Protocol of the Session on January 26, 2006

Die Europäische Kommission versucht seitdem mit einigem Erfolg, die kritischen Kräfte zu beschwichtigen. Man werde die vorgebrachten Bedenken prüfen und sich für einen ausgewogenen Kompromiss einsetzen, sagte insbesondere der Deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen gegenüber dem DGB und der Gewerkschaft ver.di. Doch die Kommission hat bis heute keinen einzigen Vorschlag vorgelegt, wie sie den richtigen Entwurf zu verändern gedenkt. Trotz aller Unmutsbekundungen einzelner Regierungen forderte auch beim zuständigen Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ im Juli 2005 kein einziger Mitgliedstaat die Kommission auf, ihren Vorschlag zurückzu

ziehen. Zeitgewinn, die Kontroverse vernebeln und den Widerstand abflauen lassen, war nun das offizielle Ziel dieser Manöver von Kommission und Regierungen. Einzig der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, derzeitiger EU-Ratspräsident, hat am 25. Oktober 2005 angeregt, dass die Kommission einen neuen Vorschlag zur Dienstleistungsrichtlinie vorlegen solle.

Der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlamentes hat nun in seiner Sitzung im November 2005 abschließend über den Entwurf des Berichtes von Evelyn Gebhard zur Dienstleistungsrichtlinie entschieden, welcher auf der Grundlage des unveränderten Kommissionsentwurfes erstellt wurde. Die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg ist für Februar geplant.

Die Abstimmung im federführenden Parlamentsausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz am 22. November 2005 hat die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die rechte Mehrheit, bestehend aus Konservativen, Liberalen und Nationalisten, konnte sich in fast allen Fragen durchsetzen. Bis auf einen Antrag zum Anwendungsbereich der Richtlinie sind alle im Namen von SPE, Grünen und unserer Fraktion vorgelegten Änderungsanträge niedergestimmt worden. Alle kritischen Anträge aus den Ausschüssen für Umwelt, Beschäftigung und Soziales, Frauen, Kultur und Medien wurden ebenfalls abgelehnt.

Nun werden Sie mir sicherlich entgegenhalten und sagen, dass auf den Begriff „Herkunftslandprinzip“ verzichtet wurde. Das ist richtig. Stattdessen wird der Artik e l 16 mit „Freiem Dienstleistungsverkehr“ überschrieben. Inhaltlich bleibt es hingegen beim Herkunftslandprinzip, welches nur leicht abgemildert wird. So sollen Länder, in denen Dienstleister aus anderen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätig werden, auf die Einhaltung ihrer nationalen Bestimmungen bestehen können, sofern sie dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie dem Schutz der Volksgesundheit und der Umwelt dienen. Den Geltungsbereich der Richtlinie will die Mehrheit des Binnenmarktausschusses deutlich weniger einschränken, als es die Berichterstatterin Evelyn Gebhard vorschlug. Ausgenommen wurden Rundfunk, audiovisuelle Medien, Gesundheitsdienste, Finanzdienste, Geldtransporte, Glücksspiele sowie jene Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, die nicht dem Wettbewerb unterliegen. Damit wären aber Dienstleistungen, zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr, der Abfallwirtschaft und viele andere, die in den Ausschreibungsverfahren vergeben werden, von der Richtlinie weiter erfasst.

Der Binnenmarktausschuss musste rund 14 Änderungsanträge des Beschäftigungsausschusses ohne Abstimmung übernehmen, weil ein Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit zwischen beiden Ausschüssen zur Dienstleistungsrichtlinie bestand. Somit wird mit Beschluss des Binnenmarktausschusses nunmehr gefordert, dass das Arbeits- und Sozialrecht der Mitgliedstaaten durch die Dienstleistungsrichtlinie nicht berührt wird. Konservative und Liberale behaupten, dass damit die Gefahr eines Sozialdumpings durch die Richtlinie ausgeschlossen sei. Das ist zu bezweifeln. Für Leih- und Zeitarbeitsfirmen soll weiterhin das Herkunftslandprinzip gelten. In Ländern ohne Mindestlohnregelung wie Deutschland ist damit Lohndumping nicht auszuschließen, ansonsten entsteht ein Druck zur Absenkung der Löhne in Richtung Mindestlohn.

