Protocol of the Session on March 8, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 71. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Gestatten Sie mir, zu Beginn allen Damen ganz herzlich zum Internationalen Frauentag zu gratulieren.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Kriegen wir frei heute?)

Ich hoffe, dass heute ein wenig Zeit bleibt, diesen Tag entsprechend zu begehen.

Die vorläufige Tagesordnung der 71., 72. und 73. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 71., 72. und 73. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Vogelgrippe in Mecklenburg-Vorpommern – Konsequenzen für zukünftiges Handeln“ beantragt.

Aktuelle Stunde Vogelgrippe in Mecklenburg-Vorpommern – Konsequenzen für zukünftiges Handeln

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Dr. Jäger.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bewusst mit dem Thema „Vogelgrippein Mecklenburg-Vorpommern – Konsequenzen für ein zukünftiges Handeln“ den Blick nach vorn gewählt und das ist auch das Ziel unseres Handelns. Aber leider müssen wir davon ausgehen, dass es bei dieser Seuche noch keine Entwarnung gibt. Die letztverbindliche Sicherheit, dass uns eine Mutation dieses Tierseuchenvirus erfasst und sich zu einem den Menschen gefährdenden Typ entwickelt, diese letzte Konsequenz kann uns im Augenblick niemand nehmen.

Meine Damen und Herren, deswegen müssen wir uns mit den katastrophalen Schlechtleistungen der Landesregierung befassen und wir tun es, damit sie sich nicht wiederholen. Andererseits, und das ist ganz entscheidend, brauchen wir ein Konzept – und hierzu fordern wir die Landesregierung auf –, mit dem der Imageschaden, der für die Tourismuswirtschaft und die Landwirtschaft entstanden ist, möglichst weitgehend ausgeglichen wird. Und das, meine Damen und Herren – ich glaube, das weiß jeder von uns –, wird nicht ohne eine maßgebliche finanzielle Beteiligung des Landes gehen. Da sind wir als Haushaltsgesetzgeber gefordert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, die Einlassungen der Landesregierung in zwei Ausschüssen, die sich auf unsere Initiative hin mit der Thematik befasst haben, lassen es angezeigt erscheinen, dass zumindest auch hier in diesem Plenum dieses Thema besprochen wird, damit der Ernst klar wird.

Herr Ministerpräsident, es ist Ihnen sicher aufgefallen, dass wir uns der bereits mehrfachen Forderung nach

Rücktritt Ihres Landwirtschaftsministers noch nicht angeschlossen haben, nicht etwa, weil wir nicht die Fehlleistungen von Herrn Backhaus gesehen hätten, sondern wir haben deshalb davon abgesehen, weil die Fehleinschätzung der Lage nicht nur den Landwirtschaftsminister erfasst hat, sondern mindestens noch zwei weitere Minister Ihres Kabinetts, und weil es nicht folgerichtig wäre, nur den Rücktritt des einen zu verlangen. Eigentlich, Herr Ministerpräsident, wären Sie gefordert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und wenn Sie zugesehen haben, wie der Landwirtschaftsminister auch vor laufender Kamera den Eindruck erweckt hat, indem er ausschließlich eine Landrätin, die sicher nicht alles richtig gemacht hat, die auch Fehler gemacht hat, beschimpft hat, wir – das heißt das Land Mecklenburg-Vorpommern – seien handlungsunfähig, dann frage ich mich, wie lange Sie mit der Situation und solchen Ministern noch leben wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Beate Mahr, SPD)

