Protocol of the Session on April 20, 2005

(Beifall Egbert Liskow, CDU, und Rainer Prachtl, CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau!)

Die Unternehmen müssen – und bei diesem Punkt sind wir jetzt angelangt – von sich selbst aufgrund der demographischen Entwicklung, die wir haben, die nun im Moment so ist, wie sie ist, familienfreundliche Politik machen,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Familienbewusste!)

um ihre eigenen Fachkräfte zu rekrutieren. Sie haben zwei Möglichkeiten, zum einen aus dem Bereich der älteren Arbeitnehmerschaft. Diesen Weg werden sie und müssen sie gehen.

(Barbara Borchardt, PDS: Also überlassen wir das dem Mann.)

Sie werden diese Arbeitnehmer nicht mehr mit 55 in den Vorruhestand schicken, sondern sie müssen sie einfach länger beschäftigen. Die zweite Möglichkeit ist, die jungen Mütter und Väter durch konkrete Maßnahmen an den Betrieb zu binden, aber aus einem Eigeninteresse heraus, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

(Andreas Bluhm, PDS: Also so was schwebt der CDU vor.)

Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir können als Politik dort nicht hineinregieren.

(Zuruf von Birgit Schwebs, PDS)

Wir können durch einzelne konkrete Projekte und Maßnahmen versuchen, das zu flankieren,

(Angelika Gramkow, PDS: Das tun wir!)

aber gesetzestechnisch, denke ich mal, sollte dieser Ansatz nicht übertrieben werden. Wir haben den zweiten Weg, die zweite Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Familie.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Was halten Sie denn von familienfreundlichen Kommunen?)

Hier haben Sie richtigerweise Punkte aufgezählt wie Ganztagsbetreuung, Steuererleichterung, Familiengeld et cetera. Aber ich sage Ihnen, aus unserer Sicht oder ganz konkret aus meiner Sicht sind das alles nur kleine Bausteine, um die Situation zu verbessern. Deswegen komme ich auch zu dem Punkt meiner ersten Ausführungen zurück. Wenn der Hauptweg, die Stoßrichtung nicht erkannt wird, dass wir eine Wende in den Köpfen brauchen,

(Beifall Egbert Liskow, CDU: Genau! – Zuruf von Karin Schmidt, PDS)

und wir die Zielrichtung und den Weg dort nicht klar definieren und versuchen, diesen Weg zu gehen, dann glaube ich, dass wir gesellschaftlich hier scheitern werden. Meine persönliche Vermutung ist, dass wir in der Politik die nächsten fünf bis zehn Jahre mehrheitlich das Thema Ganztagsbetreuung et cetera in den Vordergrund schieben werden

(Rudolf Borchert, SPD: Haben wir schon.)

und nach zehn Jahren dann zu dem Ergebnis kommen, es ist nicht der große Bringer, es ist nicht der große Renner. Und wenn es so einfach ist, wie der Kanzler formuliert, wir brauchen Betreuungsangebote rund um die Uhr und das wird das vordringliche Ziel der Politik sein, die Geburtenrate zu steigern, was im Moment noch nicht greift, dann glaube ich, dieser Kanzler irrt.

(Andreas Bluhm, PDS: Mit Glauben ist das immer so eine Sache.)

Wir haben gemeinsam festgestellt, dass wir in diesem Lande ausreichend Betreuungseinrichtungen haben. Wenn die Logik ist, dass in den Altbundesländern einfach die Betreuungseinrichtungen auch auf einen Betreuungsgrad von 90 bis 100 Prozent gebracht werden und wir damit die Geburtenrate steigern, dann, glaube ich, ist das der falsche Ansatz.

Ich möchte Sie an dieser Stelle noch einmal auffordern: Werben Sie für diesen Weg, dass wir Ja sagen zum Kind! Wir brauchen eine Wende in den Köpfen unserer Menschen,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist keine Maßnahme, sondern nur Reden.)

damit wir hier in diesem Land wieder vorankommen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Renz.

Das Wort hat jetzt die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Dr. Linke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinder und Familie sind das soziale Fundament einer Gesellschaft. Sie bestimmen damit die Gegenwart und sie bestimmen damit die Zukunft. Familien, das sind Orte, wo die Weichen dafür gestellt werden, wie die Kleinen sich im späteren Leben entwickeln. Familien, das sind Orte, wo die Älteren in Würde ihren Lebensabend verbringen. Familien, das zeigten die Debatten, die jetzt eben geführt wurden, sind geprägt durch Kinder. Und völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit oder zumindest wenig kommentiert ist Ende des vergangenen Jahres eine Zahl an die Öffentlichkeit gelangt, die die Weltbank publiziert hat, bei der deutlich wurde, dass Deutschland auf 1.000 Einwohner 8,7 Kinder hat und damit von den 190 analysierten Ländern den Platz 185 einnimmt. Das ist eine Position, die es sehr wichtig erscheinen lässt, dass wir uns heute mit diesem Thema in diesem Raum befassen.

Schauen wir uns noch einmal die Entwicklung der Kinderzahlen in Mecklenburg-Vorpommern an. Wir hatten 1990 eine Anzahl von 23.500 Lebendgeburten und im Jahre 1994 die schockierende Zahl von 8.900. Ich muss leider sagen, liebe Kollegen von der Opposition, die Sie hier so vehement kämpfen, das war nun einmal das Ergebnis einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik nach der deutschen Einheit,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

das war das Ergebnis der Deindustrialisierung.

