Protocol of the Session on June 8, 2005

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Renz, CDU: Sie sind sich doch nicht mal in der Koalition einig!)

Wenn uns das gelingt, meine Damen und Herren, dann haben wir etwas gekonnt und die Bürgerinnen und Bürger im Ergebnis gewonnen. Und ich bin der Auffassung, so sollte es sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Das war ‘ne Büttenrede.)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat nun der Innenminister Herr Dr. Timm.

(Torsten Renz, CDU: Jetzt wird es konkret.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beobachten weltweit einen rasanten Globalisierungs- und Veränderungsprozess. Mit hoher Dynamik verändern sich die wirtschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen auf allen Kontinenten – auch und besonders in Europa. Wirtschaftlich unterentwickelte Nationen holen auf, wirtschaftliche Kraftzentren verlieren an Dynamik. Deutschland ist gegenwärtig auf der Verliererstrecke. Die Ursachen dafür sind nicht vom Himmel gefallen, sondern sind hausgemacht. Ein Problem für die erlahmende Dynamik in Deutschland ist die schwerfällige und veraltete staatliche Verwaltungsstruktur. Dazu gehört auch die föderale Struktur.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen heute den Gesetzentwurf zur Verwaltungsmodernisierung für das Land Mecklenburg-Vorpommern vorlegen zu können. Mit diesem Gesetz wollen wir dazu beitragen, dass unser Bundesland als strukturschwaches Bundesland zukunftsfähig wird: weniger Bürokratie, weniger Kosten in der Verwaltung, mehr Leistung, mehr Bürgernähe, bessere kommunale Selbstverwaltung. Mit einer Neuaufstellung der Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern, bei der weit über 120 Behörden aufgelöst werden, werden wir die Dynamik, die um uns herum für Entwicklung sorgt, auch langfristig für unser Land nutzbar machen.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass viele Institutionen und Parteien mit vielen Zielen und Maßnahmen der Verwaltungsreform einverstanden sind. Das gilt für die Ämterstrukturreform auf gemeindlicher Ebene, die nach der Vorbereitung in der Enquetekommission am 1.Januar 2005 in Kraft getreten ist. Das gilt für den Bereich der Deregulierung, das gilt für den Personalstellenabbau beim Land und das gilt auch für den Beschluss der Landesregierung von letzter Woche, wie ich gehört habe, die Zahl der obersten Landesbehörden von 32 auf 15 zu verringern. Übereinstimmung gibt es bei der Funktionalreform I, auch wenn einige betroffene Personalräte die Presse noch anders informieren, und bei der Funktionalreform II.

Es geht um eine Reform der öffentlichen Verwaltung an Haupt und Gliedern. Einziger Zankapfel ist die Frage, ob auch die kreisliche Ebene in die Reform mit einbezogen werden soll oder nicht. Der Landkreistag und mit ihm die Landkreise sagen Nein. Wir wollen so bleiben, wie wir sind, sagen sie.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Auf diese Seite hat sich auch die CDU geschlagen. Das aber, meine Damen und Herren, liegt nicht am Parteiprogramm der CDU, sondern daran, dass sie Opposition ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Einige CDU-Mitglieder sagen mir vertraulich und persönlich: Herr Minister, Ihr Weg ist ohne Alternative. Sie machen es richtig.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Namen, Namen! – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, nennen Sie die doch mal!)

Herr Dr. Jäger, die Namen kennen Sie auch selbst.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist unanständig, was Sie machen!)

Ein Blick nach Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, oder auch nach Sachsen zeigt, dass dann, wenn die CDU Regierungspartei ist, sprich, wenn sie also Verantwortung zu tragen hat, natürlich eine Kreisgebietsreform durchgeführt wird.

(Volker Schlotmann, SPD: Hört, hört!)

Interessant sind die Beschlüsse zum Beispiel der PDSLandesverbände, auch hier besonders in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dort spricht man von Regionalkreisen, in Thüringen jüngst von vier. All das war übrigens gestern auch im „Nordkurier“ zutreffend nachzulesen.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, PDS: Wer hat denn darauf hingewiesen?)

