Protocol of the Session on January 30, 2003

Wie war Ihre Aktion? Sie war ja originell gedacht, aber leider nur populistisch.

(Minister Helmut Holter: Das ist Ihre Rede!)

Kapital sucht Ideen und in unserem Land suchen 16.000 arbeitslose Bauarbeiter Arbeit. Das kann es nicht sein! Ein sechstes „I“ sollte hinzugesetzt werden, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, im Einklang mit Ihrem Arbeits- und Bauminister. Ideen muss man haben und dafür natürlich auch Geld.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch eine wohl jahrelang anhaltende Diskussion – ich muss erst einmal etwas trinken –

(Heinz Müller, SPD: Prost!)

über eine Struktur- und Gebietsreform im Land ist wohl die interne Hausaufgabe der Landesregierung und Verwaltungen, Landkreisverwaltungen auf kommunaler Ebene und auf Städteebenen, nicht etwa die Erwartungshaltungen der Bürger an die Landespolitik,

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

denn egal, wie viele oder wie wenig breite Striche Sie durch unsere Landkarte ziehen werden, die Bürger sehnen sich nicht nach neuer Verwaltungsmacht und Beamtenstadeln, sondern nach Arbeit, nach sozialem Halt in ihrer Heimatregion. Unsere Menschen wollen nicht ständig neu verwaltet werden, sondern unsere Menschen wollen aktiv und sinnvoll mit Arbeit ihr Leben gestalten. Tausende Jugendliche wandern ab – nicht weil ihnen eine Kreisgebietsreform fehlt, nein, einfach die Perspektiven sehen sie im Moment nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich freue mich über die Vision, Herr Ministerpräsident hat sie ja beim Neujahrsempfang ausgesprochen, kinderfreundlichstes Land Deutschlands zu werden. Ich finde das sehr gut, gerade in der Gestaltung der sozialen Lebensqualität können wir durch unsere hervorragenden natürlichen Ressourcen aus dem Vollen schöpfen. Doch so natürlich schön und beschaulich an Bau- und Kulturdenkmalen unser Land ist, wir brauchen genau deshalb auch diese vitalen Innovationskontraste wie das MaxPlanck-Institut in Greifswald, Spitzenforschung in der Medizin,

(Hans-Heinrich Jarchow, SPD: Kommen Sie mal zum Thema zurück!)

Herr Professor Metelmann hat gestern sehr gute Beispiele gebracht, und wir brauchen auch den Eurorapid, um Mecklenburg-Vorpommern in die wirtschaftlichen Distributionsgebiete wie Berlin, Hamburg und das Ruhrgebiet einzubinden.

(Heiterkeit bei Dr. Martina Bunge, PDS)

Ich freue mich über Ihre Lustigkeit, Frau Dr. Bunge. Ich hoffe, dass Sie das den Menschen dann zum Wahltag wieder erläutern dürfen und dann auch diese Fröhlichkeit beibehalten.

(Hans-Heinrich Jarchow, SPD: Zum Thema! – Dr. Martina Bunge, PDS: Ich dachte, Sie kommen mal zum Thema zurück.)

Modernes, innovatives, vitales Wirtschaftsdenken bedeutet Entwicklung und Zukunft für unser Land.

Wer kennt ihn nicht, den Satz: Alle Wege führen nach Rom. Können wir uns den gleichen Satz für unser Land auch stellen? Aber wissen wir alle eigentlich um seine geschichtsträchtige Infrastrukturbedeutung?

