Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schön ist der Schein, doch die Wirklichkeit ist anders. Die wachsende Verarmung breiter Schichten des Volkes trifft am schnellsten und härtesten vor allem seine schwächsten Glieder, nämlich unsere Kinder. In Mecklenburg-Vorpommern leben vor allem Kinder unter 15 Jahren besonders häufig in Haushalten, in denen die Elternteile Leistungen zur Sicherung des Grundeinkommens beziehen müssen. Jeder dritte Familienhaushalt im Bundesland gilt als arm. Gemessen am bundesweiten Durchschnittseinkommen sind hierzulande 224.000 Haushalte mit 70.000 Kindern von materieller Armut betroffen.
In der Stellungnahme der Landesregierung zum Prognos-Bericht wird verharmlosend von einer relativen Einkommensarmut gesprochen, als sei Armut je nach Blickwinkel relativ.
Angesichts der hier präsentierten Zahlen kann jedoch kaum von einer relativen Armut gesprochen werden, sondern es müsste eher von einem handfesten sozialpolitischen Skandal die Rede sein. Der Begriff „relative Einkommensarmut“ täuscht vor, dass Familien mit Kindern allein von gesellschaftlichen Verknappungen, wie zum Beispiel vom Verzicht eines Kinobesuches oder eines Familienurlaubes, betroffen seien. Doch die Vielzahl der Suppenküchen und Tafeln in Mecklenburg-Vorpommern legt dar, dass die relative Einkommensarmut vielmehr eine existenzielle Massenarmut ist.
Nach jüngsten Auskünften des Landesverbandes der Tafeln müssen regelmäßig etwa 25.000 Mecklenburger und Pommern mit kostenlosen Lebensmitteln versorgt werden. Unter ihnen befinden sich bereits 10.000 Kinder.
Hierzu fiel der Sozialministerin lediglich ein, per Pressemitteilung anzukündigen, die Schirmherrschaft über die 28 Tafeln im Land übernehmen zu wollen. Von einem Eingeständnis des eigenen politischen Unvermögens jedoch keine Spur. Vielmehr schiebt Ministerin Schwesig noch die Schuld an der Notlage der Allgemeinheit in die Schuhe, indem sie erklärt, ich zitiere: „Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass wir die Tafeln brauchen und der Bedarf wächst.“ Zitatende.
Es darf daher nicht verwundern, dass die vorherrschende Notlage in der vorliegenden Stellungnahme, die unter der Federführung des Sozialministeriums erstellt
wurde, völlig verkannt wird. So ist unter anderem folgende Einschätzung zu lesen, Zitat: „Die Stellungnahme macht deutlich, dass die Landesregierung Bedingungen schafft, die ein chancengerechtes, gesundes und gefördertes Aufwachsen der Kinder in unserem Land ermöglicht.“
Chancengerecht, Frau Schwesig? Die Bildungschancen in Mecklenburg-Vorpommern sind nach wie vor stark an die Finanzkraft der Eltern gekoppelt. Die Chancen eines Kindes von finanzstarken Eltern mit hohem Status, ein Gymnasium zu besuchen und später ein Studium zu beginnen, sind um ein Vielfaches höher als die eines Facharbeiterkindes oder gar von Kindern von Hartz-IVBeziehern.
Ein gesundes Aufwachsen, Frau Schwesig? Arme Kinder sind nach Angaben des Robert Koch-Institutes besonders häufig Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Ist es nicht vielmehr so, dass Kinder oftmals allein dadurch erkranken, weil ihren Eltern schlichtweg das Geld zur Vorsorge und für gesundheitserhaltende Aktivitäten fehlt?
Ein gefördertes Aufwachsen, Frau Schwesig? Auch ein mehrseitiger Katalog von Kleinstaktivitäten und Miniprojekten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Landesregierung ein ganzheitliches Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Kinderarmut im Lande fehlt.
Das vorliegende Papier ist ein Beleg dafür, dass das Armenhaus der Nation Mecklenburg-Vorpommern somit weit davon entfernt ist, ein Kinderland, geschweige denn ein Kinderland Nummer eins zu werden, denn das jahrein, jahraus stete Anwachsen von Kinderarmut war und ist in der etablierten Landespolitik kaum Gegenstand ernsthaften politischen Handelns gewesen. Statt rechtzeitig eine Strategie im Kampf gegen die grassierende Kinderarmut zu entwickeln, beauftragte die Landesregierung erst vor zwei Jahren die Prognos AG, um sich über das Ausmaß im Land berichten zu lassen.