Meine Damen und Herren, insofern ist ein näherer Blick auf die Kreisstruktur in Mecklenburg-Vorpommern erforderlich. Bei der Kreisgebietsreform 1994 galt als ein wichtiger Maßstab, dass ein Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern in der Regel mehr als 100.000 Einwohner haben soll. Wenn wir uns heute die vier vorpommerschen Landkreise anschauen, stellen wir eine dramatische Entwicklung fest. Ich will Ihnen das mal an den Zahlen erläutern. Nordvorpommern hatte 1994 mehr als 117.000 Einwohner. Im Jahr 2020 – nach den Prognosen – wird es etwa 89.000 haben. In Ostvorpommern waren es 1994 mehr als 115.000, 2020 werden es circa 88.000 sein. In UeckerRandow sinkt die Zahl von 90.000 auf 53.000, in Rügen von 80.000 auf 59.000 Einwohner. Teilweise bedeutet das einen Einwohnerverlust in 30 Jahren von mehr als 40 Prozent.

(Zuruf von Gesine Skrzepski, CDU)

Die Entwicklung im mecklenburgischen Landesteil ist teilweise vergleichbar, teilweise sind die Verluste geringer.

(Wolfgang Riemann, CDU: Reden Sie doch nicht das Land schlecht!)

Der Kreis Bad Doberan, Herr Riemann, gewinnt sogar um 1,9 Prozent Einwohner hinzu, was allerdings im Wesentlichen dem Einwohnerverlust der Hansestadt Rostock geschuldet ist. Viele Kreise haben in Zukunft eine Einwohnerzahl, die mit einer mittelgroßen deutschen Stadt vergleichbar ist. Da muss jede Regierung handeln, wenn sie das Land handlungsfähig halten will. Dies ist das Gebot, das vor allem auch die Landesverfassung uns allen stellt.

Meine Damen und Herren, mit dem Einwohnerverlust haben wir einen massiven Rückgang an öffentlichen Finanzen zu erwarten. Darüber haben wir in diesem Hohen Haus, besonders mit Frau Finanzministerin Keler, schon häufig diskutieren müssen. Alle öffentlichen Haushalte müssen erheblich sparen, weil durch den Einwoh

nerverlust und vor allem durch das Auslaufen des Solidarpaktes für die neuen Länder ein massiver Rückgang an öffentlichen Finanzen zu erwarten ist. Allerdings ist es auch hier so, der Landkreistag sieht dieses anders.

In einem Schreiben an den Vorsitzenden des Sonderausschusses Herrn Müller schreibt der Geschäftsführer des Landkreistages Herr Dr. Meyer, dass diesbezügliche Ausführungen von mir, nämlich im Sonderausschuss, ich zitiere, „Erstaunen und Unverständnis in den Reihen der Landräte ausgelöst haben.“ Weiter heißt es in dem Schreiben: „Die Landkreise haben alle Instrumentarien ausgeschöpft“, um Personalausgaben zu reduzieren.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und er stellt fest, ich zitiere weiter, „bis auf Einzelfallsituationen das mögliche Einsparpotential weitgehend ausgeschöpft“ zu haben.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

In der Presse von gestern, Herr Dr. Jäger, war dies ja noch einmal mit anderen Worten wiederholt worden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig.)

Meine Damen und Herren, ab dem Jahr 2020 haben im Vergleich zu den finanzschwachen Flächenbundesländern West Land und Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern nur noch circa 95 Prozent der Steuereinnahmen zur Verfügung gegenüber diesen Ländern. Heute sind wir in diesem Vergleich bei über 120 Prozent. Wir wissen, und zwar durch das wissenschaftliche Gutachten von Professor Seitz,

(Heiterkeit und Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

dass durch die Verwaltungsreform in MecklenburgVorpommern in einer Berechnungszeit von 20 Jahren über 1 Milliarde Euro allein auf der Landkreisebene eingespart werden kann. Ich halte es für eine zentrale Aufgabe der Verbände, nicht nur ihre vermeintlichen Interessen bei Parlament und Regierung zu vertreten, sondern sich vor allem auch ein zutreffendes Bild von der Realität zu machen, in der wir leben. Wer das nicht tut, kann seine Mitglieder nicht vernünftig beraten und auch nicht zu vernünftigen Entscheidungen kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hinzu kommt, wir haben im Bereich der elektronischen Kommunikation eine technische Entwicklung beobachten können, die zentral das Verwaltungshandeln verändern und für die Verbesserung der Bürgernähe genutzt werden kann.

