In Deutschland haben wir uns nun – der Bundestag im Jahr 2002, 1971 die erste Studie – endlich dazu durchgerungen, eine flächendeckende Untersuchung für die Hauptrisikogruppe von Frauen zwischen 50 und 69 Jahren einzuführen. Andere Länder sind schon wieder weiter als wir, denn auch für die Frauen in der vierten Lebensdekade, also von 40 bis 49, konnten Studien inzwischen aufzeigen, dass durch Früherkennung ein Benefit zu erreichen ist. Eine schwedische Studie zeigt, dass die Nutzung des Screenings für Frauen unter 50 sogar höher ist. Für Frauen unter 40 ist das Mammographie-Screening keine Lösung. Sowohl aus Machbarkeitsgründen als auch kosten-/nutzentechnisch betrachtet ist in dieser Altersgruppe eine Mammographie nur bei Hochrisikofrauen und zur Abklärung von Befunden sinnvoll. Um hier bessere Zahlen zu erreichen, müsste wieder wesentlich mehr in der Ursachenforschung getan werden. Das ist aber ein anderes Thema.
Wir können uns also einerseits darüber freuen, dass nun auch in Deutschland ein flächendeckendes Screening eingeführt wird, müssen aber aufgrund unseres Aufholbedarfs andererseits nicht in Jubel ausbrechen, wie unsere Bundesgesundheitsministerin das bei diesem Thema immer sehr gern tut, denn unsere Ansätze für verbesserte flächendeckende Früherkennungs- und Diagnostikmaßnahmen hinken im internationalen Vergleich mehr als zehn Jahre hinterher. Und noch immer ist in Deutschland offen, wann und in welcher Form endlich allen Frauen ein qualitätsgesichertes Angebot zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren, wenn wir wirklich erreichen wollen, dass in Deutschland jährlich 3.500 bis 4.000 Leben gerettet werden, dann kann dies nur durch Qualität und durch Akzeptanz bei Frauen und Ärzten geschafft werden. Und deshalb stellen wir auch den vorliegenden Änderungsantrag, der ebenso wie der parteiübergreifende Bundestagsbeschluss aus 2002 auf die Europäische Leitlinie abhebt. Abstriche, wie etwa durch die S3-Leitlinie oder die Krebsfrüherkennungsrichtlinie, darf es hier nicht geben.
Um es noch einmal zu unterstreichen, wo wir international stehen: Die Europäische Leitlinie zur Qualitätssicherung im Mammographie-Screening ist bereits 1993 erschienen. Inzwischen sind zwölf wertvolle Jahre vergangen und viele erkrankte Frauen sind verstorben. Und noch immer gibt es zahlreiche Ärzte, leider auch in unserem Bundesland, die vermitteln, dass die meisten Frauen den Tumor selbst finden, und merken dabei nicht, dass sie das beste Argument für ein Mammographie-Screening liefern, denn dieses findet den Tumor, bevor er tastbar ist.
Meine Damen und Herren, ich will versuchen, Ihnen in Kürze zu erläutern, warum wir den Europäischen Leitlinien einen so hohen Stellenwert beimessen. Sie beinhalten unter anderem
ein organisiertes Einladungssystem, das Information und Motivation der Patientinnen einschließt, – eine Doppelbefundung durch Mammographie-Spezialisten und gegebenenfalls auch eine Drittbefundung, – eine Abklärungsdiagnostik, – Follow-ups-Untersuchungen, – regelmäßige Evaluation und Bewertung der Ergebnisse,
umfassende Qualitätsprotokolle der physikalischen und technischen Ausstattung, – hochwertige radiologische, medizinisch-technische und pathologische Leitlinien, – Leitlinien für die Ausbildung aller Beteiligten, – Durchführung von multidisziplinären Fallkonferenzen – und die Sammlung von Dokumentationsdateien.
