Protocol of the Session on June 29, 2006

Der Mensch, und das sollte unser aller Credo sein, sollte im Mittelpunkt einer modernen Gesetzgebung, das heißt aus meiner Sicht auch einer verantwortlichen Verbraucherpolitik, stehen und nicht die Gewinnmaximierung eines Unternehmens.

Heute wurden im Deutschen Bundestages unter anderem die Drucksache 16/199, ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13.12.2005, und die Drucksache 16/1408, ein Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD vom 09.05.2006, für ein Verbraucherinformationsgesetz in Zweiter und Dritter Lesung debattiert und abgestimmt. Wir brauchen jetzt, glaube ich, keine Ratespiele zu machen, welcher Entwurf durchgekommen ist.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Welcher denn? – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Welcher?)

Es ist natürlich klar, der der CDU/CSU und SPD.

(Reinhard Dankert, SPD: Ich dachte, der von der PDS.)

Aha, gut.

(Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Das ist reine Diktatur der Mehrheit.)

Dieser wird in Bälde den Bundesrat erreichen, vielleicht schon am 7. Juli. Das ist für uns in diesem Land natürlich Grund genug, dass wir uns auch noch einmal zur Frage des Verbraucherschutzes positionieren und dass wir gegebenenfalls als Land Verbesserungen einfordern für diesen jetzigen Entwurf.

(Egbert Liskow, CDU: Schaufensterantrag.)

Die vormalige rosa-grüne Bundesregierung hat sich unbestritten Verdienste erworben.

(Heiterkeit und Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sie hat Verbraucherschutzfragen politisch aufgegriffen und die Sensibilität dafür geweckt.

Ja, rosa-grün, die Roten sind ja wir, das ist doch logisch.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Der Entwurf der Großen Koalition weist leider aus unserer Sicht erhebliche Mängel auf. Und wie es so ist im richtigen Leben – da sind nun mal Kompromisse immer wieder aktuell –, schwanken wir natürlich auch einmal zwischen Zustimmung, damit endlich überhaupt etwas passiert, und zum anderen, weil doch letztendlich Punkte ausgespart bleiben, die wir für sehr wichtig halten.

Was den Verbraucher direkt angeht, möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal hinweisen auf die jüngsten Skandale mit verdorbenem Fleisch, die zum Beispiel im Gesetzesentwurf mit „Machenschaften“ bezeichnet wurden. Diese Sachen haben Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland stark verunsichert und zum Beispiel das Vertrauen in die Sicherheit von Lebensmitteln stark erschüttert, was mich natürlich als ehemalige agrarpolitische Sprecherin besonders berührt. Die Zahl der aufgedeckten Fälle in diesem Bereich soll im vorigen Jahr höher gelegen haben – Hören Sie bitte zu! – als in den letzten zehn Jahren zusammen. Das liegt eventuell daran, dass die Kontrollen stärker geworden sind,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

vielleicht hat es aber auch andere Ursachen, das ist bisher noch nicht untersucht worden.

Im Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD finden wir die Passagen, ich zitiere: „Die Erweiterung des Rechts der Verbraucherinformation ist zugleich aber auch Teil einer modernen Verbraucherpolitik. … Aus dem Leitbild des mündigen Verbrauchers heraus ist dieses gesteigerte Interesse“ an Produktinformationen „zu begrüßen und daher zu fördern. … Verbraucherinnen und Verbrauchern wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Zugang zu den bei den Behörden … vorhandenen Informationen … eröffnet. … Eine Einbeziehung der Regelungen in das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes würde wesentliche Bereiche nicht bzw. unzureichend regeln.“ Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist uns sehr sympathisch, denn auch wir gehen davon aus, dass es nicht reichen würde, Verbraucherschutz einfach nur im Informationsfreiheitsgesetz zu regeln. Uns ist es sehr sympathisch, dass es ein eigenständiges Gesetz geben soll zur Stärkung des Verbraucherschutzes.

