(Beifall Dr. Till Backhaus, SPD, und Reinhard Dankert, SPD – Dr. Till Backhaus, SPD: Genau. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)
Deshalb, denke ich, werden wir bei dem Leitbild für eine Familienpolitik in diesem Land auch schwer auf einen Nenner kommen.
Die Landesregierung fokussiert ihre Aktivitäten auf die Gestaltung einer nachhaltigen Familienpolitik mit direktem Blick auf die Probleme und Bedürfnisse der Familien. Sie unterstützt alle Anstrengungen von Bund, Kommunen, Verbänden, Gewerkschaften, Arbeitgebern für eine bevölkerungsbewusste Familienpolitik. Und hier liegt schon ein gewaltiger Unterschied zu Ihrem Ansatz, der etwas eindimensional ist, wenn Sie eine geburtenfokussierte Bevölkerungspolitik fordern. Ich denke, das ist unzureichend, denn das kann nicht primär Gegenstand staatlichen Handelns sein.
Nachhaltige Familienpolitik bedeutet, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass junge Menschen, dass Eltern und Kinder sich chancengleich entwickeln können.
Ich erinnere, dass Bundeskanzler Schröder im April auf der Familienkonferenz sagte, es gibt einfach Elternhäuser, in denen Kinder ohne Hilfe des Staates keine Chance auf Entwicklung und Förderung ihrer kindlichen Persönlichkeit haben.
Ich wollte einfach fragen, ob ich weitersprechen kann oder ob es jetzt eine Diskussionsrunde bei der CDU gibt.
(Dr. Till Backhaus, SPD: Schon wieder! Schon wieder! – Torsten Renz, CDU: Sie können immer sprechen.)
Es ist dies eine deutschlandtypische Aussage, eine Aussage, die so in anderen westeuropäischen Ländern
nicht zutrifft. Mit dieser Aussage des Bundeskanzlers wird das, was wir aus den Ergebnissen der PISA-Studie zur Kenntnis genommen haben, noch einmal bestärkt, dass es in Deutschland einen Zusammenhang gibt zwischen der sozialen Herkunft der Kinder, zwischen ihrem Bildungsstand sowie zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und ihrem Gesundheitszustand.
Nachhaltige Familienpolitik bedeutet deshalb ganz besonders in einer Gesellschaft mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit, mit dem geringsten Nettoeinkommen innerhalb der Bundesrepublik, den chancengleichen Zugang zu den zentralen Gütern Bildung und Gesundheit zu gewährleisten. Als Landesregierung, als Sozialministerium haben wir Investitionen in die soziale Infrastruktur gezielt dort getätigt, wo wir genau dieses Ziel erreichen können. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern das soziale Netz erhalten, stabilisiert und vervollkommnet. Das soziale Netz in einem dünn besiedelten Flächenland muss bewusst gestärkt werden. Ich denke an dieser Stelle an das soziale Netz Kindertagesbetreuung. Wir haben hier die flächendeckende Versorgung, wir haben einen hohen Versorgungsgrad. Es bedarf aber großer Anstrengungen, auch der kommunalen Vertreter, hier im Rahmen der Jugendhilfeplanung den Zugang für alle Kinder auch in der Zukunft zu sichern, indem dieses Netz erhalten bleibt. Es geht dabei um das Netz, aber es geht natürlich auch um die qualitative Leistung, die im Rahmen dieses Kindertagesbetreuungsnetzes erbracht wird. Und da sind wir gerade mit unseren Leistungen auch im Rahmen der vorschulischen Bildung, denke ich, auf einem guten Weg.
Wir sind aber auch auf einem guten Weg, die schulische Bildung neu zu gestalten, Schule als Bildungsstelle und als Lebensort und in diesem Sinne neben Kita, Schule, Ganztagsschule, Freizeit der Kinder und Jugendlichen im Bereich der Schule über die Jugendschule der Sozialarbeiter. Hier sind wir dabei, entscheidende Lebenswege der Kinder mit zu gestalten.
