Dass nicht automatisch jeder togolesische Staatsangehörige ausgewiesen wird, zeigen im Übrigen die Zahlen. Von bundesweit 11.917 Aufhältigen sind nur 1.917 Personen ausreisepflichtig.
Meine Damen und Herren, der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat am 11.04.2006 die Abschiebung von togolesischen Staatsangehörigen für die Zeit vom 11.04.2006 bis zum 10.10.2006 aus humanitären Gründen gestoppt. Wir haben im Innenausschuss eine Anhörung zur Lage der togolesischen Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern und der Situation in ihrem Heimatland gehabt. Mein Eindruck als Landtagsabgeordneter des Landes Mecklenburg-Vorpommern hierzu war, dass es aufgrund dieser Anhörung ungemein schwierig ist, sich ein differenziertes Urteil zu bilden. Ich persönlich möchte mich nicht dazu aufschwingen, über das Urteil befähigter, qualifizierter und in der täglichen Arbeit wirklich erfahrener Fachleute im Auswärtigen Amt hinweg Entscheidungen über die Sicherheitslage von Flüchtlingen bei Abschiebungen in andere Staaten dieser Welt zu treffen. Das Auswärtige Amt schätzt die Lage nach Lagebericht, in diesem Fall von Ende Februar 2006, nach unserer Kenntnis als schwierig, aber nicht gefährlich für Rückkehrer ein. Ich will aber die Entscheidung für diesen Abschiebestopp weder kritisieren noch gutheißen. Das kann ich ebenfalls nicht beurteilen.
Unser Antrag gründet sich allein darauf, dass Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, im Alleingang diese Entscheidung getroffen hat. Das ist unseres Erachtens aus der Sicht der Gesamtheit aller ausreisepflichtigen Togolesen in der Bundesrepublik Deutschland inhuman, denn jetzt werden die ausreisepflichtigen Togolesen, die nach dem Königsteiner Schlüssel zufällig nach Mecklenburg-Vorpommern verteilt wurden, für sechs Monate nicht abgeschoben. Alle anderen Bundesländer aber schieben nach wie vor ab.
Eine derartige Ungleichbehandlung ist aus der Sicht der Betroffenen überhaupt nicht nachvollziehbar.
Es gibt nämlich keinen Grund für einen Abschiebestopp, der allein auf die landestypischen Besonderheiten zum Beispiel unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern zurückgeführt werden könnte. Die Gründe für den Abschiebestopp liegen, soweit ich es verstanden habe, in der Situation im Heimatland der Togolesen. Und diese Situation ist völlig identisch, und zwar für alle togolesischen Staatsangehörigen, ob sie sich nun in Niedersachsen, in Mecklenburg-Vorpommern oder in Bayern aufhalten.
In Berlin haben die ganz andere Probleme. Da geht es mehr um Kongolesen. Das hat aber auch einen ganz bestimmten Grund,
Eine Begründung für einen Alleingang MecklenburgVorpommerns, der diese im föderalen System hinnehmbare Ungleichbehandlung rechtfertigen würde, ist mir überhaupt nicht ersichtlich. Daher – bei allem Respekt vor der Souveränität der Landesregierung, die von den rechtlichen Möglichkeiten des Paragrafen 60a Aufenthaltsgesetz (Duldung) Gebrauch gemacht hat – sieht es die CDUFraktion für zwingend erforderlich an, eine bundeseinheitliche Abschiebepraxis wieder herzustellen. Das heißt, dass sich entweder der überwiegende Teil der Länderinnenminister darauf einigt, einen vorübergehenden Abschiebestopp für Togolesen auszusprechen, oder dass Mecklenburg-Vorpommern diesen aufhebt, um sich der derzeitigen Praxis der anderen Bundesländer wieder anzuschließen. Es kann doch nicht zweierlei Klassen von togolesischen Ausreisepflichtigen in der Bundesrepublik geben. Das nenne ich ungerecht.
Meine Damen und Herren, ein Abschiebestopp ist doch nur eine vorübergehende Regelung. Letztlich ist die Maßnahme an sich dadurch nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Man gaukelt den Betroffenen hier eine Sicherheit vor, die letztendlich nicht gewährleistet ist. Was passiert denn eigentlich mit den Togolesen, wenn die sechs Monate vorüber sind? Wollen Sie die Duldung dann in eine Aufenthaltserlaubnis übergehen lassen gemäß Paragraf 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz?