Die Kommission hat im Rahmen ihres Programms zur Rücknahme von anstehenden Richtlinien angekündigt, dass sie die bereits im Rat beratene Richtlinie zu den Beschäftigungsbedingungen von Zeitarbeitern überprüfen wolle. Im Rat besteht eine Blockade, die bislang die Annahme dieser Richtlinie verhindert hat. Die Kommission stellt ihr Ansinnen der Überprüfung in den Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie. Dies deutet darauf hin, dass es nicht einmal EU-Mindeststandards zu den Beschäftigungsbedingungen zur Zeitarbeit geben soll, sodass hier ein Einfallstor für Sozialdumping aufgemacht wird. Darüber hinaus sind in vielen EU-Mitgliedstaaten Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs nur für bestimmte Branchen erlassen worden. In den übrigen Branchen ist damit forciertes Sozialdumping bei der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit schon jetzt möglich und an der Tagesordnung. Schlupflöcher in puncto Scheinselbstständigkeit tun ihr Übriges.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns weiterhin ansehen, wie sich die Politikerinnen und Politiker in Deutschland verhalten, dann ist bezüglich einer tragfähigen Änderung im Interesse der Unternehmen der Arbeitnehmerinnen und der kommunalen Daseinsvorsorge nichts Gutes zu erwarten. Das Stimmverhalten der deutschen CDU/CSU-Abgeordneten steht im klaren Widerspruch zu den verschiedenen Entschließungen des Bundesrates, zu dem von Hessen noch im September 2005 eingebrachten Antrag zur Dienstleistungsrichtlinie sowie der Entschließung des Bundestages vom Juni 2005. Auch die Koalitionsvereinbarung ist ziemlich schwammig. Der Vorstoß von Wolfgang Schüssel ist deshalb richtig: Die Europäische Kommission muss ihren verheerenden Entwurf zurückziehen! Linkskräfte, Gewerkschaften und soziale Bewegungen, auch Arbeitgeberverbände müssen den Druck auf Bundesregierung, Bundesrat und Europaparlament erhöhen, um die Dynamik in dieser Richtung in Gang zu setzen. Wir, die Politikerinnen und Politiker des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sollten uns ganz bewusst an die Seite derer stellen, die sich gegen diese Dienstleistungsrichtlinie wenden. Ich will an dieser Stelle auch Folgendes sagen: Wir, die Antragsteller, sagen nicht Nein zur Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes.

Ich möchte zum Abschluss noch auf Folgendes hinweisen: Wir haben im vergangenen Jahr erlebt, wie die EUVerfassung in zwei Ländern von Bürgerinnen und Bürgern abgelehnt wurde. Auch hier in diesem Haus hatten wir die Debatte zur EU-Verfassung. Nach dieser Ablehnung haben alle Verantwortlichen laut über eine Denkpause nachgedacht. Nachdenken, das heißt wirklich nachdenken, nicht Pause vor dem Denken! Viele haben damals den Eindruck gehabt, dass man ernsthaft nachdenken wird, wie dieses Europa, ein Europa der Bürgerinnen und Bürger, in Zukunft ausgestaltet werden soll. Im Ausschuss der Region waren wir uns alle klar darüber und haben uns gemeinsam dazu verständigt. Hier, denke ich, herrschte Einmütigkeit. Die Diskussion um den Verfassungsentwurf wurde von vielen mit der Frage verbunden: Wie weit soll Europa gehen? Wie sieht mein Europa in Zukunft aus?

Wir haben uns gemeinsam dazu verpflichtet, das Vertrauen zu den Bürgerinnen und Bürgern wieder aufzubauen und die Vorteile deutlich sichtbar werden zu lassen. Dass die Europäische Kommission die Signale leider nicht wahrgenommen hat, zeigt sowohl der Umgang mit Port Package II als auch mit dieser Richtlinie, was ich sehr

bedauere. Wir alle sollten dafür eintreten, dass diese Richtlinie vom Tisch kommt. Europäische Politik ist keine Politik, die vom Himmel kommt. Wir können und wir müssen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger diese gemeinsam gestalten! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Borchardt.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Dr. Born. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Kollegin Borchardt, ich will es vorwegnehmen: Ich stimme Ihnen zu, dass die Überarbeitung der EU-Dienstleistungsrichtlinie dringend erforderlich ist. Der erste Entwurf ist bereits im Januar 2004 vorgelegt worden. Sie haben bereits angesprochen, dass die ursprüngliche Fassung eine weit reichende Beseitigung von zwischenstaatlichen Regularien im Dienstleistungsbereich vorsah. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass der Anwendungsbereich der Ursprungsrichtlinie sehr viel weiter ging als das, was jetzt vorgelegt worden ist. Es betraf nicht nur klassische Wirtschaftstätigkeiten wie zum Beispiel das Friseurhandwerk oder ITDienstleistungen, sondern auch so genannte Daseinsvorsorgeleistungen wie Altenheime, Behinderteneinrichtungen, Müllabfuhren, Verkehrssysteme und so weiter.

