Das, meine Damen und Herren, ist ein ziemlicher Kraftakt, ich hatte es schon gesagt, weil wir die Kommunen zugleich mit 105 Millionen im kommunalen Finanzausgleich aufgrund des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes und der Mindestgarantie freihalten. Schon im letzten Jahr sind als Folge der Mindestgarantie 140 Millionen Euro mehr an die Kommunen ausgezahlt worden. Die Steuereinbrüche sind so gravierend, dass man durchaus von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage bezogen auf den kommunalen Finanzausgleich sprechen kann. Deshalb haben wir schon im Rahmen unserer Eckdatenbeschlüsse im Herbst des vergangenen Jahres vorgesehen, ab 2004 eine teilweise Kompensation durch Absenkung der kommunalen Infrastrukturpauschale in Höhe von 56 Millionen vorzu
nehmen. Zugleich soll ein neuer Sonderfonds zugunsten der Kommunen in Höhe von 32 Millionen eingerichtet werden, der überwiegend aus EFRE-Mitteln finanziert wird. Damit behandeln wir unsere Kommunen immer noch wesentlich besser als andere Länder, die die Steuermindereinnahmen im Umfang der jeweiligen Verbundquoten auf die Kommunen durchschlagen lassen, Brandenburg zum Beispiel 140 Millionen Euro.
Insgesamt bringen die Einsparungen im Nachtrag rund 70 Millionen. Diese Beträge summieren sich bis 2006 auf rund 600 Millionen. Unter dem Strich reichen aber alle Maßnahmen nicht aus, um die Einnahmeausfälle und die Mehrausgaben auszugleichen. Weitergehende Einschnitte wären aber entweder aus rechtlichen Gründen nicht möglich oder politisch nicht verantwortbar gewesen. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als die Kreditaufnahme auf 826 Millionen hochzufahren.
Wer die hohe Neuverschuldung kritisiert, muss sich auch einmal vergegenwärtigen, was geschehen würde, wenn wir im gleichen Umfang Ausgaben gestrichen hätten. Für kurzfristig wirksame Streichungen wären im Wesentlichen nur noch Investitionsausgaben in Betracht gekommen. Eingriffe in diesen Ausgabenblock verbieten sich gegenwärtig aus zwei Gründen. Zum einen darf es keinen Abbruch beim Ausbau der Infrastruktur unseres Landes geben, weil eine entwickelte Infrastruktur der Schlüssel zur Schaffung eines wettbewerbs- und zukunftsfähigen Mecklenburg-Vorpommerns ist.
Und zum Zweiten hätte die massive Streichung von Investitionen auch die Streichung von Aufträgen an unsere Wirtschaft zur Folge. Um die Bedeutung dieses Ausgabenblocks zu verstehen, muss man wissen, dass 500 Millionen Euro Investitionsaufträge an die Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern annähernd zwei Prozent B r u t t o i n l a n d s p r o d u kt ausmachen. Dabei sind die Multiplikationseffekte noch nicht einmal berücksichtigt. So gesehen kann man den Nachtragshaushalt 2003 mit Fug und Recht als ein massives Konjunkturstabilisierungsprogramm bezeichnen.
Nun gibt es Kritik von zwei Seiten an dieser haushaltspolitischen Linie. Den einen ist die Neuverschuldung zu hoch, für die anderen könnte sie ruhig noch etwas höher sein. Ich will zu beiden Positionen Stellung nehmen. Wer wie die CDU meint, die Kreditaufnahme sei zu hoch, muss sagen, wo Ausgaben gestrichen werden sollen.
durch Reduzierung der Arbeitsmarktmittel, das machen wir schon, das ist also kein zusätzlicher Beitrag.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig!)
Gleichzeitig sollen 6,9 Millionen kommunale Infrastrukturpauschale beibehalten werden. Und Herr Glawe kritisiert in seiner Presseerklärung vom 12. Februar Kürzungen im Sozialhaushalt von 5 Millionen Euro,
also will er sie wohl rückgängig machen. Zusammen ergibt dies schon Mehrausgaben von 8 Millionen Euro. Das ist Haushaltssanierung à la Rehberg und CDU.