Wir haben neben diesem Erhalt, neben der Verbesserung des Netzes der Kindertagesbetreuung, der Schule auch immer zu bedenken, dass bei den Kindern sehr zeitig durch die äußeren Bedingungen entschieden wird, welchen Weg sie gehen. Es ist in Mecklenburg-Vorpommern so, dass bei uns nur 21,9 Prozent aller Schulabgänger das Abitur erwerben, im bundesdeutschen Durchschnitt sind das 38,9 Prozent. Ich denke, wir haben hier noch einiges zu leisten, um unsere hochgestellten Ziele zu erreichen.
Aber neben Bildung ist es entscheidend, dass alle Menschen Zugang haben zu den Leistungen des Gesundheitswesens. Auch das ist in einem flächendeckenden Land mit einer älter werdenden Bevölkerung, mit einer hohen Arbeitslosigkeit wieder eine große Leistung, die hier von der Landesregierung mit den Partnern des gesellschaftlichen Lebens erbracht wurde. Ich denke nur an die Voraussetzungen, die wir mit dem Krankenhausplan geschaffen haben für die gute medizinische Versorgung in der Fläche.
Wir haben aber, wenn wir über den Zugang zu den Leistungen des Gesundheitswesens sprechen, uns auch daran zu erinnern, dass es uns gelungen ist, Kindergesundheitsziele zu erarbeiten, zu entwickeln, sie rechtlich zu verankern und sie im täglichen Leben umzusetzen in den Kindertageseinrichtungen. Wir haben ein sehr gutes Netz der stationären Pflege für unsere älteren pflegebe
dürftigen Mitbürgerinnen und Mitbürger geschaffen. Das ist wichtig für die Frauen und Männer, die es betrifft, das ist aber auch wichtig für ihre Familien, die natürlich hier gerade zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein solches Netz dankbar in Anspruch nehmen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal erwähnen unsere sehr gut entwickelte Beratungstätigkeit, das hervorragende Netz der Schwangeren- und Familienberatung und etwas, was wenig im Blickfeld der Öffentlichkeit ist, nämlich die Stiftung für Frauen und Familien, die hilfsbedürftig sind. Im Jahr 2004 – das ist bekannt – wurden im Land etwa 12.500 Kinder geboren und 5.500 Frauen haben durch diese Stiftung Hilfe erhalten in durchschnittlicher Höhe von 480 Euro bei der Geburt eines Kindes. Das sind 44 Prozent der neugeborenen Kinder, die hier über ihre Eltern, über ihre Mütter durch die Stiftung eine finanzielle Unterstützung gewährt bekommen haben.
Insgesamt gibt das Land Mecklenburg-Vorpommern, gibt das Sozialministerium 122 Millionen Euro für familienpolitische Leistungen aus. Ich denke, die familienpolitische Bilanz des Landes kann sich sehen lassen. Ich wiederhole noch einmal: Sie dient dem chancengleichen Zugang zu den sozialen Leistungen des Bildungs- und Gesundheitswesens. Das ist allgemein bekannt. Wir müssen uns aber auch daran gewöhnen, dass damit eine bedeutsame arbeits- und wirtschaftspolitische Leistung erbracht wird, denn Zuschüsse in Höhe von 86 Mill i o n e n Euro für die Kindertagesbetreuung sind natürlich für unsere Kinder in den 1.000 Kitas, sie sind aber auch ein Beitrag zur Sicherung der Dauerarbeitsplätze von 8. 0 0 0 Erzieherinnen im Land. Oder wenn wir uns die Investitionen in die Krankenhäuser vergegenwärtigen, dann sind das natürlich Einrichtungen, die das Gesundheitswesen qualifizieren, es sind aber auch Mittel, die dauerhaft 19.000 Arbeitsplätze im Bereich der Krankenhäuser sichern. Und wenn ich dann noch an die 4.000 niedergelassenen Ärzte denke, die hier mit zu einem intakten Gesundheitswesen gehören, sind alle Investitionen, alle Zuschüsse zu dem Bereich des Sozialministeriums immer auch Leistungen, die dem Erhalt von Dauerarbeitsplätzen in unserer Gesellschaft dienen.
