Protocol of the Session on June 29, 2006

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Obwohl das Justizministerium den Termin 01.01.2003 absehbar nicht einhalten konnte, wurden auch keine Kooperationsverträge mit anderen Bundesländern vereinbart, denn es handelte sich absehbar um eine Übergangszeit, bis auch bei uns eine derartige Anstalt zur Verfügung stehen würde.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, aber das Mädchen ist tot.)

Angewandt wurde das sozialtherapeutische Konzept, an dem im Justizministerium gearbeitet wurde, auf die Gefangenen, bei denen die Sozialtherapie angezeigt war, aber schon seit dem 01.01.2004 in der JVA Bützow. Und an dieser speziellen Gruppentherapie nahm auch Maik S. von Anfang an teil, sodass bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem deliktunspezifischen Teil seiner Sozialtherapie begonnen wurde.

Wie der Zeuge Sellering in seiner Befragung aber ausführte, ist nicht bei jedem Häftling die Sozialtherapie angezeigt. Vielmehr müsse im Verlauf des Vollzuges eine

noch bessere Auswahl der tatsächlich behandlungsbedürftigen Häftlinge erfolgen. Dies ist – und das ist bereits eine Verbesserung – seit Mitte des Jahres 2005 durch das neu eingerichtete Diagnostikzentrum in der JVA Bützow möglich.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Drittens. Die von der CDU-Fraktion aufgestellte Behauptung, in Mecklenburg-Vorpommern gäbe es kein qualifiziertes Personal, sodass bis heute nicht sichergestellt sei, dass die sozialtherapeutische Einrichtung in der JVA Waldeck den Anforderungen an eine sozialtherapeutische Einrichtung gerecht wird, ist so nicht haltbar.

In den Anhörungen des Untersuchungsausschusses wurde mehrfach nachgefragt und berichtet, dass die dort arbeitenden Mitarbeiter die notwendige Ausbildung zum Diplompsychologen und approbierten psychologischen Psychotherapeuten besitzen. Es handelt sich hierbei auch um mit der Arbeit im Strafvollzug vertraute Mitarbeiter.

Es wurde in den Anhörungen klar, dass die Therapeuten in der sozialtherapeutischen Anstalt der JVA Waldeck durchaus qualifiziert sind. Wer etwas anderes behauptet, möge dies belegen, und zwar nicht aus laienpsychologischer Sicht.

(Beifall Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS)

Natürlich ist auch nachvollziehbar, dass die Mitarbeiter keine jahrelange Erfahrung in der sozialtherapeutischen Arbeit aufweisen konnten. Schließlich gab es in Mecklenburg-Vorpommern wie auch in den anderen Bundesländern keine sozialtherapeutischen Anstalten.

(Zuruf von Bodo Krumbholz, SPD)

Die Anstalt in Lübeck, so hat man uns berichtet, existiert schon über 20 Jahre, aber den Therapeuten in der JVA Waldeck diese mangelnde Erfahrung vorzuwerfen und damit zu suggerieren, sie wären mit ihrer Arbeit überfordert, ist unredlich und auch besserwisserisch.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Blanke Polemik ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage im Sondervotum der CDU, dass im Land Mecklenburg-Vorpommern laut Aussagen von Zeugen und Sachverständigen nur schwer qualifiziertes Personal zu finden ist, denn das ist kein Problem in Mecklenburg-Vorpommern, sondern ein allgemeines Problem in allen Bundesländern.

Die Arbeit des noch jungen Teams in der Sozialtherapie in Waldeck erhielt durch den Mord an Carolin selbstverständlich einen herben Rückschlag. Nachvollziehbar zweifelten die Mitarbeiter an ihrer Arbeit. Frustration machte sich breit. Um dem Team wieder neuen Auftrieb zu geben, wurde inzwischen ein neuer Leiter in der sozialtherapeutischen Abteilung eingestellt, der über jahrelange Erfahrungen verfügt. Weiterhin wird von der CDU im Sondervotum dargestellt, es sei fraglich, ob bis zum heutigen Zeitpunkt den Anforderungen an sozialtherapeutische Arbeit Genüge getan wird. Darauf ist klar und eindeutig zu antworten: Ja, den Anforderungen wird entsprochen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Seit dem 01.01.2005 wurden die Mindestanforderungen an eine sozialtherapeutische Anstalt, so, wie sie beispielsweise in der Drucksache 3/2046 beschrieben sind, erfüllt. Alle dort enthaltenen Punkte sind seit dem 01.01.2005 gewährleistet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrter Damen und Herren! Es gibt Verbesserungsbedarf im Strafvollzug, keine Frage. Insbesondere hat sich gezeigt, dass die Vollzugsfortschreibungspläne besser dokumentiert werden müssen. Auch muss sich der Vollzug mit den Staatsanwaltschaften und den Gerichten besser austauschen. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass die behandelnden Psychologen keine Kenntnis von Gutachten externer Sachverständiger, wie in diesem Falle dem Fellert-Gutachten, erhielten.