Nun zu denen, die bereit sind, noch mehr Kredite draufzusatteln. Denen sage ich Folgendes: Wir könnten heute die Ausnahmesituation nicht durch die temporäre Anhebung der Nettokreditaufnahme abfedern, wenn wir nicht in den vergangenen Jahren konsequent und kontinuierlich konsolidiert, sondern uns stattdessen mehr verschuldet hätten. Unsere Kreditaufnahme wäre dann auch ohne Steuereinbruch so hoch, dass wir heute die Regelkreditgrenze nach Artikel 65 unserer Verfassung überschreiten und einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen müssten. Dass wir heute reagieren können, ist ein Ergebnis unserer bisherigen Konsolidierungsbemühungen. Es ist übrigens nicht das Ergebnis eines blinden Kaputtsparens, wie mir ja wieder und wieder vorgeworfen wurde. Jetzt wird offenkundig, dass unsere Konsolidierungspolitik mit Augenmaß ohne Alternative gewesen ist und bleibt.
Eine weitere Überlegung: Die Zinslast für die Kredite von 826 Millionen Euro schlägt im nächsten Jahr bereits mit zusätzlichen 37 Millionen Euro zu Buche. 2004 werden wir für Zinsen insgesamt so viel ausgeben wie für den gesamten Hochschuletat und diese Zinslast ist auf Dauer. Damit belasten wir die kommenden Generationen, auch unsere jungen Abgeordneten in diesem Hause. Sie wollen doch weiter Politik machen, wenn wir Älteren längst ausgeschieden sind. Wer jetzt mit zusätzlichen Krediten liebäugelt, beschädigt seine Qualifikation als weit vorausblickender Politiker für dieses Gemeinwesen.
Die zusätzliche Verschuldung des Landes belastet die Haushaltspolitik schwer und mich bedrückt das wahrscheinlich mehr als alle anderen.
Doch die vorübergehende Konjunkturschwäche mit den geschilderten Steuerausfällen lässt eine andere Lösung nicht zu. Zugleich muss aber klar sein, dass Steuermehreinnahmen zur Kreditbegrenzung genutzt werden müssen und nicht zur Ausgabensteigerung. Nur so lässt
Neben diesen inhaltlichen Überlegungen sind wir auch durch wichtige formale Grenzen an höheren Kreditaufnahmen gehindert. Wir schöpfen die Regelkreditobergrenze nach Artikel 65 der Landesverfassung in diesem Jahr fast vollständig aus, mehr geht schon rechtlich nicht. Und wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass Deutschland von der EU nicht mit Sanktionen überzogen wird. Ich frage mich, wie wir reagieren wollen, wenn Deutschland und damit letztlich auch Mecklenburg-Vorpommern wegen Verletzung des dreiprozentigen Maastricht-Kriteriums mit Strafzahlungen belegt werden sollte. Die Bereitschaft zur weitergehenden Kreditaufnahme ist der sichere Weg hin zu EU-Sanktionen. Die werden dann nicht mit erneuten Krediten bezahlt werden können und an ein Aussteigen aus der EU denkt ja wohl niemand. Die dreiprozentige Grenze ist zwar weder finanzwissenschaftlich begründet noch makroökonomisch stringent abgeleitet und dennoch gilt diese Grenze. Sie hat unbestreitbar eine stabilisierende Wirkung. Diese Wirkung sollten wir nicht gering schätzen. Es gibt genügend ernst zu nehmende Fachleute, die vor einer Aufweichung dieser Kriterien warnen.
Am Schluss bleibt die Frage: Wird sich der Haushalt 2003 so realisieren lassen, wie er jetzt von uns angelegt ist? Ich will deutlich sagen, es gibt ein zurzeit unkalkulierbares Risiko und das kennen wir alle. Wenn es zu einem Krieg im Nahen Osten kommen sollte, sind unsere Erwartungen nicht zu halten. Schon jetzt lähmt die Irak-Krise die weltweite Wirtschaftstätigkeit. Dies ist nicht die einzige Erklärung für unsere konjunkturelle Situation, aber auf jeden Fall für die sehr zögerliche Erholung der Wirtschaftstätigkeit.