Somit scheint die politische Klasse endgültig das Vertrauen in die eigene, angeblich vorhandene Kompetenz verloren zu haben, denn nicht umsonst war mit der Auftragserteilung an die Prognos AG die Forderung verknüpft, sich Handlungsempfehlungen zur Linderung der Familien- und Kinderarmut vorlegen zu lassen. Die Kinder des Landes brauchen aber keine politischen Entscheidungsträger, die sich Lösungsvorschläge von Dritten erarbeiten lassen. Das Land braucht endlich eine neue politische Kraft an der Regierung, der das Wohl der Kinder und des Volkes politischer Auftrag ist und die in der Lage ist, selbstständig zu handeln, womit Sie, Damen und Herren der selbsternannten demokratischen Fraktionen, allemal ausscheiden.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Margret Seemann, SPD: Einsames Klatschen an der Fensterfront.)
Werte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wenn ich eine Kleine Anfrage stelle zu bestimmten Themen, tue ich das nicht irgendwo in die Weltgeschichte hinein, weil mir irgendein Thema einfällt und ich damit Ministeriumsangestellte ärgern möchte, sondern will ich auf eine ganz bestimmte Sache hinaus. Und ich habe nicht umsonst gefragt nach der Sozialberichterstattung des Sozialministeriums, was wir noch alles zu erwarten haben. Ich
Da muss ich feststellen, mit dem Bericht, der uns jetzt vorliegt, ist eine ganz, ganz wichtige Thematik vergessen worden, schlicht und ergreifend vergessen worden, überhaupt nicht in Betracht gezogen worden. Und zwar geht es um Haushalte, um Familien, um Lebenssituationen mit behinderten Kindern – ich gebe zu, mir wäre noch viel wichtiger, überhaupt mit behinderten Familienangehörigen, aber hier mit behinderten Kindern. Wir haben wirklich nichts finden können. Wir finden lediglich auf der Seite 16 einen Vermerk dahin gehend, dass die Vereinbarkeit von Beruf, von Erwerbstätigkeit und Pflege von kranken Familienangehörigen nicht gegeben ist. Wir finden auf Seite 26 die hehre Feststellung, dass chronische Erkrankungen vermehrt zu sehen sind. Und wir finden dann auf der Seite 34, dass Schulbusausgleich gezahlt wird für behinderte Kinder.
Das ist es aber nicht. Das ist es beim besten Willen nicht. Und ich gebe hier heute nur einige Ansatzpunkte, wo dringend nachgefragt, nachgehakt, analysiert werden muss und Maßnahmen ergriffen werden.
Frau Schwesig, auch unter dem Punkt, dass ich schon mehrmals Veranstaltungen erlebt habe, wo Sie mit einem kritischen Blick auf Herrn Bildungsminister gefordert haben, wo Inklusion steht, muss auch Inklusion drin sein – zugegeben, als Sie in die Verantwortung getreten sind, war das Wort Inklusion noch nicht so sehr modern, trotzdem gehört die Lebenssituation von behinderten Kindern in den Haushalten in Mecklenburg-Vorpommern mit dazu.
Meine Anmerkungen dazu: Leider ist es in der Zwischenzeit eigentlich nicht mehr möglich, dass sich eine Frau in der Schwangerschaft für das Austragen eines behinderten Kindes entscheidet. Wenn wir gucken und analysieren, wie die Gesellschaft kritisiert, stellen wir fest, heutzutage ist, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen, fast ein Verbrechen.
Es gibt nur Beratungen dahin gehend, was alles passieren kann, was es alles für Probleme gibt, und es wird propagiert, dass die Abtreibung bis zum achten Monat möglich ist. Wo wird eigentlich gesagt, mit welchen Dingen man rechnen kann, wie man sich verhalten kann, um auch ein behindertes Kind zur Welt zu bringen? Diese Beratung gibt es nicht.