Kern des Richtlinienentwurfs und auch Hauptkritikpunkt im späteren Verfahren war und ist, und auch darauf sind Sie eingegangen, das so genannte Herkunftslandprinzip. Ich wende mich jetzt den beiden Kollegen der SPD-Fraktion zu, weil Frau Kollegin Borchardt zurzeit nicht anwesend ist. Ich glaube aber, das ist zwischen uns unstreitig. Das wissen die Kolleginnen und Kollegen, die noch im Raum sind, und für die anderen, die nicht so oft damit befasst sind, wäre es ganz sinnvoll, dass man noch einmal sagt, was eigentlich mit dieser Richtlinie los ist. Eines ist unbestritten, diese Richtlinie hat die Emotionen ganz schön ins Kraut schießen lassen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass auch diejenigen, die vermeintlich von der Richtlinie unmittelbar betroffen sind, wenn sie denn so umgesetzt worden wäre, sich nicht mit diesen ganzen Verästlungen auseinander gesetzt haben. Das hängt natürlich auch mit dem zusammen, was wir gestern besprochen haben, als es um eine andere EU-Richtlinie ging. Es findet einfach der nötige Informationsfluss – und das werfe ich nicht einmal dem Wirtschaftsminister persönlich vor, sondern das ist eine grundsätzliche Frage – von den Brüsseler Gegebenheiten in unseren Landtag nicht so statt, wie es sein müsste. Das müssen wir verbessern! Ich appelliere noch einmal an die Landesregierung, dass zumindest der Auffassung im Rechts- und Europaausschuss doch Folge geleistet wird und die Vermerke dem Parlament 1:1 zur Verfügung gestellt werden. Dann haben wir natürlich das Problem, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir sehen, wie wir mit dem ganzen Wust zurechtkommen. Das geht natürlich nur, wenn wir das in die Fachausschüsse überweisen.

Etwas, das besondere Probleme macht, ist das so genannte Herkunftslandprinzip. Einfach ausgedrückt, geht

es um die Frage, ob in einem Land das nationale Recht gilt oder aber das Recht zur Anwendung kommt, aus dem das dienstleistende Unternehmen stammt. Konkret geht es also um die Entscheidung, ob für ein Unternehmen aus einem anderen EU-Land in Deutschland die sozialen und arbeitsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Stammsitzlandes gelten.

Die breite Front der Richtliniengegner hat sich insbesondere und völlig zu Recht, wie ich meine, in diesem Punkt sehr deutlich gezeigt, denn quer durch alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wurden berechtigte Sorgen formuliert. Dieses wurde auch in den Beratungen innerhalb des zuständigen Binnenmarktausschusses deutlich. Während sich insbesondere die EVP-Fraktion darum bemüht hat, die berechtigte Kritik aufzunehmen – dieses Mal waren wir dort mit unseren Kollegen in Brüssel besonders engagiert –, aber auch um die Chancen der Richtlinie nicht ganz aus dem Auge zu verlieren, wurde von anderer Seite sogar Fundamentalopposition gefahren.

(Ute Schildt, SPD: Nanu?!)