Das kleine Mecklenburg-Vorpommern muss in dieser Lage die Folgen der Entscheidungen mittragen, die an anderen Stellen getroffen werden. Ich wünsche mir, dass die begrenzten Möglichkeiten der Landespolitik auch einmal von der Opposition zur Kenntnis genommen werden. Wir sollten wirklich nur über die Punkte streiten, die wir im Lande selbst beeinflussen können.
Die Landesregierung hat in den letzten Jahren wesentliche Strukturreformen auf den Weg gebracht – ich nenne die Hochschulautonomie, die Regionalschule, die Modernisierung des Bau- und Liegenschaftsmanagements – und wir machen weiter.
Wir wollen die gesamte Verwaltung auf staatlicher und auf kommunaler Ebene neu strukturieren und verschlanken. Über die Verwaltungsreform können wir selbst entscheiden und es lohnt sich, um die besten Lösungen zu streiten. Dazu erwarten wir Ihre Vorschläge, meine Damen und Herren von der Opposition.
Ich rechne mit doch schon nennenswerten Einsparungen ab 2006 und wir verknüpfen die Verwaltungsreform mit der Prüfung der Verwaltungsabläufe, um Deregulierungen und Entbürokratisierungen zu erreichen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, die wir anstreben und zurzeit vorbereiten. Den von der Wirtschaft vorgelegten 44-Punkte-Plan zur Auslichtung des Bürokratiegestrüpps werden wir offen auf Machbarkeit prüfen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss: Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Phase, die nicht ohne Schmerzen gemeistert werden kann. Schwierige Zeiten bringen aber nicht nur Belastungen, sie bergen auch die Chance für neue und bessere Lösungen. Dazu ist es unverzichtbar, dass sich alle aus der Deckung wagen und daran mitarbeiten. Jetzt muss das Gesamtinteresse Vorrang haben vor jeder Art von Einzelinteressen. Ich wünsche mir, dass die Beratungen im Landtag in diesem Sinne verlaufen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Der Abgeordnete Torsten Renz bittet um das Wort für eine Anfrage. – Angelika Gramkow, PDS: Bei der Einbringung geht das nicht.)
Im Ältestenrat wurde ein Aussprache von 300 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im wahrsten Sinne des Wortes: Schön, Sie alle hier zu sehen.
Meine Damen und Herren, mit dem Nachtragshaushalt, den die Finanzministerin heute für die Landesregierung hier in den Landtag eingebracht hat, ist uns ein Papier vorgelegt worden, das in vielen Details, da bin ich mir sicher, noch heftige Diskussionen hervorrufen wird, zu denen es aber im Grundsatz kaum realistische Alternativen geben wird. Das ist bitter für uns als Parlamentarier, aber auch daran sollten wir denken, vor allem für die Betroffenen vor Ort.
Mit diesem Nachtragshaushalt ist es wie mit einer Operation – sie ist unumgänglich. Wenn man sie nicht vornähme, würde es dem Patienten immer schlechter gehen. Das Narkosemittel, das die OP vielleicht etwas erträglicher macht, ist in unserem Fall die Erhöhung der Nettokreditaufnahme in einem vertretbaren Rahmen. Und um in diesem Bild zu bleiben, die Operation wird in vielen Bereichen zu schmerzhaften Einschnitten führen. Ich sage Ihnen, da wird jeder von uns in seinem Wahlkreis, aber auch jeder Fachpolitiker vor Ort und in den Verbänden angesprochen sein.
Als Opposition kann man natürlich behaupten vor Ort und anderswo, dass man es anders gemacht hätte oder anders machen würde. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, eine ehrliche, echte Alternative bleiben Sie dann in der Regel schuldig.