Landesverfassungsgerichts nicht bewusst ist und offensichtlich bedenkenlos einen nachhaltigen Konflikt mit dem Landesverfassungsgericht heraufzubeschwören bereit ist, der die Autorität des unabhängigen Verfassungsorgans Landesverfassungsgericht zu untergraben geeignet ist.
Frau Finanzministerin, es ist für mich absolut nachvollziehbar, wenn man in einem Rechtsstreit unterliegt und dann das Urteil auch noch so deutlich ausfällt, wie es vorliegend der Fall ist, dass man sich über das Urteil ärgert. Das ist nachvollziehbar. Das gilt auch für eine Landesregierung. Auch sachlich fundierte, in Form und Inhalt angemessene kritische Auseinandersetzungen mit Urteilen sind möglich und vertretbar. Allerdings, ein starrköpfiges Beharren auf im Verfahren vertretene Standpunkte ist gerade für eine Landesregierung völlig unangemessen, denn gemäß Artikel 53 Ziffer 2 unserer Landesverfassung obliegt die letztgültige Entscheidung, ich zitiere, „bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche oder sachliche Vereinbarkeit von Landesrecht mit dieser Verfassung“, wenn ein entsprechender Antrag rechtmäßig gestellt wird, allein und ausschließlich dem Landesverfassungsgericht. Ich zitiere weiter, im Paragraphen 28 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes heißt es:
„(1) Die Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane sowie alle Gerichte und Behörden des Landes.
(2) In den Fällen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3 hat die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Gesetzeskraft.“ Und es wird auch darauf hingewiesen, dass die Entscheidungsformel durch den Ministerpräsidenten im Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern zu veröffentlichen ist. Mit anderen Worten, die Entscheidungen des unabhängigen Landesverfassungsgerichts sind von allen zu respektieren, insbesondere aber von den anderen Staatsgewalten, und diesen Respekt lassen Ihre Äußerungen, Frau Ministerin, gröblichst vermissen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU)
Ihre Stellungnahme vom 7. Juli 2005 und das, was Sie heute hier zum Urteil gesagt haben, sind völlig inakzeptabel. Sie erwecken den Eindruck, als wenn Ihnen die Funktion eines Oberverfassungsgerichtes in diesem Lande zukäme. Es werden die Tatsachen des Urteils schlicht auf den Kopf gestellt, wenn die Finanzministerin behauptet, zum Doppelhaushalt 2004/2005 habe das Gericht, wörtlich, „keine inhaltliche Bewertung abgegeben.“ Vielmehr würden hier, ich zitiere, „formale Verfahrensfehler geltend gemacht, die sich auf die 1. und 2. Lesung des Doppelhaushalts und auf das sogenannte ,Bepackungsverbot‘ beziehen.“
Was heißt hier, Frau Finanzministerin, formal? Die ordnungsgemäße Beteiligung des Gesetzgebers am Gesetzgebungsverfahren ist kein bloßer Formelkram, sondern Kernbestandteil des demokratischen Gesetzgebungsverfahrens.
Noch fataler wird es allerdings, wenn die Landesregierung dem Landesverfassungsgericht, und das ist heute Morgen wiederholt geschehen, durch Äußerungen der
Finanzministerin – und leider, Kollege Borchert, haben Sie sich das insoweit auch zu Eigen gemacht, und Herr Schlotmann auch – das Wort geradezu im Munde verdreht.
Während das Verfassungsgericht im Leitsatz 1 seiner Entscheidung ausdrücklich hervorhebt und das auch im Einzelnen begründet, dass die, Zitat, „in Art. 55 Abs. 2 LV vorgesehenen Beratungen eines Gesetzes in zwei Lesungen … den Schutz der Abgeordneten und Fraktionen sowie die Einbeziehung der Öffentlichkeit in den demokratischen Meinungsbildungsprozess“ bezwecken, und im Leitsatz 4 betont, Zitat, „Das in Art. 61 Abs. 4 LV geregelte zeitliche Bepackungsverbot dient der Normenklarheit sowie der Verfahrensbeschleunigung und bezweckt den Schutz von Parlament und Öffentlichkeit im Gesetzgebungsverfahren“, so dass folgerichtig ein Verstoß gegen beide Bestimmungen jeweils zur Nichtigkeit führt, behauptet die Finanzministerin – ich kann nur sagen – keck das Gegenteil. Begründet das Verfassungsgericht die Nichtigkeit mit der Verletzung elementarer Parlamentsrechte, so heißt es bei der Finanzministerin: „Mit der Interpretation des Gerichts wird das Änderungsrecht der Parlaments-Ausschüsse und des Parlaments im Gesetzgebungsverfahren deutlich eingeschränkt.“ So haben wir es auch wieder vom Kollegen Schlotmann vernommen. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Es wird hiermit sichergestellt, dass das Parlament tatsächlich ordnungsgemäß seine Gesetzgebungsarbeit leisten kann und nicht im Verborgenen in Ausschussberatungen Gesetze nachgeschoben und Materien geregelt werden, die in der Ersten Lesung niemals Gegenstand hier im Hohen Hause gewesen sind.