Ich habe dieses redliche Mühen zur Findung eines Kompromisses für besser befunden, und tue das auch noch, als sich allen Änderungen von vornherein zu verschließen. Es ging und geht im Kern einerseits darum, Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, und andererseits, das muss ich hier einmal so deutlich sagen, die Chancen des Binnenmarktes nicht leichtfertig zu verspielen. Warum ist beispielsweise – und ich möchte das deutlich machen, ich habe ja eben gesagt, in der Diskussion um diese, nein, ich sage dieses Mal nicht, wie das manche tun, draußen im Lande – bei der Diskussion unserer besorgten Mitbürgerinnen und Mitbürger, die vor allem davon betroffen sind, nicht gesehen worden, dass hier mit Missständen aufgeräumt werden soll, die derzeit in Europa Realität sind und auch unsere Unternehmen betreffen? Warum sich beispielsweise dienstleistende deutsche Maschinenmechaniker zur Reparatur einer deutschen Maschine in Frankreich fünf bis sieben Tage vorher anmelden müssen und in der Folge kaum Aufträge erhalten, kann sicherlich nicht nur mir keiner positiv vermitteln. Das führt doch dazu, wenn eine solche Maschine reparaturbedürftig ist, dass nicht das Unternehmen sagt, wir stellen die Maschine solange ab und gehen zur Handarbeit über, sondern da muss die Reparatur sofort erfolgen, weil die Unternehmen heute so ausgerichtet sind, dass die Maschinen funktionieren müssen. Und wenn sie es einmal nicht tun, dann muss sofort Abhilfe geschaffen werden. Da kann man also nicht fünf bis sieben Tage warten, bis eine Genehmigung kommt.

Mit dem Ausschussvotum des europäischen Ausschusses wurde ein Beschluss gefasst, der wesentliche Teile der Ursprungsrichtlinie verändert hat. So würde im Fall einer entsprechenden Umsetzung sichergestellt, dass die staatliche und kommunale Daseinsvorsorge nicht eingeschränkt wäre. Auch das gesamte Arbeitsrecht ist nach diesem Vorschlag gänzlich von der Richtlinie ausgenommen. Weder die Bestimmungen zu Arbeits- und Tarifverträgen noch der Arbeitsschutz oder verbindliche Mindestlöhne könnten umgangen werden. Aus meiner Sicht ist das ein Beleg dafür, dass ein Großteil der Befürchtungen, die Richtlinie würde ein wie auch immer geartetes Dumping fördern, entschärft wurde.

Weltfremd war für mich in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie die Vorstellung, dass für die Kontrolle vor Ort die Behörden des Herkunftslandes zuständig sein

sollten, also beispielsweise estländische Behörden, portugiesische, und das können Sie noch auf vierundzwanzig andere Länder beziehen, hätten in Deutschland kontrollieren sollen. Diesem realitätsfernen Vorschlag wurde im Ausschuss der Garaus gemacht, aber das war auch notwendig. Wichtig stattdessen wäre, dass eine effektive Kontrolle durch die Behörden am Ort der Dienstleistung gesichert und eine praxisgerechte Verwaltungszusammenarbeit im Einzelfall natürlich nicht ausgeschlossen ist.

Trotz aller vorgenommenen Änderungen hält aber die Kritik an der Dienstleistungsrichtlinie an. Nach aktuellem Stand soll der im Binnenmarktausschuss gefundene Kompromiss nun am 14. Februar 2006 in Erster Lesung im Europäischen Parlament beraten werden. Unabhängig davon hat die Europäische Kommission – und darauf hatten wir unsere Kollegen von den Koalitionsfraktionen hingewiesen – mit Datum vom 10. Januar 2006 angekündigt, einen neuen Vorschlag zur Richtlinie noch in der Ratspräsidentschaft Österreichs, die im Juni 2006 stattfindet, vorzulegen. Ich denke, bei der Ratspräsidentschaft ist das Thema auch ganz gut aufgehoben, weil die Interessenlage des Landes, das hier die Ratspräsidentschaft ausübt, eine vergleichbare sein dürfte wie die unsere. Bekanntlich werben die ja im Internet damit, sie seien das bessere Deutschland. Die österreichische Ratspräsidentschaft hat bereits angekündigt, dass der Vorschlag der EU-Kommission begrüßt wird, gleichzeitig aber auch angekündigt, einen neuen Vorstoß unter Einbeziehung der Sozialpartner zu beraten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der seitens der Koalitionsfraktionen vorgelegte Antrag entspricht nicht mehr ganz dieser aktuellen Entwicklung. Das Grundanliegen ist auch aus unserer Sicht in Ordnung. Deshalb legt Ihnen meine Fraktion einen Änderungsantrag vor, der die aktuelle Entwicklung im Kern berücksichtigt. Wir fordern, die aktuelle Entwicklung dafür zu nutzen, eine politische Einigung anzustreben und bei diesem Vorhaben Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf einem Sozialpartnergipfel einzubinden! Ziel muss es sein, einen funktionierenden Dienstleistungsbinnenmarkt in Europa bei gleichzeitiger Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping zu erreichen. Entscheidender Maßstab, Frau Kollegin Borchardt, ich denke, auch da werden wir uns einig sein, bei der Überarbeitung der Richtlinie muss die Stärkung und darf nicht die Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen sein.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU, Wolfgang Riemann, CDU, und Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Ich hoffe, dass die Regierung alle Möglichkeiten nutzt, um auf dem langen Weg nach Brüssel die Vorstellung des Landtages einzubringen, umzusetzen und dazu beizutragen, dass die Richtlinie erfolgreich im eben dargestellten Sinne umgearbeitet wird. Und bei der Gelegenheit, damit in Zukunft die Arbeit nicht ganz so schwer ist, Herr Wirtschaftsminister, wäre es wirklich gut, wenn den nachdrücklichen Wünschen aus dem Rechts- und Europaausschuss Folge geleistet wird, dass – wie auch zum Beispiel im Freistaat Bayern –, uns zukünftig die Vermerke von unserer eigenen Landesvertretung zur Verfügung gestellt werden, damit wir frühzeitiger reagieren können, als es auch dieses Mal wieder der Fall ist. Und das ist kein Vorwurf an die Antrag stellenden Fraktionen, sondern es betrifft uns alle miteinander, da wir sonst immer das Problem haben, dass wir erst relativ spät mit den Themen be