Der Vollzug ist zwar nicht Auftraggeber solcher Gutachten und hat im Prinzip auch keinen Anspruch auf Übersendung dieser, dennoch sind diese Gutachten für die Arbeit der Therapeuten notwendig. Angesichts der damit möglichen Rückkopplung eigener Bewertungen sollte der Vollzug künftig auf derartige Erkenntnisquellen nicht verzichten und diese automatisch erhalten. Im Interesse einer besseren Diagnose der Häftlinge und um richtige Entscheidungen für die allgemeine Sicherheit zu treffen, müssen die Wege zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Strafvollzug kürzer und transparenter werden.

Es bleibt aber, meine Damen und Herren, im Ergebnis festzuhalten, dass dem Strafvollzug im Falle Maik S. keine wesentlichen entscheidungsrelevanten Versäumnisse vorzuwerfen sind. So weit mein Manuskript.

Gestatten Sie mir vielleicht auch noch eine persönliche Bemerkung. Die Arbeit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hat mir als einer Nichtfachfrau auf juristischem Gebiet manchmal arge Probleme bereitet, bestimmte Dinge nachvollziehen zu können. Und trotzdem habe ich in dieser Zeit sehr viel gelernt, habe sehr gut zugehört, habe auch den Ausführungen der Opposition gelauscht. Ich kann Ihnen sagen, die Fraktion der Linkspartei.PDS steht zum Minister, zur Bundesratsinitiative. Aber diese erkannte Gesetzeslücke zu schließen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sehr gut.)

was damit bezweckt war, das, meine Damen und Herren, ist mehr als ein gesetzgeberischer Akt. Wenn diese Gesetzeslücke geschlossen wird, dann wird diese Bundesrepublik nicht mehr so sein, wie sie ist. Das bedeutet nämlich unter Umständen auch, Menschen, die nicht mehr schuldig werden würden, ihr Leben lang im Gefängnis einzusperren. Ob man einen so weitreichenden Schritt wirklich gehen will, darüber, denke ich, sollte man gründlich beraten und ganz vorsichtig nach politischen Meinungen in dieser Beziehung suchen. Auch das habe ich im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gelernt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Hannelore Monegel, SPD)

Danke schön, Frau Schwebs.

Das Wort bekommt jetzt noch einmal Herr Dr. Born von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn jemand wider besseres Wissen falsche Behauptungen aufstellt, so kann man

wohl ohne Weiteres sagen, dass das eine infame Vorgehensweise ist. Ich wende mich jetzt direkt an den Justizminister, weil er hier Behauptungen aufgestellt hat, die nachweislich falsch sind, und weil ich ihm unterstelle, dass er das sehr genau weiß.

Herr Minister, Sie haben erklärt, die CDU-Fraktion habe die Kooperation im Rechtsausschuss aufgekündigt. Dazu darf ich feststellen, dass Sie es waren, der am 25. August 2005 auf ausdrücklichen Antrag der CDU-Fraktion – und diese Vorgehensweise ist schon ungewöhnlich, ich habe den Antrag selbst unterschrieben – dazu gebracht wurde, obwohl Sie sowieso im Rechtsausschuss erschienen, um überhaupt über den Fall Carolin zu berichten. Aber – und das ist das, was Kooperation aufkündigen bedeutet – Sie haben dort erklärt, wir könnten hören wollen, wen wir wollten, Sie allein bestimmten, wer käme, auch beim Generalstaatsanwalt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und sollte der Ausschuss etwas anderes beschließen, werden Sie dem nicht nachkommen. So viel erst einmal zu dieser Wahrheit.

Und übrigens, ich muss mich schon sehr verhört haben, wenn Sie es nicht waren, der dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses empfohlen hat, die Vorsitzende des Zweiten Strafsenats des Bundesgerichtshofs, Frau Dr. Rissing-van Saan, zunächst in den Rechtsausschuss zu holen. Und es war ganz eindeutig, weil Sie geglaubt haben, sie vertritt dort Ihre immer wieder wiederholte Rechtsauffassung. Aber wenn Sie behaupten, sie hätte jetzt ihre Privatmeinung verkündet, dann sollten Sie die Protokolle sorgfältig lesen. Natürlich kann sie genauso wenig wie Sie hier für den gesamten Landtag eine Erklärung abgeben. Sie kann sagen, ich verkünde jetzt eine amtliche Meinung des Bundesgerichtshofs. Dass sich das nicht auf der Ebene der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bewegt, was sie uns dargelegt hat, das ist das andere. Aber mir geht es um etwas anderes.

