Protocol of the Session on February 19, 2003

Wir brauchen einen strukturell neu geordneten Haushalt! Wir brauchen keine kurzfristige Kosmetik, wie Sie sie jetzt auf den Tisch gepackt haben! Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen ein Bündnis für Mecklenburg-Vorpommern! Wir sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten. Herr Ministerpräsident, wir wollen nicht nur Wohltaten verteilen, wir wollen deutlich an vielen Stellen im Haushalt einschneiden. Aber zu einem scheinen Sie nicht bereit zu sein, und zwar zuerst bei sich selbst in der Landesregierung anzufangen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle zum wiederholten Male: Wenn Politik nicht mit gutem Beispiel vorangeht, wird sie die Menschen nicht mitnehmen können, und wir sind gut beraten, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende der PDS Frau Gramkow.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Zwischen dem Leben, so wie es ist, und dem Leben, so wie es sein sollte,“...

Vielleicht lasse ich erst einmal alle den Saal verlassen, die es möchten,

(Birgit Schwebs, PDS: Wir bleiben! – Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

„Zwischen dem Leben, so wie es ist, und dem Leben, so wie es sein sollte, besteht ein großer Unterschied. Derjenige, der nicht beachtet, was geschieht, sondern nur das, was geschehen sollte, sorgt eher für seinen Ruin als für seine Erhaltung.“ Diesen Spruch von Niccolò Machiavelli aus dem Jahre 1513 sollte Politik, sollten wir heute beherzigen.

Die Finanzlage des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist dramatisch, das belegen die Zahlen. Die Zahlen belegen aber auch, dass genauso eine dramatische Finanzlage in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, in Hessen und sogar in Bayern vorzufinden ist. Und die PDS-Fraktion wird nicht zulassen, dass so getan wird, als wenn allein die rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern daran schuld wäre.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Dies würde nun wirklich die gesamtwirtschaftliche Situation der Bundesrepublik Deutschland außer Acht lassen, denn die Situation ist hausgemacht – made in Germany.

In den letzten Jahren wurde kräftig gespart. Zugleich wurden die Steuern gesenkt und wenn es nach der CDU gegangen wäre, wären sie heute noch unter den Steuersätzen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD)

die für diese Finanzlage verantwortlich sind, und dabei wurde dem angebotspolitischen Dilemma vertraut, niedrige Steuern führen zu mehr Wachstum und am Ende zu mehr Arbeitsplätzen.

Die permanenten Konsolidierungsversuche haben letztendlich eine Nachfragebremse organisiert und das Wachstum gedrückt, und dies trotz der niedrigsten Steuerquote, die Deutschland im europäischen Vergleich hat. Die deutsche Finanzpolitik, den europäischen Vorgaben folgend, auch da haben wir den Zwang ja erläutert bekommen, ist in ihrer Wirkung längst kontraproduktiv. Wir leben eben doch im Kapitalismus. Und im Gegensatz zu den USA, wo der Staat gegen die Rezession in der Wirtschaft ein Ausgabenprogramm ansetzt, wird in Europa und auch in Deutschland der Abwärtstrend verstärkt,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Konsolidierung wird am Ende zum Selbstzweck verkommen.

(Volker Schlotmann, SPD: 20 Milliarden in Rüstung.)

Zudem hinterlässt die jahrelange Umverteilung des Geldes – oder sagen wir besser des Reichtums – von unten nach oben unübersehbare Spuren. Es erscheint fast wie eine Tragödie: Rot-Grün hat es ehrlich versucht, aber die Ökonomie hat ihnen, hat uns am Ende ein Schnippchen geschlagen. Das Ergebnis dieser verhängnisvollen Entwicklung sind doch sage und schreibe 4,6 Millionen Arbeitslose, erdrutschartige Einbrüche bei den Einnahmen der öffentlichen Hand, eine wachsende Verschuldung bei gleichzeitiger Beibehaltung von Dauersubventionen an die Großindustrie und letztendlich der forcierte Abbau des Sozialstaates in Deutschland. Die Situation in unserem gesamten Land ist prekär, aber sie ist in Ostdeutschland fast schon katastrophal.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

So sind zum Beispiel die Hartz-Gesetze für die ostdeutschen Länder kontraproduktiv, weil sie die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessern. Leistungskürzungen und Niedriglöhne sollen das Problem lösen. Dass dies nicht funktioniert, beweist schon lange die Realität und nicht zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern. Die versprochenen Beschäftigungseffekte werden weder durch ver

schärfte Sanktionen gegen Arbeitslose noch durch Niedriglöhne oder die Ausweitung der Leiharbeit erreicht werden,

(Beifall Andreas Bluhm, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

solange es an beschäftigungswirksamem Wachstum fehlt, auch in unserem Land.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und das haben nicht wir nachgewiesen, sondern namhafte Wirtschaftsforschungsinstitute in Modellrechnungen.