fasst sind, obwohl sie unmittelbare Auswirkungen auf das Land, auf unsere Unternehmen und auf die Arbeitnehmer im Land haben. Wir müssen das Prozedere verbessern! Das fängt beim Landtag an, das habe ich gestern gesagt, aber die Regierung muss hier auch mithelfen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, das auch zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Schildt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einleitend für die SPDFraktion feststellen, dass wir für ein starkes, ein wirtschaftlich starkes, sozialgerechtes und wachsendes Europa stehen. Wir stehen für eine Verfassung, die nötig ist, aber auch für Rahmenbedingungen, damit das wirtschaftliche Wachstum und die soziale Ausgewogenheit gewährleistet werden.

Am 23. und 24. März 2000 hat der Rat der Europäischen Union wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen in der Lissabon-Erklärung verabschiedet. Diese ist häufig untergegangen, aber die hier heute diskutierte Richtlinie, und zwar die Dienstleistungsrichtlinie, ist ein Teil dessen, was beschlossen worden ist. Es geht darum festzulegen, welche Maßnahmen zu einer Stärkung der EU bis zum Jahre 2010 eingeleitet werden müssen, damit mit harmonisierten Bedingungen wirtschaftliches Wachstum für eine wirtschaftliche Weltregion geschaffen werden kann. Diesem Auftrag, eine derartige Dienstleistungsrichtlinie zu erarbeiten, ist entsprochen worden, als am 25. Februar 2004 di e Europäische Kommission diesen Vorschlag vorgelegt hat. Er hat sofort Aufsehen erregt, denn er ist auch von uns sehr kritisch aufgegriffen worden. Wir haben uns sofort im ständigen Kontakt und im ständigen Dialog mit unserem Europaabgeordneten der Region, Heinz Kindermann – auch das ist ja möglich, Herr Born –, an die entsprechende Kollegin im Parlament gewandt, die im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz dafür zuständig ist, und haben den unmittelbaren Kontakt gehabt. Deshalb wissen wir, dass sofort Anträge eingingen, die auf eine Veränderung dieser Richtlinie zielten. Im November waren es über 1.100 Anträge, die vorlagen, die zu bestimmten Blöcken zusammengestellt und im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zusammengeführt wurden, die zu einer Veränderung und zu Änderungsanträgen geführt haben, die bearbeitet worden sind.

Ich brauche nicht auszuführen, was Frau Borchardt dazu im Einzelnen schon gesagt hat. Es sind viele, viele Veränderungen notwendig, denn das, was über der gesamten Richtlinie schwebt, ist das Herkunftslandprinzip, das vielen wie auch den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden Sorgen bereitet. Und wir wissen, Frau Borchardt hat es ausgeführt, der Binnenmarkt ist ein Wachstumsmarkt und somit eine Chance für Europa, aber wir haben sehr unterschiedliche Bedingungen in den einzelnen EU-Ländern. Sozialstandards, Einkommenstandards, all diese Fragen sind sehr unterschiedlich strukturiert. Es gibt harmonisierte Bereiche wie die Telekom, Telekommunikation zum Beispiel, wo es möglich wäre, das unverändert zu übernehmen, aber es gibt sehr viele Unterschiede, vor allen Dingen im sozialen Bereich und im Einkommensbereich. Das macht uns Sorgen und das hat zu diesen Änderungsanträgen geführt.