(Harry Glawe, CDU: Machen Sie weiter so! – Zurufe von Wolfgang Riemann, CDU, und Torsten Koplin, PDS)

Dieser Schock, der hier die Frauen und Männer befallen hat, ein solcher Schock tritt in der Regel nach großen Weltkriegen ein, und das war ein solcher Einschnitt, der sich hier deutlich zeigte.

Gegenwärtig ist in Mecklenburg-Vorpommern die Anzahl der Geburten bei etwa 12.500 Kindern annähernd gleich bleibend.

(Torsten Koplin, PDS: Zukunftsängste sind das. – Harry Glawe, CDU: Ein Staat, der pleite war, konn- te nicht mehr weiterexistieren, Frau Ministerin. – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Diese Zahlen sind von der Landesregierung gründlich analysiert worden und wir haben sie als Landesregierung als eine Herausforderung angenommen.

(Harry Glawe, CDU: Ich kann mir nicht vor- stellen, dass Ihre Abteilung Ihnen das aufge- schrieben hat. Das ist Ihre eigene Analyse.)

Wir haben uns gemeinsam mit dem Koalitionspartner das Ziel gestellt, Mecklenburg-Vorpommern zu einem kinder- und familienfreundlichen Land zu entwickeln, weil wir die Zukunft unseres Landes hier wirklich aktiv gestalten wollen.

(Harry Glawe, CDU: Das hat Ihnen kein Abteilungsleiter aufgeschrieben. Das kann ich mir nicht vorstellen.)

Entscheidend, um eine solche Aufgabe zu bewältigen, sind natürlich zunächst einmal die persönlichen Entscheidungen der Frauen und Männer, aber sie bedürfen bestimmter Rahmenbedingungen. Wenn man sich gern persönlich für ein Kind entscheiden möchte, dann braucht man bestimmte Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen werden durch die Politik des Landes, des Bundes, aber auch durch die gesamte Gesellschaft, und zwar durch das Ansehen, das Kinder in der Gesellschaft haben, gestaltet.

Für uns ist es wichtig, das soziale Netz, das wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, zu erhalten, zu stabilisieren, zu qualifizieren. Das dient einmal der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das dient aber auch dazu, für die Kleinen oder für die Älteren hier wirklich entsprechend den Anforderungen, die die Persönlichkeit hat, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Das ist vor allem bei Kindern ihre harmonische Entwicklung und das sind bei älteren Bürgerinnen und Bürgern, das wollen wir bitte immer im Blick haben, wenn wir über Familie sprechen, die Bedingungen für ein würdevolles Altern.

Wir haben die Ergebnisse von PISA zur Kenntnis genommen und am Rande dieser Studie zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland einen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und ihrem Bildungsstand, der sozialen Herkunft der Kinder sowie ihrem Gesundheitszustand gibt. Ich muss sagen, das Kanzlerwort in seiner Rede hat mich schon sehr betroffen gemacht, als er davon sprach, dass es in Deutschland Elternhäuser gibt, in denen Kinder ohne Hilfe des Staates keine Chance auf Entwicklung und Förderung ihrer kindlichen Persönlichkeit haben. Und das ist etwas, was wir natürlich, wenn wir das soziale Netz gestalten, auch einfach immer mit im Blick haben müssen.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Wir haben uns als Landesregierung sehr engagiert für die Vervollkommnung der vorschulischen Bildung einge

setzt. Wir haben es geschafft, hier über die verbindlichen Rahmenpläne zu erreichen, dass es eine große Debatte in der Gesellschaft gab, dass die Kindertageseinrichtungen dieses sehr vehement, sehr engagiert aufgegriffen und durch ihre eigenen Erfahrungen und durch ihren eigenen Wissensschatz ergänzt haben. Ich bin sehr froh, dass wir im Land inzwischen bei etwa 11.000 Kindern diese vorschulische Bildung eingeführt haben. Wir sind auf einem guten Weg, dieses auch für die jüngeren Altersgruppen fortzusetzen. Wir haben als Landesregierung damit, so kann man es sagen, eine Bildungsoffensive gestaltet und begleitet.

(Torsten Renz, CDU: Für einen Jahrgang! Für einen Jahrgang!)

Inzwischen, darüber bin ich sehr froh, sind wir nicht mehr das einzige Land, das diese Fragen diskutiert,

(Torsten Renz, CDU: Sie sehen nicht die Bildung in Gänze, sondern Sie sammeln sich einige Punkte raus.)

sondern es sind auch andere Länder, die sich hier angeschlossen haben, die sich praktisch mit uns in einem Wettbewerb um eine gute Qualität der vorschulischen Bildung befinden.

Wir haben sehr engagiert das Konzept für die Schaffung von Ganztagsschulen aufgegriffen. Hierzu gehört natürlich auch das Programm der Schulsozialarbeiter, weil schulische Arbeit durch eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und durch ein pädagogisches Begleitprogramm ergänzt wird. Ich möchte aber zu dem sozialen Netz, das hier erforderlich ist, sagen, um das Land familien- und kinderfreundlich zu gestalten, gehört auch das Gesundheitswesen dazu. Ich möchte an dieser Stelle einfach stichwortmäßig nur das erwähnen, was wir im Zusammenhang mit dem Krankenhausplan und mit der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung hier auch in diesem Raum schon diskutiert haben. Es gehört eine ausgewogene Pflegestruktur im Land dazu und diese wurde in den letzten Jahren hier geschaffen.