(Siegfried Friese, SPD: Das Gegenteil ist der Fall, Herr Dr. Born.)

Zum Fall Carolin: Es kann jeder das Protokoll nachlesen, Kollege Friese. Jetzt steht es der Öffentlichkeit zur Verfügung und deshalb sage ich auch heute zu dem ersten Punkt, der den Untersuchungsausschuss betrifft, nichts mehr, weil die Protokolle von heute der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Die sollte man sich mal sehr genau angucken. – Siegfried Friese, SPD: Ihre Aussage stimmt mit Ihrem Protokoll nicht überein.)

Aber was ganz schlimm ist, der Minister hat hier den Eindruck erweckt, als wenn wir im Zusammenhang mit Vorgängen der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg pauschal Staatsanwälte angriffen. Das glatte Gegenteil – und das weiß er genau – ist der Fall. Ich werde das jetzt belegen. Ich verlese jetzt wortwörtlich, was ich hier für meine Fraktion zur Begründung des Antrages zur Einbringung des Untersuchungsausschusses dazu gesagt habe und daraus wird deutlich, dass ich sehr wohl – und jetzt mache ich das weitergehend – bis dahin ein Leitungsversagen bei führenden Staatsanwälten festgestellt habe. Ich mache Sie persönlich für diese Missstände verantwortlich. Es ist Ihr Leitungsversagen.

Ich habe damals Folgendes erklärt, ich zitiere: „Zur Staatsanwaltschaft Neubrandenburg: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist ein Staatsanwalt wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt verurteilt worden. Durch seine sich über viele Monate erstreckenden gröbsten Pflichtverletzungen können zahlreiche Straftaten wegen eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgt werden. Der überwiegende Teil der Verfahren betrifft Fälle von sexuellem Missbrauch, also von pornografischen Darstellungen von Kindern, einen Fall mit Vergewaltigung, aber auch Verfahren aus dem politischen Dezernat, wo es um Aktivitäten der PKK ging.

Das eigentliche Versagen, das dringend aufklärungsbedürftig ist, besteht in der Wahrnehmung der Leitungsaufsicht. Zwei vorgesetzte Abteilungsleiter hielten es trotz Hinweisen einer Geschäftsstellenbeamtin nicht für nötig, das Verhalten des Betroffenen zu überprüfen, sich dessen Akten wirklich anzusehen. Aber auch das hat keine disziplinarrechtlichen Folgen, weil das nun ebenfalls verjährt ist. Das alles ist schlicht ein unglaublicher Skandal, eine Schlamperei ohnegleichen!“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

„Zudem gibt es seit mindestens zwei Jahren Verhältnisse an der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg, die selbst hoch motivierten und einsatzfreudigen Mitarbeitern eine vernünftige und sachgerechte Arbeit nahezu unmöglich machen. Der Minister hat in diesem Zusammenhang im Rechtsausschuss selbst von einer ,Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Behördenleiter und Behörde‘ gesprochen. Die Missstände müssen gründlich aufgeklärt und abgestellt werden, damit qualifizierte Mitarbeiter, Staatsanwälte und andere Bedienstete endlich wieder vernünftig und ohne massive hausgemachte Beeinträchtigungen arbeiten können.“

(Siegfried Friese, SPD: Das ist bereits erfolgt.)

„Die bloße Auswechslung des Behördenleiters, Kollege Friese, ist mit Sicherheit zu kurz gegriffen. Die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft haben einen Anspruch darauf, dass sie wieder vernünftige und korrekte Arbeitsbedingungen bekommen.“ So weit das Zitat.

Herr Minister, wenn Sie sich dann hier hinstellen und behaupten, wir hätten pauschal die Staatsanwälte angegriffen, dann muss ich Ihnen sagen, dafür sollten Sie sich entschuldigen. Es ist Ihr Leitungsversagen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Andreas Petters, CDU: Sofort entschuldigen.)

dass die Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg in einem solchen Zustand ist. Dafür sind Sie persönlich und niemand anders verantwortlich. Sie haben weder den Generalstaatsanwalt, der völlig unfähig war, abgelöst, noch haben Sie die Kraft gehabt,

(Zuruf von Michael Ankermann, CDU)

den leitenden Oberstaatsanwalt in Neubrandenburg nach Hause zu schicken oder ihn sich ins Ministerium zu holen. Sie allein sind dafür verantwortlich. Die Mitarbeiter sind hoch motiviert, die verdienen unseren vollen Respekt. Aber mit dem, was Sie hier heute geboten haben, verdienen Sie ihn nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Tolle Leistung! – Dr. Armin Jäger, CDU: Das war dringend nötig. Eine Frechheit!)

Danke schön, Herr Dr. Born.