Das Wort zur Einbringung hat der Fraktionsvorsitzende der FDP Herr Roolf. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Traditionell nehmen Kommunen für ihre Bevölkerung die Aufgaben der Daseinsvorsorge
wahr. Sie stellen zum Beispiel Energie bereit, sie entsorgen Abwasser, sie entsorgen Abfälle, und dies alles bezogen auf das Gebiet ihrer Gemeinde. Diese Art der wirtschaftlichen Betätigung stellt niemand infrage.
Allgemein gut ist dabei, ein öffentlicher Zweck muss die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde rechtfertigen, die Tätigkeit muss in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen und sie darf nicht durch andere besser und wirtschaftlicher erledigt werden.
Die von CDU und FDP geführte Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat das in der ersten Legislatur in der Kommunalverfassung im Paragrafen 68 Absatz 1 Satz 3 sehr klar und sehr deutlich geregelt, indem sie geschrieben hat, dass sie, nämlich die Kommune, die gemeindlichen Aufgaben besser und wirtschaftlicher als Dritte erfüllen kann. Zudem hat die Landesregierung von CDU und FDP im Paragrafen 77 ausdrücklich geregelt, dass es dazu der Genehmigung bedarf und nicht nur der Anzeige.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen wurde in den letzten Jahren in Mecklenburg-Vorpommern deutlich und einschneidend verändert. Wie anders ist der Veränderungswunsch zu erklären, wenn wir – wir werden es heute noch erleben – in dem dritten Tätigkeitsbericht der Enquetekommission zur Stadt-Umland-Beziehung der Ober- und Mittelzentren die mehrheitliche Entscheidung von CDU, SPD und LINKEN wie folgt lesen: „Kommunen sollten verstärkt die Möglichkeiten eigener wirtschaftlicher Betätigung nutzen.“
Ich lese das noch einmal vor: „Kommunen sollten verstärkt die Möglichkeiten eigener wirtschaftlicher Betätigung nutzen.“
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)
Es steht weiter darin: „Es ist zu prüfen, inwieweit die Vorschriften der Kommunalverfassung zur wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen zukunftsfähig ausgestaltet werden müssen.“
Die Kolleginnen und Kollegen, die in der Enquetekommission mitgearbeitet haben, kennen die intensive Diskussion, die unsere Kollegen in der Enquetekommission mit ihnen geführt haben,
die ausschließlich und eindeutig darauf hinzielte, dass wir gemeinsam mit ihnen den zweiten Satz dieser Entschließung getragen haben, der da heißt: „Es ist zu prüfen, inwieweit die Vorschriften der Kommunalverfassung zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen zukunftsfähig ausgestaltet werden müssen.“
Das, wofür wir Liberalen nicht zur Verfügung stehen, ist eine zu einem Ergebnis vorgenommene Überprüfung, nämlich wenn man sagt, wir wollen die Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung erweitern.
Wir sind an diesem Punkt mit Ihnen in der Diskussion nicht weitergekommen und genau das ist der Grund, weshalb wir Ihnen heute hier diesen Antrag zur Änderung der Kommunalverfassung vortragen.
In vielen wirtschaftlichen Bereichen, die oftmals nur mittelbar zur Daseinsvorsorge zählen, haben wir heute schon den Staat entweder aus Kommune oder aus kommunalen Unternehmen in einer direkten Konkurrenz und in einem direkten Wettbewerb zu Handwerks-, Handels- und Gewerbebetrieben.
Der Staat mischt sich über seine Aufgabe der Daseinsvorsorge in die unternehmerische Gestaltung der Gesellschaft ein.
Und all dieses macht er, ohne dass die Privatwirtschaft auch nur ansatzweise einen Rechtsschutz gegenüber dem Staat hat. Der Staat agiert, der Staat macht und die betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer im Handel, Handwerk und Gewerbe haben gegen dieses Handeln keinen Rechtsschutz.
Einige Beispiele, meine Damen und Herren, die die Absurditäten staatlichen unternehmerischen Handelns, denke ich, recht gut darbringen. Ich nehme meine Heimatstadt Wismar, in der der Staat, nämlich die Stadt, über seinen Eigenbetrieb Stadtrundfahrten organisiert hat und durch das Privileg der Vergabe von Haltestellen
ein Privatunternehmen in die Insolvenz geführt hat. Und ich frage an dieser Stelle: Haben Stadtrundfahrten einen öffentlichen Zweck?
