Protocol of the Session on January 30, 2003

Das heißt, Sie haben dementsprechend selbst vorgeschlagen, diesen Antrag zu überweisen und nicht anzunehmen, nur offenbar mit dem Ansinnen, dieses Thema in den Bildungsausschuss zu holen. Nur, Sie sind die Vorsitzende des Bildungsausschusses und Ihnen müsste bekannt sein, dass sowohl Ihre Fraktion als auch unsere Fraktion bereits das Thema politische Bildung beantragt haben. Sie haben einen Zettel mit Themen abgegeben, wo die politische Bildung erwähnt ist. Wir haben sie auch benannt, das heißt, darüber besteht auch innerhalb des Ausschusses das Einverständnis, dass wir das Thema diskutieren. Insofern bedarf es dieses Antrages nicht, um dieses Thema im Ausschuss zu besprechen. Aber es sei an dieser Stelle versichert, wir werden dies dennoch im Ausschuss konstruktiv tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Brodkorb.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion Herr Dr. Bartels.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich sehr gut an eine meiner ersten Reden in diesem Hohen Haus 1995, als die damaligen Koalitionäre der PDS-Fraktion wiederholt den Vorwurf machten, dass jetzt Artikel des damaligen Koalitionsvertrages zu Anträgen umfunktioniert werden. Und als ich den Antrag las, hatte ich die Frage: Macht das jetzt die CDU, was uns damals vorgeworfen wurde? Ich will aber deutlich sagen, zuerst ist mir wichtig, dass wir alle gemeinsam die Fragen der politischen Bildung für außerordentlich bedeutsam in der Entwicklung unseres Landes halten. Und ich denke, dass wir an der Stelle in der weiteren gemeinsamen Arbeit anknüpfen sollten und das auch

können. Das finde ich schon gut. Die Frage ist bloß: Brauchen wir dazu diesen Antrag oder, genauer gesagt, brauchen wir dazu den als Antrag formulierten Punkt 190 des Koalitionsvertrages zwischen SPD und PDS? Und ich sage darauf Nein. Ich sage dies im Namen der PDS-Fraktion.

Herr Brodkorb hat eben schon darauf hingewiesen, dass es bereits erste Festlegungen im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur gibt, sich des Themas anzunehmen. Ich hoffe sehr, dass wir die fraktionsübergreifenden Bemühungen der letzten Legislaturperiode, dass sich der Bildungsausschuss aus eigenem Antrieb dieses Problems angenommen hat, wofür es bis dahin keinen Ansprechpartner im Landtag gab, wo wir fraktionsübergreifend versucht haben, Initiativen zu beginnen, um in der politischen Arbeit insgesamt voranzukommen, auf der Grundlage der Vorstellungen der einzelnen Fraktionen dann auch im Bildungsausschuss weiterführen können. Ich denke, Frau Lochner-Borst, dass wir da eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Aktivitäten finden können.

Ich möchte trotzdem noch etwas sagen zu den einzelnen Punkten, die im CDU-Antrag stehen, wo ich mir nicht so sicher bin, ob die Intentionen des Punktes 190 des Koa-Vertrages von der CDU richtig verstanden worden sind. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir eine Stärkung der politischen Bildung wollen. Warum das notwendig ist, darüber sind wir sehr weitgehend einer Meinung. Aber im Koalitionsvertrag steht nicht, dass es um eine Stärkung der Landeszentrale für Politische Bildung geht. Deshalb greift aus meiner Sicht und aus der Sicht der PDS-Fraktion der erste Punkt des vorliegenden Antrages zu kurz. Wir wollen eine ergebnisoffene Diskussion, wie wir eine Struktur für die politische Bildung in diesem Land schaffen. Dabei muss genau überlegt werden, wie wir das strukturieren. Dabei kann am Ende eine Stärkung der Landeszentrale für Politische Bildung herauskommen, es muss aber nicht so sein, denn die Palette und die Problematik der politischen Bildung sind natürlich sehr viel breiter, als das auch heute schon in der Landeszentrale für Politische Bildung gemacht wird. Deshalb halten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt diesen Punkt 1 für nicht zustimmungsfähig.

Der Punkt 2, die Zusammenführung der Mittel, steht nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern ist auch ein wesentliches Ergebnis der vielfältigen Debatten des Ausschusses in vergangenen Legislaturperioden, wo wir versucht haben, in Selbstbefassung hier entsprechende Initiativen zu starten. Wir werden sicher im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte zum Haushalt 2004/2005 über erste Schritte in dieser Richtung zu reden haben und dann auch zu prüfen haben, ob die Schritte die richtigen sind. Und auch deshalb sollten wir uns vor dieser Haushaltsdebatte im Ausschuss schon mit diesen Fragen beschäftigen.

