Haben Sie sich mal angeguckt, wenn Sie davon reden, das richtige Schrittmaß zu finden, wie 1995 die Funktionalreform angegangen worden ist, die kostensenkenden Strukturmaßnahmen? Und, Herr Müller, ich bin gern bereit, Ihnen zu erzählen, wer da wo blockiert hat, gerade im Umweltrecht. Die Liste war viel länger. Ich habe die Liste noch da, was eigentlich an Aufgaben wegfallen sollte, was an Aufgaben runtergegeben werden sollte. Dort hat jemand blockiert, der war Mitglied der SPD-Fraktion, und das ganz massiv. Anderthalb Jahre ist dort gearbeitet worden unter Federführung der Staatskanzlei. Und es war sicher nicht der große Wurf, wenn man sich heute noch mal die Ergebnisse anguckt, weil die Debatte zu den Amtsgerichten alles überdeckt hat, gerade auch was an Aufgabenverlagerungen herausgekommen ist.
Nur, wenn Sie wenigstens dieses Ergebnis erreichen von der Quantität her und von der Qualität her, dann, muss ich sagen, haben Sie etwas erreicht. Und ich würde hier in bestimmten Bereichen nicht den Mund zu voll nehmen und alte Hüte sind unsere Erfahrungen überhaupt nicht. Ich, Herr Müller, habe zwei Funktionalreformen mitgemacht, die 93er bis 94er und die 95er bis 97er, und ich habe heute noch das Schreiben liegen, wer 1997 gesagt hat, bis hier und nicht weiter. Das waren der Deutsche Gewerkschaftsbund und der SPD-Fraktionsvorsitzende Harald Ringstorff. Und die SPD war Regierungspartei. Das sind die Tatsachen, sonst hätten wir damals viel, viel mehr erreichen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir uns fragen, wo wollen Sie eigentlich hin, dann wird doch darüber sinniert, eine Zweierstruktur zu schaffen, eine Dreierstruktur, eine Viererstruktur der kommunalen Behörden. Dann ist wieder alles ergebnisoffen. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, wenn Sie nicht aufhören, ständig die Diskussionen in den Vordergrund zu stellen, anstatt etwas vorzulegen, worüber man diskutieren kann,
worüber man wirklich diskutieren kann, dann werden Sie die Verunsicherung vor Ort überhaupt nicht zurückführen können.
Und eins, was die Empfehlung der Enquetekommission betrifft: Ich, und dazu stehe ich, rate dringend, die Ämter nicht zu groß zu fassen. Landrat Bräunig wollte ein Amt um Gadebusch machen mit 35.000 Einwohnern.
Das ist mehr als der Altkreis Gadebusch. Das war der Ansatz. Und wenn sich dann freiwillig Ämter von über 15.000 Einwohnern bilden, dann bitte schön, bloß, sie müssen doch noch handlungsfähig sein. Im Einzelfall mag das ja möglich sein, aber in bestimmten Regionen überhaupt nicht. Und deswegen negiere ich doch nicht die Ergebnisse der Enquetekommission.
Und eins will ich Ihnen auch sagen: Normieren Sie das doch endlich mal gesetzlich! Gehen Sie doch nach draußen! Sie schaffen doch Verunsicherung ohne Ende. Warum normieren Sie nicht die Kommunalverfassung und sagen, Mindesteinwohnerzahl für amtsfreie Gemeinden 5.000, für Ämter 6.000 und so weiter und so fort? Freiwilligkeit bis 31.12.2004, dann weiß man auch vor Ort, was man zu tun hat, und muss nicht die Angst haben. Das ist doch der Punkt, dass man sagt, wenn die vier Regionalkreise, wann auch immer, gebildet werden, dann ist alles das für die Katz, was wir machen, denn dann brauchen wir Strukturen. Und das Wort „Gemeindeamt“, das habe ich auch sehr wohl vernommen, was der Herr Minister gesagt hat, nicht unter 20.000 Einwohnern, sondern eher 25.000 bis 30.000 Einwohner. Aber wenn Sie heute eine gesetzliche Grundlage schaffen, dann werden Sie den Prozess vor Ort auch weiter befördern. Das ist die Tatsache, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Meine Damen und Herren, Sie haben in den Eckpunkten eine Aussage drin, die ich mehr als dreist finde, Zitat: „Die gegenwärtige Struktur der Landkreise und kreisfreien Städte entspricht nicht mehr den Anforderungen. Kaum ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt kann heute alle wichtigen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung zufriedenstellend wahrnehmen.“
„Die Probleme erfordern regionale Lösungen.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf welcher Basis beruht diese Aussage? Das, was Sie hier sagen, ist eine Ohrfeige für Oberbürgermeister, für Landräte und für die Mitarbeiter in den Kommunalverwaltungen.
