Protocol of the Session on April 6, 2006

Danke schön, Frau Lück.

Es hat jetzt ums Wort gebeten die Finanzministerin des Landes Frau Keler. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Caffier, zu Ihrer Frage, wie es kommt, dass sich drei verschiedene Ministerien damit beschäftigen, kann ich Ihnen erstens sagen, das ist ein wirklich wichtiges Thema. Der Arbeitsminister hat tatsächlich das erste Gesetz federführend bearbeitet. In dem Gesetz steht aber schon drin, dass in Zukunft das Sozialministerium die Federführung übernimmt. Sie wissen ja, wenn es ums Geld geht, dass dann das Finanzministerium immer mit von der Partie ist.

(Heiterkeit bei Lorenz Caffier, CDU: Sie ist immer dabei. – Harry Glawe, CDU: Dann sind Sie immer dabei. Das wissen wir doch.)

Also keine Aufregung, es ist ganz normal.

Zweitens. Im Ausführungsgesetz geht es um die Verteilung von 164 Millionen, also 107 Millionen Euro, die wir vom Bund und den Ländern West erhalten, und um 57 Millionen eingespartes Wohngeld. Die Aufteilung ist eine Sache, die die Kommunen selber vornehmen müssten, denn es geht um kommunales Geld. Wir machen hier eigentlich für die Kommunen die Dienstleistung. Und ich habe den kommunalen Landesverbänden gesagt, wenn sie eine bessere

Idee haben, damit das Geld gerechter verteilt werden kann, bin ich immer mit von der Partie, wir alle.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Schön, schön.)

Es ist überhaupt keine Frage, dass wir uns jetzt hier anmaßen, den Stein der Weisen erfunden zu haben, sondern es ist eine schwierige Materie.

Damit komme ich gleich zum nächsten Punkt, dass wir, Frau Lück hat es schon angedeutet, bisher keine verlässliche Datenlage und Datenbasis im Land haben. Meine Forderung an die kommunalen Landesverbände ist, wir müssen – oder sie, die kommunalen Landesverbände – dafür sorgen, dass wir belastbare Daten bekommen, denn auf Bundesebene wird das SGB II in den nächsten Wochen und Monaten novelliert werden. Der Deutsche Landkreistag, Herr Professor Hennicke, hat dazu schon einen konkreten Vorschlag gemacht, den kann man nachlesen. Er sagte, wir müssen es auf der Datenbasis machen, auf der kommunalen Datenerhebung, und zwar ausgegebene Sozialhilfeleistungen im Jahr 2004 plus ausgegebene Kosten der Unterkunft im Jahr 2005. Das, was wir jetzt hier als Zwischenschritt machen, dass wir eigentlich nur die Kosten der Unterkunft berechnen und die Bedarfsträger ohne die Einsparung der Sozialhilfe berücksichtigen, wird uns wahrscheinlich auf Bundesebene nicht gelingen. Es soll jetzt pro Land scharf gerechnet werden. Und wenn wir nicht endlich unsere Datenbasis in Ordnung bekommen und mit einer Stimme sprechen können, dann kann ich Ihnen schon jetzt sagen, werden wir höchstwahrscheinlich in Berlin ein Stück schlechtere Karten haben. Das habe ich im Dezember, als wir über das Thema schon einmal gesprochen haben, gesagt, aber es hat sich leider bisher noch nicht wesentlich verbessert.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Nach unseren Daten, die wir erhoben haben und die uns zugearbeitet worden sind, können wir für das Jahr 2005 feststellen, dass die Gesamtheit der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern etwa 32 Millionen Euro mehr erhalten, als sie ursprünglich ausgegeben haben. Wir haben einen positiven Saldo. Allerdings nicht, wenn wir anteilig die 2,5 Milliarden hätten, dann hätten es rund 12 Millionen mehr sein müssen. Aber immerhin, wir würden mit den 32 Millionen noch positiv im Saldo liegen.

