Protocol of the Session on December 12, 2002

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

die durchaus bereit sind, diese Aufgaben zu übernehmen. Und ich will auch hier meine Position sagen: Ich bin dafür, dass diese Aufgaben tatsächlich an private Firmen vergeben werden und nicht an eine GmbH, die dem Arbeitsamt zugeordnet ist oder die das entsprechende Arbeitsamt dann tatsächlich organisiert. Die Notvariante wäre tatsächlich die Mischvariante, wo dann Private Public Partnership realisiert wird. Ich bin dafür, dass es tatsächlich dorthin gehört, wo auch Know-how-Erfahrungen vorhanden sind. Und wir haben ausreichend Zeit- und Leiharbeitsfirmen in Mecklenburg-Vorpommern. Die können also diese Maßnahmen tatsächlich dann auch umsetzen.

Entscheidend ist aber, dass diese PersonalService Agenturen Geld kosten werden, weil natürlich Vermittlungsprämien gezahlt werden und überhaupt weitere Gelder an die betreffenden Personen, die in diesen Agenturen arbeiten werden. Das sind in der Bundesrepublik 900 Millionen Euro, die aufgewendet werden sollen. Und die zurückgerechnet auf den Eingliederungstitel, über den ich gesprochen habe, das kann ja jeder selber nachrechnen, was dann hier weniger zur Verfügung steht.

Ein zweites Instrument, wo wir uns, davon gehe ich mal aus, auch einig sind, sind die Jobcenter, also die Umgestaltung der Arbeitsämter zu Jobcentern, wo dann tatsächlich diese Vermittlung der Arbeitslosen in Arbeit erfolgen soll. Wenn jetzt aber eine Diskussion stattfindet in Mecklenburg-Vorpommern, dass die Existenz bewährter Träger – Träger, die mit Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfängern in der Vergangenheit gearbeitet haben und auch das Know-how, die Erfahrungen und das Wissen haben, gerade auch im Osten des Landes –, dass die Existenz dieser Träger in Frage gestellt wird, dann frage ich mich, soll das der richtige Weg sein, auf Erfahrungen und Wissen zu verzichten und möglicherweise überflüssige Strukturen zu schaffen. Deswegen bin ich der Auffassung, dass man hier die Diskussion dergestalt führen muss, dass auf der einen Seite diejenigen, die den Arbeitsämtern zugeordnet werden – und der Deutsche Landkreistag hat sich ja auch geäußert, dass das vielleicht nicht unbedingt bei den Arbeitsämtern sein muss, sondern dass das auch eine kommunale Aufgabe sein könnte, die Diskussion ist ja insgesamt noch nicht abgeschlossen –, eine schnellere Vermittlung tatsächlich brauchen, aber diejenigen Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger, die bei den Kommunen verbleiben, eben nicht in die Betreuung dieser Jobcenter aufgenommen werden. Diese sollte nun tatsächlich auch fortgeführt werden durch die Träger, die wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, um hier nicht überflüssige Strukturen zu schaffen. Das, glaube ich, dient nicht dem Weg der schnelleren Vermittlung und dient auch nicht der Diskussion, die wir im Lande generell führen, die Vermittlung zu vereinfachen und auch zu beschleunigen.

(Harry Glawe, CDU: Da müssen wir die Strukturen besser zusammenführen.)

Die Gesetzesentwürfe der Bundesregierung sehen Einschnitte vor – das ist meine Hauptkritik –, sehen Einschnitte vor bei den Leistungen für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Hier ist das Ziel klar: Die Gesellschaft soll zu einem Funktionselement des Marktes umgestaltet werden. Das, glaube ich, wird mit vielen, vielen Irrtümern verbunden. Wir haben hier in diesem Parlament in der vergangenen Legislaturperiode oft darüber gesprochen. Vielen Ostdeutschen fehlt es nun wahrlich nicht am Arbeitswillen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Viele lechzen nach einem Job.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Sie wollen sich einbringen. Das haben wir, Herr Born, in verschiedenen Diskussionen hier debattiert. Es mangelt ganz einfach an Arbeitsplätzen.

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

Wohin die Arbeitssuchenden vermittelt werden können, auch da, Herr Glawe, stimmen wir in der Einschätzung überein.

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Und wenn es denn so ist, dass im Osten auf einen Arbeitsplatz 15 bis 25 Arbeitssuchende kommen,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

dann ist also die Situation klar beschrieben. Es soll dann aber derjenige bestraft werden, der ein Jobangebot 200 bis 400 Kilometer entfernt eben nicht annimmt. Und das halte ich nun wiederum für einen Weg, der nicht richtig ist. Wir sollten also tatsächlich darüber diskutieren – und da komme ich noch drauf –, was hier in MecklenburgVorpommern konkret zu leisten ist.

Wenn es also um Leistungskürzungen geht, um Einschnitte, dann besteht die Gefahr der Armut in einem Landstrich wie unserem. Und das, glaube ich, ist ein Weg, den wir nicht mitgehen sollten als MecklenburgVorpommern, weil das auch zur Kaufkraftvernichtung führt. Und diese Kaufkraftvernichtung können wir uns als Bundesland meines Erachtens tatsächlich nicht leisten.

