Protocol of the Session on April 7, 2006

Vielen Dank, Frau Friemann-Jennert.

Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Margret Seemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Jahr wird die Bundesrepublik Deutschland mit der Fußball-WM zwei Monate lang im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen. Unter dem Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“ treffen sich hierzu Menschen aus aller Welt, um Spaß und Spannung bei sportlichen Auseinandersetzungen zu haben. Und die Medien, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden bis in den letzten Winkel der Erde darüber berichten. Dazu werden neben den Fußballspielen auch Reportagen und Berichte über Land und Leute und ebenso Begleiterscheinungen im näheren und weiteren Umkreis der Stadien um den Globus gehen, die sich außerhalb der Sportarenen abspielen. Die Fußball-WM ist wie vergleichbare internationale Sportveranstaltungen aber nicht nur ein sportliches Großereignis. Wie bei vielen Großveranstaltungen steigt auch hier die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen sprunghaft an. Dass sich die Akteure des legalisierten Prostitutionsgeschäfts auf diese erhöhte Nachfrage auch zur Fußball-WM in Deutschland einrichten, kann man bereits seit Monaten in Annoncenteilen von Zeitungen feststellen.

Es geht in diesem vorliegenden Antrag nicht darum, die legale Prostitution zu kriminalisieren, wobei ich im Anschluss auf die Rede von Frau Schmidt darauf aufmerksam möchte, dass man schon hinterfragen muss, ob Frauen sich dann freiwillig prostituieren, wenn sie aus finanzieller Not faktisch dazu gezwungen sind. Das sportliche Großereignis ruft aber vor allem die international agierenden Menschen- und Frauenhändler auf den Plan. Und dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir nicht schweigend und damit auch letztendlich billigend hinnehmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Experten befürchten zu Recht, dass es zur FußballWM verstärkt zur Kriminalität im Umfeld des Rotlichtmilieus kommt, dass vermehrt Frauen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Zwangsprostitution, nach Deutschland verschleppt werden. Ihnen wird der Pass abgenommen. Sie werden mit dem Versprechen eines Arbeitsplatzes nach Deutschland gelockt und durch Dro

hungen, Schläge, Vergewaltigungen und teilweise auch Drogen gefügig gemacht. Diese Frauen leben in ständiger Angst um ihr Leben und auch um das Leben ihrer Familien in ihren Heimatländern. Die Fakten der bei Razzien von der Polizei aufgegriffenen Frauen weisen immer dieselben Merkmale auf. Diese Frauen haben keinen Pass, kein Geld, keine Unterkunft, aber vor allem haben sie durch die ständigen Repressalien Angst und sind schwer traumatisiert. Sie wissen zum Teil nicht einmal, in welchem Land sie sich befinden, und sprechen häufig kein einziges Wort deutsch.

Menschenhandel, in diesem Fall der Frauenhandel, ist ein internationales Phänomen, dem nach Schätzungen der Vereinten Nationen jährlich allein in Europa rund 500.000 Mädchen und Frauen zum Opfer fallen. Die Zwangsprostitution ist ein expandierendes kriminelles Geschäft, in dem mit Menschen verachtenden Methoden hohe Profite erzielt werden. Die sexuelle Ausbeutung von Menschenhandelsopfern ist mit einem relativ geringen Risiko verbunden und daher für die Täter sehr lukrativ. Mit der Ware Frau erzielt das international organisierte Verbrechen Milliardengewinne. Diese können sich mit dem Erlös aus illegalem Drogenhandel messen.

Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Kontrolldelikte, bei denen der Tatnachweis meist nur schwer zu erbringen ist. So ist es auch nicht erstaunlich, dass es laut BKA im Jahre 2004 bundesweit nur 370 Ermittlungsverfahren gab, in denen 972 Opfer bekannt geworden sind. Die meisten Opfer sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Die illegal erlangten Gewinne, die dem BKA aus nur einem Teil der gemeldeten Verfahren bekannt sind, belaufen sich auf rund 6,5 Millionen Euro. Aber alle, nicht nur Frauenund Menschenrechtsorganisationen, wissen, die Dunkelziffer ist sehr viel höher. Aber egal, wie viele Fälle bekannt werden oder wie hoch die Dunkelziffer geschätzt wird, Menschenrechtsverletzungen durch Frauenhandel und Zwangsprostitution müssen geächtet und bekämpft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Dass dieses Thema im Vorfeld der Fußball-WM nun auch von der Politik und dem Fußball selbst ernstgenommen wird, zeigen verschiedene Aktionen der letzten Monate. Dazu gehört die gemeinsame Informationsveranstaltung „Menschenhandel und Zwangsprostitution im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006“ des BMI und des BMFSJ am 31. Januar 2006, dazu gehört auch die vom BMFSJ geförderte Kampagne „Abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution“, die der Deutsche Frauenrat am 7.März 2006 gestartet hat, die unter der Schirmherrschaft von Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, und Dr. Theo Zwanziger, Geschäftsführender Präsident des DFB, steht. Dieser Initiative haben sich inzwischen unter anderem viele Hilfs- und Opferorganisationen, Frauenorganisationen und auch die Frauengruppe der Gewerkschaft der Polizei angeschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir völlig klar, dass wir das Problem der Zwangsprostitution rund um die WM in Deutschland nicht mit dem Antrag lösen werden. Aber, sehr geehrte Frau Kollegin Friemann-Jennert, dafür leisten wir einen Beitrag zur notwendigen Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Problem der Menschenrechtsverstöße durch Frauenhandel und Zwangsprostitution, die Tag für Tag in Deutschland begangen werden und auch nach der Fußball-WM sachlich diskutiert werden müssen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

und zwar mit dem Ziel der konsequenten Bekämpfung und vor allem zum Schutze der Opfer. Ich möchte ausdrücklich betonen, weder die Kampagne „Abpfiff – Schluss mit der Zwangsprostitution“ noch der heutige Antrag sind gegen die schönste Nebensache der Welt, den Fußball oder seine Fans gerichtet.

(Heinz Müller, SPD: Die zweitschönste!)

Es ist ein Ereignis, auf das wir uns alle freuen sollten.

Frau Friemann-Jennert fragte, warum wir uns hier in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Zusammenhang überhaupt mit dem Thema „Zwangsprostitution und Menschenhandel“ beschäftigen, denn Mecklenburg-Vorpommern ist doch gar kein Austragungsort der Fußball-WM. Wir können, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die WM nicht in Mecklenburg-Vorpommern ausgetragen wird, nicht schweigend hinnehmen, dass die Zwangsprostitution zu einer Begleiterscheinung eines internationalen Sportereignisses in Deutschland wird, das ausgerechnet auch noch unter dem Motto steht: „Die Welt zu Gast bei Freunden“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Wir müssen uns mitverantwortlich fühlen. Es geht nämlich nicht nur um die Bekämpfung der Menschen verachtenden internationalen Kriminalität in den zwei Monaten der WM, denn diese ist auch nach der WM nicht vom Tisch, sondern es geht um die Nachhaltigkeit über den Zeitpunkt der WM hinaus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch nicht auszuschließen, man muss es ja geradezu annehmen, dass zum Beispiel durch die Nähe zu Berlin und Hamburg Zwangsprostitution stattfindet und vor allem, dass nach der Fußball-WM Opfer von Frauenhandel durch Weiterverkauf auch nach Mecklenburg-Vorpommern verbracht werden. Insofern können wir uns doch hier nicht hinstellen und so tun,

(Karin Schmidt, Die Linkspartei.PDS: Als wenn es uns nichts angeht.)

als ginge uns das alles nichts an, als hätten wir noch eine Grenze irgendwo in Richtung Berlin.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Mit der Entschließung sollten wir die Verantwortung zum Ausdruck bringen, die Mecklenburg-Vorpommern der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution und den Begleiterscheinungen beimisst. Es kann nicht sein, dass im Zusammenhang mit der WM 2006 Ladenschlusszeiten oder Großbildleinwände eine höhere Aufmerksamkeit erhalten

(Karin Schmidt, Die Linkspartei.PDS: Als dieses Thema.)

als Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Sportstätten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Zum Fairplay rund um den Sport gehört nicht nur die Achtung vor dem sportlichen Gegner, sondern auch die Ächtung von Menschenrechtsverletzungen im Umfeld.

(Beifall Ute Schildt, SPD, und Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

In diesem Sinne wünsche ich mir für unsere deutsche Männermannschaft einen Sieg im WM-Finale. Leider kann die Männermannschaft unsere Frauenmannschaft ja nicht mehr überholen, aber vielleicht einholen.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU sagen:

Erstens. Eigentlich hat Frau Friemann-Jennert zu Beginn ihrer Ausführungen selbst begründet, warum wir den Antrag ablehnen sollten. Sie hat nämlich gesagt, wir haben in der letzten Landtagssitzung einen viel weiter gehenden Beschluss gefasst. Liebe Frau Friemann-Jennert, wenn Sie jetzt fordern, dass wir in diesen Beschluss noch etwas einbauen,

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Schön alles verstecken.)

dann widersprechen Sie sich selber.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Genau.)

