Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts des Themas und der Feierlichkeiten der letzten Tage fallen mir zwei Eindrücke von der Finnland-Reise des Bildungsausschusses vor drei Wochen ein.
Erster Eindruck: Es geht die Sage, mensch könne in Finnland das DDR-Schulsystem besichtigen. Natürlich und zum Glück stimmt das nicht.
Nach meinem Eindruck ist das finnische Bildungssystem allgemein ein sehr skandinavisches und im Besonderen ein finnisches. Allerdings haben die Finnen sich in der Welt umgesehen und haben manche, von ihnen als positiv empfundene Aspekte aus verschiedenen Ländern, und darunter sehr deutlich aus der DDR, auf ihre Bedingungen angewendet. Sie haben nichts von außen übergestülpt. Und da liegt der Aspekt im Zusammenhang dieses Themas und der Finnland-Reise.
Bei uns hier in Mecklenburg-Vorpommern wurde nicht überlegt, wie kann mensch aus der Bildungskultur der DDR Negatives beseitigen und mit positiven Aspekten der BRD-Schule neue Wege beschreiten, die den besonderen Bedingungen nach der Wende angemessen gewesen wären. Uns wurde ein Bildungssystem übergestülpt, das einfach nicht zu den Erfahrungen und der Bildungskultur passte. Dass das nicht funktionieren kann, sieht mensch in Finnland. Das stellt eine der wesentlichen Ursachen unserer Probleme bis heute dar.
Ein zweiter Aspekt: Niemand unserer vielen Gesprächspartner in Finnland – und es war mit Abstand das dichteste Programm, das ich je auf einer Ausschussreise mitgemacht habe – hat von sich aus mit uns über den Zusammenhang von Geld und Bildung gesprochen. Niemand hat aus dem vorhandenen und angesprochenen demographischen Problem die Notwendigkeit von Kürzungen abgeleitet und uns geschildert. Sprachen wir die Finanzen an, wurden wir eher etwas seltsam angesehen. Die Leute verstanden uns offensichtlich nicht so richtig, was kein Sprachproblem war, sondern ein Denkproblem.
Ich habe vor zwei Wochen in der Ersten Lesung des neuen Doppelhaushaltes darauf hingewiesen, dass in der Mittelfristigen Finanzplanung der aus meiner Sicht sehr gefährliche und sehr falsche Satz steht, ich zitiere sinngemäß: Im Mittelpunkt der politischen Koordinierung steht die Finanzpolitik. In Finnland – und das ist mein ganz starker Eindruck – steht im Mittelpunkt der politischen Koordinierung offensichtlich die über alle Parteien und Schichten verankerte Überzeugung, dass Bildung etwas ganz Wichtiges und ganz Grundlegendes ist. Dementsprechend findet sich das nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch und vor allem im praktischen Handeln. Das haben wir sehr deutlich demonstriert bekommen.
Und damit für mich die Schlussfolgerung: Wollen wir 15 Jahre nach der Deutschen Einheit bei uns hier einen Schritt vorankommen in Bezug auf die Bildung, müssen wir um einen solchen gesellschaftlichen Konsens ringen, und wir sollten hier im Landtag damit anfangen, um mit einem guten Beispiel voranzugehen. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss sagen, dass ich mich wie die allergrößte Mehrzahl der Deutschen auch 15 Jahre nach der deutschen Einheit immer noch sehr darüber freue und ich mich freue, dass wir diesen Tag als Feiertag begehen und jedes Jahr in einem anderen Bundesland feiern.
Es trifft allerdings auch zu, dass eine Minderheit sich die Zustände vor der deutschen Einheit zurückwünscht. Und es trifft zu, dass nicht alle Träume, die mit der deutschen Einheit verbunden waren, in Erfüllung gegangen sind. Ich kann verstehen, dass der, der keine Arbeit hat, anders über die deutsche Einheit denkt als jemand, der
Arbeit hat, der sich inzwischen viel geschaffen hat. Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit hatte man in der DDR nicht sammeln können. Zwar muss niemand bei uns hungern, doch die Empfindung von Armut ist relativ. Man vergleicht sich mit seinem Nachbarn. Der eine hat Arbeit, der andere hat keine, der eine fährt einen alten Polo, der andere fährt einen 3er- oder 5er-BMW. Diese Differenzierung in der Gesellschaft kannten wir in der DDR nicht. In der DDR gab es weitgehend Gleichmacherei.
