessen, Frau Linke? – Heinz Müller, SPD: In jedem Dorf ein Theater, oder was? – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Herr Präsident, können Sie nicht mal für Ruhe sorgen?)

Die Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt Stralsund und auch die Abgeordneten meiner Fraktion können nicht verstehen, dass im Diskussions- und Eckpunktepapier 2010 bis 2020 der Landesregierung aus dem Jahr 2008 als Vergleichsmaßstab westdeutsche Länder herangezogen werden. Die Begründung hierfür lautet, die ostdeutschen Länder gäben für Theater und Kultur immer noch vergleichsweise mehr aus als die westdeutschen Vergleichsländer. Herr Bildungsminister, sollte das so sein, dann wäre es gut, Sie würden sich dafür einsetzen, diesen unseren Maßstab den westdeutschen Ländern nahezubringen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, klar.)

und auch dort Theaterkultur als Quelle der Erkenntnis und der Persönlichkeitsentwicklung zu verstehen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auf welchem Stern leben Sie eigentlich? – Heinz Müller, SPD: Die Quelle der Erkenntnis sprudelt hier nicht so richtig.)

Frau Dr. Linke, einen …

Natürlich wissen wir …

Frau Dr. Linke, einen Augenblick.

Meine Damen und Herren. Es ist spät. Aber es ist …

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Augenblick, Herr Dr. Nieszery.

Es ist spät, aber es ist sehr unschön, wenn hier jemand redet, dass lauter Zwischengespräche geführt werden. Es sind Zwischenrufe erlaubt, aber dieses Durcheinander ist keine würdige Debatte, meine Damen und Herren. Ich bitte hier, der Rednerin zu folgen und durchaus durch Zwischenrufe die Debatte interessant zu gestalten, aber mehr bitte nicht, meine Damen und Herren.

Ich bedanke mich beim Präsidenten und darf den letzten Gedanken noch mal wiederholen:

Sollte es also tatsächlich so sein, dass die ostdeutschen Länder für Kultur, für Theater mehr ausgeben als die westdeutschen Vergleichsländer, so wäre es gut, Herr Bildungsminister, Sie würden sich dafür einsetzen, dass dieser unser Maßstab den westdeutschen Ländern nahegebracht wird und auch dort Theaterkultur

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

als Quelle der Erkenntnis und der Persönlichkeitsentwicklung verstanden wird.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Natürlich, verehrte Abgeordnete, wissen wir, dass Kultur, dass der Unterhalt von Theatern zu den Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung gehören.

(Matthias Mantei, CDU: Das ist Tatsache.)

Aufgabe der Länder und des Bundes ist es allerdings, durch eine sozial gerechte Steuerpolitik Kommunen in die Lage zu versetzen, ihre Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Das ist Verfassungsauftrag.

Sie, verehrter Herr Bildungsminister, stellen in dem in Rede stehenden Konzept fest, dass der Anteil öffentlicher Ausgaben für die Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern deutlich höher als in anderen Ländern ausfällt. Sollte das stimmen, dann wäre es angesichts der Einnahmesituation der hiesigen Bevölkerung sehr zu begrüßen, in unserem Land mit Steuergeldern kulturelle Institutionen entsprechend zu fördern,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was wollen Sie dafür streichen? Was wollen Sie dafür streichen? Sagen Sie doch mal ein paar Beispiele! Das würde mich mal interessieren.)

denn wir wissen, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen in Mecklenburg-Vorpommern etwa 4.000 Euro unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Fraglich ist aber, ob die Aussage des Ministers tatsächlich zutreffend ist.

(Torsten Renz, CDU: Na, Sie haben ja bestimmt schon die Antwort mit.)

Nach einer kürzlich veröffentlichten Statistik beträgt die öffentliche Theaterförderung in Mecklenburg-Vorpommern 79 Euro je Karte und liegt damit am Ende der Bundesländer.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die Karte? Was ist das denn für ein Parameter? – Zuruf von Matthias Mantei, CDU)

Verehrte Abgeordnete, Herr Koplin hat es dargestellt, die Kulturschaffenden signalisieren es uns regelmäßig,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Herr Kreher hat es wiederholt und hat es auch begründet, das Konzept der Regierung ist gescheitert.