Die hier genannten Punkte sind eine Auswahl aus dem bereiten Spektrum ineinander greifender Maßnahmen, das an keiner Stelle unterbrochen werden darf, wenn im Ergebnis eine Senkung der Mortalitätsrate von 25 bis 30 Prozent stehen soll. Äußerungen einiger so genannter Experten und Screening-Kritiker lassen befürchten, dass in der Umsetzung doch noch versucht werden soll, die EU-Richtlinien zu umgehen. Deshalb halten wir es für notwendig, diesen Zusatz in den vorliegenden Antrag mit aufzunehmen, und bitten Sie um Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Herren, die flächendeckende Einführung eines qualitätsgesicherten MammographieScreenings ist nur ein Beitrag, um die Brustkrebssterblichkeit in Deutschland zu senken. Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge – in allen Bereichen liegt in Deutschland noch einiges im Argen und nur die konsequente Umsetzung europäischer und internationaler Leitlinien wird zu mehr Qualität und letztlich auch zu mehr Überleben führen.
An der Umsetzung sollten deshalb auch alle Beteiligt e n – Politiker, Wissenschaftler, Pharmaindustrie, Krankenkassen, Ärzte und vor allem die Betroffenen selbst – gemeinsam arbeiten, denn eines wollen wir sicher alle nicht, dass in Deutschland jeden Tag 50 Frauen an Brustkrebs sterben. Was wir alle gemeinsam wollen, ist, dass jeden Tag zehn Frauen mehr den Brustkrebs überleben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Vorredner und Vorrednerinnen haben mit Zahlen argumentiert und die sprechen für sich. Es sind brutale Zahlen, die mir schwer über die Lippen gehen. Ich habe überlegt, was sage ich zu diesem Thema an dieser Stelle, und habe einen Satz, der mir sehr nahe geht, bei Dietrich Bonhoeffer gefunden, den ich sehr verehre. Er schreibt: „Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern es ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlgeschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu ertragen, eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner lässt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt.“ Ich finde, genau darum geht es an dieser Stelle, eine Politik zu betreiben, die den Optimismus stärkt, Menschen Mut und Kraft gibt, die Zukunft für sich in Anspruch zu nehmen. Insofern ist dieser Antrag auch ein Signal, Menschen vor drohenden gesundheitlichen Gefahren weitestgehend zu schützen, Menschen im frühen Stadium einer aufgetretenen Erkrankung bestmögliche Bedingungen für deren Überwindung
zu schaffen und im besten Sinne des Wortes etwas für die Menschen in diesem Land, für die Frauen, für die Zukunft in diesem Land zu tun.
Es gibt bundesweit zwei große Präventionsprogramme. Das eine ist die Darmspiegelung – seit zwei Jahren wird diese durchgeführt – und das andere ist die Brustkrebsfrüherkennung. Von den Erfahrungen in den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden hat Frau Lochner-Borst gesprochen. Es ist, da sind wir völlig nah beieinander, höchste Zeit, dass wir auch ein flächendeckendes Mammographie-Screening mit den Kriterien der europäischen Leitlinien durchführen. Insofern darf ich für die PDS-Fraktion sagen, dass wir Ihrem Änderungsantrag zustimmen möchten.
Drei Hauptunterschiede des organisierten Screenings gibt es zur bisherigen Versorgung. Das eine ist das Herstellen des Bevölkerungsbezugs durch das Anschreiben der Frauen in der betroffenen Altersgruppe, das Aufbauen einer Kette von Qualitätssicherungsinstrumenten und die kontinuierliche Überprüfung der Wirksamkeit des Programms. Wichtig ist, und insofern möchte ich an dieser Stelle noch einmal dazu aufrufen, dass dieses Programm angenommen wird von den Frauen, dass wir so viel wie möglich Frauen erreichen und die Personen dieses Programm auch nutzen.
