Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 104. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.
Die Fraktionen der SPD und CDU haben einen Antrag zum Thema „Städtebauförderung als Bestandteil des Solidarpakts in vollem Umfang erhalten“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/3778 verteilt wird. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für die Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 35 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Berichterstattung zur Kulturförderung, auf Drucksache 5/3739.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Torsten Koplin von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich brauche zu diesem Tagesordnungspunkt „Berichterstattung zur Kulturförderung“ nicht lang und breit darauf zu verweisen, dass Kulturförderung eine staatliche Aufgabe von Verfassungsrang ist. Wir alle kennen den Artikel 16 unserer Landesverfassung.
Die Kulturförderung in Mecklenburg-Vorpommern ist angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Situation unseres Landes und unserer Ressourcen nicht schlechtzureden. Das tun wir nicht. Gleichwohl relativiert sich eine lobende Erwähnung, wenn man zwei Sachverhalte näher betrachtet. Einer der beiden Sachverhalte ist die Entwicklung der Kulturförderung in Mecklenburg-Vorpommern gemessen an den absoluten Zahlen. Sie können sich sicherlich, Herr Reinhardt, noch an so manchen Disput so zwischen Rednerpult und Reihen erinnern.
Ich bleibe dabei, auch die Zahlen sind ja belastbar. Wenn man in die Haushaltsdokumente schaut, betrug die Kulturförderung in Mecklenburg-Vorpommern 2002 noch 77,6 Millionen Euro. Sie beträgt 2010 72,1 Millionen Euro und wird 2011, so haben es die Koalitionäre seinerzeit beschlossen, 71,5 Millionen Euro betragen. Das ist ein Rückgang von acht Prozent.
Nun könnte man sagen, man muss solche absoluten Zahlen in Relation zum Gesamtetat sehen, und das ist selbstverständlich so. Schaut man sich den Gesamt etat an, auch er sinkt im gleichen Zeitraum zwischen 2002 und 2011 von knapp 7,3 Milliarden Euro auf 7,011 Milliarden Euro. Das ist ein Rückgang von 3,9 Prozent. Im Ergebnis lässt sich also feststellen: Der Rückgang des Kulturetats erfolgt schneller als der des Gesamtetats, mehr noch, Sie senken, sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, den Kulturetat doppelt so schnell ab, wie der Gesamtetat sich rückwärtig entwickelt.
Ein zweiter Sachverhalt, den ich ansprechen möchte, ist: Wie steht es um die Kulturförderung im Ländervergleich? Das ist ja etwas, was hier immer gern angebracht wird. Wie stehen wir da, wenn man sich die Entwicklung in den Flächenländern anschaut? Und ausweislich einer Antwort auf eine CDU-Anfrage sind wir das viertschlechteste Flächenland. Auch ein strukturschwaches Land wie Sachsen-Anhalt hat in Relation zum Gesamthaushalt einen deutlich höheren Kulturetat, ganz zu schweigen von Sachsen oder Bayern, die einen relativ doppelt so hohen Kulturetat haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Höhe der Kulturförderung ist das eine. Das andere ist: Wofür erfolgt eigentlich Förderung? Das wäre doch gut zu wissen, nicht wahr? In der noch gültigen Kulturanalyse heißt es – im Übrigen, so als Nebensatz, die Kulturanalyse, die neue, ist ja angekündigt worden, Ende Oktober sollte es eine Veranstaltung geben, eine Einladung ist noch nicht gekommen, nur mal nebenbei – auf Seite 95: „Die Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen im kulturellen Bereich durch das Land Mecklenburg-Vorpommern sagen aus, dass kulturelle Projekte gefördert werden. Das heißt, es werden Zuwendungen für einzelne abgegrenzte Vorhaben gewährt, bei denen das Interesse des Landes zeitlich begrenzt ist.“
Der letzte Satz, meine Damen und Herren, macht stutzig. Interesse, worin besteht das Interesse des Landes? Sie weigern sich seit Jahren hartnäckig, eine Kulturentwicklungskonzeption auf den Weg zu bringen. Ich kann mich noch daran erinnern, Sie können das auch alle nachlesen, die SPD-Fraktion seinerzeit hat, zumindest Anfang der 90er-Jahre, so eine Kulturentwicklungskonzeption vehement gefordert.
