Protocol of the Session on June 28, 2006

Meine Damen und Herren, an den Bemühungen um Deregulierung, mal ganz abgesehen vom Ziegelseegespräch, sind in unserem Land im Wesentlichen folgende Akteure beteiligt: Da ist einmal die Landesregierung, zum anderen der Landtag und drittens sind es gesellschaftliche Gruppen oder Teile, die Testregion für Bürokratieabbau Westmecklenburg beziehungsweise die von der IHK Schwerin federführend betreute Projektgruppe. Und ich möchte an dieser Stelle ausdrücklichen Dank namens meiner Fraktion für die Vorschläge und Überlegungen aus dieser Projektgruppe sagen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Sie waren bei der Deregulierung hilfreich und ich kann diese Gruppe nur ermuntern, weitere Themenfelder anzusprechen, bei denen sich aus der Sicht der Wirtschaft Bürokratieabbau lohnt. Die bisherigen Vorschläge machen deutlich, dass vor allem die Praxis selbst in der Lage ist, für sie ganz wichtige Themenbereiche zu identifizieren.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Die letzte Entscheidung aber, und auch darüber besteht Einvernehmen, denke ich, die politische Verantwor

tung für Regulierungs- und Deregulierungsmaßnahmen, liegt bei uns im Parlament. Anderen gesellschaftlichen Organisationen oder Projektgruppen fehlt hierfür die demokratische Legitimation.

Und damit komme ich zum Landtag als einem sehr wichtigen Deregulierungsakteur. Deregulierung heißt für meine Fraktion und mich ausdrücklich nicht weitgehender Verzicht auf Gesetzgebung, ob der Landtag etwas regelt oder nicht, wie er es regelt. Das ist auch Gradmesser unserer politischen Kultur, das ist Landespolitik. Ein wichtiges Beispiel dafür ist das gestern verabschiedete Informationsfreiheitsgesetz. Und es ist deshalb ein gutes Beispiel, weil es eindrucksvoll verdeutlicht, dass die Koalitionsfraktionen bei allen berechtigten Klagen über zu viel Bürokratie fähig und in der Lage sind, auf Fragen der Zeit zu reagieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, noch ein weiterer Aspekt ist zu benennen: Für Fragen der Deregulierung kann es nützlich sein, mitunter auch etwas über den eigenen Landestellerrand hinauszuschauen. So hat der Brandenburger Landtag vor wenigen Wochen ein erstes Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse verabschiedet. Im Vergleich zum Brandenburger Gesetz brauchen wir uns mit unseren Ergebnissen überhaupt nicht zu verstecken.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist richtig.)

Aber in dem dortigen Gesetz Artikel 1 Paragraf 6 gibt es eine Experimentierklausel zur Befreiung von landesrechtlichen Standards, welche auf den ersten Blick sehr an unser etwas lebloses Standardöffnungsgesetz erinnert. Ein zweiter genauerer Blick verdeutlicht dann aber nicht unerhebliche Unterschiede. So kann in Brandenburg neben Personal- und Sachstandards auch eine Befreiung von Verfahrensstandards beantragt werden. Während unser Standardöffnungsgesetz sieben konkrete Standards vorgibt und die zulässige Standardbefreiung auf zehn konkrete benannte Landesgesetze beschränkt, sehen die Brandenburger mit ihrer Experimentierklausel keine materiellen Vorgaben und Einschränkungen vor.

Ich denke, liebe Kollegen, es ist an der Zeit, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden diese Thematik zu Beginn der nächsten Legislatur auf die Tagesordnung zu nehmen. Wenn wir die Chronik unseres geltenden Standardöffnungsgesetzes – ich weiß noch, wie furios der Auftakt war, selbst in meiner eigenen Fraktion – ansehen, liest sie sich nicht gerade wie eine Erfolgsstory und in der vorliegenden Fassung ist es am Ende selbst zu einem Deregulierungskandidaten geworden.