Auch der Punkt 3 ist nun ein sehr spezifisches Problem aus dem Bereich, der in den vergangenen Legislaturperioden immer wieder eine Rolle gespielt hat, und zwar die Frage der Förderung der Bildungsstätten mit Beherbergungsbetrieb. Auch das ist eine Haushaltsfrage und wir werden uns den Nachtragshaushalt angucken müssen, ob es dort Probleme gibt oder nicht. Und wenn es die Probleme gibt, werden wir, denke ich, in bewährter Art und Weise dort Initiativen entwickeln müssen. Ein bisschen widerspricht dieser Punkt 3 Ihrer Forderung, Frau Loch

ner-Borst, nämlich dass wir nicht nur über Finanzen reden wollen. Deshalb ist für mich eigentlich ein systematischer Bruch in den Punkten enthalten. Dass wir auch weiterhin dafür sein werden, die Beherbergungsstätten so weit wie möglich zu fördern, steht für die PDS außer Diskussion.

Punkt 4. Auch hier ist sicher ein sehr wichtiger und richtiger Punkt angesprochen, nämlich die Intensivierung der Weiterbildung von Lehrern. Es ist unstrittig, dass die Schule eine wesentlich stärkere Rolle in der politischen Bildung spielen muss, aber es ist eine Rolle. Und auch deshalb, denken wir, greift dieser Punkt hier an dieser Stelle zu kurz, auch wenn er natürlich einen wichtigen Aspekt benennt.

Zum Abschluss will ich sagen, ich sehe oder ich ahne den Vorwurf, dass die Koalitionsfraktionen sich des Themas nicht annehmen wollen und dass sie aus Prinzip einem Oppositionsantrag nicht zustimmen wollen. Ich denke, das Angebot und die Notwendigkeit, gemeinsam über politische Bildung in diesem Land und ihre Stärkung zu reden, liegt auf dem Tisch. Wir sollten das tun. Wir sollten über diese Dinge gemeinsam reden im Bildungsausschuss und dann auch im Landtag, aber diesen Antrag brauchen wir dafür nicht. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartels.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der CDU-Fraktion Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es scheint, dass die Menschen in der DDR mehr über das System der Bundesrepublik, über die Zusammenhänge dort und die amtierenden Politiker wussten, als dies heute der Fall ist, wo wir alle im vereinten Deutschland leben können. Das sollte uns, die wir Politik nicht nur für uns, sondern für unser Land und die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern gestalten, nicht kalt lassen. Hier wollen wir gegensteuern. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass mehr für die politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern getan werden muss. Darum beraten wir heute unseren Antrag.

Die Kenntnis politischer Zusammenhänge hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Dies zeigen nicht allein Umfragen und sinkende Wahlbeteiligungen. Dies zeigt auch ein Blick auf die Statistik der beliebtesten Fernsehsendungen. Wenn gerade in unserem Land politische Sendungen, und sei es nur die Hauptnachrichtensendung des Abends, nicht einmal mehr genannt werden, sagt dies viel über das Interesse der Menschen an Politik aus.

Jeder von uns erfährt dieses Desinteresse, welches zu Nichtwissen führt, bei der Arbeit im Wahlkreis. Kenntnisse über Politik sind bei immer mehr Menschen noch sehr rudimentär vorhanden. Da werde ich schon mal als jemand von der Regierung aus Schwerin begrüßt, weil doch jeder, der in der Landeshauptstadt tätig ist, irgendetwas mit der Regierung zu tun haben muss. Selbst Lehrerinnen und Lehrern ist der Unterschied zwischen Landtag und Landesregierung, zwischen Gesetzgeber und Verwaltung nur unzureichend klar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserem Antrag fordern wir auch und gerade vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und Erfahrungen, dass alles getan

werden muss, um das Wissen über das Wesen und Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie, der Funktion eines Parlamentes und der Gewaltenteilung weiter zu entwickeln und zu festigen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Eine Ursache des immer wieder beklagten wachsenden Desinteresses nicht nur junger Menschen an Politik ist das Fehlen von Kenntnissen über politische Zusammenhänge. Wo Kenntnisse fehlen, werden Abläufe und Entscheidungen undurchschaubar. Dies trägt zu weiterem Desinteresse bei und führt in der Konsequenz zu der verallgemeinerten Politikerschelte, die uns immer wieder entgegenschlägt. Deshalb muss politische Bildung zuallererst Interesse an und für Politik wecken. Wo Interesse wieder da ist, wird der Einzelne sich mit politischer Willensbildung auseinander setzen. Wer sich mit politischen Entscheidungen auseinander setzt, tut dies erfahrungsgemäß nicht im stillen Kämmerlein. Er wird mit Freunden, Verwandten und Arbeitskollegen über politische Entscheidungen diskutieren. Und wo über politische Entscheidungen diskutiert wird, ist es nicht mehr weit bis zum eigenen Engagement. Das zeigen nicht zuletzt die Lebensläufe von vielen jungen Abgeordneten, die in dieser Legislaturperiode in den Landtag von MecklenburgVorpommern gewählt wurden.