Jetzt wird hier immer wieder eine Behauptung aufgestellt, die offensichtlich damit zusammenhängt, dass diejenigen, die sie aufstellen, das Urteil entweder nicht richtig gelesen haben oder es nicht verstehen oder es nicht verstehen wollen. Ich halte es schon für bemerkenswert, wenn Frau Fraktionsvorsitzende Gramkow anregt, dass der Geschäftsordnungsausschuss sich mit der Auslegung des Urteils befassen soll. Ich schlage vor, bevor wir das machen, fügen Sie erst einmal für sich ganz persönlich in Ihrem Terminkalender eine Lesestunde ein und lesen das Urteil genau,
dann können Sie diese Behauptungen gar nicht mehr aufstellen, dass das Urteil nicht eindeutig wäre. Ich kann es ja jetzt nicht im Zusammenhang insgesamt vorlesen, aber der entscheidende Punkt, dass nicht gesagt wurde, was wesentlich ist, ist schlicht falsch.
Ich zitiere Seite 21 des Urteils. Dort heißt es: „Indessen bestimmt sich der Umfang der allgemeinen Abänderungsbefugnis des Finanzausschusses nach Art. 55 Abs. 2 LV. Daraus folgt, dass Änderungen, die so wesentlich sind, dass sie einer Grundsatzberatung bedürfen, nicht durch den Finanzausschuss vorgenommen werden dürfen. Dies gilt nicht nur – wie bereits ausgeführt – für die erstmalige Überschreitung der Regelkreditobergrenze aus Art. 65 Abs. 2 Satz 1 LV, sondern auch für die Regelung neuer Sachbereiche. Zwar bestand eine haushaltsmäßige Ver
knüpfung zwischen den neu eingefügten Artikeln und dem ursprünglichen in der Ersten Lesung beratenen Gesetzentwurf. Eine solche Verknüpfung vermag jedoch regelmäßig nicht zu genügen, um auf eine Erste Lesung bei völlig neuen Sachregelungen verzichten zu können …“ Dann kommen Hinweise auf die Literatur. „Art. 5 bis 8 enthalten solche völlig neuen Sachregelungen. Insbesondere Art. 7 HRG 2004/2005 verdeutlicht mit der Festlegung der Schülermindestzahlen, dass die materiell-rechtlichen Regelungen nicht lediglich leistungsbegrenzende Normen sind, sondern auch bedeutsame Sachfragen regeln. So ist die Festlegung von Schülermindestzahlen unbeschadet ihrer haushaltsrechtmäßigen Auswirkungen vor allem auch eine bildungspolitische Frage.“
Und so geht es weiter. Und dann stellen Sie sich hier hin und sagen, die haben einfach einen – ich muss das übersetzen – unbestimmten Rechtsbegriff genommen und haben uns nicht gesagt, was wesentlich ist. Also wenn man das nicht versteht, was dort steht, dann frage ich mich, wann man ein Urteil überhaupt noch zur Kenntnis nehmen will.
Schlicht inakzeptabel ist folgende Aussage der Finanzministerin. Ich zitiere wiederum aus der Presseerklärung: „Die Landesregierung prüft jetzt, wie dieses Urteil umgesetzt werden kann, ohne dass Schaden für das Land entsteht.“
Frau Ministerin, den Schaden haben Sie dem Land zugefügt, weil Sie die Verfassung verletzt haben, aber nicht etwa, weil das Verfassungsgericht dies ordnungsgemäß festgestellt hat.