Meine Damen und Herren, eine abschließende Bemerkung zu einem weiteren Deregulierungsakteur, der Landesregierung. Ich möchte namens meiner Fraktion der gesamten Landesregierung für ihre Entbürokratisierungsbemühungen, um das vorsichtig zu nennen, danken, aber vor allem mich auch dem Dank anschließen, der hier schon genannt worden ist, der dem Justizministerium und Herrn Minister Sellering ganz persönlich gilt.

Zum einstimmigen Beschluss des Sonderausschusses am letzten Freitag zur Fortführung der Arbeit der Normprüfstelle wurde hier bereits das Notwendige gesagt. Ich gehe davon aus, dass die Hinweise der Normprüfstelle im Arbeitsbericht 2005 in den Ressorts der Landesregierung

sehr gründlich ausgewertet werden. Dabei denke ich besonders an die Vermutung, dass die Ministerien die detaillierten Fragestellungen zur Notwendigkeit jedes Rechtssetzungsvorhabens erst nach Fertigstellung der Norm beantworten, anstelle dies lieber im Vorfeld zu tun. Den politischen Willen vorausgesetzt ist es ein organisatorisch lösbares Problem in Anlehnung an den ressortinternen Gesetzgebungsplan, eine vorgelagerte Frist für ein ernsthaftes Ausfüllen der Prüfungsbögen gemäß gemeinsamer Geschäftsordnung zu realisieren. Nur dann nämlich lässt sich das Regelungsvorhaben noch relativ emotionslos bewerten und nur dann ist überhaupt ein Ergebnis vorstellbar, wonach eine Regelung verzichtbar sein könnte. Aber es ist so: Auch Juristen sind nur Menschen und kein Mensch stellt nach erst liebevoll getaner Arbeit sein Ergebnis, das er vorgelegt hat, selbst gern wieder infrage.

Meine Damen und Herren, aller guten Dinge sind drei. Das war mein Eingangssatz. Und ich glaube, auch meine Vorredner haben deutlich gemacht, wir sind uns eins in der Überlegung, mit der Abstimmung zum Dritten Deregulierungsgesetz geht die Arbeit weiter. Es bleibt viel zu deregulieren. Packen wir es gemeinsam in diesem Sinne nach dem 17. September 2006 an und bringen wir weitere Vorschläge dazu auf den Tisch des Hauses! – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Meˇsˇt’an.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine beiden Vorredner, Frau Meˇsˇt’an und Herr Ringguth, haben sich in ihren Beiträgen sehr stark auf allgemeine Aspekte des Deregulierungsthemas fokussiert. Ich glaube, dass dies angesichts der Situation – Ende der Legislaturperiode – auch sehr berechtigt ist. Ich habe in meiner Einbringungsrede dieses ja auch getan. Aber da ich dieses schon getan habe, gestatten Sie mir, dass ich mich hier ausgesprochen kurzfasse

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

und dass ich vielleicht versuche,

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur wegen der Kürze!)

dieses an einem konkreten Beispiel zu erläutern, das auch in den Ausführungen des Kollegen Ringguth eine erhebliche Rolle gespielt hat. Herr Ringguth hat gesagt, da hätte möglicherweise dieser Konsens des gemeinsamen Beschließens zerbrechen können. Ja, Herr Kollege Ringguth, diese Möglichkeit hätte es gegeben, aber wir müssen, glaube ich, einmal freimütig einräumen, die Diskussionslinien, die wir da gehabt haben, waren nicht etwa die Diskussionslinien zwischen Koalition und Opposition,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, ja.)

sondern es waren vielmehr die Diskussionslinien innerhalb der Fraktionen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jawohl.)

Ich gebe freimütig zu, auch in unserer Diskussion haben wir natürlich zunächst einmal durchaus kontrovers diskutiert.