Das Gegenteil von konzeptionell begründeter, zielgerichteter Förderung ist wahllose, um nicht zu sagen willkürliche Förderung.
Sehr geehrte Damen und Herren, nun trug es sich vor nicht allzu langer Zeit zu, dass der Trägerverein des Skulpturenparks Katzow die ungebührliche Frage stellte, nach welchen Kriterien eigentlich in diesem Fall die bildende Kunst gefördert werde. Das hätte der Trägerverein wohl besser nicht tun sollen.
Prüde ließ man ihn abblitzen. Dass das Wort „Ministerium“ etwas mit „ministrare“, also mit „dienen“ zu tun hat, scheint den Angefragten fremd zu sein.
Gut, dass es parlamentarische Instrumente gibt. DIE LINKE, konkret mein Kollege Herr Peter Ritter und ich, befragten die Landesregierung und erhielten Auskunft, zumindest über einen Ausschnitt der Förderung, den der bildenden Kunst. Für die Behandlung der Fördermittelanträge haben wir Zahlenmaterial bekommen. Das ist alles so, wie wir es auch gewünscht, erfragt hatten. Aber die Behandlung, die Art und Weise des Umgangs mit den Fördermittelanträgen liegt weiterhin im Dunkeln. Wonach und wie wird ausgewählt? Gibt es im Ministerium einen Lostopf, aus dem gezogen wird? Geht es nach dem Eingangsdatum, also dem sogenannten Windhundprinzip? Oder geht es nach dem Alphabet? Und wenn ja, beginnt man mit A oder beginnt man mit Z?
Dass es anders geht, hat Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Rudolph vergangenen Donnerstag bei einer Präsentation der Filmland M-V gGmbH hier in Schwerin bewiesen. Nachvollziehbar fächerte er auf, was, wie und wo im Bereich der wirtschaftlichen Filmförderung gefördert wird. Wer an dem Abend nicht anwesend war, wird nichts über all das erfahren können. Und das alles kann es doch, sehr geehrte Damen und Herren, nicht sein: Informationen über Kulturförderung nur, wenn man Abgeordneter ist, Informationen über Kulturförderung nur, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, und, was am schlimmsten ist, Kulturförderung ohne jegliche Kulturentwicklungskonzeption.
Da Sie Letzteres bislang nicht wollen, bleibt zumindest die Herstellung von Transparenz ein ganz wichtiger Punkt. Deshalb wollen wir einen systematischen und kontinuierlich erscheinenden Kulturförderbericht. Ein solcher Bericht schafft Transparenz, ein solcher Bericht fördert die Kommunikation zwischen Kulturschaffenden, Kulturpolitik und Verwaltung. Und das ist doch ein ganz wichtiger Punkt. Ein solcher Bericht wäre belebend für die Demokratie. Ein solcher Bericht kann Vertrauen und Anerkennung in die Kulturpolitik unseres Landes schaffen. Kurzum, ein Kulturförderbericht ist nützlich. Es dürfte Ihnen genauso wie uns seitens der LINKEN ein Bedürfnis sein, unserem Antrag zuzustimmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Koplin, wir sind uns einig, dass zu den großen Vorzügen, und das haben Sie hier angedeutet, Mecklenburg-Vorpommerns zählt, dass wir eine reichhaltige und vielfältige Kulturlandschaft haben, die allerseits anerkannt ist, sowohl bei Einheimischen als auch bei Gästen. Ich glaube, wir sind uns auch einig, dass die Kulturlandschaft eines der großen Markenzeichen unseres Landes ist und ein Aushängeschild für die Kultur, bis hin zum Tourismus. Und ich glaube, wir sind uns auch einig, dass zu dieser Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren unter anderem die gezielte Kulturförderung unseres Landes beigetragen hat.
Seit Gründung des Bundeslandes hat sich die Kulturförderung zukunftsweisend weiterentwickelt. Das gilt sowohl aus verwaltungstechnischer Sicht als auch für die enge Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen und -einrichtungen. Das gilt für die Kontaktpflege zu den Landesverbänden, zu Trägerinnen und Trägern der Kulturarbeit, zu Kunst- und Kulturschaffenden und nicht zuletzt zu Kulturverwaltungen von Landkreisen und Kommunen. Es sind bisher Impulse immer aufgenommen worden und erhebliche Aktivitäten entwickelt worden, damit Förderentscheidungen ausgewogen, nachvollziehbar und transparent ausfallen.