Unsere Nachbesserungen, wo sehen wir sie? Als Erstes und vielleicht auch Wichtiges möchten wir dazu sagen, dass die Inanspruchnahme des Informationsrechtes in keinem Falle vom Geldbeutel abhängen darf. Ähnlich notwendig wie bei der Informationsfreiheit sollte auch beim Verbraucherrecht das öffentliche Interesse im Vordergrund stehen, das heißt, Beschränkungs- und Ausschlussgründe dürfen nur die Ausnahme sein. Auch eine Bearbeitungsfrist sollte nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden, wenn sie länger als vier Wochen dauert. Einfache Informationen sollten bitte schön auch gleich erteilt werden.

Einen weiteren Mangel des Gesetzes sehen wir zum Beispiel darin, dass bisher Elektrogeräte ausgeschlossen sind. Dabei gehören auch sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes. Denn nehmen wir – es ging ja kürzlich durch die Presse – die Fälle von schadhaften Steckdosenleistungen,

(Egbert Liskow, CDU: Leisten. – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Alexa, was ist in diesem Glas drin?! – Zuruf von Holger Friedrich, SPD)

Leisten, danke, von schadhaften Steckdosenleisten. Hier ist wirklich schon Gefahr im Verzug und der Verbraucher sollte wissen, was mit den Geräten ist.

Ein weiterer Punkt ist natürlich, dass unsere Behörden eine aktive Informationspolitik betreiben sollten. Ständig betonen wir, dass Deutschland eine Dienstleistungswüste wird und sich Bürger manchmal über einige Verwaltungen beschweren. Wir als Regierungsfraktion sehen die bürgerfreundliche Verwaltung auf allen Ebenen, im Bund, im Land, in der Kommune. Und wir sehen in der Verwaltung einen aktiven Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger. Leider gibt es hier natürlich immer noch vereinzelt Ausnahmen.

(Holger Friedrich, SPD: Dann komm mal in den Petitionsausschuss!)

Da wollen wir natürlich auch einen Beitrag leisten.

Auf weitere Punkte will ich in meinem zweiten Redebeitrag, ich habe ja noch den Diskussionsbeitrag, eingehen. Unabhängig davon bitte ich an dieser Stelle schon mal um die Zustimmung zu diesem Antrag,

(Egbert Liskow, CDU: Von uns nicht.)

denn letztendlich geht uns der Verbraucherschutz alle an.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS, Angelika Peters, SPD, und Ute Schildt, SPD)

Danke schön, Frau Wien.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Dr. Backhaus. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Aber nicht 15 Minuten!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, der Deutsche Bundestag hat heute das Informationsgesetz verabschiedet. Das ist ein zustimmungspflichtiges Gesetz, das heißt, wir werden für dieses Gesetz, das im Übrigen auch in der Verbraucherschutzministerkonferenz schon mehrfach Thema war,

(Angelika Peters, SPD: Vor vier Jahren schon totblockiert.)

nach umfänglichen Beratungen in den Bundesratsausschüssen die Möglichkeit haben, uns dort einzubringen. Ich kann hier heute versichern, dass wir das tun werden. Und wenn man sich den Werdegang dieses Verbraucherinformationsgesetzes anschaut, dann darf ich für unsere Fraktion feststellen, dass wir Sozialdemokraten dieses Verbraucherinformationsgesetz seit vielen Jahren wollen

(Angelika Peters, SPD: Das ist richtig.)

und dass damit letzten Endes auch das verbriefte Verfassungsrecht auf Information der Bürgerinnen und Bürger umgesetzt wird.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir leben nun einmal in einer Dienstleistungsgesellschaft und der mündige Bürger hat ein Recht darauf, Informationen zu den verschiedensten Produkten und Produktbereichen zu erhalten und damit letzten Endes zu Informationen zu gelangen, die objektiv sind, die aber auch deutlich machen, wenn Gefahren drohen. Deswegen sage ich hier an dieser Stelle auch, über die Vorstellung, dass alles und jedes im Rahmen der Verwaltungsabläufe zum Nulltarif zu händeln ist, muss man sich unterhalten, denn wir sind sehr wohl der Auffassung, dass, wenn zusätzliche Gesetze erlassen werden, wir auch eine Regelung finden müssen, damit die Ansprüche des mündigen Bürgers erfüllt werden, aber zusätzliche Informationen müssen dann auch über eine Gebührenordnung geregelt werden. Ich halte das absolut für richtig. Deswegen glauben wir auch, dass die Fragestellungen, die wir aufgerufen haben, insbesondere zu den Interessengruppen, berücksichtigt werden. Die drei will ich abschließend noch einmal nennen:

Da ist erstens der informationsbedürftige Verbraucher. Da ist schon einiges genannt worden. Das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern das gilt auch für Industrieprodukte als solche. Das heißt, dass wir ganz klare Informationen darüber benötigen, wie und wo die Primärproduktion stattgefunden hat, und wir haben auch die Pflicht, diese Kette weiterzuverfolgen. Zum Zweiten müssen wir uns darüber klar sein, dass Behörden- und Verwaltungshandeln zum Wohle der Bürger nicht eingeschränkt oder gar behindert werden darf. Dieses haben wir reichlich erfahren. Ich erinnere nur an das Nitrofenproblem seinerzeit. Letzten Endes haben wir auch die Verantwortung für Wirtschaftsunternehmen. Birkel lässt grüßen, sage ich nochmals. Deswegen muss dieses eine verfassungsrechtliche Grundlage haben, alles andere hilft uns nicht weiter.

Insofern ist, glaube ich, dieses, was wir jetzt an Gesetzesgrundlage haben, eine gute Basis. Ich gehe davon aus, dass wir die eine oder andere Änderung auch im Bundesratsverfahren umsetzen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Alexa Wien, Die Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Schlupp. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal sind die Koalitionsfraktionen der Auffassung, dass die von Ihnen getragene Landesregierung zum Jagen getragen werden muss. Anders kann und darf man den vorliegenden Antrag meines Erachtens nicht verstehen.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ik hab’s mit de Bandscheiben, ik trag nix. – Heiterkeit bei Regine Lück, Die Linkspartei.PDS)

Nun aber zum Thema. Die vielen Skandale in den letzten Jahren zeigen, dass es um den Verbraucherschutz in Deutschland immer noch nicht gut bestellt ist. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation und zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches in die Diskussion eingebracht. Heute ist das VIG verabschiedet worden.

Die CDU sieht in diesem Gesetz und in den Gesetzen zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches einen zentralen Baustein zur Vorbeugung und zur raschen Eindämmung von Lebensmittelskandalen. Mit dem Gesetzentwurf und mit dem Gesetz wird das Leitbild des mündigen Verbrauchers gestärkt. Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten zum ersten Mal einen bundesweit einheitlichen Anspruch auf Zugang zu bei Behörden vorliegenden Informationen über Erzeugnisse. Daneben enthält das Gesetz die Verpflichtung der Behörden, bei Rechtsverstößen, Gesundheitsgefahren oder Ekelfällen, wie zum Beispiel beim Handeln mit verdorbenem Fleisch, die Öffentlichkeit von sich aus zu informieren. Dies gilt auch für Waren, die bereits verzehrt wurden. All diese Maßnahmen sind entscheidende Schritte, um kriminelles und betrügerisches Handeln zum Nachteil der Verbraucher zu bekämpfen. Gleichzeitig stärken sie das Vertrauen der Verbraucher in die deutschen Lebensmittel. Klar aber dürfte sein, dass kriminelles Handeln nie hundertprozentig ausgeschlossen werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der von Ihnen vorgelegte Antrag fordert die Landesregierung auf, Nachbesserungen im Verbraucherinformationsgesetz durchzusetzen. So sind Sie der Auffassung, dass die Höhe der Gebühren im Sinne des Antragstellers zu bestimmen sei und die Ablehnung eines Informationsersuchens nicht mit Kosten für den Antragsteller verbunden sein darf. Praktisch heißt das, dass die Gebühren je nach Einkommen oder Finanzlage des Antragstellers zu berechnen seien. Bei Nichtherausgabe von Informationen aus Gründen des Datenschutzes sind keine Gebühren zu erheben. Die bei der Recherche der Verwaltung entstehenden Aufwendungen sollen nach Ihren Vorstellungen durch die Verwaltung getragen werden. Diese Forderungen stehen im Widerspruch zu den Zielen der Entbürokratisierung und der Verwaltungsmodernisierung in unserem Land.