Und eine grobe Missachtung des Landesverfassungsgerichts, aber auch der Landesverfassung, stellt schließlich die abschließende Äußerung der Finanzministerin in der genannten Presseerklärung dar. Ich zitiere: „,Umso mehr bedaure ich, dass wir jetzt Verwaltungskapazität dafür abzweigen müssen, vermeintliche formale Fehler zu korrigieren. Ich erwarte, dass sich schon bald zeigen wird, dass insbesondere das Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Doppelhaushalt 2004/2005 nicht zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragestellungen hinsichtlich des Zusammenwirkens von Regierung und Parlament in der Haushaltsgesetzgebung beiträgt. Es schafft im Gegenteil Verfahrens- und Rechtsunsicherheit für die Landesregierung wie für den Landtag.‘“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer als Mitglied der Landesregierung so formuliert, erklärt damit, dass er schlicht nicht bereit ist, die Landesverfassung und insbesondere Artikel 28 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes zu befolgen, in dem festgestellt ist, dass für die verbindliche Auslegung der Landesverfassung einzig und allein das Landesverfassungsgericht als Staatsorgan verantwortlich ist, und nicht die Regierung. Es ist wirklich ein starkes Stück, dass Sie so ein Urteil hier kommentieren. Sie machen damit genau das, was im Vermerk des Staatssekretärs als nicht hinnehmbar gekennzeichnet wird. Ich zitiere noch einmal: „Keines der Verfassungsorgane darf
ein Interesse an fortwährenden Konflikten haben, welche die Autorität der staatlichen Instanzen untergraben.“ Und Sie haken nach. Sie tragen die Positionen nach wie vor als richtig vor, die Sie zu Beginn des Verfahrens erklärt haben und wo Ihnen das Verfassungsgericht eindeutig gesagt hat: Diese Positionen sind nicht verfassungsgemäß.
Dass das nicht ein einmaliger Ausrutscher ist, beweisen Ihre heutigen Äußerungen und das beweist auch die Presseerklärung der Finanzministerin vom 23.08.2005. Ich zitiere: „Obwohl die Verfassung nach Auffassung der Landesregierung nicht verbietet, dass im Laufe der parlamentarischen Beratung zwischen dem eingebrachten Gesetzentwurf und dem verabschiedeten Gesetz wesentliche Veränderungen eintreten, wird die neue Sichtweise des Gerichts künftig beachtet werden müssen. Damit wird das Gesetzgebungsverfahren eher komplizierter und von der Frage überschattet sein, was ist eine ,wesentliche Änderung‘? Dies wird zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen.“
Frau Ministerin, Sie erwecken hier den Eindruck, das sei alles überraschend über Sie hereingebrochen. Da muss ich Ihnen sagen, dann missachten Sie nicht nur das Landesverfassungsgericht, sondern auch das Parlament, denn Ihnen lag das ausführliche Protokoll des Rechtsausschusses von seiner Sitzung vom 22. Januar 2005 vor, auf das wir ausdrücklich Wert gelegt hatten, in dem Punkt für Punkt all dies, was sich im Verfassungsgerichtsurteil wiederfindet und was die Kollegen Ankermann, Prachtl und ich zu verfassungsrechtlichen Bedenken vorgetragen haben, enthalten ist.
Damals haben wir extra darum gebeten, und dem ist auch Folge geleistet worden, dass der für die Verfassung des Landes zuständige Minister, der Justizminister, an der Beratung teilnimmt, da er von Verfassungsfragen, was man Ihnen nicht vorwerfen kann, sicherlich mehr versteht als vielleicht Sie persönlich. Wir hätten erwartet, dass er Ihnen das dann wenigstens übermittelt und übersetzt. Es ist alles im Protokoll nachzulesen. Wer es nicht glaubt, den bitte ich, dieses Protokoll anzufordern. Es ist nicht ein Punkt dabei, der überraschend auf diese Landesregierung zugekommen ist. Und wenn Sie jetzt so tun, dass das Landesverfassungsgericht hier Schaden anrichtet, weil plötzlich von einer Staatspraxis abgewichen wird, der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion hat es Ihnen vorhin schon gesagt, dann läuft irgendwann das Fass über. Man kann nicht ständig am Rande der Verfassungsmäßigkeit agieren und sich dann wundern, wenn nach entsprechenden deutlichen Hinweisen die Opposition sagt: Jetzt ist es zu viel des Guten, jetzt müssen wir darauf dringen, dass die Verfassung eingehalten wird.
