Protocol of the Session on September 17, 2010

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Müller.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Sicherung der Rente, die Rentenversicherung selbst steht vor großen Herausforderungen aufgrund des demografischen Wandels. Und dieses Thema ist natürlich insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wichtig, weil die meisten eben gerade auf die gesetzliche Rentenversicherung angewiesen sind und die wenigsten auf zusätzliche private Altersvorsorge zurückgreifen können.

Warum steht die Rentenversicherung vor großen demografischen Herausforderungen? Sie wissen alle, dass die Menschen immer älter werden, und ich will ausdrücklich hier noch mal betonen, das ist etwas Gutes. Dass die Menschen älter werden, hat damit zu tun, dass die Lebenserwartung gestiegen ist.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und dafür kämpfen wir, dass die Lebensbedingungen sich für die Menschen verbessern. Das ist das, was ich immer verstanden habe, was die Generationen vor mir wollten, was unsere Großeltern gesagt haben, dass es ihren Kindern mal besser geht, und was unsere Eltern heute sagen, dass es ihren Kindern wieder später besser gehen soll,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und wofür die demokratischen Fraktionen hier im Landtag streiten und kämpfen, dass es ihren Kindern später wieder besser geht.

Allerdings werden weniger Kinder geboren, sodass zukünftig natürlich weniger Rentenbeitragszahler da sind, um für die Rente aufzukommen, denn Sie wissen alle, das System funktioniert ja so, dass wir die heutigen Renten aus den Beiträgen zahlen,

(Michael Andrejewski, NPD: Das zahlen alles die Ausländer.)

die heute in die Rentenversicherung durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingezahlt werden.

Und das funktioniert heute schon nicht.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir 80 Milliarden Euro Steuerzuschuss brauchen, um die Rentenversorgung heute schon abzusichern.

(Udo Pastörs, NPD: So viel zum Generationenvertrag.)

Dazu kommt, dass junge Menschen später ins Arbeitsleben einsteigen und eben dann auch nicht so lange in die Rentenkasse einzahlen. Ich habe was zur gestiegenen Lebenserwartung gesagt. Daraus resultiert natürlich auch, dass wir einfach mehr Rentenbezugsjahre haben und somit natürlich auch die Summe der Rente steigt, denn wenn viel mehr Jahre Rente gezahlt wird als früher, dann, das ist klar, steigt der Betrag.

Weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen für eine größere Zahl von Rentnerinnen und Rentner ein, das ist auch ein großes Thema,

(Irene Müller, DIE LINKE: Und warum? Ja, warum?)

denn wir haben in den letzten Jahren erhebliche...

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ja, Frau Krüger, Entschuldigung, Frau Müller, lassen Sie mich doch ausreden! Ich will gerade auf die Problematik des Arbeitsmarkts zurückkommen. Da sind wir gar nicht auseinander. Aber geben Sie mir bitte auch die Gelegenheit, das erst mal vorzutragen!

Denn wir haben mit massiven Änderungen auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren zu tun, die auch Auswirkungen auf die Rente haben. Wir haben einen ausufernden Niedriglohnsektor, und geringe Lohn- und Gehaltssteigerungen bedeuten eben weniger Einnahmen für die Rentenversicherung. Wir haben niedrige Löhne und prekäre Beschäftigung, die eben dazu führen, dass Altersarmut droht, und wir haben nur 21,5 Prozent der 60- bis 64-Jährigen, die heute überhaupt einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Und dadurch, dass der Arbeitsmarkt mit Niedriglöhnen gar nicht mehr dazu beitägt, dass überhaupt zusätzlich in die

Rentenkasse eingezahlt werden kann, haben wir auch in diesem Bereich zu verzeichnen, dass wir eben einfach weniger Beiträge einnehmen.

Fakt ist, wenn nichts passiert, dann wird die Rente so, wie sie heute ist, gar nicht mehr zu halten sein, dann laufen wir auf Altersarmut, auf Rentenkürzung zu. Und deswegen müssen wir natürlich etwas tun. Meines Erachtens sind viel mehr Antworten notwendig als nur die Diskussion um das Renteneintrittsalter.