Ja, warum nicht? Aber in diesem Fall müsste dann zwingend, das war ja eben der Verweis auf Paragraf 23 Absatz 1, die Bundeseinheitlichkeit hergestellt werden. Wenn dies aber schon beim Abschiebestopp nicht möglich war, wie wollen Sie die Zustimmung der anderen Bundesländer dann für eine Aufenthaltsgewährung herbeiführen? Ich bezweifle, dass dies möglich sein wird. Letztlich muss dann irgendwo doch abgeschoben werden. Die CDU-Fraktion hält es auch aus diesem Grund für zwingend erforderlich, bereits jetzt eine Bundeseinheitlichkeit beim Abschiebestopp zu erreichen, um dann hinterher eine Aufenthaltsgewährung zu erreichen. Alles andere ist ein Spiel mit der Hoffnung unschuldiger Menschen und das wollen wir nicht.
Der Bundesinnenminister, ich hatte es vorhin schon einmal gesagt, war bei der Bundesinnenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen. Wir haben im Ausschuss gehört, er würde dort entsprechend einen Antrag einreichen.
Nach dem, was uns bekannt ist, wir verfügen ja nicht über interne Protokolle, hat es solche Anträge nicht gegeben oder sie sind zurückgezogen worden.
Es ist, wie man hören konnte, darüber gesprochen worden, aber einen solchen Antrag hat es nicht gegeben oder er ist zumindest nicht aufrechterhalten worden. Das hätte dann aber, meine Damen und Herren, unbedingt der Fall sein müssen. Das wäre logisch, das wäre für mich konsequent. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der CDU-Fraktion zuzustimmen. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat um das Wort gebeten der Innenminister des Landes Dr. Timm. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 1998, seitdem hier die Regierungskoalition aus SPD und Linkspartei.PDS besteht, verfolgen wir eine humane Ausländerpolitik. Die Entscheidung nach Paragraf 60a Aufenthaltsgesetz, für die togoischen Asylbewerber einen befristeten Abschiebestopp zu erlassen, reiht sich in die übrigen Entscheidungen unserer humanitären Ausländerpolitik ein. Deswegen will ich auch noch einmal kurz daran erinnern, Herr Ringguth.
Wir haben zum Beispiel in der 3. Legislaturperiode durch die Gemeinschaftsunterkunftsverordnung die sogenannten Dschungelheime aufgelöst. Wir haben die Anhebung der sozialen Standards in den Unterkünften durchgesetzt. Wir haben die Umstellung von Sach- auf Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vollzogen. Wir haben die äußerst engen Residenzpflichten der Asylbewerber gelockert. Wir haben eine Härtefallkommission hier im Lande eingesetzt und haben immer wieder bei diesen Vorhaben, vorsichtig gesagt, die Kritik der Opposition hinnehmen müssen.
Das mag sein, dass Sie dazu andere Einstellungen, andere politische Ziele verfolgen. Aber Herr Ringguth, hinter den Kulissen habe ich persönlich immer den Eindruck, dass gerade Sie als Partei mit dem „C“ in Ihrem Kürzel durchaus in vielen, vielen Einzelfällen unsere Politik für richtig halten. Deswegen meine ich, man sollte nicht öffentlich einen künstlichen Schlagabtausch machen zu humanitären Fragen, bei denen wir uns hoffentlich alle einig sind oder jedenfalls sein müssten.
Die Entscheidung nach Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes, diesen Abschiebestopp zu erlassen, haben wir, wie gesagt, aus diesen humanitären Aspekten heraus gefällt. Aber ich sage auch, dass ich als zuständiger Minister längere Zeit darüber nachgedacht habe, ob diese Entscheidung getroffen werden soll. Vor allem die Situation in den anderen 15 Bundesländern stand mir dabei vor Augen – Sie haben auf die übrigen Länder bereits hinge
wiesen, Herr Kollege Ringguth –, denn bei uns in der Bundesrepublik Deutschland leben derzeit 12.000 Togoer, davon 800 in Mecklenburg-Vorpommern.
Wir mussten feststellen, dass die Aufklärung des Verbleibs eines nach Togo zurückgeführten Asylbewerbers aus Mecklenburg-Vorpommern nicht zweifelsfrei durchgeführt werden konnte. Das Bundesaußenministerium hat erklärt, dass jedem Einzelfall in Togo konkret bis zum letzten Punkt sozusagen, bis dorthin, wo er sich jeweils aufhält, nachgegangen wird und auch nachgegangen werden kann. Dieses ist in diesem Einzelfall des Asylbewerbers aus Mecklenburg-Vorpommern nicht gelungen. Deshalb haben wir eine Klausel angewandt, die entsprechend der föderalen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern den Ländern zugestanden wird. Das ist der asylpolitische Spielraum jedes einzelnen Bundeslandes, den wir hier angewandt haben und auf den auch die Bundesregierung ausdrücklich hingewiesen hat.