Fachleute von der kassenärztlichen Vereinigung sagen, dass wir mindestens – das ist auch Ihr Anspruch – 90 Prozent der Frauen im Alter von 50 bis 70 erreichen möchten. Ich betone diesen Appell an dieser Stelle deshalb so sehr, weil erste Erfahrungen in den Modellregionen, in Westfalen zum Beispiel, gezeigt haben, dass dieses Programm noch nicht in dem gewünschten Maße dort angenommen wurde. Es ist notwendig, dass Politik an dieser Stelle auch motiviert und Signale setzt.
Im Programm ist enthalten, dass im Verhältnis von einer Million Einwohnerinnen eine Einheit aufgebaut werden soll. Das wäre ein großes Problem für unser Flächenland, denn wichtig ist die Niederschwelligkeit, die Wege müssen vertretbar sein. Insofern freue ich mich, Frau Ministerin hat darauf Bezug genommen, dass wir mehrere Einheiten haben werden: Neubrandenburg, Greifswald, Schwerin und Rostock. Seitens der Rostocker liegen zwei Anträge vor. Hier gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den Tumorzentren, die auch gepflegt wird.
Ich möchte noch einmal zur Qualitätssicherung zurückkommen, Frau Lochner-Borst hat darauf auch Bezug genommen. Die Vorgaben der europäischen Leitlinien sind deshalb so wichtig, weil wir somit in der apparativen Ausstattung, in fachlicher Qualifikation und im interkollegialen Austausch dann auch die Normen erfüllen, die weltund europaweit Standard sind. Das Programm wird so gesehen zwei Komponenten haben, einmal die Seite der Leistungserbringung, darüber hat die Frau Ministerin gesprochen. Ich halte es schon für bemerkenswert, dass auch noch einmal unterstrichen wird, dass es für die befundenen Ärzte und Ärztinnen einen persönlich verantwortlichen Arzt gibt und somit auch konkret zuordbar ist, wer den Befund im Grunde genommen beschieden hat, und dass es ein enges Zusammenwirken gibt mit den vier bis fünf Referenzzentren, die bundesweit aufgebaut werden. Weiterhin gibt es die versicherungsorientierte Komponente, also die Einladung durch die zentrale Stelle beim MDK. Notwendig wird in dieser Beziehung sein, das Einwohnermeldegesetz zu ändern. Insofern möchte ich sei
tens der PDS-Fraktion in Abstimmung mit der SPD-Fraktion ankündigen, dass wir eine entsprechende Novelle des Einwohnermeldegesetzes für die Junisitzung des Landtages vorbereiten.
Ich möchte hervorheben, dass es im Land zu dieser Frage ein sehr sachliches und konstruktives Zusammenwirken zwischen der kassenärztlichen Vereinigung, den Krankenkassen und dem Sozialministerium gibt. Daran gilt es anzuknüpfen. Unser Land ist, was die Vorbereitung betrifft, mit Nordrhein-Westfalen an der Spitze in der Bundesrepublik. Lassen Sie uns diesen Vorsprung nutzen und ausbauen im Interesse der Frauen in diesem Land! Somit möchte ich auch für die Annahme dieses Antrages seitens der PDS-Fraktion werben. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete der SPD-Fraktion und Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Seemann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist den Vorrednern und Vorrednerinnen kaum noch etwas hinzuzufügen. Insbesondere, denke ich, Frau Lochner-Borst hat eine Rede gehalten, die alle Aspekte des Problems des Mammographie-Screenings enthalten hat. Vielleicht nur noch einige Informationen:
Hier ist schon darauf hingewiesen worden, dass andere Länder wie zum Beispiel Finnland, Schweden, die Niederlande und auch Großbritannien das MammographieScreening wesentlich früher eingeführt haben, und zwar in einem Zeitraum zwischen 1974 und 1979. Die Auswertungen dieser Ergebnisse machen deutlich, dass mit dem Mammographie-Screening die Sterblichkeit bei Brustkrebs erheblich gesenkt werden kann. In Großbritannien hat sich zum Beispiel seitdem die Zahl der Brustkrebstoten um 11,3 Prozent reduziert. Frau Lochner-Borst hat darauf schon hingewiesen, wir würden nach Angaben der WHO auch in Deutschland jährlich circa 3.500 Leben mit dem Mammographie-Screening retten können.
