Die CDU-Fraktion hat von Beginn an klargestellt, und das ist in diesem Hohen Hause so häufig nicht der Fall, dass sie beim Thema „Deregulierung und Entbürokratisierung“ einen fraktionsübergreifenden Konsens für erforderlich hält. Wir wollen also nicht meckern, meine Damen und Herren, aber doch klarstellen, wo aus unserer Sicht noch Änderungsbedarf besteht. Nicht kleckern, sondern klotzen wäre bei der Deregulierung angebracht.
Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht ist der erste Schritt mit diesem Deregulierungsgesetz viel zu klein geraten, und zwar deswegen, weil bestimmte Maßnahmen nur in der „Testregion für Bürokratieabbau Westmecklenburg“ umgesetzt werden sollen. Zur Begründung dafür, warum bestimmte Gesetze nur in einem begrenzten Landesteil gelten sollen, sagt der Gesetzentwurf, es sollen „unternehmerisches Handeln erleichtert, Existenzgründungen gefördert und die wirtschaftliche Entwicklung... insgesamt vorangetrieben werden“, aber die Auswirkungen dieser Regelungen seien nicht absehbar, müssten daher erst in einer bestimmten Region getestet werden. Meine Damen und Herren, manchmal wünscht man sich, dass bestimmte Gesetzesexperimente erst in einer Testregion sozusagen erprobt worden wären, bevor man sie für allgemein verbindlich erklärt. Ich denke hier zum Beispiel an die Hartz-IV-Umsetzung in den Kommunen. Aber in diesem Fall meinen wir, dass es nicht sinnvoll ist, Maßnahmen, die unternehmerisches Handeln erleichtern, Existenzgründungen fördern und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben sollen, auf einen einzigen Landesteil zu beschränken. Derartige Maßnahmen, meine Damen und Herren, sind doch in den besonders wirtschaftsschwachen Regionen in Vorpommern, zum Beispiel UeckerRandow, Ostvorpommern, besonders sinnvoll
und sollten nicht nur der Region zugute kommen, die wirtschaftlich in Mecklenburg-Vorpommern unstrittig am stärksten dasteht.
Herr Ritter, niemand redet auch nur irgendetwas schlecht und ich schon gar nicht, Herr Ritter, darauf lege ich Wert.
Daher, Herr Ritter, haben wir auch in unserem eigenen Initiativantrag, den der Kollege Müller schon zitiert hat, das war die Drucksache 4/1228, immerhin schon vom Juni 2004, das Ziel verfolgt, eine größtmögliche Umsetzung der Vorschläge der Projektgruppe „Testregion für Bürokratieabbau Westmecklenburg“ zu erreichen. Unser Gesetzentwurf soll ein klares Bekenntnis für die parlamentarische Unterstützung der Vorschläge darstellen. Aber – das sage ich noch einmal ganz deutlich, darauf
legen wir ausdrücklich Wert – der räumliche Geltungsbereich für sämtliche Deregulierungsvorschläge sollte auf ganz Mecklenburg-Vorpommern erweitert werden. Wir sind froh, dass es uns – Herr Müller hat das schon zitiert und es steht auch in der Beschlussempfehlung und im Bericht – gemeinsam gelungen ist, so weit zu kommen, dass wir heute sagen können, „im weiteren Verfahren“ soll „nach Möglichkeit jeweils eine landesweite Umsetzung“ vorgesehen sein.
Wir haben daher auch nicht darauf bestanden, unseren eigenen Gesetzantrag jetzt schon mit entscheiden zu lassen. Unser Gesetzentwurf mag als stetige Aufforderung verstanden sein, dass die Umsetzung der Deregulierungsvorschläge der Projektgruppe noch nicht in unserem Sinne, also im Sinne der CDU-Fraktion, wirklich abgearbeitet ist. Wir wollen allerdings auch nicht unsere Zustimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung verweigern, weil, meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf, das sagte ich schon, in die richtige Richtung geht. Wir müssen gemeinsam handeln. Etwas zu tun ist allemal besser, als nichts zu tun. Wir werden also, meine Damen und Herren, dem Gesetzentwurf zustimmen.
Aber, wie schon erwähnt, das ist kein Grund, um zufrieden zu sein. Ein kurzer Ausblick sei daher erlaubt, denn die Frage steht: Wie soll es nun weitergehen? Am letzten Freitag in der Sonderausschusssitzung hat uns der Justizminister seinen dritten Bericht zur Deregulierung und zum Bürokratieabbau erläutert und, wie ich fand, etwas resigniert festgestellt, dass zwar alle davon reden, dass Bürokratie abgebaut werden müsse, aber wenn man nachfragt, welche Regelungen nun konkret wirklich überflüssig oder behindernd seien, sei festzustellen, so der Justizminister, dass es kaum Vorschläge oder Anregungen gibt.