(Udo Pastörs, NPD: Oh, ist das ’ne tolle Feststellung!)

Wir müssen zwei wichtige Antworten finden, zum einen, wie wir eben die Dinge lösen, die aus dem demografischen Wandel, den ich eben kurz skizziert habe, resultieren, und zum anderen, was wir tun können, um die Altersarmut, die durch die schlechten, prekären Arbeitsverhältnisse entsteht, wie wir der entgegenwirken können.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ich möchte zunächst auf den demografischen Wandel eingehen, welche Möglichkeiten hier gegeben sind. Meines Erachtens gibt es nur vier faktische Möglichkeiten:

Zum einen, dass man eben das alles so weiterlaufen lässt und den Steuerzuschuss von heute 80 Milliarden Euro noch mehr erhöht. Aber hier machen wir uns nichts vor, wir brauchen zusätzliche Steuerzuschüsse in der Rentenversorgung, um Altersarmut zu bekämpfen, darauf komme ich noch später. Und aufgrund des desolaten Bundeshaushaltes und der Streichorgien, die wir derzeit erleben, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir noch massiver den Steuerzuschuss bei der Rente erhöhen können, wo wir uns ja wünschen, dass eben mehr Steuereinnahmen kommen, die dann aber eher in die Bildung und in die Kinder investiert werden sollen. Also das scheint mir einfach auf eine Erhöhung des Steuerzuschusses hinauszulaufen, sodass man dann die Steuern für die breite Masse erhöht, das scheint mir nicht realistisch zu sein.

Die zweite Möglichkeit, die es gibt, ist eine Beitragserhöhung. Wenn die Rente mit 67 ausgesetzt wird und es so weiterläuft wie bisher, dann müssen wir die Beiträge um 0,5 Prozent für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Rentenversicherung erhöhen. Das muss auch gesagt werden. Hier gibt es viele Meinungen, die sagen, das ist eben arbeitsmarktpolitisch schädlich, weil es zu weiteren Belastungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber führen würde, und das gilt eben auch nicht als die Idealvariante.

Die dritte Variante wäre eine ganz klare Rentenlösung, wenn nichts passiert, dass dann eben später für so viele lange Rentenjahre nicht mehr so viel Rente ausgezahlt wird. Da bin ich entschieden dagegen, denn, wir haben es hier schon oft angesprochen, die Renten sind sowieso nicht besonders auskömmlich, insbesondere für viele Menschen in unserem Land.

Und die vierte Variante wäre die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Und hier stellt sich das Problem, auf das ja schon eben Frau Abgeordnete Müller eingegangen ist, dass die einfache Erhöhung des Renteneintrittsalters für alle so einfach nicht geht.

Aber man muss sich mit diesen vier Lösungen, egal ob man die eine eher präferiert oder die andere, mit den...

(Torsten Renz, CDU: Ja, für welche sind Sie denn?)

Ich komme noch dazu.

(Udo Pastörs, NPD: Neuverschuldung.)

Ich komme noch dazu.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich komme noch dazu, bleiben Sie ganz ruhig!

Wir haben schon hier im Landtag öfter darüber debattiert und nehmen Sie einfach das zur Kenntnis, aber ich glaube, damals waren Sie vielleicht auch noch nicht dabei.

Es gibt diese vier Möglichkeiten,

(Irene Müller, DIE LINKE: Und was ist mit der Einnahmeerhöhung?)

es gibt diese vier Möglichkeiten.

(Irene Müller, DIE LINKE: Nein, gibt es nicht. Es gibt eine fünfte.)

Es gibt eine fünfte, Frau Müller hat sie angesprochen, die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, dass man mehr Leute in die gesetzliche Rentenversicherung einbezieht.

(Irene Müller, DIE LINKE: Na, selbstverständlich.)

Dafür bin ich, das habe ich hier auch schon mehrfach vorgetragen. Sie müssen aber wissen, Frau Müller, diese Einnahmen reichen gerade nicht dazu, um die Altersarmut zu bekämpfen. Dazu möchte ich was sagen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Es gibt also die vier Möglichkeiten, mit denen man sich auseinandersetzen muss.