Das Dramatische an der Situation ist, dass in Verkennung der eigenen Zuständigkeit sich der Landwirtschaftsminister abgewendet hat, den Landkreis nicht unterstützt hat und damit zugelassen hat, dass Bilder über Fernsehkameras in die ganze Welt gingen, die so nicht hätten gehen müssen. Wenn Sie, Herr Landwirtschaftsminister, Ihre gesetzliche Zuständigkeit nach dem Tierseuchengesetz wahrgenommen hätten, wenn Sie die Situation und die Lage an sich gezogen hätten, hätte es sehr viel schneller gehen können mit der Unterstützung des Kreises und uns wäre vieles an Imageschaden erspart worden. Ich will gar nicht davon reden, weil ich davon zu wenig verstehe, was es bedeutet, wenn derartige Tierkadaver zu lange in der freien Landschaft herumliegen. Ich will nicht rätseln, was hätte vermieden werden können, was jetzt leider eingetreten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber Sie haben nicht nur versäumt zu helfen, wo Sie helfen mussten, weil Ihre Zuständigkeit gegeben war, sondern Sie haben dem Land schlimmen Schaden zugefügt durch Ihre Fehlmeldung am 23. Februar 2006 mit der Ente. Das war keine Zeitungsente, Herr Minister, sondern das war das Ergebnis Ihrer durchaus nicht seriösen Art, mit dem Problem umzugehen. Ich kann mir keinen Landwirtschaftsminister in irgendeinem Bundesland vorstellen, der, bevor ein Laborergebnis vorliegt, erklärt – und das war eine dramatische Erklärung –, dass aus einem Nutztierbestand in Mecklenburg-Vorpommern eine Ente an dem Virus erkrankt ist. Jeder seriöse Minister hätte abgewartet, bis die Laborergebnisse vorgelegen hätten. Das war unverantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber wenn wir schon einen Landwirtschaftsminister haben, der seine Zuständigkeit nicht wahrnimmt, dann hätte es wenigstens ein anderer aus dem Kabinett übernehmen können. Da gibt es einen Minister, der für die Bewältigung von Katastrophen laut Gesetz zuständig ist. Oberste Landeskatastrophenschutzbehörde ist der Innenminister. Was hat der gesagt? Ja, wenn wir die Großkreise hätten, dann wäre das alles nicht passiert.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Herr Minister, das ist bei Ihnen schon zu einer Zwangshaltung geworden, dass Sie immer so reagieren. Sie haben dabei Ihre eigene Zuständigkeit übersehen. Es war aber ein bisschen schwierig, das zu übersehen, denn in Ihrem Hause gibt es einen Katastrophenschutzstab, der genau dafür zuständig ist. Und wenn Sie sich mit der Kommunalverfassung auskennen, hätten Sie handeln müssen. Sie haben es nicht getan.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, nur damit jetzt nicht der Eindruck entsteht, dass wir nicht wüssten, wovon wir reden, das hatte man bei der Landesregierung leider über lange Tage: Herr Minister, wer glaubt, dass bei einer Seuche, von der hauptsächlich Vögel befallen sind, Kreisgrenzen irgendeine Rolle spielen, hat offenbar nicht kapiert, mit welchem Problem wir uns hier herumschlagen. Dies war eine überörtliche Lage, da haben Sie Verpflichtungen und denen sind Sie nicht gerecht geworden.