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen – und das ist dann fast schon wieder verallgemeinerbar –, solange wir Rechtsbereinigung betreiben, solange wir Deregulierung so verstehen, wie das auch in anderen Bundesländern passiert ist, dass man sagt, wir schmeißen einmal das weg, was ohnehin keiner mehr kennt und keiner mehr anwendet, können uns dann aber in der Presse groß darstellen, solange das passiert, ist das Ganze sehr problemlos. Sobald wir aber beginnen, an Vorschriften heranzugehen, die noch einen Hauch von materieller Bedeutung haben, dann haben wir nahezu immer die Situation, dass Betroffene sich in ihren Interessen berührt sehen und dass Betroffene versuchen, gegen Deregulierung politisch anzugehen. Das ist natürlich ein legitimes Verhalten in einem demokratischen Staat, das Interessenvertretungen durch organisierte Verbände geradezu herausfordert und geradezu will. Aber jeder, der Deregulierung betreibt, der muss dies wissen.

Worum ging es nun hier konkret, meine Damen und Herren? Für alle, die sich mit dem Thema nicht so genau befasst haben: Wenn Sie ein Haus bauen, dann müssen Sie nicht nur eine Genehmigung einholen. Da müssten Sie einen Lageplan vorlegen, wo denn das Haus auf dem Grundstück genau entstehen soll. Wenn das Haus fertig ist, dann müssen Sie es noch einmal einmessen lassen und Sie müssen dieses noch einmal vorlegen, damit das Kataster auch stimmt. Für ein normales Einfamilienhaus, wir haben uns da schlaugemacht, kostet das den Bauherrn so etwa 650 Euro. Das ist einerseits im Vergleich zu den Gesamtkosten des Hauses natürlich nicht die Welt,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Aber immerhin.)

andererseits fragt sich natürlich mancher Bauherr: 650 Euro und am Ende kommt heraus, das Haus steht genau da, wo es stehen soll – wozu gebe ich dann 650 Euro aus?

Nun, die Diskussion um diese Einmessungspflicht, meine Damen und Herren, ich kann es Ihnen sagen, ist mit Verbissenheit und Härte geführt worden und sie ist mit allen zulässigen Mitteln der Lobbyarbeit geführt worden. Es ist uns dargelegt worden, dass wir nur so zu einem genauen Kataster kommen, nur so bei Folgeaufzeichnungen, etwa wo liegen Leitungen et cetera pp., zu vernünftigen Plänen kommen und dass wir nur so Nachbarschaftsstreit vermeiden, ob das Haus nun vielleicht doch einen halben Meter näher an der Grenze steht.

Meine Damen und Herren, auf der anderen Seite ist natürlich ausgeführt worden, dieses ist doch vollkommen überflüssig. Streitfälle können dann in Streitfällen vermessen werden und wir müssen nicht mehr jedes Haus vermessen. Ich frage mich auch: Moderne Technik – kann sie uns nicht das Thema verringern, entschärfen?

Und ich frage mich noch etwas: Nach meiner Kenntnis gibt es ungefähr 180 Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nation sind. Ein solches Kataster, wie wir es hier vorsehen, kennen von diesen 180 Staaten zweieinhalb – Deutschland, Österreich und einige Kantone der Schweiz. Auch in anderen Staaten, ob sie nun in Mitteleuropa oder sonst wo auf dieser Welt liegen, bricht nicht der Bürgerkrieg aus, weil es kein exaktes Kataster gibt. Was also tun?

Deswegen, meine Damen und Herren, möchte ich hier hervorheben, Deregulierung, das führt jeder gern im Wort und Deregulierung zu fordern ist etwas sehr Einfaches.