Meine Damen und Herren, wir haben aber dennoch eine ganze Menge erreicht und ich warne ausdrücklich vor einer Verklärung der Verhältnisse in der DDR. Wir dürfen nicht vergessen, wie ohnmächtig man in der DDR Behörden gegenüberstand. Herr Rehberg hat schon zu Recht auf die Zustände in Alten- und Behindertenwohnheimen hingewiesen. Wie lange musste man häufig anstehen, wenn es einmal etwas Besonderes in der HO oder im Konsum gab! Wie lange musste man auf angemessenen Wohnraum warten und wie groß war die Freude, wenn man in einer Plattenbauwohnung einziehen durfte, die heute mancher nicht mehr für zumutbar hält!
Erinnern muss man auch daran, dass das System der DDR natürlich Gleichschaltung aller Parteien bedeutete und die politische Meinungsäußerung unterdrückt wurde, ja teilweise sogar zu politischer Verfolgung und Verurteilung führen konnte. Ich erinnere auch daran, dass die deutsche Einheit gerade noch zur rechten Zeit kam, um viele unserer Innenstädte vor dem endgültigen Verfall zu bewahren. Zwar wurden auf der grünen Wiese neue Wohnungen gebaut, Frau Gramkow hat darauf hingewiesen, darüber vergaß man aber, Mittel für den Erhalt der Altstädte bereitzustellen. Und ich erinnere daran – viele andere, die in der Wirtschaft tätig waren, werden das bestätigen können –, wie marode, ja zum größten Teil völlig marode unsere Wirtschaft war.
Aber Tatsache ist auch, dass im Prozess der deutschen Einheit Fehler gemacht wurden. Wir hatten die Situation – und dazu haben auch einige ehemalige DDR-Bürger selbst mit beigetragen –, alles, aber auch alles, was es in der DDR gab, schlechtzureden. Ich erinnere an die Organisation des Gesundheitswesens, die meiner Meinung nach der Organisation des Gesundheitswesens, wie wir sie heute haben, überlegen war. Ich erinnere an die Betreuung chronisch Kranker, die bei allen Knappheiten, die es gab, doch gut organisiert war. Ich erinnere auch an das längere gemeinsame Lernen, was ich für einen Vorteil halte. All das war meiner Meinung nach erhaltenswert und wurde trotzdem platt gemacht. Jetzt besinnt man sich vielleicht darauf, dass einiges doch erhaltenswert gewesen wäre, und versucht, es wieder einzuführen.
Meine Damen und Herren, in der DDR gab es keine freie Meinungsäußerung und die DDR erkaufte sich Bevormundung und Unterwerfung mit Fürsorge. Versorgt zu sein von der Wiege bis an die Bahre war für die meisten selbstverständlich und das Verständnis von Freiheit verkehrte sich demzufolge schließlich bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ins Gegenteil. Die Freiheit wurde nicht mehr als Aufforderung zu selbstbestimmtem Handeln empfunden, sondern als Freiheit vor Verantwortung, was auch nach 1989 zu großen Orientierungsproblemen bei den ehemaligen DDR-Bürgerinnen und -bürgern führte, denn eins müssen wir sagen: Der Umgang mit Freiheit muss auch gelernt sein, sonst wird bei manchen die Freiheit zur Last und nicht zur Lust. Schnell erscheint dann die Vergangenheit rosiger, als sie war.
Ich glaube aber, wir können mit Fug und Recht sagen, seit damals haben wir viel gewonnen. Ich erinnere daran, wie unsere Innenstädte heute aussehen. Ich erinnere daran, was wir zur Verbesserung der Infrastruktur getan haben. Wir haben eine Reihe moderner konkurrenzfähiger Betriebe. Ich weiß, dass das noch nicht ausreicht. Aber wir haben Meinungsfreiheit, wir haben Reisefreiheit, wir haben einen Wettstreit unterschiedlicher Parteien.