Ich habe auch festgestellt, dass gerade der Städte- und Gemeindetag Alarm geschlagen und gesagt hat, es gibt eine deutliche Erhöhung. Wir kontrollieren jeden Monat die Datenbasis und ich kann feststellen, nach unseren Berechnungen wird es augenblicklich mit unseren Hochrechnungen um zehn Prozent höher sein.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Ob es tatsächlich eintritt, dass es 30 Prozent werden, kann ich im Moment nicht bestätigen. Ich habe eine ganz andere Forderung, und zwar, dass wir uns erst einmal über die tatsächlich ausgegebenen Summen verständigen und gemeinsam in Berlin versuchen, für das Land möglichst viel herauszubekommen. Sie wissen, die 107 Millionen sind nur bis 2009 begrenzt und dann gibt es sowieso eine Überprüfung für alle ostdeutschen Länder. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS

der Abgeordnete Herr Koplin. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst möchte ich mich an Herrn Caffier wenden. In der Tat, wir sind recht berechenbar. Ich möchte diese Rede nutzen, um über Grundsätzliches zu sprechen.

(Karin Strenz, CDU: Also nicht zum Thema?!)

Wenn wir hier zum Ausführungsgesetz des Vierten Gesetzes zur Verbesserung der Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sprechen, müssen wir selbstverständlich auch über die Grundlagen sprechen. An dieser Stelle möchte ich für alle historisch Interessierten darauf verweisen, dass vor nunmehr fünf Jahren Herr Peter Hartz beauftragt wurde, in einer Kommission entsprechende Verbesserungen der Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vorzubereiten. Herr Hartz war derjenige, der als Betriebswirt beauftragt wurde, eine Volkswirtschaft zu verändern, der aber aufgrund dubioser Lustreisen nach Brasilien dann seinen Hut genommen hat. Beauftragt wurde er von seinem Freund, Herrn Schröder, der Bundeskanzler war und nunmehr bei Rothschild die Türkei, den Orient und Asien kapitalisiert. Herr Müntefering hat so etwas einmal...

(Lorenz Caffier, CDU: Sind Sie neidisch?!)

Ich bin nicht neidisch!

Ich möchte darauf verweisen, dass Herr Müntefering vor Eintritt in die Koalition mit Ihnen solche Unternehmen wie Rothschild als Heuschrecken bezeichnet hat. Ich sage das nur, um Zusammenhänge herzustellen, denn Politik hat immer etwas mit Interessen zu tun. Wessen Interessen werden vertreten? Von wem werden welche Interessen vertreten?

(Michael Ankermann, CDU: Dann stellen Sie die doch mal dar, die Interessen! – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Es war, das möchte ich gerne sagen, vorgegeben und wir haben auch ein Interesse daran, die Kommunen zu entlasten. Das war ein Punkt, weil aus der Hartz-Kommission heraus vor einem realen Hintergrund gesagt wurde: Bund, Länder und Kommunen müssen immer Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe leisten und diese Kosten schlagen durch die Decke. Nun habe ich mich darangesetzt und einmal geschaut, wie es mit den Kosten 2004 aussah, also vor dieser Reform, und wie sah es 2005 aus:

Arbeitslosengeld 2004 29,07 Milliarden Euro bundesweit

Arbeitslosenhilfe 18,76 Milliarden Euro bundesweit

Hilfe zum Lebensunterhalt für Sozialhilfeempfänger 9,98 Milliarden Euro

Grundsicherung für Erwerbsunfähigkeit und Altersrentner 2,09 Milliarden Euro und

Wohngeld 5,18 Milliarden Euro

Das macht zusammen 65,08 Milliarden Euro an Sozialleistungen im Jahre 2004. Selbst wenn man Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung nicht mitrechnet, dann verbleibt ein Betrag von 36,07 Milliarden Euro.

Wie stellte sich die Entwicklung 2005 dar?

Arbeitslosengeld II 15,9 Milliarden Euro

Kosten der Unterkunft 12,25 Milliarden Euro

SV-Beiträge – in der Tat zu würdigen, Herr Heydorn – 9,18 Milliarden Euro

Macht zusammen 37,33 Milliarden Euro.