(Rainer Prachtl, CDU: Aha. – Heinz Müller, SPD: Dann beschreibt er die Situation treffend. – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr traurig!)
Der Justizminister hat im Übrigen ein Schreiben an die Mitglieder der Ziegelsee-Arbeitsgruppe zum Abbau kommunaler Standards verschickt und hat die Damen und Herren, zu denen auch ich gehöre, gebeten, aus ihrem Umfeld, aus ihrem Erfahrungsbereich entsprechende Vorschläge zu bringen. Wenn er bis heute kein Antwortschreiben von mir hat, ist das auch symptomatisch, denn ich habe in mehreren Kreisverwaltungen, in Fachverbänden und bei leitenden Verwaltungsbeamten nachgefragt, aber so einfach ist es offensichtlich nicht, wenn es konkret wird.
(Heinz Müller, SPD: Richtig. – Dr. Ulrich Born, CDU: Man kann ihn doch nicht hängen lassen, den Minister!)
Der erste hatte 52 Seiten, der zweite war viel mutiger, der hatte 116 Seiten und der dritte Deregulierungsbericht bestand nur aus ganzen 10 Seiten.
Meine Damen und Herren, woran mag das liegen? Liegt es nun wirklich daran, dass sich nur die Verwaltung und die Lobbyisten mit den Gesetzen auskennen, oder liegt es daran, dass sowohl die einen als auch die anderen ein Interesse daran haben, dass die einmal ausgehandelten und einmal erkämpften Positionen, die man sozusagen in der Tasche hat, erhalten bleiben sollen? Das mag ein Grund sein. Ein anderer Grund mag der sein, dass es aus der Sicht der Bürger oft gar nicht so sehr um den Abbau von Gesetzen oder Verordnungen geht. Der Blick zum Beispiel auf magische Zahlen – ich weiß, dass es diesen Blick auch von uns ein paar Mal gab, und zwar zum Abbau von Gesetzen, da wurden Zahlen von 30 Prozent oder so genannt – mag daher wirklich beschränkt sein. Aus Sicht der Bürger hat Bürokratie nämlich wirklich etwas mit gefühlter Bürokratie zu tun. Sie stören sich eigentlich weniger an den Gesetzen und an der Zahl der Gesetze als vielmehr am Verhalten derjenigen, die in der Verwaltung mit der Umsetzung dieser Gesetze beschäftigt sind.
Da kann, glaube ich, jeder von uns hier im Hohen Hause seine schlimmen Geschichten erzählen. Ich fand es deshalb sehr, sehr gut, dass Sie, Herr Minister, in der letzten Sitzung des Sonderausschusses unter dem Thema „Aktuelle Arbeitsfelder der Deregulierung“ mit einem ganz aktuellen Datum, 30. September 2005, über einen Pakt zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren gesprochen haben. Das halte ich für hochinteressant. Sie haben sich da noch etwas bedeckt gehalten. Ich hoffe, dass es gerade bei diesem Punkt, das war der Punkt 7, in der Zukunft sehr schnell weitergeht.
Meine Damen und Herren, wenn die SVZ gestern schreibt, dass die Dienstleistungsmentalität aus DDR-Zeiten sich in einigen Bereichen auch nach 15 Jahren – wir hatten jetzt am Wochenende Gelegenheit, sozusagen einmal zurückzuschauen – noch nicht geändert habe, so zeigt dieses eigentlich ein Problem auf, denn zu DDR-Zeiten war der Staat kein Dienstleister für die Bürger, der Bürger war eher ein Bittsteller denn ein Kunde. Es ist schon zu vermuten, dass die Dienstleistungsmentalität in vielen Amtsstuben, und das sage ich als einer, der übrigens auch einmal in der Verwaltung tätig war, noch nicht genügend angekommen ist.
wir als Gesetzgeber, denn, Zitat Biedenkopf: „Wenn sich Gesetze schneller ändern, als die Gesetz anwendende Verwaltung sie erlernen und administrativ umsetzen kann, ist eine einheitliche Rechtsanwendung nicht mehr gewährleistet.“ Dieses jedoch, meine Damen und Herren, ist die Voraussetzung jeder Rechtstaatlichkeit. Fehlt sie,
kann die Rechtsordnung nicht länger die Gleichheit vor dem Gesetz gewährleisten. Recht und Gesetz verlieren dann an Autorität. Das heißt aber für uns, meine Damen und Herren – ich möchte, dass wir wirklich einmal gemeinsam darüber nachdenken –, Deregulierungsgesetze, die wir parallel zum Beispiel zum Veraltungsmodernisierungsgesetz und zu einzelnen Fachgesetzen in das Gesetzgebungsverfahren geben und die dann das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, sind doch eigentlich schon ein Widerspruch an sich. Der Gesetzgeber muss sich nun mehrfach mit demselben Gesetz beschäftigen, statt in einem schlanken Gesetzgebungsverfahren alles aus einem Guss zu machen. Die Landesbauordnung, meine Damen und Herren, ist nur ein Beispiel. Dort haben wir vier Baustellen zur gleichen Zeit.