Weil dies alles die neuen Rahmenbedingungen für das Verwaltungshandeln auch in Mecklenburg-Vorpommern kennzeichnet, hat der Landtag am 12. Mai 2004 beschlossen, dass es eine umfassende Verwaltungsreform in Mecklenburg-Vorpommern geben soll. Dabei sollen die Kreise einbezogen werden, die kreisfreien Städte sollen eingekreist werden, die zukünftigen Kreise, die eine Vielzahl von Landesaufgaben übernehmen, sollen umfassende Planungs-, Entscheidungs-, Vollzugs- und Kontrollaufgaben wahrnehmen. Die kommunale Selbstverwaltung wird gestärkt.

Meine verehrten Damen und Herren, wir alle können uns der Dynamik, die um uns herum für Veränderungen

sorgt – und wir dürfen es auch nicht tun –, dieser Veränderungsdynamik nicht verschließen. Es gilt, die Ärmel aufzukrempeln und unser Land fit zu machen für die Zukunft. Dazu sind wir alle gemeinsam gefordert.

Ich habe am Mittwoch letzter Woche etliche Vertreter von Körperschaften, Verbänden und Institutionen aus Vorpommern nach Greifswald gebeten. Das hatte folgenden Grund:

(Wolfgang Riemann, CDU: Ich war nicht eingeladen.)

Bei der Anhörung des Regierungsentwurfes haben die Landkreise eine Gebietsreform abgelehnt. In vielen Zuschriften von Verbänden, Institutionen, Unternehmen und vor allem von vielen Bürgern, auch von Wissenschaftlern, wurde die Regierung aufgefordert, in Vorpommern einen einzigen Landkreis zu bilden. Ich wollte wissen, wie man in Vorpommern nun tatsächlich zu dieser Frage steht. Das Ergebnis dieser Anhörung ist deutlich: Weit überwiegend wird ein Kreis für ganz Vorpommern für sinnvoll gehalten. Eine Aufteilung in zwei Kreise fand deutlich weniger Befürworter. Ich leite Ihnen das Anhörungsergebnis zu und ich rege Sie an, besonders den Sonderausschuss,

(Wolfgang Riemann, CDU: Da haben Sie nur die Befürworter eingeladen.)

dass diese Fragen in formellen Anhörungsverfahren des Landtages besonders berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, die öffentliche Debatte, die ja nun schon seit über zwei Jahren in Mecklenburg-Vorpommern läuft, zeigt, dass es zwei Lager gibt beim Thema Verwaltungsreform. Die einen, die die Kreisgebietsreform ablehnen, sagen: Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ist der alte geblieben, eine Überarbeitung hat es nicht gegeben. Die anderen, die die Kreisgebietsreform nicht ablehnen, sagen anerkennend: Es gibt umfassende Veränderungen und Verbesserungen, die die gesamte Verwaltungsreform solide legitimieren werden.

Ich möchte Ihnen hier die wesentlichen Bereiche erwähnen, die wir umfassend überarbeitet und bei denen wir über 570 einzeln eingegangene Stellungnahmen aufgegriffen haben. Ein erstes Kapitel, ein erster großer Komplex sind die Finanzfragen. Mein Ministerium hat wie gesagt ein umfangreiches Gutachten bei Professor Seitz in Dresden in Auftrag gegeben. Darin kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass in den heutigen Strukturen die notwendigen Einsparungen für die Verwaltung der Zukunft nicht erzielt werden können. Die Einbeziehung auch der Kreise in die Verwaltungsreform ist unverzichtbar. Optimal seien in Zukunft vier Kreise und eine umfassende Verwaltungsund Funktionalreform, so der Gutachter, die natürlich mit einer umfassenden Verwaltungskostenminimierung, das heißt im Wesentlichen Stellenabbau beim Personal, einhergehen muss, und zwar beim Land und vor allem auch auf den beiden kommunalen Ebenen. Dieses Gutachten haben wir bei der Begründung berücksichtigt.

Außerdem haben wir, was die zukünftigen Finanzbeziehungen nach 2009 – also nach Eintritt in die neue Verwaltungsstruktur – betrifft, die Hinweise des Städte- und Gemeindetages aufgegriffen. Der Städte- und Gemeindetag schlägt für den Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen ein so genanntes 2-Quellen-Modell vor, bei dem der übertragende Wirkungskreis besonders ausgewiesen wird. Das schaffe mehr Transparenz und ist auch

nachvollziehbar. Weiterhin werden wir ein Gutachten der KGSt unterstützen, welche anhand eines zukünftigen Kreises einen Musterstellenplan erarbeitet. Dazu ist allerdings die Zustimmung des Landkreistages erforderlich, die unverständlicherweise bislang noch fehlt.