Und das sage ich jetzt zu meinem verehrten Kollegen Herrn Schult,

(Ute Schildt, SPD: Schulte!)

dass Sie sagen, ist die Frage zur rechten Zeit gestellt. Zum Glück hatten wir die Römer. Man höre und staune: Was in der heutigen Welt Autobahnen und Highways leisten, schafften im Römischen Reich einst so genannte Konsularstraßen. Sie waren in der Regel damals bereits, ich sage Ihnen auch gleich das Zeitalter, 4,10 Meter breit und nach dem Konsul benannt, der ihren Bau begonnen hat, auch ein Anspruch vielleicht für diese Zeit. Die erste und bedeutendste Straße war die Via Appia, immerhin 2 4 0 Kilometer lang, benannt nach dem Konsul Appius Claudius Caesar. Sage und schreibe hat uns das Imperium Romanum 100.000 Kilometer Allwetterstraßen hinterlassen. Von Rom aus konnte man mit Pferd und Wagen komfortabel bis Lyon, Paris, Wien, Augsburg, Köln, sogar bis Saloniki reisen. Und die Damaskusroute verband eine Reihe nordafrikanischer Küstenstädte.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum dieser Ausflug?

(Heinz Müller, SPD: Ja, das fragen wir uns auch!)

Genau, Herr Müller, da freue ich mich allein schon über die Frage.

(Hans-Heinrich Jarchow, SPD: Tolle Geschichtskenntnisse!)

Dieses Straßennetz fand bereits gegen Ende des 1. Jahrhunderts seine Vollendung. Und 1.900 Jahre später fragen Sie, warum wir einen Eurorapid bauen wollen. Das ist doch tragisch!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Straßennetz des Römischen Reiches lieferte bis in das späte Mittelalter hinein die Grundlage für die Blüte von Handel und Verkehr in Europa. Bis zur Erfindung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert blieb auch das Tempo im Straßenverkehr genauso. Und ich frage Sie, sehr geehrte Abgeordnete, was für einen Zeitgeist haben wir Deutschen eigentlich? Europäisch reden, alle Tagesordnungspunkte vorher, Europa, Europa in allen Dimensionen, ja?

(Heinz Müller, SPD: Wir sind sogar stolz, alte Europäer zu sein.)

Ja, das ist auch vernünftig. Nur sollten wir auch vielleicht so handeln und nicht immer wieder das Treudeutsche durchgucken lassen.

Seit 1934 liegt das Patent für die Magnetschwebebahn bereit. Es war übrigens ein Fleischerssohn, der 1928 dieses mit seinem klugen Kopf vollbracht hat. 69 Jahre haben wir gebraucht, um uns nicht von unserer eigenen Hochtechnologie überwältigen zu lassen, sondern von den Chinesen, fernab in China wurde es gebaut, obwohl ich mich für die Chinesen mitfreue, das sei angemerkt.

Wir haben Jahre ausgefüllt mit Streckenplanungen, Schreibtischen voller Gutachten, Säle gefüllt mit Bedenkenträgern, Gerichtstermine mit Beschwerdeführern. Indessen ist Finnland auf Platz 1 in Europa durchgestartet, das Hongkong des Nordens, Dänemark hat den Storebælt und den Øresund gebaut und in Schweden wächst die Lundtregion zu einem Herzstück europäischer Forschungs- und Spitzentechnologie heran. Wir selbst vielleicht verpassen diese Aufbruchstimmung und erkennen nicht, dass unser Land nicht auf den Europaverkehr auf der Schiene vorbereitet ist.

Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend für die Zukunft unseres Landes sein, wie es uns hier gelingt, von den drei großen Wirtschaftsregionen Berlin, Hamburg und Ruhrgebiet wirtschaftlich erreichbar zu sein, nicht mal nur, dass wir wegfahren, sondern dass wir erreicht werden können. Die Anbindung an den internationalen Frachtund Luftverkehr muss uns gelingen. Über europäische Netze sich dem Weltmarkt anzuschließen ist dringende Hausaufgabe.

Die europäischen Verkehre werden alle Bundesländer in neue wirtschaftliche Dimensionen führen, so man den Anschluss nicht verpasst. Und ich sage auch ganz klar heute schon, auch die Deutsche Bahn AG gilt es landesseitig schwer im Auge zu behalten in der Verhandlung mit Dänemark zu Scandlines.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr wahr.)