Ich halte es für eine sehr, sehr dreiste Aussage. Und ich halte es auch deswegen für eine dreiste Aussage, weil die Kommunen in diesem Land in den letzten fünf Jahren fast 9.000 Stellen abgebaut haben, genau 8.788. Das ist die Tatsache! Die wirklichen Probleme, die verschleiern Sie. Ich habe mir mal, Herr Borchert, das Haushaltssicherungskonzept des Müritzkreises vorgenommen: von 1995 bis 2003 ein Minus an Schlüsselzuweisungen von 5 Millionen Euro; Personalkostenanstieg, trotz Personalabbau, 1 Million Euro; Steigerung der Sozialhilfe und der Jugendhilfe von 4,8 Millionen Euro. Das sind die Tatsachen, die die Kommunen bedrücken. Und die Aufgaben, die ihnen übertragen werden, die nehmen sie doch wahr. Oder haben Sie gehört, dass ein Bescheid für Sozialhilfe nicht ordnungsgemäß ausgereicht wurde? Haben Sie gehört, das die Kfz-Zulassung nicht vernünftig läuft? Haben Sie gehört, dass die Bauanträge monatelang, jahrelang liegen bleiben, weil dort nicht vernünftig gearbeitet wird? Und wenn Sie dann noch sagen, die Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung, dann sage ich Ihnen, gerade die Aufgaben, die erfüllen sie alle vernünftig und ausreichend.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich, und darüber lassen Sie uns mal diskutieren, ich stelle eine Behauptung auf, dass der Landkreis Ludwigslust in seiner heutigen Struktur, in seiner heutigen Größenordnung alle die Aufgaben wird ausführen können, die wegfallen beziehungsweise dann letztendlich übertragen werden. Und, Frau Schulz, der Vergleich mit dem Zug, der hinkt.
Ich habe die große Angst, dass da mehr Verspätungen drin sein werden, dass da gegebenenfalls noch Entgleisungen zustande kommen.
Ich hoffe aber nicht, dass irgendwelche Züge noch irgendwo zusammenstoßen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns erst mal sehen, uns als Landtagsabgeordnete, was denn die Landesregierung insgesamt überhaupt zu bieten hat!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Müller, Bayern als Beispiel, das Land mit der niedrigsten Verschuldung in Deutschland, der Freistaat mit dem geringsten Personalbesatz in der Landesverwaltung, das Land, was wirklich den Ruf hat, eine exzellente Verwaltung zu haben, das ist nun wirklich ein sehr, sehr schlechtes Beispiel. Gehen Sie noch mal in aller Ruhe daran und zählen Sie nach, wie in den letzten vier Jahren Ministerien vergrößert wurden, Abteilungen dazugekommen sind, wie Ministerbüros immer größer geworden sind!
Denken Sie an den letzten Fall wieder im Bauministerium, dann, glaube ich, hätten Sie genug zu tun! Und da sollten Sie auch mal selber ein bisschen mehr mea culpa machen, denn das wäre, glaube ich, gut für uns alle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, wenn man wirklich – das ist nicht nur ein Zeichen, das ist auch ein Stück Strukturpolitik – beim Kabinett anfängt, das ist ein erster Schritt, aber er ist aus unserer Sicht auch sinnvoll, um insgesamt besser Verwaltungsreform, Funktionalreform und letztendlich auch eine neue Struktur zu beschließen. Sie werden, das sage ich Ihnen voraus, so, wie Sie heute strukturiert sind, in hohem Maße scheitern. Oder glauben Sie wirklich, dass ein zukünftiger SPD-Parteivorsitzender, der jetzt Landwirtschaftsminister ist, nach dem Willen des Innenministers gänzlich ohne Landesbehörden dastehen will? Dann kann er sein Regierungsamt auch gleich aufgeben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schritt für Schritt ist richtig, aber Vernunft ist angesagt und der erste Schritt, der muss ein vernünftiger sein. – Danke.