Ich will aus einem Schreiben zitieren, das der Staatssekretär Altmaier aus dem Bundesinnenministerium an Herrn Kollegen Ritter geschrieben hat mit Datum vom 27. Februar 2006, übrigens Mitglied Ihrer Partei, CDU. Er schreibt unter anderem: „Gemäß Paragraf 60a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes können die obersten Landesbehörden aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmten Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.“ Damit hat Herr Altmaier im Grunde genommen Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes zitiert.
Herr Ringguth, ich sage es deswegen, weil die föderale Struktur in Deutschland, über die wir in Berlin gerade in dieser Woche sehr intensiv debattieren, um sie zu reformieren, den Ländern bereits heute Spielräume einräumt, die es in Zentralstaaten nicht gibt.
Insofern gibt es nur eine relative Bundeseinheitlichkeit in der Verwaltungspraxis, weil die Länder eigene Spielräume nutzen können. Dazu sind wir als Landesregierung, aber auch der Landesgesetzgeber da. Sonst können wir gleich zumachen und sagen, die Musik spielt in Berlin und nach der Melodie tanzen wir. Aber genau das machen wir nicht.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Aber mit einer zeitlichen Begrenzung.)
Ich habe immer die Meinung vertreten, dass in humanitären Fragen und ganz besonders in humanitären Einzelfragen eigentlich ein öffentlicher, manchmal auch ein bisschen herbeigeredeter Schlagabtausch nichts nützt, keinem nützt, schon gar nicht den Betroffenen. Auch in Ihrer Diktaturbroschüre, Herr Ringguth, zu der wir in der letzten Sitzung schon eine Diskussion begonnen haben, haben Sie hierzu nichts gesagt – zum Glück, weil ich glaube, es lohnt sich gar nicht, darüber Meinungsverschiedenheiten zu verbreiten, die es vielleicht gar nicht gibt. Aber deswegen sollten wir, meinetwegen auch im Innenausschuss, uns die Einzelfälle noch mal angucken.
Wenn man mal das letzte Jahr analysiert, haben wir im ersten Halbjahr 2005, in sechs Monaten, einen Asylbewerb er nach Togo zurückgeführt, im zweiten Halbjahr 2005 elf. Nun können Sie mir die Frage stellen: Wie viele sind von diesem Abschiebestopp in diesem Jahr betroffen? Ich sage es Ihnen einfach so: zwischen ein und elf Personen. Das sind also immer nur Einzelfälle, möglicherweise ist es der Durchschnitt, dann sind es eben sechs. Ich sage noch mal, wegen dieser sechs sollten wir die Dinge so betreiben, wie sich das für die Personen gehört, und nicht unnötig in der Öffentlichkeit eine Diskussion erzeugen, die eigentlich niemandem nützt.
Deswegen haben wir entsprechend den Handlungsspielräumen, die wir als Bundesland haben, verantwortlich und mit Augenmaß diesen Paragrafen angewandt und die entsprechende Entscheidung getroffen. Allerdings sind wir, wie den Gesetzen des Bundes und der Länder sowie unseren eigenen Vorschriften zu entnehmen ist, auch selbst an Bestimmungen gebunden. Nicht alle Wünsche des Flüchtlingsrates, der Linkspartei und vieler weiterer interessierter Seiten in dieser Diskussion sind erfüllbar. Ich sage noch einmal, wir nutzen unseren Spielraum mit Augenmaß, verantwortlich und immer zugunsten humanitärer Einzelfälle und ich hoffe, dass wir in diesem Hohen Hause dazu keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten haben. – Vielen Dank.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Voland. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag von der CDU auf den Tisch bekommen habe, zur nächsten Landtagssitzung darüber zu diskutieren, habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt. Ich habe gesagt, damit disqualifizieren sie sich selbst.
Heute ist schon einmal aufgrund des Fußballs und des Gipfels das Problem angesprochen worden, wenn der Innenminister nicht aus unseren Reihen käme, sondern aus der CDU, was wohl mit dem Abschiebestopp geworden wäre.
Ich bin froh, dass es unser Innenminister ist, der hier ein Kreuz gezeigt hat, der es als einziger geschafft hat, diese humanitäre Sache umzusetzen.