Ja, es ist gut und es ist richtig, dass wir alles versuchen, um Arbeitslose schneller wieder in Arbeit zu vermitteln. Es bleibt jedoch die Frage, wohin wir sie vermitteln, wenn auf im Land 5.000 freie Stellen 180.000 Arbeitslose kommen, de facto ein Verhältnis von 30 bis 40 Bewerbern auf ein Arbeitsplatzangebot. Was da an Rezepten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gegenwärtig auf dem Tisch liegt, was uns verordnet worden ist in Ostdeutschland, ist für den Patienten „neue Länder“ also nicht einmal ein Placebo.

Die Einsparungen – mein Kollege Herr Schlotmann hat darauf verwiesen – im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit sollen in diesem Jahr insgesamt fast 8 Milliarden Euro betragen. Die Mittel für das Jugendsofortprogramm wurden um die Hälfte gekürzt. Insgesamt sollen etwa 15 Milliarden Euro bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen eingespart werden. Ich frage Sie: Wohin soll das führen, auch im Land Mecklenburg-Vorpommern?

Meine Damen und Herren, wir bezweifeln nicht den guten Willen der Bundesregierung, auch etwas für den Osten zu tun. Es fehlt leider aber immer noch an der Fähigkeit, den Osten in seiner eigenen Qualität zu begreifen, die ihm eigene Dynamik zu erkennen und zu befördern. Und es fehlt nicht am Willen der Solidarität. Aber eines wurde indes nicht erreicht: ostdeutsche Länder, die sich selbst helfen können, weil sie sich selbst helfen wollen.

Tatsache ist doch, ob in der Arbeitsproduktivität oder bei den Arbeitslosenzahlen, ob beim Durchschnittsverdienst oder bei den Ausbildungsplätzen, ob beim Bruttoinlandsprodukt oder bei der Exportquote, den Firmengründungen und Insolvenzen, überall ist eine Schere geöffnet und sie wird sich zuungunsten der ostdeutschen Länder weiter öffnen und weiter, wenn der Trend nicht gestoppt wird.

(Unruhe bei Gesine Skrzepski, CDU, und Karin Strenz, CDU)

Und es ist nicht abzusehen, dass dieses passiert.

Frau Skrzepski, das sind Aussagen, die nicht nur auf Mecklenburg-Vorpommern zutreffen, die Ihre Ministerinnen und Minister in vergleichbaren Ländern des Ostens im gleichen Chor,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

im gleichen Ton anstimmen, ohne ihre entsprechenden Möglichkeiten landespolitisch und im Bundesrat zu nutzen, diese Situation zu ändern.

(Karin Strenz, CDU: Hier sind Sie zuständig. Hier sind Sie zuständig.)

Sie sollten von Ihrem hohen Ross der Argumentation herunterkommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und wenn wir dann künftig, Frau Skrzepski, auch noch den Druck von CDU-Bundespolitik erleben, denn de facto müssen wir ja mit einer großen Koalition in der Bundesrepublik rechnen, dann werden wir weiter mit einer steigenden Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben,

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

mit einem geringen Wirtschaftswachstum und noch weniger Einnahmen für Land und Kommunen. Jeder Versuch – und das zeigt ja Ihr Agieren im Bundesrat und im Bundestag –, die öffentliche Finanzlage zu stärken, kommt schon bei Ihnen aus Prinzip unter die Räder.

(Karin Strenz, CDU: Gysi hat ja deswegen das Handtuch geworfen.)

Der Scheinheiligkeit der CDU, sich als Retter der Nation aufzuspielen, werden wir entschieden entgegentreten,

(Beifall Regine Lück, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

denn, meine Damen und Herren,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Am besten mit Gregor Gysi als neuem Senator.)

Herr Rehberg, die heutige Situation ist doch nicht der aktuellen Politik geschuldet. Ist sie nicht doch in gewisser Weise Ausdruck der Bundespolitik der letzten 20 oder 25 Jahre

(Peter Ritter, PDS: 40 Jahre.)

und auch der 8 Jahre Verantwortung der CDU-Führung in Mecklenburg-Vorpommern? Dies gehört doch auch zur Wahrheit.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Und da hätte ich schon erwartet, Herr Rehberg, dass es eben nicht reicht, die Situation pausenlos zu beklagen, wie Sie es seit Jahren tun. Man muss sich schon die Mühe machen, die Ursachen für diese Situation auch zu benennen. Und unter Ihrer Führung in der Bundesrepublik Deutschland haben Sie die Staatsverschuldung alleine von 1985 bis 1995 um 124 Milliarden DM ansteigen lassen.