Meine Damen und Herren, woran kann es noch liegen, dass keine Vorschläge für Deregulierung mehr kommen? Diejenigen, die die Regeln veranlassen, haben meistens ein Regelungsbedürfnis. Warum wird dieses Regelungsbedürfnis aber offensichtlich immer größer, obwohl wir alle von Deregulierung und Entbürokratisierung reden? Warum reichten Moses die zehn Gebote, um ein relativ reibungsloses Zusammenleben zwischen den Menschen zu organisieren?
Unsere Regelungswut deutet darauf hin, dass es immer weniger möglich ist, sich auf allgemeinverbindliche Verhaltensweisen zu einigen. Meine Damen und Herren, je mehr wir aber versuchen, jeden Lebenssachverhalt mit einer Verhaltensregelung zu versehen, desto mehr werden wir doch zwangsläufig scheitern, weil wir dann, getrieben von unserem eigenen Verständnis von Gerechtigkeit, zwangsläufig immer mehr regeln müssen. Je weniger der Staat regelt, desto mehr muss eine Gesellschaft sich über ihre allgemeinverbindlichen Werte einigen. In diesem Rahmen trägt jeder Einzelne mehr Verantwortung für sich und andere und desto mehr Toleranz wird jedem Einzelnen zugemutet.
Meine Damen und Herren, Deregulierung setzt zunächst einmal ein Umdenken und eine bewusste Entscheidung für die Selbstverantwortung jedes Einzelnen voraus. Wenn auch dieses für unser Land so notwendige Umdenken ein fraktionsübergreifender Konsens werden könnte, wenn also die Selbstverantwortung des Einzelnen und Werte in der Gesellschaft an sich im besten konservativen Sinne wieder mehr an Bedeutung gewinnen würden, dann, Herr Minister Sellering, und damit komme ich zum Ende, könnten Sie zu den Ziegelseegesprächen zum Beispiel zum Abbau kommunaler Standards ohne Rücksicht auf vergangene oder bevorstehende Wahltermine einladen. Dieses Umdenken, dieses Neudenken wünsche ich uns allen, und zwar fraktionsübergreifend. – Danke.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS der Abgeordnete Herr Ritter. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir müssen uns mit der Verabschiedung des ersten Deregulierungsgesetzes in der Tat etwas beeilen, denn schon morgen soll Artikel 1 Paragraph 2 des vorliegenden
Gesetzentwurfes eine neue erweiterte Fassung erhalten. Der Katalog der landesrechtlichen Vorschriften, die in der Testregion nicht oder nur mit besonderen Maßgaben gelten, wird über das heute zu beschließende Gesetz hinausgehend erweitert. Lassen Sie mich daher nur kurz zwei Anmerkungen machen:
Erstens glaube ich, dass wir uns auch bei der Deregulierung im Rahmen des Möglichen auf einem guten Weg befinden. Längst aber sind wir in der Bundesrepublik auf diesem Weg nicht mehr allein. Der Brandenburger Landtag hat auf Initiative der dortigen großen Koalition vor einigen Wochen einen für ein Jahr befristeten Sonderausschuss für Deregulierung eingesetzt. Dieser soll gemeinsam mit den einzelnen Ministerien einen möglichen Vorschrifte n a b b a u prüfen. Hierbei wünsche ich den Kolleginnen und Kollegen im Landtag Brandenburg gutes Gelingen. Wenn in Mecklenburg-Vorpommern weiter alles nach Plan läuft, dürfte in dem gleichen Zeitraum bereits das dritte Deregulierungsgesetz auf den Weg gebracht sein.
Dann aber, meine sehr verehrten Damen und Herren – und damit bin ich bei meiner zweiten Anmerkung –, dürften Deregulierungsbemühungen auch bald an gewisse Grenzen stoßen, beruhen unsere Landesverordnungen doch immerhin zu 46 Prozent auf EU- und Bundesrecht. Bei den Landesgesetzen sind es bereits 68 Prozent. Diese Zahlen sind der Unterrichtung durch die Landesregierung zur Arbeit der beim Justizminister eingerichteten Normprüfstelle zu entnehmen. Sie verdeutlichen, und damit möchte ich schließen, dass eigene Deregulierungsbemühungen ergänzt werden müssen um entsprechende Anregungen in Richtung Bund und Europäische Union. Vielleicht können die neu gewählten Bundestagsabgeordneten aus unserer Mitte dabei etwas helfen. – Danke schön.
Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heinz Müller. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe jeden, der sagt, das geht viel zu langsam und das ist viel zu wenig. Diese Ungeduld, liebe Kolleginnen und Kollegen und lieber Kollege Ringguth, verspüre ich natürlich auch.