Zur Problematik: Die EU hat 3,6 Milliarden Euro für die Fehmarn-Belt-Querung in Aussicht gestellt, so Dänemark die Eigenanteile aufbringt.

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU)

Wenn Mecklenburg-Vorpommern hier nicht sich abzeichnende Interessenlagen im Unternehmen Scandlines erkennt, könnte der Standort Rostock für die Güterund Kombiverkehre im Ostseeraum auf lange Sicht das Nachsehen haben. Schleswig-Holstein hat die Nase vorn und vielleicht dann auch das Modell Nordstaat.

Wie sagte einst unser großer Klassiker Johann Wolfgang von Goethe? „Um Deutschland ist mir nicht bange, das werden die Lokomotiven tun.“ Vielleicht können wir das auch denken oder vage andeuten, da wir uns ja nicht überrumpeln lassen durch unsere euphorischen Intuitionen. Um eine europäische Wirtschaftspolitik in Mecklenburg-Vorpommern ist mir nicht bange, das wird vielleicht die Landespolitik mit ihrer Entscheidung für einen Eurorapid oder einer Strecke tun. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie genug Mut haben, sich zumindest entscheiden zu können, diesen Antrag in die Ausschüsse zu überweisen. Ansonsten wünsche ich Ihnen viele unterhaltsame Märchenstunden für Ihre Enkelkinder. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Skrzepski.

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Schwebs für die Fraktion der PDS. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, die Redezeit konstruktiv auszunutzen und zum Thema zu sprechen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und keinen Wunschbriefkasten aufzumachen.

Frau Skrzepski, so gern ich Ihnen sonst zuhöre, aber ich denke, wäre es ein Aufsatz in der Schule gewesen, hätte darunter gestanden: Leider Thema verfehlt, sehr interessant, aber …

(Heinz Müller, SPD: Setzen, 5, hätte darunter gestanden.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der PDS wird im Zusammenhang mit diesem offensichtlich doch sehr breiten Thema immer wieder und mit Vorliebe Technologiefeindlichkeit vorgeworfen, die einzig dazu tauge, großartige Investitionsvorhaben zu verhindern. Bei unserem heutigen Thema, meine Damen und Herren, handelt es sich aber um ein Vorhaben, das in der Tat von besonderer Größe ist. Es ist sogar so groß, dass die CDU gleich zwei Namen bemüht, um seine Dimension zu beschreiben, denn mit ihrem vorliegenden Antrag zum Projekt Eurorapid soll ein Vorhaben wiederbelebt werden, das als Transrapid schon vor Jahren in Unehren zu Grabe getragen wurde.

(Jörg Vierkant, CDU: Leider.)

Ich erlaube mir, Sie daran zu erinnern, dass die Grabreden damals nicht nur Trauer um eine moderne Technologie ausdrückten, sondern gleichsam auch den Sieg der Vernunft über das Unvernünftige feierten. Was sich also gegenwärtig hier in Hamburg und in den Niederlanden vollzieht, ist keineswegs eine neue Diskussion, sondern lediglich die Fortsetzung der Bewertung einer Idee. Dabei bedeutet für uns die Fortsetzung der Bewertung eben auch, dass sich die PDS natürlich der Mühe unterzieht, die Entwicklungen der Technologie zu verfolgen und erreichte Ergebnisse immer wieder neu zu beurteilen.

Nur, Herr Born, es gibt leider keine neuen Entwicklungen. Es gibt nur Visionen und Diskussionen über gewünschte transeuropäische Verbindungen, die möglicherweise vielleicht auf der Schwebetechnik beruhen werden. Was den konkreten Gegenstand unserer Parlamentsbefassung jedoch betrifft, kann zu Recht festgestellt werden, dass die technologische Entwicklung auf diesem Gebiet in den vergangenen zwei Jahren durchaus überschaubar geblieben ist.