Ich denke, dass es für Mecklenburg-Vorpommern wichtig ist, dass wir uns in die Reihe der Länder Bayern – wobei Bayern erst noch hinsichtlich der Leitlinien den richtigen Weg finden muss –, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg einreihen und wirklich zu den Ländern gehören, die mit als erste Bundesländer Mammographie-Screenings mit Qualitätsstandards einführen. Denn wenn wir uns einmal überlegen, wir werden auch bis zum Ende diesen Jahres nicht einmal die Hälfte der 16 Bundesländer haben, die das Mammographie-Screening einführen, obwohl eigentlich die Vorgaben schon so lange gegeben sind. Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass wesentliche Voraussetzungen in Mecklenburg-Vorpommern für die Einführung des flächendeckenden Mammographie-Screenings erfüllt sind. Daran sollten wir anknüpfen. Auch ich hätte hier angekündigt, dass das Meldegesetz geändert werden muss und dass wir das demnächst in der Koalition machen werden. Wichtig ist natürlich auch, dass privat versicherte Frauen mit in dieses flächendeckende Mammographie-Screening einbezogen werden können.
Ich muss Ihnen sagen, ich freue mich, dass wir uns heute Morgen sehr einig über dieses Thema sind, weil das ein bedeutendes Thema für Frauen ist. Genauso wie für Männer eben Maßnahmen ergriffen werden müssen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Lungenkrebses. Das ist die häufigste Todesursache bei Krebserkrankungen von Männern. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für diese Zustimmung bedanken und betone noch einmal, dass die SPD-Fraktion dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmt. Allerdings, muss ich sagen, war das für uns im Antrag auch eine Selbstverständlichkeit, denn alle Vorüberlegungen, alle Absprachen, die bislang als Voraussetzung auf Bundesebene geführt worden sind, basieren natürlich auf diesem Qualitätsstandard.
Aber ich freue mich, dass wir über diesen Weg auch mit der Opposition eine Einigkeit hergestellt haben. – Vielen Dank.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1722 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1722 einstimmig angenommen.
Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1697 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich nun um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1697 mit den soeben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Familienpolitisches Leitbild für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in einem Familienprogramm für Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 4/1692.
Antrag der Fraktion der CDU: Familienpolitisches Leitbild für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in einem Familienprogramm für Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/1692 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute liegt Ihnen erneut ein CDU-Antrag aus dem Bereich Familienpolitik vor unter der Überschrift „Familienpolitisches Leitbild für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in einem Familienprogramm für Mecklenburg-Vorpommern“.
Wenn Sie sich an die letzte Landtagsdebatte erinnern, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dort hatte
schon die CDU-Fraktion das Thema Familienpolitik aufgegriffen. Wir hatten einen Familienpass beziehungsweise einen Wettbewerb zur kinder- und familienfreundlichsten Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern gefordert. Das wurde leider in diesem Hause abgelehnt. Aber Sie werden sich auch erinnern, dass ich schon damals versprochen habe, wir bleiben am Ball, wir bleiben am Thema dran und wir werden auch nicht aufgeben. Sie sehen, das Versprechen lösen wir heute ein, indem wir einen nächsten Antrag aus dem Bereich Familienpolitik hier im Landtag stellen.
Ich möchte es ganz deutlich an dieser Stelle sagen: Wir – die CDU – verstehen uns hier schon als Ideengeber, als treibende Kraft in diesem Bereich
(Jörg Heydorn, SPD: Ein komisches Verständnisproblem haben Sie, aber ein gravierendes Verständnisproblem!)