Herr Abgeordneter Müller, Ihre aufgeregte Bemerkung im Redebeitrag weise ich als unparlamentarisch zurück.
(Heinz Müller, SPD: Welche denn? – Heike Polzin, SPD: Welche? – Minister Dr. Gottfried Timm: Was hat er denn gesagt? – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)
Herr Abgeordneter, ich zeige Ihnen gerne diese Bemerkung. Ich möchte sie in diesem Hause nicht wiederholen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen machen, jetzt, wo der Qualm ein wenig verraucht. Schlagabtausch, auch in der Form, wie wir ihn hier führen, belebt die politische Auseinandersetzung und er muss deswegen auch sein. Aber ich sage, mit diesem Schlagabtausch und mit dieser, ich nenne es mal, Belebung der politischen Auseinandersetzung reichen wir Ihnen, insbesondere Ihnen, Herr Rehberg, und Ihrer Fraktion, die Hand. Und damit meine ich es ernst. Sie hatten mich vor einiger Zeit gefragt, ob wir es tatsächlich ernst meinen. Ich sage Ja. Und ich möchte gerne anknüpfen an die Arbeit, die ich, auch aus Ihrer Fraktion kommend, als sehr konstruktiv empfunden habe in der Enquetekommission, insbesondere die Arbeit an der Strukturierung der Ämter und amtsfreien Gemeinden. Herr Dr. Jäger, Amt im Sinne von Verwaltung für die gemeindliche Ebene. Es gibt auch Ämter im Land und im Kreis, ich meine die Verwaltung für die gemeindliche Ebene. Damit Sie kein Missverständnis mit nach Hause nehmen.
Wenn der CDU-Antrag zur Auflösung zweier Ministerien hier und heute abgelehnt wird, dann sage ich Ihnen trotzdem, wir nehmen ihn mit in die Arbeits- und Verwaltungsreform, weil wir an einem Punkt ankommen werden, der ist bloß heute noch nicht erreicht, wo genau diese Frage, die Sie ja auch schon vorbereitet haben in der Zeichnung von neuen Zuständigkeiten, zu beantworten ist. Und ich sage Ihnen zu, Ihre Arbeit war nicht umsonst. Wir nehmen Sie mit und wir werden auch weitere Vorschläge von Ihnen in dieser konstruktiven Art und Weise berücksichtigen.
Unser Ziel ist es, unser Ziel als Koalitionsregierung aus SPD und PDS ist es, die Opposition einzubinden, aber natürlich auch die Wirtschaft, die Gewerkschaften, vor allem auch die Mitarbeiter in den Verwaltungen, vor allem auch die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in den Kreisen und in den Gemeinden. Ich meine, gerade deswegen war es wichtig, ein Eckpunktepapier vorzulegen, das die Ergebnisse nicht vorwegnimmt, sonst braucht man darüber nicht zu diskutieren. Wir haben eine ergebnisoffene Arbeit angefangen und uns als Landesregierung erlaubt, die Meinungsführerschaft, die wir auch politisch zugewiesen bekommen durch den Wähler, in diesen Eckpunkten darzulegen.
Alle sind eingeladen mitzumachen. Unser Ziel ist es, und da, glaube ich, sprechen wir allen Bürgerinnen und Bürgern aus dem Herzen, eine moderne, leistungsfähige und kostengünstige Verwaltung in diesem Lande zu entwickeln. Und wie gesagt, Tatkraft ist erforderlich. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit.
Sie hatten von einer langfristigen, umfassenden Entbürokratisierung gesprochen. Das hörte sich etwas nach einem kleinen Jahrhundertwerk an. Halten Sie dann die vier Regionalkreise – erste Frage – unter diesem Aspekt für eine langfristige Entbürokratisierung?
Zweitens. Müssten dann nicht eher gemeinsam größere Strukturen im Hinblick auf die EU-Osterweiterung – Stichwort Nordstaat – berücksichtigt werden mit den entsprechenden EU-Regionen, sagen wir mal Mecklenburg, Vorpommern, Schleswig, Holstein, Hamburg, Bremen und Wesermarsch, Lüneburg, zum Beispiel?
Und drittens. Wäre dann nicht doch unter diesem Gesamtaspekt einer der ersten Ansätze, die Ministerien zu überprüfen?