Meine Damen und Herren, warum das Chaos eigentlich so schlimm war, haben wir erst im Nachhinein gemerkt, denn sage und schreibe am 28. Februar dieses Jahres kam dann die gemeinsame Verwaltungsvorschrift, von der Herr Backhaus uns immer glauben machte, es sei alles geregelt. Am 28. Februar, Herr Ministerpräsident, hat in Ihrer Landesregierung jemand etwas für regelungsbedürftig und veröffentlichungsbedürftig gehalten, was schon drei Wochen in diesem Lande bekannt war und uns Sorgen gemacht hat. Meine Damen und Herren, so kann man nicht mit einer Katastrophe umgehen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wie gesagt, auch wenn im Landkreis Rügen das eine oder andere falsch gemacht worden sein muss, ist es nicht unsere Kompetenz, das hier zu untersuchen. Dafür gibt es Aufsichtsbehörden. Die Fachaufsicht hat der Landwirtschaftsminister, die Kommunalaufsicht hat der Innenminister. Beide haben dann beckmesserisch gesagt, was man hätte tun können. Meine Damen und Herren, das ist keine Unterstützung der lokalen Ebene. Das ist Verweigerung von Hilfe, die dringend nötig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, Herr Ministerpräsident, einen Vorwurf kann ich auch Ihnen nicht ersparen: Wenn es schon so ein Chaos in Ihrer Landesregierung gibt, dass keiner tut, was er sollte, dann war es nicht in Ordnung, dass Sie nicht sofort hierher geeilt sind, koste es, was es wolle. Und das meine ich wörtlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist bei der heutigen Möglichkeit, Nachrichten zu erhalten, durchaus möglich, Herr Ministerpräsident, dass Sie hätten erkennen können, dass hier eine schwierige Lage zu meistern war und dass diejenigen aus Ihrem Kabinett, die dafür zuständig waren, das nicht geschafft haben. Dann, Herr Ministerpräsident, ist Schaden vom Lande abzuwenden Chefsache, und das hätten wir von Ihnen erwartet, das hätten Sie tun müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, meine Damen und Herren, es entspricht auch dem Respekt vor den vielen ehrenamtlichen Helfern, dass der Ministerpräsident sich zu einem Zeitpunkt vor Ort sehen lässt, wo diese noch bis über die Ohren in der Arbeit stecken. Hinterher zu loben ist gut, aber dabei zu sein und

denen zu zeigen, ich stärke euch den Rücken, Herr Ministerpräsident, das war das Gebot der Stunde. Da haben Sie versagt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Meine Damen und Herren, das ist vergossene Milch.

(Reinhard Dankert, SPD: Ja, genau.)

Zukunft heißt, dass wir jetzt gemeinsam versuchen, den Schaden zu mindern, und gucken, was wir dazu beitragen können. Und da erwarten wir von der Landesregierung ihre Aufgabenwahrnehmung, und zwar erheblich besser als das, was wir beklagen mussten. Da diese Aufgabe schwer und groß ist, verzichten wir auf ein Scherbengericht. Ich will hier gar nicht weiter aufführen, was wir alles an Unwahrheiten gehört haben, was eigentlich nicht ginge und warum es nicht ging. Das will ich nicht sagen.

Aber für die notwendige Aufarbeitung müssen wir uns die Zeit nehmen, nicht heute. Heute haben wir anderes zu tun, heute müssen wir sehen, wie wir in der Zukunft mit dieser Seuche fertig werden, wie wir den Betroffenen helfen. Das ist die Ernährungswirtschaft und das ist die Tourismuswirtschaft und da hängen noch viele dran, das wissen wir alle. Deswegen werden die weiteren Sprecher aus meiner Fraktion dazu die konkreten Vorschläge machen.

Meine Damen und Herren, das Problem ist groß, es ist schwer zu bewältigen und wir wollen dabei helfen. Wir bieten dazu unsere Hilfe an. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Kühnel von der Fraktion der SPD.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, möchte ich sagen, wenn ich den zweiten Teil zum Thema der heutigen Aktuellen Stunde sehe. Über Konsequenzen für das zukünftige Handeln wollen wir reden. Das finde ich richtig. Ich meine, dass es dafür höchste Zeit ist. Allzu viel ist schon geredet und zerredet worden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Statt seriöser Berichterstattung mit fachlich gesicherten Recherchen fand man oftmals nur Radaupolemik in Presse, Funk und Fernsehen.

(Beate Mahr, SPD: Wohl wahr!)

Wenn einem Land geschadet worden ist, dann kann man das wirklich sagen. Mecklenburg-Vorpommern hat Schaden genommen. Seuchenzüge hat es immer gegeben, auch Maßnahmen, um damit fertig zu werden. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern mit Brucellose, Leukose, Schweinepest, MKS, BSE zu tun gehabt und den Seuchenschutz für diese Seuchen auch in den Griff bekommen. Neu ist heute, dass es sich dieses Mal nicht um Bodentruppen, sondern um einen Luftangriff von Wildgeflügel handelt.

(Heiterkeit bei Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)