Es ist schon ein bisschen irritierend, wenn Sie jetzt von einem wie auch immer, und ich zitiere, „wahllosen und willkürlichen Förderinstrument“ sprechen. Das würde also bedeuten, Sie wollen mir hier rückwirkend erklären, dass Sie acht Jahre lang ein wahlloses und willkürliches Förderinstrument gedeckt haben,
nämlich die Förderrichtlinien des Landes MecklenburgVorpommern. Denn es ist Ihnen völlig bekannt, Herr Koplin, dass diese sich weder geändert haben
noch dass die hier nicht transparent wären, bis hin zu den Gesprächen im Ausschuss für Kultur. Das heißt also, diese kulturellen Förderrichtlinien sind weithin akzeptiert und für jedermann handhabbar. Und es ist auch für jeden klar – wahrscheinlich für Sie nicht –, dass es immer wieder auch Entscheidungen gibt, dass man Anträge ablehnen muss. Der Unterschied ist nur, dass wir auch von der Endlichkeit von Haushalten ausgehen. Das scheint für Sie ein Geheimnis zu sein.
Ich habe auch aufgehört zusammenzurechnen, was jedes Mal gefordert wird in Geld. Das heißt also, wenn man von der Endlichkeit von Haushalten ausgeht und eine Förderrichtlinie zugrunde legt, sind alle Entscheidungen transparent. Die finanziellen Zuwendungen, was den Haushalt betrifft, die werden durch das Hohe Haus hier festgelegt, und auch die sind jederzeit transparent. Und sozusagen drei Prozent von 7,6 Milliarden zu vergleichen mit acht Prozent von 70 Millionen und dann das in den Prozentzahlen miteinander zu vergleichen, ist mathematisch natürlich auch abenteuerlich.
Ich glaube auch, dass es weder einen willkürlichen noch einen wahllosen Umgang mit diesen Förderinstrumenten gibt, sondern das sind lange praktizierte, zehnstufige Verfahren, die keinen Spielraum für diese Willkür und für diesen Missbrauch bieten. Und jede Antragstellung innerhalb des Entscheidungsverfahrens wird differenziert und zugleich komplex betrachtet. Es wird kontinuierlich über alle anstehenden Fragen nachgedacht, diskutiert, auf der Grundlage wieder dieser Förderrichtlinien, die Ihnen ja bekannt sind. Und insofern sollten Sie nicht so tun, dass das im Nebel und im Dunkeln ist, und den Leuten erzählen, dass diese Entscheidungen nachvollzogen werden können, der Landesrechnungshof genau eine solche Förderakte verlangt. Also ich glaube, mehr Transparenz ist an der Stelle nicht möglich.
Ich erkenne an, dass Sie sich Gedanken machen, wie noch mehr Kulturträger sinnvoll gefördert werden können. Das ist aber dann zunächst auch eine Frage des Haushaltes. Und ich glaube nicht, dass ein wie auch immer geartetes Berichtswesen – weil all diese Dinge, die Sie vorgestellt haben, gibt es, und das ist Ihnen auch bekannt – hier zu irgendwelchen Konsequenzen, geschweige denn zu einer Verbesserung führen würde. Und ich glaube, dass wir – und auch das haben Sie angesprochen – gut beraten sind, die Kulturanalyse ernst zu nehmen. Und auch diese wurde, das ist Ihnen ja mehr bekannt als mir, in der 4. Legislaturperiode, also unter Ihrer Mitwirkung, durchgeführt. Und vielleicht haben Sie auch vergessen, zu welchem Zweck man diese Analyse damals eingeführt hatte:
Auf der Landeskonferenz zur Kulturentwicklung im Juni 2002 sprachen sich die Kulturverwaltungen der Städte und Landkreise und die Vertreter der kulturellen Landesverbände und -vereine einhellig für eine kontinuierliche Weiterarbeit an einer Kulturentwicklungsplanung für Mecklenburg-Vorpommern aus. Und der Arbeitsauftrag lautete, ich zitiere: „eine Bestandsaufnahme dessen, was das Land an Kultur und Kulturszene zu bieten hat“. Zitatende. Dazu wurde letztendlich auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese erstellte einen Fragebogen, der dann von damals 1.488 kulturellen Einrichtungen des Landes ausgefüllt wurde. Mit der Auswertung des Datenmaterials lag erstmals eine Kulturanalyse für Mecklenburg-Vorpommern vor.