Engagement kann in einer Kommunalvertretung, in einem Verein oder Verband, einer Bürgerinitiative oder in einer Partei stattfinden. Auf dieses Engagement für die gemeinsame Durchsetzung eigener Interessen baut unsere Gesellschaft. Dieses Engagement ist das Fundament. Deshalb ist politische Bildung notwendig, denn sie gewährleistet, dass das Fundament unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung erhalten bleibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Interesse für Politik kann nicht früh genug geweckt werden. Deshalb setzt unser Antrag bei der Schule an. Wir wollen zuallererst mehr für die politische Bildung der Lehrerinnen und Lehrer tun.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sie sind es, die in erster Linie Begeisterungsfähigkeit und Interesse bei Kindern und Jugendlichen wecken. Das geht nur, wenn Lehrerinnen und Lehrer selbst politische Zusammenhänge durchschauen und das Zustandekommen politischer Entscheidungen begreifen.

Wir wollen allerdings nicht, dass Träger der politischen Bildung im Land und auch in den Schulen tätig werden. Hier sind die Lehrer für die politische Bildung verantwortlich. Aufgabe des Landes ist es, dafür zu sorgen, dass die Lehrer für die Wahrnehmung dieser Verantwortung fit gemacht werden. Hier ist nicht nur die Landeszentrale für Politische Bildung oder einer der vielen Bildungsträger in unserem Land gefragt. Jeder von uns Abgeordneten kann dazu beitragen, denn Interesse lässt sich vor allem über Authentizität wecken. Und diese ist vor allem dann gegeben, wenn aus erster Hand über Politik berichtet wird. Deshalb möchte ich uns alle ermuntern, selbst an die Schulen im Land zu gehen oder Schulklassen hier in den Landtag einzuladen. Das ist politische Bildung aus erster Hand, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wichtig erscheint mir auch, dass wir uns in der Diskussion mit Schülerinnen und Schülern Klischees über Politik

entgegenstellen. Dazu gehört für mich, vor allem mit dem Unsinn aufzuräumen, Politik müsse im Konsens stattfinden, quasi am runden Tisch. Politik kann und sollte nur in ganz wenigen Fällen, da, wo es um ganz Grundsätzliches geht, im Konsens stattfinden, denn Politik ist immer das Ringen darum, eigene Vorstellungen, Konzepte und Werte in der Gesellschaft durch- und umzusetzen. Konsens um des Konsenses willen würde unsere Gesellschaft lähmen. Über unterschiedliche Lösungen für Probleme und Herausforderungen muss gestritten werden können. Voraussetzung dafür ist eine demokratische Streitkultur.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Diese – und hier sehe ich eine wichtige Aufgabe der Landeszentrale für Politische Bildung – gilt es zu vermitteln.

Wir müssen gerade Jugendliche befähigen, politische Diskussionen zu führen, Argumente auszutauschen. Deshalb muss die Frage gestellt werden, ob bei einem Blick auf die Programme der Landeszentrale aus den vergangenen Jahren die politische Bildungsarbeit im Land diesem Ziel bislang gerecht wurde.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir müssen uns mehr als bisher ehrlich und aufrichtig die Frage stellen: Was soll mit den Angeboten zur politischen Bildung erreicht werden? Die Teilnehmerzahlen an den verschiedenen Seminaren sagen nichts über die Wirkung. Wie tragen Seminare wie „Frauen und Geld“ dazu bei, das Wissen über das Wesen und Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie zu verstärken?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wie kann ein Seminar mit dem Titel „Geld regiert die Welt“ über die Funktion eines Parlamentes aufklären? Was hat ein Seminar zum Thema „Die DDR-Frau zwischen Mythos und Realität“ erreicht, um über die Grundprinzipien der Gewaltenteilung aufzuklären?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Margret Seemann, SPD: Da hätten Sie vielleicht mal teilnehmen sollen. Wissen Sie, wenn Sie keine Ahnung haben, dann sollten Sie sich besser nicht dazu äußern. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Rudolf Borchert, SPD: Dafür ist ja politische Bildung gedacht, ja, ja!)

Ja, gut, Frau Seemann, aber nicht in der Frage.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Wahrscheinlich hat es nicht viel gebracht. Im Zweifelsfall haben sich hier ohnehin Gleichgesinnte getroffen und ein nettes Wochenende verbracht. Das mag eine gute Freizeitgestaltung gewesen sein, ist aber nicht die Aufgabe von politischer Bildung, Frau Seemann.

(Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Birgit Schwebs, PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen daher eine klarere Zielstellung der vielfältigen Angebote. Wir müssen mehr als in der Vergangenheit darauf achten, dass Multiplikatoren erreicht werden, die gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen von sich aus weitergeben.

Mit unserem Antrag machen wir außerdem deutlich, dass es uns darum geht, die unbestrittene Notwendigkeit

einer Neuordnung der politischen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern zu einer Sache des Parlaments zu machen.

(Kerstin Fiedler, CDU: Sehr richtig.)

Wenn wir aus der Mitte des Landtages heraus gemeinsam eine Veränderung herbeiführen, wird dies die politische Bildung stärken. Deshalb wünsche ich mir, dass wir im dafür zuständigen Ausschuss diskutieren, was politische Bildung erreichen kann und erreichen soll. Hierüber sollte nicht in Hinterzimmern beraten werden. Das muss offen und transparent geschehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Wenn man den „Nordkurier“ von gestern ernst nimmt –

(Heike Polzin, SPD: Das war eine Ente.)