Und übrigens ist es auch unangemessen, dass die Landesregierung das Urteil, zu dessen Veröffentlichung sie nach dem Landesverfassungsgerichtsgesetz verpflichtet ist, erst am 31. August 2005 ins Gesetz- und Verordnungsblatt gebracht hat. Der Kollege Dr. Jäger hat mich zu Recht darauf hingewiesen, dass das natürlich dazu geführt hat, dass diejenigen, die bei Klagen gegen das Schulgesetz zum Beispiel unterlegen waren, inzwischen mit Kosten von den Gerichten veranlagt worden sind, weil
die Gerichte erst dann reagieren können, wenn sich eine entsprechende Bestimmung im Gesetz- und Verordnungsblatt wiederfindet. Und hier ist die entsprechende Bestimmung das Urteil des Landesverfassungsgerichts. Also auch das zeugt nicht gerade von Respekt der Landesregierung gegenüber dem Landesverfassungsgericht.
Mit Ihren Stellungnahmen zum Urteil haben Sie sich in Ton, Inhalt und Form vollständig vergriffen. Es wäre wirklich angebracht, dass Sie sich dafür in aller Form entschuldigen, zumal wenn man bedenkt, dass das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern über ein unbestritten hohes Ansehen weit über die Landesgrenzen hinaus verfügt, abgesehen davon, dass hier sieben Richter mit enormem Zeit- und Energieaufwand ohne nennenswerte Aufwandsentschädigungen ehrenamtlich tätig sind. Statt Verunglimpfungen haben das Landesverfassungsgericht und seine Mitglieder den Respekt dieser Landesregierung und des gesamten Landtages verdient.
Ich empfehle Ihnen die Lektüre des gerade erschienenen Sonderheftes „Niedersächsische Verwaltungsblätter“ zum 50jährigen Bestehen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs. Da können Sie sehen, wie andere Länder mit ihrem Verfassungsorgan Verfassungsgericht umgehen. Ich zitiere nur einen Satz aus dem Vorwort des Ministerpräsidenten in der Festschrift. Er beruft sich auf den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Und dort heißt es: „Ein Verfassungsgericht in einem gewaltenteilenden Staat ist stets eine der drei tragenden Säulen des Systems. Mit der Letzt-Entscheidungswirkung seiner Urteile ist es gegenüber den zwei anderen Staatsgewalten als Hüter der Verfassung ein ,ruhender Gegenpol zur hektischen Tagespolitik‘“. Dies formulierte treffend der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Herr Professor Dr. Dr. Papier.
Frau Ministerin, lassen Sie mich abschließend sagen: Statt rechthaberisch auf verfassungswidrigen Positionen zu beharren, sollte die Landesregierung nicht nur gegenüber dem Gericht als Institution und den Mitgliedern des Verfassungsgerichts den gebotenen Respekt aufbringen, sondern peinlich darauf achten, dass das jetzige und zukünftige Gesetzgebungsverfahren verfassungsgemäß gestaltet wird, denn es geht dabei mitnichten um lästigen Formelkram, sondern um den Kernbestand eines rechtsstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens und damit auch um Grundprinzipien eines auf Gewaltenteilung beruhenden demokratischen Rechtsstaates.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist der Antrag der CDU-Fraktion, der normalerweise – da gebe ich Ihnen völlig Recht – nur Selbstverständliches aufschreibt und deshalb überflüssig wäre, notwendig. Genau deshalb, weil dieser Respekt offensichtlich nicht in der gesamten Landesregierung vorhanden ist, ist der Antrag der CDU-Fraktion notwendig als Selbstverpflichtung dieses Landtages, um deutlich zu machen, dass das, was hier an Schaden durch die unsägliche Diskussion zu einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Urteil entstanden ist, dass dieser Schaden begrenzt wird und der Landtag sich jetzt öffentlich dazu bekennt, solche Urteile uneingeschränkt zu beachten. Dieser Antrag ist leider notwendig und deshalb bitte ich Sie um Zustimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in den elf Jahren in diesem Hohen Haus eines auch gelernt: Mehrheiten sind immer in der Gefahr, sich durch ihre Entscheidungsmöglichkeiten verführen zu lassen und Notwendigkeiten der demokratischen Auseinandersetzung zu verkürzen.
Natürlich ließen sich auch aus der Zeit der CDUgeführten Regierung ausreichend Belege für diese Aussage finden. Eine meiner prägenden Erfahrungen ist dabei eine Zweite Lesung eines Haushaltsgesetzes in der 2. Legislaturperiode, wo buchstäblich in der Nacht – wirklich buchstäblich in der Nacht – vor der entsprechenden Landtagssitzung lange nach Abschluss der Arbeit des Finanzausschusses an diesem Haushaltsgesetz 80 Millionen D-Mark zusätzlich in den Haushalt kamen.