Wenn man in einem ganz konkreten Fall – und wenn es eine solche vielleicht aus dem Blickwinkel mancher vernachlässigbaren Regelung wie diese Einmessungspflicht ist – an die konkrete Problemstellung kommt, wird es extrem schwierig. Deswegen sage ich noch einmal, wir müssen uns mit dem, was wir erreicht haben, keineswegs schämen. Es ist ganz, ganz harte Detailarbeit, die wir hier geleistet haben und auch zukünftig zu leisten haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Ich bin sehr froh, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur die Möglichkeit des Ja oder des Nein haben, sondern dass wir mit der Testregion die Möglichkeit haben, bestimmte Dinge einfach einmal auszuprobieren, und dass wir uns um eine endgültige, um eine definitive Entscheidung zunächst einmal herumbringen und sagen können, wir probieren das einfach einmal aus in einem abgegrenzten Bereich für einen abgegrenzten Zeitraum und entscheiden nach Auswertung dieser Ergebnisse, ob wir dieses Experiment auf das ganze Land ausweiten oder ob wir sagen, nein, das Experiment war doch nicht so gut, wir packen das Ganze wieder in die Kiste. Das, meine Damen und Herren, ist der Wert der Testregion. Deswegen möchte ich auf diese Testregion keinesfalls verzichten, nicht weil wir Angst haben, sondern weil man bestimmte Dinge in ihren endgültigen Folgen nicht absehen kann. Solche Dinge müssen wir in der Testregion erproben, dafür ist sie da.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich nochmals um die Zustimmung zu diesem Gesetzesvorhaben. Was die Einmessungspflicht angeht, sie wird uns noch einmal beschäftigen, wenn wir Ergebnisse aus der Testregion vorliegen haben. Das ist gut so. Wir dürfen, und da knüpfe ich an meine Vorredner an, Deregulierung nicht mit Regellosigkeit vergleichen. Wir müssen als Politik auch weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten haben.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich glaube, wir alle haben Gestaltungswillen, und dieses geht nicht ohne Regel.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Aber wir müssen auch das Bewusstsein haben, und ich glaube, dieses Bewusstsein breitet sich immer weiter aus, dass wir uns sehr wohl überlegen müssen, ob es tatsächlich sinnvoll und notwendig ist, Regelungen zu treffen, oder ob wir nicht manches auch anderen Regelungsmechanismen überlassen können. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung, wie der Ausschuss sie erarbeitet hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Müller.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Dr. Jäger. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist bei uns nicht so, dass jeder zu allem etwas sagen muss. Wir haben uns das ein bisschen aufgeteilt, weil ich einen Aspekt ansprechen

will, Herr Müller hat es schon gesagt, dass es einen Gesetzentwurf gibt, zu dem vom Ausschuss mehrheitlich die Empfehlung zur Ablehnung gegeben worden ist.

Ich möchte noch auf einige Dinge eingehen, weil diejenigen, die mit uns zusammen den Gesetzentwurf gemacht haben, von denen wir ihn übernommen haben, es verdient haben. Wir haben hier alle, und das möchte ich auch deutlich hervorheben, denjenigen zu danken, die uns angestoßen haben. Die Testregion haben wir nicht erfunden, die Testregion haben Beteiligte erfunden, insbesondere die IHKs, die Handwerkskammern, die Region rund um Schwerin. Das ist die Testregion. Ich bin eigentlich sehr froh, dass wir seinerzeit auf etwas aufgestiegen sind als Fraktion, wozu man beckmesserisch hätte sagen können, na ja, das ist ja kein richtiger Gesetzentwurf und das erfüllt nicht alle formalen Kriterien. Der Justizminister hat das damals gesagt. Und da wir durchaus schon damals um Konsens bemüht waren, haben wir das nicht an die große Glocke gehängt, ob hier Deregulierungswilligkeit sei oder nicht, sondern wir haben ganz einfach unseren Gesetzentwurf, den wir in der Tat übernommen haben, aufrechterhalten. Meine Damen und Herren, da werden Sie mir nicht widersprechen können, ohne diese Initialzündung wären wir heute nicht so weit, wie wir es sind,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Wir sind vorne! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)