Und wer hier gerade so großartig „Quatsch“ sagte, ist wahrscheinlich nicht in der Lage, mal „Monitor“ zu gucken. Da wurde das für ganz Deutschland sehr kritisch angemerkt,
Wenn nun aber das behinderte Kind geboren wird, wo fangen da die Beratung und die Begleitung an? Leider fehlt da schon wieder der Angriffspunkt und die Eltern sind in der ersten Zeit nur damit beschäftigt, Stellen zu suchen, an denen sie beraten werden, an denen sie weitergeführt werden, wo ihnen vor allen Dingen gesagt wird, auf welche Art und Weise mit der Behinderung
umzugehen ist und diese Behinderung zu fördern ist. Ein behindertes Kind zu haben, zur Welt zu bringen oder dann zu haben, ist in Mecklenburg-Vorpommern ein Armutsrisiko,
ein Armutsrisiko, was fast immer dazu führt, dass Armut vorprogrammiert ist, denn mit einem behinderten Kind ist mindestens ein Familienmitglied nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, auch nicht, wenn es dann in die Kindereinrichtung geht.
a) Eine Kindereinrichtung zu fi nden, wo die spezifi sche Behinderung tatsächlich so gefördert wird, wie es vonnöten ist, ist schwierig.
b) Die Beratung der Eltern dahin gehend, dass man auch bei einem behinderten Kind loslassen sollte und es zu anderen Kindern lassen sollte, ist nur sehr unvollkommen.
c) Im Endeffekt ist es ja jedem Elternteil überlassen, wo es das Kind hingibt. Und demzufolge ist meistens ein Elternteil zu Hause.
Nächster Punkt: Wie sieht es aus in Familien, in Haushalten, wo mehrere Kinder sind und ein Kind davon behindert ist? Der psychische Druck auf die ganze Familie ist ein ganz anderer, als wenn die Kinder alle fröhlich durch die Gegend hopsen. Es ist oft so, dass Kinder, die nicht behindert sind, in einem Haushalt, wo ein behindertes Kind ist, zurücktreten müssen, zurücktreten von Alltagsangelegenheiten, die andere Kinder ohne Wenn und Aber genießen können. Nicht umsonst gibt es Behindertenverbände und -vereine, die selbstständig Urlaubsaufenthalte, Ferienlager organisieren, die dann auch besonders preiswert sind, um einmal den nicht behinderten Kindern einen störungsfreien und stressfreien Urlaub zu gewähren oder auch behinderten Kindern so ein Ferienlager zu gewähren, dass ihre Behinderung in Betracht gezogen wird und dementsprechend das Ferienlager gestaltet ist.
Weiter geht es mit den ganzen Angelegenheiten der Beantragungen von Angeboten, die es sehr wohl gibt, die aber viel Zeit brauchen, um sie alle zueinander zu sortieren und dann im Endeffekt bewerkstelligen zu können. Viel Zeit wird auch damit verbraucht, dass natürlich mit behinderten Kindern oftmals mehr zu Ärzten gegangen werden muss, mehr zu Therapien gegangen werden muss. Haben wir das berücksichtigt? Haben wir irgendwann geguckt, wie das in die ganze Darstellung reinpasst, was den Eltern an die Hand gegeben werden kann, um dann eben doch vielleicht besser Erwerbstätigkeit und die Erziehung eines behinderten Kindes zu gewährleisten?
So kann ich die ganze Aufzählung der besonderen Lage von Haushalten mit behinderten Kindern weiterführen, schon deshalb, weil es Entwicklungsverzögerungen gibt, weil eine längere Zeitdauer gebraucht wird, um erwachsen zu werden, um aus dem Haus zu gehen und, und, und. Die Verantwortung, die eine Familie hat, wenn ein behindertes Kind im Haushalt ist, ist eine sehr große. Die psychische Belastung ist ebenfalls eine sehr große. Darüber finden wir nichts, gar nichts und überhaupt nichts in dem Bericht.
Betroffene Eltern, Großeltern, Geschwister. Ich hatte erwartet, dass in diesem Bericht darüber gesprochen wird, und erwarte deshalb, dass zur Lage von Haushalten mit behinderten Kindern dieses Sozialministerium noch dementsprechende Papiere erarbeiten wird. – Danke.