Zum Zweiten gehe ich davon aus – und ich weiß es, denn wir sind ja an der Erarbeitung des Konzeptes dran –, dass das Konzept so allgemein formuliert wird, dass wir natürlich zu allen Ereignissen dieses Konzept auch zur Bekämpfung von Zwangsprostitution und Frauenhandel anwenden können. Das heißt, es bedarf nicht eines spezifischen Punktes in einem umfassenden Konzept.

Und zum Dritten möchte ich hier eigentlich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass Sie faktisch kurz vor der Beratung dieses Antrages jetzt mit einem Änderungsantrag kommen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass unsere Bemühungen, auch um die Mitantragstellung von Seiten der CDU-Fraktion, die ja bei der Erarbeitung des Antrages bestanden haben, Früchte getragen hätten und dass wir genauso wie zum Beispiel in Niedersachsen einen interfraktionellen Antrag hinbekommen hätten, um genau auf dieses Problem und auf die Ächtung von Zwangsprostitution und Frauenhandel gemeinsam aufmerksam machen zu können.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Insofern bitte ich darum, den Änderungsantrag der Fraktion der CDU abzulehnen und den Antrag der Koalitionsfraktionen unverändert anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Schmidt von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich meine nachfolgenden Ausführungen mit der letzten Bemerkung von Frau Dr. Seemann bezugnehmend auf den Änderungsantrag der CDU zu dem vorliegenden Entschließungsantrag. Ja, ich sehe es auch so, dass es bei

dem Inhalt der Entschließung ganz konkret – ich habe es in meiner Einführungsrede dargestellt – um die Unterstützung der Kampagne „Abpfiff“ im Zusammenhang mit der Fußball-WM geht. Und wenn Sie hier in Ihrem Antrag darstellen, dass die Landesregierung aufgefordert wird, besondere Maßnahmen zur wirksamen Abwehr und Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution vor und während der Fußball-WM aufzunehmen, dann möchte ich nicht erst im Konzept am 15. Mai lesen, wie das geschehen soll, sondern es muss ab heute passieren!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Deswegen, denke ich, ist er in unserem Antrag schon gut aufgehoben. Natürlich ist – und das ist hier ausführlich dargestellt worden – der Anlass der Fußball-WM dafür geeignet, auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich kann nicht im Zusammenhang mit der Fußball-WM all die eigentlich viel größeren und damit im Zusammenhang stehenden Probleme lösen. Dafür sind Konzepte erforderlich, die erarbeitet werden sollen, die langfristig auch realisiert werden müssen. Hier geht es um ein vielfältiges Problemfeld, denn Zwangsprostitution, um die es hier geht, ist – wie Frau Dr. Seemann es bereits dargestellt hat – eine Menschenrechtsverletzung, …

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Habe ich etwas anderes behauptet?!)

Nein, das habe ich überhaupt nicht gesagt.

… die, wenn ich es nicht vereinfache und vielleicht noch anschaulicher darstelle, in letzter Konsequenz bedeutet, dass hier bei den betroffenen Frauen, da es gegen ihren Willen geschieht, eine permanente Vergewaltigung stattfindet. Vergewaltigung wird in Deutschland strafrechtlich verfolgt und demzufolge muss man auch damit umgehen.

Und jetzt komme ich zu dem, was Sie gesagt haben. Sie haben kritisiert, dass zu wenig in Fragen Opferschutz und Zeugenschutzprogramm getan wird. Das Problem besteht meiner Meinung nach zum einen darin, dass diese Thematik viel zu wenig bekannt ist, und zum anderen, dass die Frauen selbst sich dagegen viel zu selten wehren. Sie haben Angst vor der Ausweisung, sie haben Angst, dass – wie es hier dargestellt wurde – sie den Lebensunterhalt ihrer Familien in den Heimatländern nicht weiter mitfinanzieren können. Sie haben weiterhin Angst, selbst wieder in die Länder zurückgehen zu müssen, aber vor allem mit den damit im Zusammenhang stehenden kulturellen Problemen, sie haben Angst vor der Unkenntnis über Hilfsmöglichkeiten. Genau zu dieser gesamten Problematik muss ihnen geholfen werden.