Einiges ist natürlich auch schwieriger geworden, den allumsorgenden Staat, den vormundschaftlichen Staat gibt es nicht mehr. Doch wir müssen, und darauf hat Frau Gramkow hingewiesen, uns in der Demokratie für gleiche Chancen für alle stark machen. Das ist eine wichtige Aufgabe.
Unser Ziel in Mecklenburg-Vorpommern muss es sein, unser Land weiter voranzubringen. 2019, mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II, müssen wir auf eigenen Füßen stehen. Ich sage hier sehr deutlich, nicht alles, was wünschbar ist, wird auch finanzierbar sein, aber es ist notwendig, dass wir unsere Strukturen verändern – ich nenne die Verwaltungs- und Gebietsreformen.
Wir müssen weiter für gute Ansiedlungsbedingungen für Unternehmen sorgen. Wir müssen die Chancen der EU-Osterweiterung nutzen und mit Selbstbewusstsein nach vorn schauen im Vertrauen auf die eigenen Stärken und auf das bisher Geleistete. Herr Prachtl, ich fordere wie Sie ausdrücklich alle auf, auch alle Parteien dieses Landes oder alle Parteien, die in diesem Landtag vertreten sind, mitzumachen, um unser schönes Bundesland weiter voranzubringen. – Herzlichen Dank.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Mecklenburg-Vorpommern für das Haushaltsjahr 2005, Drucksache 4/1820, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, Drucksache 4/1880, in Verbindung mit Zweiter Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2005, Drucksache 4/1825, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, Drucksache 4/1881. Zu den Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses liegen Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS auf Drucksache 4/1888 sowie drei Änderungsanträge der Fraktion der CDU auf den Drucksachen 4/1891, 4/1892 und 4/1893 vor beziehungsweise werden jetzt gleich verteilt, weil sie noch gedruckt werden.
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes MecklenburgVorpommern für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/1820 –
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2005 (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/1825 –
Im Ältestenrat wurde eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten sowie 5 Minuten für den fraktionslosen Abgeordneten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser gemeinsam gestecktes Ziel, Beschluss des Haushaltsgesetzes und Beschluss des Haushaltsbegleitgesetzes für das Jahr 2005, erreichen wir mit der heutigen Zweiten Lesung im Landtag. Damit werden wir heute dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 7. Juli diesen Jahres folgen und die im Haushaltsplan 2005 veranschlagten Mittel können planmäßig weiter bewirtschaftet werden.
In drei Sitzungen des Finanzausschusses haben wir dieses vollbracht. Wir haben den verabredeten Terminplan eingehalten, auch wenn es dabei einige Hürden zu überwinden gab. Es waren insbesondere zwei.
Zur ersten Hürde: In der CDU-Fraktion gab es Überlegungen – Herr Rehberg hat es hier in der Ersten Lesung auch angesprochen –, das Haushaltsbegleitgesetz vom Haushaltsgesetz möglicherweise abzukoppeln. Vertreten wurde die Auffassung, man könne aufgrund von Anhörungsterminen, die avisiert waren zum Landeserziehungsgeld und zum Schulgesetz, die Zweite Lesung zum Haushaltsbegleitgesetz in einer Sondersitzung des Landtages zum Beispiel am 12. Oktober vornehmen. Dabei hatte die CDU-Fraktion allerdings nicht bedacht, dass die Trennung beider Gesetze, zwischen denen ein enger finanzieller Zusammenhang besteht, nicht mit Artikel 61 der Landesverfassung vereinbar ist. Der Artikel 1 Absatz 1
regelt den Grundsatz der Haushaltklarheit. Satz 1: „Alle Einnahmen und Ausgaben sowie Verpflichtungen des Landes müssen für jedes Haushaltsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingestellt werden.“ Und im Satz 3: „Der Haushalt ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.“