Die familienpolitischen Rahmenbedingungen, das wissen Sie, verehrte Abgeordnete, das wissen wir alle, setzt nicht nur das Land, die setzt auch der Bund, die setzen die Kommunen, die setzt die ganze Gesellschaft, die setzen auch die Unternehmen, indem sie Bedingungen schaffen, Familie und Beruf täglich vor Ort in Übereinstimmung zu bringen. Und hier ist immer wieder die Flexibilität der Unternehmer gefragt, in ihren Einrichtungen die erforderlichen Bedingungen zu schaffen. Weil das so ist, setzen wir auf die lokalen Bündnisse für Familien. Wir setzen bei diesen lokalen Bündnissen auch auf die Wirtschaft, auf Betriebe als reale Partner bei der Gestaltung einer familienfreundlichen Welt.
Es ist sehr erfreulich zu beobachten, dass gerade, Herr Glawe, nach einer Phase des Beobachtens, des Abwar
tens wir hier im Lande ein großes Interesse der Gemeinden feststellen können, der Unternehmen feststellen können
(Harry Glawe, CDU: Dann können Sie doch unserem Antrag auch zustimmen. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)
für die Initiative der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die sie im vergangenen Jahr gestartet hat und die auch bei uns im Lande Fuß fasst. Gerade heute tagt das 1. Rügener Familienforum. Ich wäre sehr gern dort, aber bin nun aufgrund der Debatten, die wir hier gemeinsam führen, hier.
Ich darf an die Kollegen der CDU noch einmal appellieren: Bringen Sie sich auch ein in diese Debatte!
(Harry Glawe, CDU: Sie reden doch zu unserem Antrag, Frau Ministerin. Sie müssten doch froh sein, wenn unserem Antrag zugestimmt würde, Frau Ministerin.)
Bringen Sie sich ein in Ihren Kommunen, in die lokalen Bündnisse und bringen Sie sich ein in die Familienkonferenz, die ich im Herbst diesen Jahres mit all den Partnern durchführe!
das heißt vor allem Offenheit für Familien, das heißt Offenheit für Kinder, das heißt Akzeptanz auch bei allen gesellschaftlichen Kräften, dass Kinder in unserem Land der Reichtum der Gesellschaft sind
und dass wir alle gemeinsam Verantwortung tragen, hier die Bedingungen zu gestalten, damit unsere Kinder sich gut entwickeln in ihren Familien. Dazu bedarf es einer Übereinkunft zwischen den Partnern, die an dieser großen zukunftsträchtigen Frage mitwirken.
(Harry Glawe, CDU: Das ist richtig gut, Frau Ministerin. Sie gefallen mir heute, Frau Ministerin. Sie gefallen mir richtig gut heute.)
Insofern, verehrte Abgeordnete der CDU, irritiert mich ungeheuer Ihr Antrag, weil er doch stark auf Staatsgläubigkeit setzt. Ich möchte ganz deutlich sagen, das Leitbild einer nachhaltigen Familienpolitik muss im realen facettenreichen Leben erarbeitet, erstritten und entwickelt werden. Der Antrag, den Sie heute hier vorgelegt haben, wird meines Erachtens der Vielfältigkeit des realen Lebens nicht gerecht.
Er ist mir für mein familienpolitisches Verständnis zu eng und ich plädiere deshalb dafür, diesen Antrag nicht anzunehmen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Harry Glawe, CDU: Das ist nicht fein. Nach Ihrer Rede hätte ich jetzt eigentlich Zustimmung erwartet. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)