Die SPD, nicht nur im Land Mecklenburg-Vorpommern, sondern in der Bundesrepublik, hat sich deshalb mit entsprechenden Anträgen im Bundestag an die Europäische Kommission gewandt. Drei wichtige Kriterien möchte ich hier einmal aufzählen, die wir als Grundsatz für die Erstellung für die Überarbeitung der Richtlinie fordern:

Erstens. Bei der Erbringung von Dienstleistungen müssen die Arbeits-, Gesundheits- und Lohnbedingen des Landes gelten, in dem sie erbracht werden. Ihre Einhaltung muss durch die Stellen des Staates kontrolliert werden, in denen sie erbracht werden. Nur so lasse sich Lohn- und Sozialdumping effektiv vermeiden.

(Beifall Jochen Schulte, SPD, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Zweitens. Hohe Standards beim Umweltschutz dürfen nicht durch eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte ausgehöhlt werden. Dieses führt zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa und gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland und darüber hinaus.

Drittens. Dienstleistung von öffentlichem Interesse wie die sozialen Dienste, die Wasserversorgung und der öffentliche Rundfunk dürfen nicht schutzlos dem Diktat des Wettbewerbs unterworfen werden.

(Beifall Jochen Schulte, SPD)

Meine Damen und Herren, am 11. November 2005 hat der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz Abstimmungen vorgenommen, darauf ist Frau Borchardt bereits eingegangen. Ich bin eigentlich traurig, dass gerade das Herkunftslandprinzip durch die Konservativen und Liberalen bei der Abstimmung gestützt worden ist und viele Veränderungen, die das verhindern sollten, nicht umgesetzt werden konnten. Nach dem ursprünglich vorgesehenen Zeitplan der Kommission sollte die Dienstleistungsrichtlinie bis Ende 2005 durch das Europäische Parlament und den Rat angenommen werden und im Jahr 2007 in Kraft treten. In Anbetracht des wachsenden Widerstandes in den Mitgliedsländern war dieser Fahrplan nicht mehr durchsetzbar. Die Kommission hält trotz der Kritik an der Dienstleistungsrichtlinie fest, hat aber mehrfach Gesprächsbereitschaft erkennen lassen.

Herr Dr. Born hat uns für die CDU-Fraktion heute einen Antrag vorgelegt, einen Änderungsantrag zum Antrag der Koalitionsfraktionen. Manchmal ist es so, Herr Dr. Born, dass die Zeit uns einholt. Wir haben festgestellt, dass wortgleich mit Ihrem Antrag am 12. Januar die Äußerung über die Europäische Kommission in dieser Form erfolgt ist. Wir sind sehr froh, dass Sie unserem Antrag mit dieser Ergänzung, die wir selbstverständlich mittragen, folgen wollen. Auch wir sind der Meinung, dass es sehr wichtig ist, mit den Sozialpartnern und den Arbeitgeberverbänden, die im Lande auch Ängste geäußert haben, wenn die Richtlinie in der Form umgesetzt wird, zu Gesprächen gefunden wird und die Dienstleistungsrichtlinie dann zügig auf den Weg gebracht werden kann. Diesen Prozess werden wir mit den Ansprüchen, die wir formuliert haben, die wir aus diesem Landtag ganz klar, und darüber bin ich sehr froh, fraktionsübergreifend auf den Weg bringen wollen, dass wir sie in dieser Richtung und auch in diesem Zeitplan auf den Weg bringen können. Deshalb bitte ich sowohl zum Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD als auch zum Änderungsantrag der Opposition um Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Schildt.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS der Abgeordnete Döring. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Kollege Born, gestatten Sie mir ganz kurz, dass ich erst auf Ihren Redebeitrag eingehe. Ich habe Ihnen auch zugehört, obwohl ich nicht zur Fraktion der SPD gehöre.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Links- partei.PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Entschuldigung! Entschuldigung!)