Nun sind nicht alle genannten Positionen vergleichbar, deshalb beschränke ich mich in meiner Betrachtung zunächst allein auf die vergleichbaren Positionen, also Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe einerseits und das Arbeitslosengeld II sowie die Unterkunftskosten andererseits. Waren es im Jahre 2004 noch 28,74 Milliarden Euro – also diese beiden Positionen –, die Bund und Kommunen ausgegeben haben, so sind es 2005 bereits 8,59 Milliarden Euro mehr, allein für die Kosten des Lebensunterhalts und die Unterkunftskosten. Zählt man die Ausgaben des Bundes in Höhe von 6,3 Milliarden für die Eingliederungsleistungen – sehr wichtig im Übrigen – noch hinzu, erhöht sich der Betrag auf insgesamt 43,63 Milliarden Euro. Also 15 Milliarden Euro ist diese ganze Sache teurer geworden.

Mir fällt es schwer, bei solchen Steigerungen die versprochene Einsparung erkennen zu können. Wo aber fehlt das Geld, was Bund und Kommunen hier investieren? Denn das Geld wird ja real ausgegeben. Spürbar für den Einzelnen in den Kommunen, zumindest mittelbar, wird dieses an der Kultur-, Jugend- und Seniorenarbeit, an Beratungsstellen oder Präventionsleistungen, zum Beispiel für den Einsatz von Schulsozialarbeitern oder für die Arbeit mit Migranten. Nach den Ereignissen an der RütliSchule in Berlin sind neben ausländerfeindlichen Angriffen eines Herrn Stoiber schnell Vorschläge auf den Tisch gelegt worden, aber sie alle kosten Geld. Es fehlt da, wo wirklich etwas für den Arbeitsmarkt getan werden könnte, und zwar bei der Entwicklung der Kommunen und beim Ausbau der Infrastruktur.

(Egbert Liskow, CDU: Wer regiert denn da in Berlin?!)

Geld fehlt auch bei den unmittelbar Betroffenen, deren Anzahl inzwischen bundesweit, Herr Heydorn, auf 7,1 Millionen gestiegen ist.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Sie nannten die Zahlfälle und ich nenne die betroffenen Personen insgesamt. Der private Konsum der Betroffenen hat sich reduziert. Damit reduzieren sich logischerweise die Bundeseinnahmen aus der Umsatzsteuer. Postwendend soll diese aber kommendes Jahr erhöht werden. Nicht nur an dieser Stelle kommt es zu volkswirtschaftlich aberwitzigen Reflexen, so auch bei der in Rede stehenden Neujustierung des Regelsatzes. Ministerpräsident Wulff...

Herr Koplin, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Caffier?

Ich würde das gern im Anschluss beantworten, Herr Caffier.

Ministerpräsident Wulff aus Niedersachsen hat jüngst bei Frau Christiansen über seine Überlegungen und die weiterer politischer Freunde folgende Logik aufgemacht: Wenn sich das Verbrauchsverhalten der Menschen verändert hat, sie also 2003 weniger Geld ausgegeben haben, dann muss die Bemessung des Regelsatzes korrigiert werden – nach unten, versteht sich. Das ist doch klar, denn wenn die Betroffenen bewiesen haben, dass sie ihren Lebensunterhalt mit geringeren Mittel bestreiten

können, so scheint ihr Existenzminimum erwiesenermaßen geringer zu sein als angenommen. Deshalb wird rasch eine Debatte zur Absenkung des Arbeitslosengeldes II, das am 1. Juli erhöht werden soll auf 345 Euro, auf 225 Euro angezettelt. Was zu beweisen war, würden die Mathematiker sagen, wie menschenverachtend, sage jedoch ich an dieser Stelle. Sinnvoller wäre es aus meiner Sicht gewesen, die Milliarden zu investieren, um den Menschen existenzsichernde Arbeit zu geben, also wirklich eine Verbesserung des Arbeitsmarktes herbeizuführen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)