(Beifall Andreas Bluhm, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

Ich nenne Stichworte: Wegfall des Anschlussunterhaltsgeldes, was also im Zusammenhang beispielsweise mit Bildungsmaßnahmen steht. Bisher ist es ja so, dass sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach einer Bildungsmaßnahme wieder verlängert. Das soll wegfallen, Maßnahmen werden da also angerechnet. Das Bemessungsentgelt für Arbeitslosengeld soll angepasst, also soll abgeschafft werden, das heißt, der Begriff der Dynamisierung wird wegfallen. Und es soll im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe das liquide Vermögen des Partners oder des Einzelnen abgesenkt werden. Das ist ein Weg, der meines Erachten dazu führt, dass auf Kosten der Ärmsten in der Gesellschaft gespart wird.

(Beifall Karsten Neumann, PDS, und Alexa Wien, PDS)

Außerdem sollen Zumutbarkeitsregeln verändert werden. Und über das Brückengeld ist gestern hier schon gesprochen worden, das will ich jetzt nicht weiter ausführen. Es wäre sicherlich ein Weg für Mecklenburg-Vorpommern im Sinne der alten Ruhestandsregelung, die Anfang der 90er Jahre bestanden hat. Aber wer will denn zur Hälfte des Leistungsgeldes, des Arbeitslosengeldes tatsächlich in den Ruhestand gehen? Das ist ja die spannende Frage, die jetzt im Vermittlungsausschuss übrigens auch auf der Kippe steht, ob denn dieses Brückengeld überhaupt eingeführt wird.

Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Born?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Dr. Born.

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Auffassung vertreten, dass eine Umsetzung des Hartz-Konzeptes eins zu eins zu einer Verarmung des Landes Mecklenburg-Vorpommern führen würde? Wenn ich es tatsächlich richtig verstanden habe, frage ich Sie erneut,

(Karsten Neumann, PDS: Ach, Herr Born, muss das sein?)

ob Sie damit die Position der Landesregierung wiedergeben.

(Karsten Neumann, PDS: Ach, Mensch!)

Es wird nicht zur Verarmung des Landes führen, sondern es besteht die Gefahr, dass einzelne Bürgerinnen und Bürger des Landes dadurch in die Armut getrieben werden. Das ist meine Überzeugung.

Und ist das die Position der Landesregierung, war meine Frage.

Über diesen Teil hat sich doch die Landesregierung nicht unterhalten.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Wir unterhalten uns nicht.)

Aber ich habe doch deutlich gemacht, dass ich Mitglied der Landesregierung bin.

Also, meine Damen und Herren von der Opposition, ich weiß ja, was Sie wollen.

(Norbert Baunach, SPD: Nicht drauf eingehen! Das kann man nicht.)

Die Frage habe ich beantwortet, Herr Born. Jetzt dürfen Sie gerne Platz nehmen.

Ich weiß doch, was Sie wollen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ehrlichkeit. – Zuruf von Regine Lück, PDS)

Ja, ich sage Ihnen hier ja meine Meinung, Herr Jäger, und das, glaube ich, haben Sie auch hier,...

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ihre Meinung ist nicht interessant, Herr Holter. Die Meinung der Landes- regierung ist interessant. Das ist das Entschei- dende. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Herr Rehberg, es ist doch nun mal so, dass jeder Minister, der hier steht, Mitglied der Landesregierung ist.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU – Harry Glawe, CDU: Das ist wahr! Das stimmt!)

Da können Sie davon ausgehen,...

Ja, auf Ihre Zwischenrufe und Ihre einfachen Dinge muss man auch mal so platt antworten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Ihre Überheblichkeit steht Ihnen überhaupt nicht zu Gesicht.)

Und deswegen die Frage, ob ich die Meinung der Landesregierung...

Es hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Ihre Rede war doch gestern auch eine Rede, wo Sie sozusagen uns vermitteln wollten, was soziale Marktwirtschaft ist. Meinen Sie nicht, dass wir diesen Unterricht nicht brauchen, Herr Rehberg?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Doch.)

Also wenn wir über Überheblichkeit sprechen, dann reden wir mal über ein paar andere Fragen hier. Das, was Sie wollen, die Landesregierung auseinander treiben, das wird Ihnen nicht gelingen. Wir haben unser Abstimmungsverhalten – Herr Timm, Sie wollten es ja wissen – für den Bundesrat bestimmt, was eben dazu führt, dass wir diesem Hartz-Konzept nicht zustimmen, weil es natürlich zwischen SPD und PDS unterschiedliche Auffassungen gibt. Das ist aber normal in einer Koalition, meine Damen und Herren. Das ist normal.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Siegfried Friese, SPD: Ja, richtig.)

Und deswegen machen Sie doch nicht aus einem normalen Zustand etwas Besonderes, mit dem man nicht umgehen kann!