Ich weiß auch nicht, warum Sie das so im Nebensatz diskreditieren. Sie wissen, dass wir eine zweite Kulturanalyse durchgeführt haben. Und diese Kulturanalyse bietet den Vorzug, dass wir nicht nur hier von der Förderung kultureller Einrichtungen ausgehen, worauf ja wahrscheinlich, das sehen wir heute in der öffentlichen Debatte, immer nur der Fokus reduziert wird, sondern – siehe auch Ihr Antrag – dass es hier das Anliegen ist, die große Vielfalt kultureller Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern zu benennen. Und es ist auch kein Geheimnis, auch das diskreditieren Sie einfach so im Nebensatz, wir werden diese Analyse auf der jetzigen Landeskulturkonferenz am 24. November in Barth vorstellen und auswerten. Auch das ist bekannt.
Dazu werden im ersten Teil der Tagung die Ergebnisse der aktuellen Kulturanalyse in Bezug zur Analyse 2004 gesetzt. Die Veränderungen und die neuen Tendenzen in der Kulturarbeit werden durch die an der Kulturanalyse beteiligten Studenten erläutert und können beim Gedankenaustausch beraten und diskutiert werden. Und im zweiten Teil der diesjährigen Konferenz geht es vorrangig um die Qualität der Kulturarbeit. Es werden neue und interessante Impulse für die konkrete Museumsarbeit, den Bibliotheksbereich und die Musik- oder Jugendkunstschulen in Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt. Und nicht zuletzt wird über die Qualität als Bedingung in der Kultur- und Kreativwirtschaft beraten.
Und natürlich spreche ich es gerne wieder von diesem Forum aus an: Sie sind herzlich eingeladen, an dieser Landeskulturkonferenz im Niederdeutschen Bibelzentrum in Barth teilzunehmen, und ich gehe auch davon aus, dass Sie sich an der Diskussion beteiligen.
Sie haben das Beispiel Skulpturenpark Katzow e. V. genannt. Es ist ja so, dass dieser Verein im Jahr 2009 eine Förderung beantragt hat. Der Wahrheit halber muss man sagen, dass in diesem Zusammenhang aufgrund der Förderrichtlinien und der Haushaltsmittel dem Verein in Aussicht gestellt wurde, so es Rücklaufmittel gibt – und das ist die Wahrheit –, kann er in diese Förderung hineinkommen. Die Rücklaufmittel hat es nicht gegeben. Auch das ist ein Ihnen bekanntes Verfahren. Und der Verein hat dann im Jahr 2010 erneut einen Antrag gestellt. Hier ging es um die Förderung von 5.000 Euro für eine Tagung und es wurde hier eine Bewilligung von 2.000 Euro ausgesprochen. Also jetzt daraus zu konstatieren, dass dem Verein nicht geholfen wird, dass man mit ihm nicht ins Gespräch geht, kann man, glaube ich, aus diesem Verfahren nicht ableiten. Der Verein hat daraufhin …
(Peter Ritter, DIE LINKE: Aus dem Schriftwechsel kann man das sehr genau erkennen. Fahren Sie mal hin und reden Sie mal mit den Leuten!)
Ja, wir kennen den Verein und wir sind mit allen Vereinen im Gespräch. Und ich kann nur sagen, dass man sich natürlich als Ministerium, auch das muss man doch zur Wahrheit dazusagen, wenn man einem Verein im ersten Anlauf nicht helfen kann, sich wahrscheinlich an keiner Stelle beliebt macht, Herr Ritter. Auch das ist Ihnen doch bekannt.
Das ist ja auch keine neue Erfahrung aus dem politischen Alltag. Wie gesagt, in 2010 hat es diesen Antrag gegeben. Es hat diese Förderung von 2.000 Euro gegeben, der Antrag belief sich auf 5.000 Euro. So weit vielleicht zu dem ganz konkreten Fall. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Koplin, sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, ich kann durchaus nicht ganz verstehen, warum Sie ein Jahr vor der Landtagswahl hier einen Bericht fordern, der letzten Endes dann in eine Lobhudelei der Regierungsarbeit münden wird.