Entsprechen sie der Leistungsfähigkeit der Stadt oder kann sie nicht ein anderer Dritter besser erledigen?
Schauen wir in die Hansestadt Rostock, schauen wir nach Waren: Der Staat, die Wohnungsbaugesellschaft vermietet Ferienwohnungen.
Haben Ferienwohnungen einen öffentlichen Zweck? Entsprechen sie der Leistungsfähigkeit der Kommune? Kann sie nicht ein anderer Dritter besser machen?
Schauen wir in die Landeshauptstadt Schwerin. Da gibt es einen städtischen Abschleppdienst. Auch hier stelle ich die gleiche Frage, Sie kennen die Frage. Mit diesen Beispielen kann man zeigen, was im Augenblick
an unternehmerischem Handeln über die Daseinsvorsorge hinaus an Schwierigkeiten und an Problemsituationen in Mecklenburg-Vorpommern auf der Tagesordnung steht.
Und die Probleme gehen weiter in den sogenannten kritischen Bereichen der Grünflächenpflege in den Kommunen, in den kritischen Bereichen der Tourismuszentralen in den Kommunen, in den kritischen Bereichen der Bauhöfe in den Kommunen. Und was wir noch gar nicht diskutieren, weil es immer so eindimensional dargestellt wird, ist die unternehmerische Tätigkeit von Stadtwerken, die womöglich zukünftig Elektrikerleistungen anbieten, Malerdienstleistungen anbieten, eine eigene KfzReparaturwerkstatt anbieten. Wollen wir das? Wollen wir, dass der Staat dem Handwerk, dem über viele Jahre traditionell etablierten Handwerk in den Regionen den Markt zerstört, Arbeitsplätze gefährdet? Ich denke, das kann nicht unser Ansatz sein.
Vor diesem Hintergrund haben wir die Gesetzesänderung hier heute eingebracht, um eines zu erreichen, dass es einen fairen Wettbewerb zwischen der notwendigen kommunalen wirtschaftlichen Betätigung im Bereich der Daseinsvorsorge und der privaten Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern geben soll.
Konkret zu unserem Antrag: Die Änderungen im Paragrafen 68 greifen darauf zurück, was einmal Konsens zwischen Christdemokraten und Liberalen in MecklenburgVorpommern gewesen ist. Und ich wünsche mir sehr, dass der Wirtschaftsminister des Landes hier heute die Kraft findet und seine Position zu der wirtschaftlichen Betätigung des Staates darlegt. Damals haben CDU und FDP – ich habe es vorhin genannt – die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass es nicht zu Nachteilen in der Privatwirtschaft kommt, denn die Privatwirtschaft hat in der augenblicklichen Situation keine Chancengleichheit mit der Staatswirtschaft. Sie hat ein höheres Insolvenzrisiko, sie hat einen schlechteren Zugang zu administrativen Informationen und sie hat auch die Schwierigkeit, sich besser mit Kapital auszustatten.
Neu im Paragrafen 68 ist auch der Absatz 5, in dem wir den Rechtsschutz der Unternehmerinnen und Unternehmer in Mecklenburg-Vorpommern stärken wollen. Heute ist die Situation so, dass kein Unternehmer, keine Unternehmerin über das Wettbewerbsrecht seine Rechte geltend machen kann. Sie befinden sich in einem rechtsfreien Raum. Die Änderung des Paragrafen 77, die wir Ihnen heute auch vorlegen, sagt dann sehr klar und sehr deutlich, dass wir nicht mehr eine Anzeige wollen, sondern dass die unternehmerische Tätigkeit der Kommunen zukünftig wieder genehmigungspflichtig wird. Wir wollen eine Umkehr der Beweislast,
dass die Kommune darzulegen hat: Welchem öffentlichen Zweck dient diese unternehmerische Tätigkeit? Wie ist die Wirtschaftlichkeit dieser unternehmerischen Tätigkeit? Ist die eigene Leistungskraft der Kommune