Sie war aber jahre- oder jahrzehntelang ein Tabuthema und ist es zum Teil – machen wir uns hier nichts vor – auch heute noch. Das genaue Ausmaß, die Anzahl der betroffenen Kinder ist aufgrund der Höhe der Dunkelziffer und der unterschiedlichsten Erhebungsmethoden von Zahlen nicht verlässlich anzugeben.
Fest steht jedoch, dass die sexualisierte Gewalt an Kindern ein weit verbreitetes Phänomen ist. Sie wird in den meisten Fällen, und das sollte uns aufhorchen lassen, von Personen aus dem sozialen Nahbereich der Mädchen und Jungen begangen und nur von circa zehn Prozent von Unbekannten,
denn wir reden meistens nur über die Fälle, wenn sie von Unbekannten begangen worden sind. Am schwersten betroffen sind in der Regel die Kinder, die durch die enge Bezugsperson wie Vater, Mutter oder Stiefeltern über Jahre sexuell missbraucht worden sind.
Sie erleben ihre engste Bezugsperson nicht als Schutz gebend und können die für ihre Entwicklung notwendige Bindungs- und Haltungserfahrung nicht machen. Schwere psychische und körperliche Erkrankungen sind die Folge, häufig für das gesamte Leben. In Mecklenburg-Vorpommern wurden gemäß polizeilicher Kriminalstatistik 2005 348 Kinder Opfer von Sexualstraftaten, 268 Mädchen und 80 Jungen. Aber dies sind Fälle, die zur Anzeige gekommen sind. Die Dunkelziffer ist wie gesagt viel höher und kann auch nur durch entsprechende Dunkelfelduntersuchungen ermittelt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass auf einen einzigen angezeigten Fall 50 nicht aufgedeckte Fälle kommen.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist ein Grund mehr, unseren Antrag zu überweisen. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
... und Entwicklungsstörungen gehören in das Blickfeld der Früherkennung, zweifelsohne, denn die gesundheitlichen Folgen sind gravierend.
Aber in der Regel schweigen die Kinder, entweder, weil sie zur Geheimhaltung verpflichtet wurden, oder weil sie aus Scham, von einer meist geliebten und geachteten Person sexuell missbraucht worden zu sein, nicht sprechen wollen. Die meisten Mädchen und Jungen schützen den Täter oder die Täterin auch, um unter anderem den
Familienzusammenhalt nicht zu gefährden. Und wenn sie sprechen, müssen sie immer mehreren Erwachsenen vom Missbrauch erzählen, ehe eine Person ihnen Glauben schenkt. Man geht davon aus, dass ein Kind das Erlebte bis zu sieben Mal erzählen muss, bevor ihm auch nur ein einziges Mal geglaubt wird. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so wichtig, dass Professionelle wie Ärztinnen und Ärzte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer diese schrecklichste Form von Misshandlung stärker in den Blick nehmen. Noch immer ist es der Fall, dass professionelle Helferinnen und Helfer sich diesem Thema nur zögerlich nähern, unter anderem auch aus Angst, etwas falsch zu machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU! Ein Blick in den zweiten Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder genügt, um festzustellen, dass das Problemfeld Gewalt gegen Kinder, die auch in diesem Fall, also in diesem Aktionsplan, die sexualisierte Gewalt impliziert, Bestandteil des fortgeschriebenen Landesaktionsplanes ist. Sehen Sie hinein in den Aktionsplan! Es steht dort die verstärkte Bearbeitung der gesundheitlichen Versorgung genauso im Mittelpunkt wie die Verbesserung der Interventionsarbeit durch die Einbeziehung von Bereichen wie Schule, Kindertagesstätten und Gesundheitswesen. Zum aktiven Schutz, auch das können Sie dort nachlesen, tragen vor allem bei die Verbesserung der Kooperationen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen, neue Angebote in der Aus- und Fortbildung für verschiedene Berufsgruppen und eine passgenaue Prävention. Dies alles enthält der zweite Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt, übrigens kein Bericht, sondern ein Konzept, wie hier vorhin richtig angemerkt wurde, und soll damit Kinder schützen. Damit sind Wege zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden und Entwicklungsstörungen bei Kindern eingeschlagen. Ich weise in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der Landesrat zur Umsetzung des Landesaktionsplanes sich gerade intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, lassen Sie uns es doch mit den Worten von Regine Hildebrandt halten. Sie sagte nämlich einmal: „Nicht labern, sondern handeln.“ Und die Landesregierung handelt, das hat Frau Ministerin Linke gesagt, in allen von Ihnen geforderten Punkten.
Ich habe das mit dem letzten Punkt, der bei Ihnen auf der Liste stand, noch einmal ergänzt und damit, denke ich, ist Ihr Anliegen, einen Bericht zu erstellen, überflüssig. Das wäre nämlich labern und nicht weiter handeln. – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Torsten Renz, CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt gibt es einen Geschäftsordnungsantrag. Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat zwei Minuten Auszeit beantragt. Wir setzen die Sitzung um 18.10 Uhr fort.
Frau Staatssekretärin, Sie sind nun wirklich dafür bekannt, dass Sie es immer am Ende zuspitzen können,
und zwar nicht Frauenhäuser und Männerberatungsstellen schließen, sondern vernünftig arbeiten und diese arbeiten lassen.
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Und das macht sie auch. – Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Das ist ’ne Unterstellung! Das ist ja wirklich nicht fein.)
In der praktischen Arbeit machen Sie genau das Gegenteil. Und hier, wo Sie keine Verantwortung tragen, fordern Sie wieder, was alles gut und richtig für Kinder ist.
Das ist auch in Ordnung, aber einfach Sprüche loszulassen und die CDU damit zu diffamieren, das weise ich entschieden zurück, das sage ich Ihnen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Was haben Sie denn eben gemacht?)
Meine Damen und Herren, ich will es noch einmal auf den Punkt bringen. Es gibt viele Probleme, die wir haben, und es geht darum, dass wir Eltern und Erziehungsberechtigte in die Lage versetzen wollen,
(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Die Brücke ist soeben eingestürzt. – Heinz Müller, SPD: Wenn Sie über die Brücke gehen, dann schmeißt er ’ne Bombe drunter.)
in unserem Land familienfreundlich und kinderfreundlich zu sein. Da sind wir uns, glaube ich, im Ziel grundsätzlich einig.
(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Herr Glawe hat es vermasselt. – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)
Und ich habe vorhin schon einmal in meiner Rede darauf hingewiesen, es kann nicht richtig sein, dass bei der
Einschulungsuntersuchung im fünften Lebensjahr etwa neun Prozent aller Empfehlungen darauf hinauslaufen, die Sonderschule zu besuchen für unsere Kinder, und es kann nicht richtig sein, dass weitere neun Prozent der Kinder in eine Diagnoseförderklasse gehen sollen. Wir haben gefordert, dass endlich darüber nachgedacht wird, wie da Verbesserungen einziehen können,
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Darüber denke ich schon lange nach. Das haben wir doch schon behandelt.)
und das haben wir insgesamt auf den Prüfstand gestellt. Es muss doch möglich sein, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen und nicht durch Labern und Labern immer wieder etwas Neues zu machen, sondern grundsätzlich die Probleme anzugehen. Und dazu lade ich auch die Staatssekretärin Frau Dr. Seemann ein. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit endlich mit einer Legende aufgeräumt wird, möchte ich hier Folgendes erklären: Unter meiner Tätigkeit als Parlamentarische Staatssekretärin sind in den gesamten vergangenen Jahren die Mittel für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt stetig erhöht worden.